Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorweggenommene Betriebsausgaben bei geplanter, aber nicht zustandegekommener Personengesellschaft

 

Leitsatz (NV)

Vergebliche Aufwendungen für vorbereitende Maßnahmen, die auf die Eröffnung eines von einer Personengesellschaft betriebenen Unternehmens abzielen, können vorweggenommene Betriebsausgaben darstellen.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 15 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren (1985 bis 1988) als Diplomingenieur für Bauwesen nichtselbständig und selbständig tätig.

Im Jahre 1982 stieß der Kläger -- er war damals noch ausschließlich Angestellter -- auf eine Zeitungsanzeige, in der Bauingenieure als tätige oder stille Teilhaber gesucht wurden. Er teilte dem Inserenten, der sich als der Kaufmann X herausstellte, daraufhin mit, daß er seit Jahren in der Baubranche tätig sei. Er könne sich daher eine tätige Teilhaberschaft genauso vorstellen wie eine stille. Im März 1982 fand ein erstes Gespräch zwischen dem Kläger und X statt, bei dem die Geschäftsaussichten der von X ins Auge gefaßten Tätigkeit (Planung und Vertrieb von ... -Bauten) erörtert wurden.

Nach Darstellung des Klägers schlug X ihm vor, ein Planungsbüro für ... -Bauten in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zu gründen. Auftraggeber der Planungsarbeiten sollte eine Firma Y sein. Der Kläger hat dem Finanzgericht (FG) die Kopie eines angeblich vom 8. April 1982 datierenden (Unterschriften und Datum fehlen) Werkvertrages (Rahmenvertrag) vorgelegt, in dem sich X unter der Bezeichnung "Firma X & Partner" verpflichtete, für die von der Firma Y geplante Fertigung von ... -Bauten die gesamte technische Planung zu übernehmen. Außerdem sollte X der Firma Y in einem Lizenzvertrag sein einschlägiges Know-how zur Nutzung zu überlassen haben.

Im Juni 1982 wurde ein Vertrag über die Gründung einer GbR zwischen dem Kläger und X entworfen und mehrfach wieder abgeändert. Er sah eine gemeinsame Geschäftsführung und Vertretung sowie Beteiligung beider Gesellschafter am Gewinn und Verlust sowie den stillen Reserven vor. Eine Einigung kam nicht zustande, weil der Kläger mit einer Vertragsklausel nicht einverstanden war, derzufolge dem Gesellschafter X die von ihm zu erbringende hälftige Einlage in Höhe von ... DM "für die von ihm erbrachten Vorleistungen und das damit verbundene Know- how" gutgeschrieben werden sollte.

Anstelle des geplanten Gesellschaftsvertrages schlossen X und der Kläger am 1. Juli 1982 einen auf sechs Monate befristeten Anstellungsvertrag. Die Tätigkeit des Klägers "als technischer Leiter des Planungsbüros" sollte beginnen, sobald dieser sein gegenwärtiges Arbeitsverhältnis beenden konnte, spätestens am 2. Januar 1983. Der Vertrag enthielt den Passus, er werde "in der ernsten Absicht geschlossen, bis spätestens 30. September 1982 einen Gesellschaftsvertrag in der Rechtsform einer GbR zu schließen". Ferner sah der Vertrag vor, daß der Kläger an die "Firma X & Partner" bis zum 1. August 1982 den Betrag von ... DM zahlen sollte. Bei Überschreitung des Zahlungstermins sollte der Arbeitsvertrag gegenstandslos sein. Der Betrag war beim Abschluß des Gesellschaftsvertrages auf die Einlage des Klägers anzurechnen. In diesem Fall sollten keine Zinsen geschuldet werden. Für den Fall, daß der Gesellschaftsvertrag nicht zustande kam, war der Betrag spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzuzahlen und mit einem Zinssatz von ... v. H. jährlich zu verzinsen.

Der Kläger überwies den vereinbarten Betrag im Juli 1982. Er nahm zur Finanzierung einen Bankkredit über ... DM auf, der seinerseits mit ... v. H. zu verzinsen war.

