Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Folgen eines Feststellungsbescheids

 

Leitsatz (NV)

Nach Ergehen eines Gewinnfeststellungsbescheids kann vorläufiger Rechtsschutz gegen die Folgen der im Bescheid getroffenen Feststellungen nur durch Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids gewährt werden; ein Antrag auf Aussetzung des Einkommensteuerbescheids wegen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids ist unzulässig.

 

Normenkette

AO 1977 § 351 Abs. 2, § 361

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Arzt in eigener Praxis tätig. Er ist an einer gewerblich tätigen KG in Berlin beteiligt. Für diese Gesellschaft wurden für die Jahre 1975 bis 1977 Verluste sowie Verlustanteile des Klägers in bestimmter Höhe festgestellt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) paßte die Einkommensteuerbescheide des Klägers diesen Feststellungen an. Die KG erhob gegen die Gewinnfeststellungsbescheide Einspruch und beantragte Aussetzung der Vollziehung durch vorläufige Zuerkennung von Verlusten in größerer Höhe. Das zuständige Betriebs-FA wies diesen Antrag nach Darstellung des Klägers zurück; über die Beschwerde sei noch nicht entschieden.

Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide legte der Kläger Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung durch Berücksichtigung höherer Verlustanteile. Nach erfolglosem Vorverfahren erhob der Kläger Klage auf Gewährung der Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab, weil vorläufiger Rechtsschutz nur im Verfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid erlangt werden könne; entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei eine Klage gegenüber einem Folgebescheid unzulässig, mit der Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid erhoben würden.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen Rechts. Er vertritt die Auffassung, daß Klagen gegen den Grundlagen- und den Folgebescheid nebeneinander zulässig seien; die Entscheidung über die Klage gegen den Folgebescheid könne allerdings ausgesetzt werden. Dementsprechend hätte das FG auch die Entscheidung über den Aussetzungsantrag bis zur Entscheidung über den entsprechenden Antrag im Feststellungsverfahren aussetzen können. Dem Antrag hätte aber auch bis zu dem Zeitpunkt stattgegeben werden können, in dem über den Aussetzungsantrag im Feststellungsverfahren entschieden wird.

Der Kläger beantragt, das FA zu verpflichten, hinsichtlich der Einkommensteuer 1975 bis 1977 befristet Aussetzung der Vollziehung in bestimmter Höhe zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Senat kann offenlassen, ob eine Klage auf Aussetzung der Vollziehung angesichts der Sonderregelung in § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) überhaupt statthaft ist; hierzu ist der Große Senat des BFH angerufen (Beschluß vom 28. März 1984 I R 77/83, BFHE 141, 1, BStBl II 1984, 562). Selbst wenn man die Klage für statthaft hält, erweist sie sich im Streitfall doch aus anderen Gründen als unzulässig.

Nach § 182 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) sind Feststellungsbescheide, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für andere Steuerbescheide bindend, soweit die getroffenen Feststellungen für diese Steuerbescheide als Folgebescheide Bedeutung haben. Dem entspricht es, daß Rechtsschutz gegen die steuerlichen Folgen solcher Feststellungen durch Anfechtung des Feststellungsbescheids und vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids gewährt wird. Hiervon geht § 361 Abs. 3 AO 1977 mit der Bestimmung aus, daß die Vollziehung des Folgebescheids auszusetzen ist, wenn hinsichtlich des Grundlagenbescheids Ausssetzung der Vollziehung gewährt wurde. Nach Ergehen eines Gewinnfeststellungsbescheids kann deshalb die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids nicht wegen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Feststellungen ausgesetzt werden (Beschlüsse des BFH vom 5. März 1970 IV B 14/69, BFHE 98, 458, BStBl II 1970, 461; vom 1. August 1973 I B 29/73, BFHE 110, 177, BStBl II 1973, 854; vom 10. November 1977 IV B 33-34/76, BFHE 123, 412, BStBl II 1978, 15).

Zu Unrecht meint das FG, daß dem der BFH-Beschluß vom 27. September 1972 I B 27/72 (BFHE 107, 8, BStBl II 1973, 24) entgegenstehe. In dieser Entscheidung wird ausgeführt, daß die Anfechtungsklage gegen den Folgebescheid an sich zulässig sei, daß sie mit Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid aber keinen Erfolg haben könne, so daß die Aussetzung des Verfahrens bis zum Ergehen des Grundlagenbescheids geboten sei; in diesem Sinne haben sich auch spätere Entscheidungen geäußert (BFH-Urteile vom 3. Februar 1976 VIII R 29/71, BFHE 118, 135, BStBl II 1976, 396; vom 24. April 1979 VIII R 57/76, BFHE 128, 136, BStBl II 1979, 678). Diese Erwägungen haben für die Aussetzung der Vollziehung keine Bedeutung. Müßte die Anfechtungsklage gegen den Folgebescheid im gegenwärtigen Zeitpunkt als unbegründet abgewiesen werden, kann im Hinblick auf sie auch nicht die Vollziehung des Folgebescheids ausgesetzt werden (BFHE 123, 412, BStBl II 1978, 15). Ebenso kommt eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über den im Feststellungsverfahren der Gesellschaft gestellten Aussetzungsantrag nicht in Betracht. Die Aussetzung der Vollziehung im Feststellungs- und im Einkommensteuerverfahren steht nicht im Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid; die Verfahrensaussetzung wäre auch mit der Aufgabe des vom Kläger begehrten vorläufigen Rechtsschutzes nicht vereinbar. Ob an den angeführten BFH-Entscheidungen noch festgehalten werden kann, braucht deshalb im anhängigen Verfahren nicht überprüft zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413877

BFH/NV 1986, 709

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