Entscheidungsstichwort (Thema)

Stiller Gesellschafter als Mitunternehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein stiller Gesellschafter einer GmbH & Co. KG, der zugleich Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist und als solcher auch die Geschäfte der KG führt, ist auch dann Mitunternehmer der KG, wenn er nicht an den stillen Reserven der KG beteiligt ist.

 

Orientierungssatz

Mitunternehmerinitiative in einen besonders ausgeprägten Umfang liegt auch dann vor, wenn ein Gesellschafter als Geschäftsführer seiner Personengesellschaft für Rechtsgeschäfte, die über den Rahmen üblicher Geschäftsvorfälle hinausgehen, einer Zustimmung der übrigen Gesellschafter in Form eines Gesellschafterbeschlusses bedarf.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Sie wurde am 19.Juli 1976 gegründet. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die N-GmbH (Beigeladene zu 1) ―GmbH―. Einzige Kommanditistin ist Frau N, die Beigeladene zu 2 und Ehefrau des Beigeladenen zu 3 U.N. Die GmbH ist Geschäftsführerin der Klägerin. Zu allen Geschäften, die außerhalb des üblichen Geschäftsverkehrs anfallen, bedarf sie der Zustimmung aller Gesellschafter. Stirbt Frau N, geht ihr Kommanditanteil auf ihren Ehemann über.

An der GmbH sind U.N. mit 2 000 DM, dessen Mutter mit 10 000 DM und Frau N mit 8 000 DM beteiligt. Geschäftsführer der GmbH ist U.N. Sein Geschäftsführergehalt beträgt monatlich 15 000 DM. Die Gesellschafterversammlung kann ihm eine zusätzliche Tantieme gewähren. Der Anstellungsvertrag ist mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres kündbar. Sterben Frau N oder die Mutter von U.N., gehen deren Geschäftsanteile auf U.N. über.

U.N. betrieb vor den Streitjahren (1976 bis 1978) auf einem Erbbaugrundstück einen Kfz-Handel und eine Kfz-Reparaturwerkstatt. Am 20.Juli 1976 übertrug U.N. das gesamte bewegliche Betriebsvermögen dieses Unternehmens einschließlich der Forderungen und Verbindlichkeiten mit Ausnahme der auf dem Betriebsgrundstück ruhenden Hypotheken und sonstigen Verbindlichkeiten auf die Klägerin. Diese trat auch in die bestehenden Arbeits- und Versicherungsverträge ein. Als Kaufpreis wurde ein Betrag in Höhe des Eigenkapitals am 31.Dezember 1975 zuzüglich 30 460 DM vereinbart.

In einem auf den 26.Februar 1976 datierten Vertrag wurde vereinbart, daß sich U.N. an der Klägerin als typisch stiller Gesellschafter mit einer Einlage in Höhe von 250 000 DM beteiligt. Die Einlage wurde durch Verrechnung mit der Kaufpreisforderung erbracht. In dem Vertrag wurde weiter bestimmt, daß der Betrieb der Klägerin nur mit Einwilligung von U.N. eingestellt, aufgegeben, verpachtet, veräußert und übertragen werden darf. U.N. ist als stiller Gesellschafter mit 30 v.H. am Gewinn und Verlust der Klägerin beteiligt, am Verlust jedoch nur bis zur Höhe seiner Einlage. Über sein Guthaben auf dem Verrechnungskonto kann U.N. frei verfügen. Bei Beendigung der stillen Gesellschaft wird U.N. in Höhe seiner Einlage ohne Berücksichtigung von stillen Reserven abgefunden.

Mit auf den 16.Januar 1976 datierten Mietvertrag vermietete U.N. die Gebäude und sonstigen Einrichtungsgegenstände auf dem Erbbaugrundstück an die Klägerin. Als Mietzins wurden monatlich 2 500 DM zuzüglich Erbbauzinsen und Umsatzsteuer vereinbart.

Bei ihrer Gewinnermittlung für die Streitjahre zog die Klägerin folgende Zahlungen an U.N. (Geschäftsführergehalt, Gewinnanteil stiller Gesellschafter und Grundstücksmiete) als Betriebsausgaben ab:

1976 196 728 DM

1977 198 164 DM

1978 190 564 DM.