Anläßlich einer Besprechung vom 29. Oktober 1982 vereinbarten der Kläger und X, der Anstellungsvertrag solle aufgehoben und die beabsichtigte Beteiligung bis zum 31. März 1983 aufgeschoben werden. Dem Vorschlag des Klägers, tageweise für die "Firma X & Partner" tätig zu werden, stimmte X nicht zu, weil ihm das geforderte Arbeitsentgelt zu hoch war. Mit Schreiben vom 16. Januar 1983 teilte der Kläger X mit, daß er keine Chance mehr sehe, sich "mit und in der Firma X & Partner zu verwirklichen". Aus Gründen der wirtschaftlichen Sicherung seiner Zukunft als Selbständiger müsse er andere Wege gehen. Er bitte um Rücküberweisung des "Vorschusses auf die Gesellschaftereinlage". Darauf ließ X mit Schreiben vom Februar 1983 antworten, er sehe die Bemühungen um ein Gesellschaftsverhältnis nicht als gescheitert an. Mit Schreiben vom 12. Mai 1984 verlangte der Kläger erneut Rückzahlung des Vorschusses auf seine Gesellschaftereinlage. Da X nicht zahlte, verklagte ihn der Kläger beim Landgericht. Das durch bindende Verweisung zuständig gewordene Arbeitsgericht verurteilte X am 28. Juni 1988, den Betrag von ... DM zuzüglich ... v. H. Zinsen seit dem 1. August 1982 zu zahlen. Vollstreckungsversuche gegen X blieben erfolglos. Einer Kreditauskunft vom ... 1985 zufolge war X in Vermögensverfall geraten. Allein im Jahre 1987 ergingen gegen ihn mehr als zehn Haftbefehle zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gemäß § 807 der Zivilprozeßordnung (ZPO).

Darauf schrieb der Kläger seine Forderung in den Veranlagungszeiträumen 1985 und 1986 mit jährlichen Teilbeträgen in Höhe von je 20 Prozent bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit ab.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erkannte die Abschreibungen bei den Veranlagungen für die Streitjahre nicht an.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte nur insofern Erfolg, als das FG die vom Kläger gezahlten Refinanzierungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anerkannte.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Im Gegensatz zur Auffassung des FG ist der Verlust des Betrages in Höhe von ... DM steuermindernd zu berücksichtigen.

a) Der streitige Verlust führt zu Betriebsausgaben bei den Einkünften aus gewerblicher oder freiberuflicher Tätigkeit.

Da es zu einer Mitunternehmerschaft zwischen dem Kläger und X nicht gekommen ist, kann es sich nur um vergebliche Betriebsausgaben handeln, die einen Unterfall der vorweggenommenen bzw. vorab entstandenen Betriebsausgaben bilden (Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 4 Rdnr. 484). Es ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, daß Betriebsausgaben anfallen können, bevor im Rahmen einer Einkunftsart Einnahmen erzielt werden (BFH-Urteile vom 3. November 1961 VI 196/60 U, BFHE 74, 319, BStBl III 1962, 123; vom 29. November 1983 VIII R 160/82, BFHE 140, 216, BStBl II 1984, 307; vom 14. Juni 1988 VIII R 252/82, BFHE 154, 72, BStBl II 1988, 992). Die Aufwendungen können auch dann abziehbar sein, wenn es entgegen den Planungen des Steuerpflichtigen nicht zu den Einnahmen kommt, sofern nur eine erkennbare Beziehung zu den Einkünften besteht (BFH-Urteile in BFHE 74, 319, BStBl III 1962, 123; in BFHE 140, 216, BStBl II 1984, 307 m. w. N.; in BFHE 154, 72, BStBl II 1988, 992). Voraussetzung ist allerdings, daß nicht mit den Aufwendungen nur irgendeine, noch unsichere Einkommensquelle angestrebt wird, vielmehr muß zwischen den Aufwendungen und einer bestimmten Einkunftsart eine klar erkennbare Beziehung bestehen (BFH-Urteile in BFHE 74, 319, BStBl III 1962, 123; vom 18. Juli 1972 VIII R 12/68, BFHE 106, 513, BStBl II 1972, 930; in BFHE 154, 72, BStBl II 1988, 992).

Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für vorbereitende Maßnahmen, die auf die Eröffnung eines von einer Personengesellschaft zu betreibenden Unternehmens abzielen (BFH-Beschluß vom 17. Mai 1982 IV B 66/79, nicht veröffentlicht; FG Hamburg vom 9. April 1992 V 272/88, Entscheidungen der Finanzgerichte 1992, 521 rkr.). Zu Recht weist der Kläger darauf hin, daß auch schon vor Begründung der Mitunternehmerschaft vorweggenommene Betriebsausgaben anfallen können -- wie etwa Beratungskosten für die Gestaltung des Gesellschaftsvertrages -- (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 154, 72, BStBl II 1988, 992, 994 r. Sp.).

Im Streitfall fehlt es auch nicht an einem ausreichend klar erkennbaren Zusammenhang zwischen der Überlassung des Betrages von ... DM und einer Mitunternehmerschaft zwischen X und dem Kläger.

b) Eine Zuordnung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit scheidet aus. Der Kläger hat den Betrag nicht zur Verfügung gestellt, um seine Stellung als Angestellter der "Firma X & Partner" zu begründen oder zu festigen. Wie die Umstände des Streitfalls zeigen, war der "Anstellungsvertrag" allenfalls als Übergangsregelung gedacht. Dem Kläger kam es -- wie der Schriftverkehr mit X zeigt -- darauf an, sich beruflich "auf eigene Beine zu stellen".

c) Es ist vielmehr davon auszugehen, daß der Kläger den Betrag von ... DM dem X als Einlage zu einer später zu gründenden GbR überlassen hat. Die vom FG festgestellten Umstände zwingen auch zu dem Schluß, daß es sich bei dieser GbR um eine Mitunternehmerschaft handeln sollte. Dafür spricht der Vertragsentwurf vom Juni 1982, demzufolge der Kläger und X als Mitunternehmer zusammenarbeiten wollten. Auch der als "Zwischenlösung" bis zum Zustandekommen der Gesellschaft abgeschlossene "Arbeitsvertrag" sah vor, daß der Kläger technischer Leiter der "Firma X & Partner" sein sollte. Das von X geführte Planungsbüro trat auch bereits nach außen unter der Bezeichnung "Firma X und Partner" auf, wobei mit dem "Partner" des technisch nicht vorgebildeten X nur der Kläger gemeint gewesen sein kann. Wenn auch nicht auszuschließen ist, daß es dem X weniger auf den gemeinsamen Geschäftsbetrieb als auf die Vereinnahmung der Einlage des Klägers ankam, so hat das auf die -- allein maßgeblichen -- Motive des Klägers keinen Einfluß.

Der Senat verkennt nicht, daß der Kläger bereits in seinem ersten Schreiben an X darauf hingewiesen hatte, daß er sich eine stille Teilhaberschaft ebensogut vorstellen könne wie eine aktive. Im Laufe der Verhandlungen zeichnete sich zwischen X und dem Kläger jedoch ab, daß letzterer als Partner im gemeinsamen Unternehmen leitend tätig sein sollte. Dies spricht dafür, daß zum Zeitpunkt der Leistung der streitigen Einlage allenfalls noch eine atypisch stille Beteiligung des Klägers in Betracht kam.

d) Es spricht einiges dafür, daß der Verlust der Einlage den Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit zuzurechnen ist (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes). Die Frage kann jedoch dahinstehen, da sie steuerlich ohne Auswirkung bleibt. Selbst wenn der Kläger andere positive gewerbliche Einkünfte erzielt haben sollte, kommt eine gewerbesteuerliche Verrechnung der Einkünfte nicht in Betracht (vgl. Abschn. 19 der Gewerbesteuer-Richtlinien m. w. N.).

2. Die Sache ist nicht spruchreif.

Der Senat kann mangels entsprechender Feststellungen des FG nicht entscheiden, in welchem Jahr die endgültige Wertlosigkeit der Rückzahlungsforderung offenbar geworden ist. Es ist auch denkbar, daß der Kläger zunächst noch jedenfalls mit einer teilweisen Rückzahlung rechnete; dafür spricht seine Klage vor dem Landgericht. In diesem Fall könnte der Verlust nach und nach in mehreren Jahren eingetreten sein. Eine planmäßige Abschreibung, wie sie der Kläger in seinen Steuererklärungen vorgenommen hat, ist jedoch nicht möglich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65473

BFH/NV 1996, 461

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge