Leitsatz (amtlich)

Kann die Möglichkeit, daß der zwischen einem Vater und seinem erwachsenen Sohn abgeschlossene Vertrag nur dem Zweck nachträglicher Gewinnverlagerungen dient, nicht an Hand objektiv nach außen hin in Erscheinung tretender Umstände eindeutig ausgeschlossen werden, so sind an den Nachweis der betrieblichen Veranlassung strenge Anforderungen zu stellen. Gestaltung und Durchführung müssen dann dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Über das zwischen Fremden Übliche muß von vornherein Klarheit bestehen.

 

Orientierungssatz

1. Scheitern der steuerrechtlichen Anerkennung eines Tantiemeversprechens des Betriebsinhabers an seinen bei ihm als Arbeitnehmer beschäftigten erwachsenen Sohn an der fehlenden tatsächlichen Durchführung sowie an dem Vergleich mit dem zwischen Fremden Üblichen, weil die Tantiemen erst mit Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres nachträglich versprochen sowie teilweise überhaupt nicht und teilweise erst nach längerer Zeit ausbezahlt wurden.

2. Der Steuerpflichtige trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für Tatsachen, die den Abzug eines Tantiemenversprechens als betriebliche Verbindlichkeit dem Grunde und der Höhe nach rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil vom 7.7.1983 VII R 43/80).

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4; FGO § 96

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger betrieb in den Streitjahren 1972 - 1975 eine Dental-Feinmechanikerwerkstatt. Dort waren sein volljähriger Sohn, den das Finanzgericht (FG) dem Rechtsstreit beigeladen hat, und sechs weitere Arbeitnehmer beschäftigt. Der Sohn (Beigeladener) bezog sein Gehalt, Urlaubs- und Weihnachtsgeld wie die übrigen Arbeitnehmer auf Grund eines mündlich abgeschlossenen Arbeitsvertrages.

Im Jahre 1971 beschloß der Kläger, die Leistungen des Beigeladenen mit einer besonderen Zuwendung zu belohnen. Unter dem 18.Dezember 1971 schrieb er ihm deshalb u.a.:

"Lieber H, ... weil Du, abgesehen von der Erarbeitung neuerer Herstellungsmethoden ... im übrigen in selbständiger Arbeitsweise und einsatzbereit sehr fleißig warst, auch Dir Deine Arbeit sehr flott von der Hand ging, sowie 1 200 Überstunden bisher nicht vergütet worden sind, weshalb ich alle Kunden gut und kurzfristig zufriedenstellen konnte, bekommst Du für 1971 eine Sondervergütung von 15 000 DM, von denen Du bei Abrechnung Lohnsteuer und sonstige Abzüge selbst zu tragen hast.

Ich danke Dir hiermit für Deinen für mich erfolgreichen Arbeitseinsatz und hoffe, daß es in Zukunft so bleibt."

Am 31.Dezember 1972 richtete der Kläger folgendes Schreiben an den Beigeladenen:

"Lieber H] Im Jahre 1972 waren wir in unserer Werkstatt sehr mit Arbeit überhäuft und haben, da wir nicht die erforderlichen Arbeitskräfte bekommen konnten, Überstunden machen müssen. Da Du Dich mit viel Geschick für den Betrieb eingesetzt hast, konnten wir unsere Kunden im allgemeinen kurzfristig bedienen. Als Anerkennung hierfür bekommst Du für das Jahr 1972 eine Sondervergütung von 18 000 DM, von denen Du bei Abrechnung Lohnsteuer und sonstige Abzüge selbst tragen mußt.

Vielen Dank noch einmal für Deinen Fleiß und ich hoffe, daß es so bleibt."

Am 31.Dezember 1973 und am 31.Dezember 1974 schrieb der Kläger in ähnlicher Weise und versprach dem Beigeladenen Sondervergütungen von jeweils 18 000 DM. Ein weiteres Schreiben vom 31.Dezember 1975 lautete wie folgt:

"Lieber H] Du hast Dich auch im Jahre 1975 sehr aktiv bei mir im Betrieb eingesetzt. Das hat sich finanziell bemerkbar gemacht. Deine fachlichen Erfahrungen haben sich weiter vergrößert. Mir ist das bei der Entwicklung verschiedener neuer Artikel sehr nützlich gewesen. Durch Deinen ständigen Einsatz haben wir noch Kunden dazu bekommen. Eine Vergütung Deiner Überstunden ist bisher nicht erfolgt. Für das Jahr 1975 bekommst Du aus diesen Gründen eine Sondervergütung von 24 000 DM ...."

Der Schriftverkehr wurde durch eine von dem Kläger und dem Beigeladenen unterschriebene "Bestätigung" vom 20.Juli 1977 ergänzt, in der es wie folgt heißt:

"1. Die Tantiemen sind alsbald nach Zusage, auf Verlangen sofort, abzurechnen.

2. Nach Abrechnung sind die netto verbleibenden Beträge dem Darlehenskonto H gutzuschreiben oder auf Verlangen in bar oder mittels Überweisung auszuzahlen. Über das entsprechende Darlehen kann H, wenn nötig, ebenso verfügen.

3. Auf Verlangen wird das bestehende Darlehen mit 6 % verzinst."

Der Kläger bildete für die Tantiemeverbindlichkeiten gegenüber seinem Sohn in den Bilanzen der Jahre, für die er die Zahlungen versprochen hatte, Rückstellungen. Im einzelnen wurde die Tantieme für 1972 im Dezember 1973 und die Tantieme für 1973 im November 1974 ausbezahlt. Die Tantiemen für 1974 und 1975 waren am 31.Dezember 1977 noch nicht ausbezahlt. Die auf sie entfallenden Lohnsteuern und Sozialabgaben wurden jedoch im August 1977 abgeführt. Gleichzeitig wurden die verbleibenden Nettobeträge in den Büchern des Klägers auf ein "Darlehenskonto H" umgebucht. Dazu behauptet der Kläger, er habe mit seinem Sohn mündlich einen Darlehensvertrag abgeschlossen. Das Darlehen sei mit 5 v.H. zu verzinsen.

Der Kläger behandelte die Tantiemen als betriebliche Verbindlichkeiten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erhöhte die Gewinne des Klägers um die Tantiemen. Einspruch und Klage blieben erfolglos, soweit sie sich auf den im Revisionsverfahren allein noch streitigen Punkt beziehen.

Mit der Revision rügen die Kläger sinngemäß die Verletzung des § 4 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Sie beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Verträge unter nahen Angehörigen sind steuerrechtlich nur dann zu berücksichtigen, wenn sichergestellt ist, daß es sich um betrieblich veranlaßte Beziehungen und nicht um außerbetriebliche Zuwendungen handelt. Kann die Möglichkeit, daß der unter nahen Angehörigen abgeschlossene Vertrag nur dem Zweck nachträglicher Gewinnverlagerungen dient, nicht an Hand objektiv nach außen hin in Erscheinung tretender Umstände eindeutig ausgeschlossen werden, so sind an den Nachweis der betrieblichen Veranlassung strenge Anforderungen zu stellen. Gestaltung und Durchführung müssen dann dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Über das zwischen Fremden Übliche muß von vornherein Klarheit bestehen. Diese Voraussetzung ist in der Regel nur dann erfüllt, wenn die Vereinbarung objektiv erkennbar zu Beginn des Vertragsverhältnisses in der vorgeschriebenen bürgerlich-rechtlichen Form klar und eindeutig abgeschlossen wurde (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.September 1972 IV R 197/68, BFHE 107, 35, BStBl II 1972, 944). Außerdem muß die Vereinbarung tatsächlich durchgeführt werden (vgl. BFH-Urteil vom 14.Oktober 1981 I R 34/80, BFHE 134, 293, BStBl II 1982, 119).

2. Nach den vom FG getroffenen und mit Revisionsrügen nicht angefochtenen Feststellungen (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) wurden die Tantiemen vom Kläger mit Ablauf des Wirtschaftsjahres nachträglich versprochen. Es fehlte an einer von vornherein abgeschlossenen Rahmenvereinbarung, die für den Beigeladenen hätte Anreiz sein können, sich in besonderer Weise im Betrieb des Klägers einzusetzen. Die Tantiemen sollten Überstunden des Beigeladenen abgelten, die dieser ohne vorherige Vereinbarung über ein Entgelt abgeleistet hatte. Selbst bei Abgabe der Tantiemeversprechen blieben Art und Weise sowie der Zeitpunkt ihrer Erfüllung künftigen Vereinbarungen vorbehalten. Tatsächlich wurden die Tantiemen nicht zeitnah ausbezahlt, sondern als Darlehen stehengelassen. Nach der in das Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG aufgenommenen Darstellung des Klägers, auf die das angefochtene Urteil Bezug nimmt, sollten die stehengelassenen Darlehen ursprünglich nicht verzinst werden. Die Lohnsteuer und die Sozialabgaben auf die Tantieme wurden erst mehr als ein Jahr nach dem angeblichen Leistungszeitpunkt abgeführt. Diese Feststellungen lassen den vom FG konkludent gezogenen Schluß zu, daß die betriebliche Veranlassung des Tantiemeversprechens jedenfalls nicht offenkundig ist. Der Kläger gab ein Versprechen nur gegenüber dem Beigeladenen, nicht jedoch auch gegenüber seinen anderen Arbeitnehmern ab. Die Tantieme wurde neben einem Gehalt des Beigeladenen versprochen, das der Höhe nach bereits über dem der anderen Gesellen lag. Liquiditätsmäßig wurden die Tantiemen dem Betrieb des Klägers teilweise überhaupt nicht und teilweise erst nach längerer Zeit entzogen. Damit kann an Hand objektiv nach außen in Erscheinung tretender Umstände nicht eindeutig ausgeschlossen werden, daß die Tantiemeversprechen dem Ziel dienten, die Gewinne des Klägers auf den Beigeladenen zu verlagern.

