Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Begriff Gebäudeeinheit bei Anwendung des § 7 b EStG.

Bei enger bautechnischer Verbindung von Wohn- und Verwaltungsräumen bestehen keine selbständigen Gebäudeeinheiten.

 

Normenkette

EStG § 7b/1

 

Tatbestand

Die Bfin., eine OHG, hat in den Jahren 1955 und 1956 einen zweigeschossigen Verwaltungs- und Wohnungsbau errichtet, der zum Teil unterkellert ist. Die Außenfassade ist einheitlich gestaltet. Der umbaute Raum beträgt etwa 268 qm. Davon entfallen 141 qm auf gewerbliche Räume und 127 qm auf die Wohnung eines Teilhabers. Der Wohn- und Verwaltungsteil sind im Inneren durch eine 24 cm starke Mauer getrennt, die im Keller- und im Erdgeschoß auf einer Länge von etwa 3,5 m um 2 m seitlich in die Verwaltungsräume versetzt ist. Sie bildet im Erdgeschoß die Abschlußwand für ein Konferenzzimmer der Firma, das innerhalb der Wohnung des Teilhabers liegt und das von den übrigen Verwaltungsräumen aus betreten werden kann. Im Keller sind der Wohn- und Verwaltungsteil durch zwei Türen verbunden, während es im Obergeschoß an einem unmittelbaren Durchgang fehlt. Im Keller des Hauses liegen die einheitlichen Versorgungsanlagen (ölheizung und Warmwasserversorgung); außerdem befinden sich dort je eine Gasuhr für den privaten und betrieblichen Verbrauch sowie ein Wassermesser, der den Wasserverbrauch für den privaten und für den gewerblichen Teil einheitlich anzeigt. Der 10.000 l fassende öltank ist im Vorgarten versenkt.

Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1957 behandelte das Finanzamt das Gebäude als Einheit und ließ gemäß § 7 EStG eine Absetzung für Abnutzung (AfA) von 1,5 v. H. der Herstellungskosten zu. Es versagte die beantragte erhöhte AfA nach § 7 b EStG, weil das Gebäude nicht zu mehr als 66 2/3 % Wohnzwecken diene.

Demgegenüber will die Bfin. den Wohn- und den Verwaltungsteil als zwei selbständige wirtschaftliche Einheiten behandelt wissen. Beide Teile seien im Inneren durch eine Brandmauer getrennt. Auf die einheitliche Außenfassade komme es nicht an; dafür seien städtebauliche oder ästhetische Gründe maßgebend gewesen. Den gemeinsamen Versorgungsanlagen komme kein entscheidendes Gewicht zu. Da der Wohnteil - für sich allein - zu mehr als 66 2/3 % Wohnzwecken diene, müßte die Sonder-AfA gemäß § 7 b EStG zugelassen werden. Auch die Bewertungsstelle des Finanzamts habe im Einheitsbewertungsverfahren zunächst zwei wirtschaftliche Einheiten angenommen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück und führte aus: Der Begriff "Gebäude" in § 7 b EStG sei wirtschaftlich zu beurteilen. Es komme auf das Gesamtbild der Verhältnisse an. Im Streitfall sei das Gebäude nach einheitlichen Bauplänen errichtet worden. Wohnteil und Verwaltungsräume bildeten innen und außen eine Einheit und ließen sich nur unter erheblichem Kostenaufwand zu selbständigen Gebäudeeinheiten umbauen. Auch die Bfin. habe immer selbst ein einheitliches Bauwerk angenommen, denn sie habe in einer Mietnachweisung die Wohnung des Teilhabers als Werkswohnung bezeichnet. Die Wohnung könnte nur an Personen vermietet werden, die mit der Firma eng verbunden seien. Die Verflechtung der Wohnung mit dem Betrieb komme besonders dadurch zum Ausdruck, daß ein Raum im Erdgeschoß des Wohngebäudes als Konferenzzimmer diene und daß das Verwaltungsgebäude vom Keller des Wohnteils aus beheizt werde. Danach handle es sich um ein einheitliches Gebäude. Diese Beurteilung werde bestätigt durch ein Sachverständigengutachten und durch die vom Finanzgericht vorgenommene Ortsbesichtigung.

Mit der Rb. rügt die Bfin. einen Widerspruch gegen den Akteninhalt. Das Finanzgericht habe zu Unrecht angenommen, daß sich Wohn- und Verwaltungsgebäude unter einem Dach befänden. Davon könne nur dann die Rede sein, wenn Wohnräume und Verwaltungsräume sich senkrecht (vertikal) übereinander befänden, nicht jedoch bei der Errichtung von einer Baufront (horizontale Bauweise). Es liege auch keine wirtschaftliche Einheit vor. Das Finanzgericht habe den festgestellten Tatsachen falsch gewürdigt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Begriff Wohngebäude in § 7 b EStG ein arteigener Begriff ist, der nicht aus anderen Gesetzen entnommen werden kann (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 532/54 U vom 21. April 1955, BStBl 1955 III S. 183, Slg. Bd. 60 S. 478; IV 222/57 vom 7. Juli 1960, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz § 7 b Rechtsspruch 40, Der Betrieb 1960 S. 1263; IV 309/58 vom 27. Oktober 1960, StRK, Einkommensteuergesetz § 7 b Rechtsspruch 44). Daher ist auch die Selbständigkeit oder Unselbständigkeit von Gebäuden oder Gebäudeteilen ausschließlich nach den § 7 b EStG zugrunde liegenden Erwägungen zu bestimmen. Bei der Einheitsbewertung wesentliche Gesichtspunkte können bei der Auslegung des § 7 b EStG nützlich sein; sie sind aber nicht für die Anwendung des § 7 b EStG bindend.

Der Begriff Wohngebäude im Sinne von § 7 b EStG setzt voraus, daß von der gesamten Nutzfläche des Gebäudes der gesetzlich bestimmte Teil Wohnzwecken dient. Zur gesamten Nutzfläche rechnen alle Räume, die mit dem Gebäude räumlich verbunden sind. Dabei kommt es in erster Linie auf den bautechnischen Zusammenhang an. Einzelne bautechnische Zusammenhänge zwischen mehreren Gebäuden oder Gebäudeteilen, etwa die Anlage einer gemeinsamen Zentralheizung oder einer gemeinsamen elektrischen Hauptleitung mit Zähler in einem der Gebäude begründen allein allerdings noch nicht eine wirtschaftliche Einheit zwischen den mehreren Gebäudeteilen. Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs hat darum in den Urteilen IV 532/54 U vom 21. April 1955 (BStBl 1955 III S. 183, Slg. Bd. 60 S. 478) und IV 309/58 (a. a. O.) eine wirtschaftliche Einheit nur bejaht, wenn durch eine Mehrzahl von Verbindungen Gebäude oder Gebäudeteile derart miteinander verschachtelt sind, daß nach der Verkehrsauffassung ein einziges Gebäude entsteht. Diesen Grundsätzen ist der I. Senat in der Entscheidung I 288/55 vom 11. September 1956 (Der Betrieb 1956 S. 1051) und der erkennende Senat in den Entscheidungen VI 74/59 vom 4. November 1960 (Der Betrieb 1960 S. 1481), VI 239/62 vom 15. März 1963 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1963 S. 288) und VI 186/63 vom 14. August 1964 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 7 b Rechtsspruch 89) beigetreten. Diese Grundsätze liegen auch der Praxis der Finanzverwaltung zugrunde (siehe z. B. EStR 1963 Abschn. 54 Abs. 1).

Das Gegenteil läßt sich auch nicht aus den Urteilen des Bundesfinanzhofs IV 222/57 vom 7. Juli 1960 (a. a. O.) und VI 151/60 vom 4. April 1962 (Der Betrieb 1962 S. 1457) entnehmen, in denen die wirtschaftliche Einheit von Gebäuden bzw. Gebäudeteilen im Ergebnis verneint wurde. Die Urteile stimmen im rechtlichen Ausgangspunkt mit den anderen Entscheidungen überein, wenn sie betonen, daß das Gesamtbild darüber entscheidet, ob die baulichen Verbindungen zwischen mehreren Gebäudeteilen so erheblich sind, daß eine wirtschaftliche Einheit des Gebäudes entsteht. Es gibt bei den vielen technischen Lösungen für die Verbindung von Gebäuden kaum gleiche Fälle.

Die Entscheidung, ob eine wirtschaftliche Einheit zwischen mehreren Gebäuden besteht, liegt weithin auf dem Gebiet der tatsächlichen Feststellung und kann deshalb im Rechtsbeschwerdeverfahren nur angegriffen werden, wenn ein Verfahrensverstoß oder ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten festzustellen ist (ß 288 Ziff. 1 AO, § 296 Abs. 1 AO). Das ist hier nicht der Fall. Das Finanzgericht konnte auf Grund des Sachverständigengutachtens, des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung und der Ortsbesichtigung ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis kommen, daß die beiden Gebäudeteile wirtschaftlich ein Gebäude im Sinne des § 7 b EStG bildeten.

Die Bfin. hat sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 148/54 U vom 15. Oktober 1954 (BStBl 1955 III S. 2, Slg. Bd. 60 S. 1) berufen, in dem der III. Senat - im Gegensatz zu dem Urteil des VI. Senats VI 532/54 U (a. a. O.) - entschieden hat, daß das Wohngebäude eines Arztes von seinen Praxisräumen getrennt zu bewerten sei. Damals lag der Sachverhalt aber anders, weil die Baulichkeiten bei einem etwaigen Verkauf unschwer voneinander getrennt werden konnten; es handelte sich also im selbständige Gebäudeteile. Das ist hier nicht der Fall. Nach der Aussage des vom Finanzgericht vernommenen Sachverständigen wäre eine Trennung und ein Verkauf des Wohngebäudes nur nach baulichen änderungen möglich, die zum 1. Januar 1960 auf mindestens 24.000 DM zu veranschlagen wären. Notwendig wäre z. B. die Verlegung der Heizanlage einschließlich des Heizungsverteilers in den Kellerraum unter dem Verwaltungsgebäude, die Errichtung eines neuen Kamins, der Bau eines Heizungskanals von rund 13 m Länge, der Durchbruch der Wand des Betriebskellers ins Freie zur Gewinnung eines zweiten Ausgangs und schließlich die Beschaffung und der Anschluß eines neuen öltanks.

Die Vorentscheidung war nach allem rechtlich nicht zu beanstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424136

BStBl III 1966, 86

BFHE 1966, 234

BFHE 84, 234

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