Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung zwischen betrieblichen und privaten Schuldzinsen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Werden Eigenmittel für betriebliche Zwecke und deshalb Fremdmittel für private Zwecke verwendet, so sind die Schuldzinsen keine Betriebsausgaben.

2. Wird ein Kredit für private Zwecke aufgenommen, sind die Schuldzinsen auch dann keine Betriebsausgaben, wenn die Darlehensmittel zunächst auf ein dem betrieblichen Zahlungsverkehr dienendes Kontokorrentkonto geleitet und von dort der privaten Verwendung zugeführt werden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der mit seiner Ehefrau, der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, erzielte in den Streitjahren (1976 bis 1978) Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit als Arzt, die durch Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt wurden. Im Jahre 1975 hatte der Kläger mit dem Umbau seiner Praxis begonnen. Dafür wandte er bis Ende 1976 etwa 110 000 DM auf, die über das Kontokorrentkonto des Klägers bei der örtlichen Kreissparkasse bezahlt wurden. Danach wies das Konto im Januar 1976 einen Schuldsaldo von rd. 50 000 DM aus. Im Zusammenhang mit dem Praxisumbau hatte der Kläger schon 1975 mit der Kreissparkasse über die Gewährung eines Darlehens verhandelt. Dies führte dazu, daß der Kläger am 5.Dezember 1975 einen Schuldschein über ein Darlehen von 170 000 DM unterzeichnete. Vom Darlehensbetrag wurde am 29.Januar 1976 ein Teilbetrag von rd. 146 000 DM auf das Kontokorrentkonto des Klägers ausgezahlt, das danach ein Guthaben aufwies. Am 9.Februar 1976 zahlte der Kläger vom Kontokorrentkonto Einkommensteuerschulden in Höhe von 95 456 DM. Die Schuldzinsen auf das Darlehen über insgesamt 170 000 DM zog der Kläger bei der Ermittlung seines Gewinns als Betriebsausgaben ab.

Nach einer Betriebsprüfung stellte sich der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) auf den Standpunkt, 56 v.H. der Schuldzinsen seien nicht als Betriebsausgaben abziehbar, da 56 v.H. der Darlehenssumme zur Bestreitung privater Ausgaben, nämlich der Einkommensteuer verwendet worden seien. Demzufolge wurde der Gewinn für die Streitjahre in den entsprechend geänderten Steuerbescheiden höher angesetzt, nämlich um 9 014 DM für 1976, 6 615 DM für 1977 und 5 231 DM für 1978. Die Einsprüche dagegen blieben ohne Erfolg.

Demgegenüber stellte das Finanzgericht (FG) sich auf den Standpunkt, die streitigen Zinsen seien Betriebsausgaben. Maßgebend für die Beurteilung der betrieblichen Veranlassung sei nicht, daß der Kläger die Darlehensmittel teilweise für private Steuerzahlungen verwandt habe. Vielmehr sei entscheidend darauf abzustellen, für welchen Zweck das Darlehen im IV.Quartal 1975 aufgenommen worden sei. Das Darlehen sei insgesamt zu betrieblichen Zwecken aufgenommen worden, da die Mittel der Finanzierung des Umbaus und der Ablösung eines älteren Praxisdarlehens gedient hätten. Das FG setzte danach die Einkommensteuer für die Streitjahre nach Maßgabe des sich bei Abzug der streitigen Zinsen ergebenden Einkommens fest.

Dagegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs.2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassene Revision des FA. Die Revision richtet sich nur gegen den vom FG zugelassenen Abzug der streitigen Zinsen als Betriebsausgaben. Das FA hält daran fest, daß die Zinsen, die anteilig auf den tatsächlich zur Zahlung der Einkommensteuer verwandten Teil der Darlehensmittel entfallen, keine Betriebsausgaben seien.

Das FA beantragt sinngemäß, das FG-Urteil teilweise aufzuheben und die Einkommensteuer für die Streitjahre auf die Beträge festzusetzen, die sich bei Nichtabzug der streitigen Zinsbeträge ergeben.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kläger machen geltend, das Darlehen sei insgesamt zu betrieblichen Zwecken aufgenommen worden. Mit Rücksicht auf die Darlehensaufnahme bereits am 5.Dezember 1975 und die tatsächliche Höhe der Umbaukosten entbehre die Auffassung, das Darlehen sei (teilweise) zur Finanzierung der Einkommensteuerzahlungen aufgenommen worden, jeder tatsächlichen Grundlage.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des FG-Urteils und zur Festsetzung der Einkommensteuer für die Streitjahre entsprechend dem Antrag des FA (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO).

I.

1. Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs.4 EStG). Schuldzinsen sind danach, wie der Große Senat mit Beschluß vom 4.Juli 1990 GrS 2-3/88 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) klargestellt hat, grundsätzlich dann Betriebsausgaben, wenn sie für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlaßt ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Maßgebend ist dabei der tatsächliche Verwendungszweck des Darlehens. Werden Darlehensmittel nur teilweise für betriebliche Aufwendungen, im übrigen aber für außerbetriebliche Aufwendungen eingesetzt, so ist die Darlehensverbindlichkeit nur anteilig in dem der Verwendung des Darlehens für betriebliche Zwecke entsprechenden Umfang eine betriebliche Verbindlichkeit. Dies hat zur Folge, daß die für den Kredit entrichteten Zinsen auch nur anteilig entsprechend der tatsächlichen Mittelverwendung Betriebsausgaben sind (Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817).