3. Soweit die Kläger dem entgegenhalten, die zu Ehegattenarbeitsverhältnissen ergangene Rechtsprechung sei nicht ohne weiteres auf die Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern übertragbar, ist klarstellend darauf hinzuweisen, daß der BFH in der Vergangenheit zwischen Eheleuten regelmäßig gleichgerichtete Interessen vermutet und deshalb für diesen Bereich unabhängig von allen übrigen Umständen stets eine von vornherein abgeschlossene und klare Vereinbarung verlangt hat. Ob diese Rechtsprechung nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12.März 1985 1 BvR 571/81 u.a. (BVerfGE 69, 188, BStBl II 1985, 475) fortgeführt werden kann, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Jedenfalls müssen auch Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und ihrem erwachsenen Sohn grundsätzlich auf eine betriebliche Veranlassung hin überprüft werden, wenn die darauf beruhenden Leistungen als betrieblicher Aufwand geltend gemacht werden. Die an den Nachweis der betrieblichen Veranlassung zu stellenden Anforderungen sind um so höher, je weniger die Möglichkeit außerbetrieblicher Zuwendungen ausgeschlossen werden kann. Da im Streitfall die betriebliche Veranlassung der Tantiemeversprechen nicht offenkundig ist, gelten auch hier die vom BFH zu den Ehegattenarbeitsverhältnissen entwickelten strengen Anforderungen sinngemäß.

4. Entgegen der Auffassung des FG scheitert im Streitfall die steuerrechtliche Anerkennung des Tantiemeversprechens nicht nur an der fehlenden tatsächlichen Durchführung, sondern auch an dem Vergleich mit dem zwischen Fremden Üblichen. Ein Tantiemeversprechen, das neben dem laufenden Gehalt zugesagt wird, ist in erster Linie Anreiz für eine überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers. Die Tantieme wird deshalb üblicherweise zumindest in der Form einer ggf. arbeitsrechtlich unverbindlichen Rahmenvereinbarung zu einem Zeitpunkt versprochen, zu dem die Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers noch erwartet wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn --wie im Streitfall-- der Arbeitnehmer bis zu 1 200 nicht vergütete Überstunden pro Jahr leisten soll. Umgekehrt wird kein Arbeitnehmer 1 200 Überstunden pro Jahr erbringen, ohne zuvor eine klare Vereinbarung über die Art ihrer Vergütung getroffen zu haben. Mag auch die Vergütung von 1 200 Überstunden mit einer Tantieme in Höhe zwischen 15 000 DM und 24 000 DM angemessen sein, so bestand doch über das Angemessene keine Klarheit von vornherein. Die insoweit fehlende Klarheit deutet auf die Möglichkeit hin, daß die Überstunden des Beigeladenen einerseits und das Tantiemeversprechen des Klägers andererseits ihre alleinigen Veranlassungen im familiären (privaten) Bereich haben. Dies schließt die Feststellung der betrieblichen Veranlassung der Tantiemeversprechen aus. Letztlich sind damit die Tantiemeversprechen aus Gründen des fehlenden Nachweises ihrer betrieblichen Veranlassung als private Verbindlichkeiten zu behandeln. Insoweit trifft die Kläger die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Tatsachen, die den Abzug der Tantiemeversprechen als betriebliche Verbindlichkeit dem Grunde und der Höhe nach rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil vom 7.Juli 1983 VII R 43/80, BFHE 138, 527, BStBl II 1983, 760).

 

Fundstellen

Haufe-Index 60710

BStBl II 1986, 250

BFHE 145, 316

BFHE 1986, 316

BB 1986, 576-577 (ST)

DB 1986, 781-781 (ST)

DStR 1986, 195-196 (ST)

DStZ, Beihefter zu Nr 19/1986 (S)

HFR 1986, 353-354 (ST)

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