Die Klägerin erstellte auf den 1.Januar 1976 eine Eröffnungsbilanz. Sie rechnete sich den Gewinn des Jahres 1976 in vollem Umfang zu. Auf einem für U.N. bei der Klägerin geführten Verrechnungskonto wurden folgende Schulden des U.N. ausgewiesen:

31.Dezember 1976 123 616,16 DM

31.Dezember 1977 101 913,77 DM

31.Dezember 1978 28 802,23 DM.

Unter Berücksichtigung dieser Betriebsausgaben erklärte die Klägerin für die Streitjahre folgende Gewinne:

1976 189 026 DM

1977 196 387 DM

1978 170 987 DM.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) den Beigeladenen zu 3 (U.N.) als atypisch stillen Gesellschafter. Dementsprechend erhöhte er die Gewinne der Klägerin um die Geschäftsführergehälter, die Gewinnanteile aus der stillen Beteiligung und die Mietzahlungen. In dem anschließenden Einspruchsverfahren wurde der Gewinn des Streitjahres 1976 im Einvernehmen mit der Klägerin halbiert und zur Hälfte dem Einzelunternehmen U.N. und zur Hälfte der Klägerin zugerechnet. Im übrigen hatte der Einspruch keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Beigeladene U.N. in den Streitjahren (1976 bis 1978) Mitunternehmer der Klägerin war.

1. Mitunternehmer ist, wer als Gesellschafter einer Personengesellschaft oder als Teilhaber einer einer Personengesellschaft wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaft Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann (vgl. u.a. Beschluß des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751).

Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände (Gesamtbetrachtung) zu würdigen (BFH-Urteil vom 19.Februar 1981 IV R 152/76, BFHE 133, 180, BStBl II 1981, 602). Die Merkmale Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative müssen beide vorliegen, sie können aber im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 14.August 1986 IV R 131/84, BFHE 147, 432, BStBl II 1987, 60) und sind daher bedingt kompensierbar. Mitunternehmer kann auch sein, wer geringes Mitunternehmerrisiko trägt, aber ausgeprägte Mitunternehmerinitiative entfalten kann (L.Schmidt, Einkommensteuergesetz, 9.Aufl., § 15 Anm.49 c mit Rechtsprechungshinweisen).

2. U.N. war Gesellschafter der Klägerin; denn er war an ihr als stiller Gesellschafter beteiligt. Das ist unstreitig.

3. U.N. hat als Gesellschafter der Klägerin auch Mitunternehmerrisiko getragen.

a) Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche Teilnahme am Erfolg oder Mißerfolg eines Unternehmens (BFH-Urteil vom 9.Oktober 1986 IV R 235/84, BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124). Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Gesellschaftsvermögens einschließlich des Geschäftswerts vermittelt (BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124).

b) U.N. war in den Streitjahren am Gewinn der Klägerin mit 30 v.H. beteiligt.

aa) Unschädlich ist, daß diese Gewinnbeteiligung nicht der kapitalmäßigen Beteiligung des U.N. entsprach. Denn für die Frage, ob ein Gesellschafter einer Personengesellschaft Mitunternehmerrisiko trägt, kommt es nicht darauf an, ob die gewinnmäßige und die kapitalmäßige Beteiligung verhältnismäßig übereinstimmen.

bb) Der Annahme von Mitunternehmerrisiko steht im Streitfall nicht entgegen, daß U.N. in keinem Fall an den stillen Reserven der Klägerin beteiligt ist.

Zwar trägt ein Gesellschafter Mitunternehmerrisiko in der Regel nur dann, wenn er auch an den stillen Reserven ―zumindest im Fall der Beendigung der Personengesellschaft― beteiligt ist. Ein Gesellschafter kann aber ―wie oben dargelegt― auch ohne Beteiligung an den stillen Reserven Unternehmer sein, wenn bei ihm die Möglichkeit der Entfaltung von Mitunternehmerinitiative besonders stark ausgeprägt ist. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall vor, wie sich aus den Ausführungen unter 4. ergibt.

4. Mitunternehmerinitiative bedeutet in erster Linie Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. einem Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung oder als Geschäftsführer, Prokurist oder leitenden Angestellten obliegen (BFH-Entscheidungen in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; vom 15.Juli 1986 VIII R 154/85, BFHE 147, 334, BStBl II 1986, 896; vom 14.August 1986 IV R 131/84, BFHE 147, 432, BStBl II 1987, 60; in BFHE 148, 42,BStBl II 1987, 124).

Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 6.Mai 1986 VIII R 300/82, BFHE 147, 308, BStBl II 1986, 891) genügt es für die Annahme von Mitunternehmerinitiative, wenn der Gesellschafter die Möglichkeit hat, seine Gesellschaftsrechte, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten eines Kommanditisten angenähert sein müssen, auszuüben. Daraus folgt, daß bei einem Gesellschafter, der darüber hinaus als alleiniger Geschäftsführer die Geschicke des Unternehmens der Gesellschaft bestimmt, die Möglichkeit der Entfaltung von Mitunternehmerinitiative besonders stark ausgeprägt ist.

Mit diesen Grundsätzen stimmt die Entscheidung des IV.Senats des BFH vom 28.Januar 1982 IV R 197/79 (BFHE 135, 297, BStBl II 1982, 389) überein. Hier sind Gesellschafter, die weder am Verlust noch an den stillen Reserven beteiligt waren, als Mitunternehmer angesehen worden, weil sie die Möglichkeit hatten, wie ein Unternehmer auf das Schicksal des Unternehmens einzuwirken.

U.N. führte als Gesellschafter der Klägerin über seine Eigenschaft als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH die Geschäfte der Klägerin. Er konnte demzufolge in einem besonders starken Maße bei der Klägerin Mitunternehmerinitiative entfalten.

5. Die Einwendungen der Revision gegen die Annahme von Mitunternehmerinitiative schlagen nicht durch.

a) Die Auffassung der Klägerin, die Mitunternehmerstellung des Beigeladenen zu 3 (U.N.) dürfe nur anhand des Vertrags über die stille Gesellschaft beurteilt werden, ist unzutreffend. Wie oben ausgeführt, ist eine Gesamtbildbetrachtung maßgebend.

b) Soweit die Revision meint, U.N. sei kein Mitunternehmer, weil seine Stellung durch bestimmte Umstände (Informations- und Kontrollrechte sind nur höchstpersönlich wahrnehmbar, kein Widerspruchsrecht nach § 164 des Handelsgesetzbuches ―HGB―, Wettbewerbsverbot) vom Leitbild eines stillen Gesellschafters oder Kommanditisten abweiche, verkennt sie, daß U.N. infolge seiner Geschäftsführerbefugnis hinsichtlich des Merkmals der Mitunternehmerinitiative eine weitaus stärkere Stellung hat als ein stiller Gesellschafter oder Kommanditist.

c) Unerheblich ist auch, ob der Beigeladene zu 3 einen beherrschenden Einfluß auf die Klägerin ausüben konnte und ob ihm dieser Einfluß nur durch eine Änderung der Gesellschaftsverträge oder auch auf andere Weise hätte entzogen werden können. Denn für die Annahme von Mitunternehmerinitiative ist kein beherrschender Einfluß erforderlich.

d) Unschädlich für die Mitunternehmerstellung des Beigeladenen zu 3 sind auch die vom FG festgestellten bzw. von der Klägerin behaupteten Beschränkungen der Geschäftsführerbefugnis. Denn Mitunternehmerinitiative in einem besonders ausgeprägten Umfang liegt auch dann vor, wenn ein Gesellschafter als Geschäftsführer seiner Personengesellschaft für Rechtsgeschäfte, die über den Rahmen üblicher Geschäftsvorfälle hinausgehen, einer Zustimmung der übrigen Gesellschafter in Form eines Gesellschafterbeschlusses bedarf.

e) Die Möglichkeit der Entfaltung einer stark ausgeprägten Mitunternehmerinitiative infolge der Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen zu 3 wird auch nicht dadurch beeinflußt, daß die übrigen Gesellschafter der Komplementär-GmbH die Möglichkeit haben, dem Beigeladenen zu 3 durch Gesellschafterbeschluß die Geschäftsführung zu entziehen. Solange dies nicht geschieht, hat der Beigeladene U.N. die Möglichkeit der Entfaltung einer stark ausgeprägten Mitunternehmerinitiative.

Aus diesem Grunde spielt es auch keine Rolle, ob durch einen Händlervertrag mit X ein Wechsel in der Geschäftsführung der Komplementär-GmbH von der Zustimmung von X abhängig ist oder nicht. Die Verfahrensrüge, das FG sei fälschlicherweise vom Bestehen des Händlervertrags auch in den Streitjahren 1976 und 1977 ausgegangen, ist daher unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63193

BFH/NV 1991, 34

BFHE 163, 336

BFHE 1991, 336

BB 1991, 1022

BB 1991, 1022-1023 (LT)

DB 1991, 1052-1054 (LT)

HFR 1991, 400 (LT)

StE 1991, 150 (K)

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