2. Die vorstehend dargelegten Rechtsgrundsätze sind auch zu beachten, wenn Darlehensmittel tatsächlich für einen anderen als den ursprünglich vorgesehenen Zweck verwendet werden. Auch dann kommt es entscheidend auf die tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel an (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 10.Mai 1972 I R 220/70, BFHE 105, 480, BStBl II 1972, 620; Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 824).

II.

Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze im Streitfall führt zur teilweisen Aufhebung des FG-Urteils.

1. Der Kläger hat im Jahr 1975 Bauaufwendungen in Höhe von etwa 110 000 DM über sein Kontokorrentkonto bezahlt. Daraus ergab sich Anfang Januar 1976 ein Schuldsaldo von rd. 50 000 DM. Die Tilgung dieser Verbindlichkeit war ein betrieblicher Vorgang, da nach den tatsächlichen Feststellungen des FG der Schuldsaldo auf dem Kontokorrentkonto durch einen betrieblichen Vorgang, nämlich die Zahlung betrieblich veranlaßter Umbaukosten entstanden war.

Eine betriebliche Veranlassung für die Überweisung des darüber hinausgehenden Betrags von rd. (146 000 DM ./. rd. 50 000 DM =) 96 000 DM ist hingegen nicht erkennbar. Diese Beträge dienten weder erkennbar der Finanzierung weiterer Umbaukosten noch erkennbar der Finanzierung anderer betrieblicher Aufwendungen. Angesichts des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Eingang der Darlehensmittel und der Zahlung der Einkommensteuerschulden und der nahezu völligen betragsmäßigen Übereinstimmung der Beträge besteht auch eine wirtschaftliche Verbindung zwischen den Vorgängen in der Weise, daß die Überweisung der Darlehensmittel auf das Kontokorrentkonto insoweit durch die Zahlung der Einkommensteuer veranlaßt war. Somit ist davon auszugehen, daß das Darlehen insoweit, d.h. in Höhe von 56 v.H. von 170 000 DM, privat veranlaßt war (vgl. § 12 Nr.3 EStG) und daß demzufolge die anteilig darauf entfallenden Schuldzinsen keine Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs.4 EStG waren.

2. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei insgesamt ein Betrag von 170 000 DM für den Praxisumbau und die Tilgung eines älteren Praxisdarlehens verwendet worden. Tatsächlich hat der Kläger einen Teil der Umbaukosten im Jahre 1975 aus eigenen Mitteln gezahlt, insoweit also die Aufwendungen nicht mit Kredit finanziert. Wenn sich daraus die Notwendigkeit ergab, nunmehr private Aufwendungen, nämlich die Zahlung der Einkommensteuer (vgl. § 12 Nr.3 EStG) durch Kredit zu finanzieren, dann begründet dieser mittelbare Zusammenhang keine betriebliche Veranlassung der Kreditaufnahme. Der Große Senat hat in seinem Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 ausgeführt, daß der betriebliche Charakter von Schuldzinsen auch anzuerkennen sei, wenn der Unternehmer zunächst Barmittel dem Betrieb entnimmt und im Anschluß hieran betriebliche Aufwendungen durch Darlehen finanziert. Dem liegt der das Einkommensteuerrecht prägende und für die Zuordnung von Aufwendungen zum betrieblichen oder zum außerbetrieblichen Bereich maßgebende Veranlassungsgrundsatz zugrunde. Der Veranlassungsgrundsatz besagt aber auch, daß dann, wenn Darlehensmittel zur Finanzierung privater Aufwendungen verwendet werden, die so bestimmte Zuordnung zum außerbetrieblichen Bereich nicht deshalb entfällt, weil im Betrieb vorhandene Eigenmittel für betriebliche Zwecke verwendet werden und deshalb private Aufwendungen nicht durch Entnahmen aus dem Betrieb, sondern durch Darlehen finanziert werden.

Das Urteil des FG, das von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, mußte deshalb teilweise aufgehoben werden.

Die Sache ist spruchreif. Das zu versteuernde Einkommen erhöht sich für die Streitjahre um die Zinsbeträge, die das FG als Betriebsausgaben abgezogen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63944

BFH/NV 1991, 43

BStBl II 1991, 514

BFHE 163, 551

BFHE 1991, 551

BB 1991, 1549

BB 1991, 15491550 (LT)

DB 1991, 1308 (LT)

DStZ 1991, 471 (KT)

HFR 1991, 468 (LT)

StE 1991, 190 (K)

WPg 1991, 510 (S)

StRK, R.230 (LT)

FR 1991, 416 (KT)

Information StW 1991, 332 (T)

NWB, Fach 3 7913 (27/1991) (T)

RWP 1991, 1206 SG 1.3 3649 (KT)

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