Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinzurechnungsbetrag gem. § 2 Abs. 1 S. 3 AIG - Berücksichtigung von Betriebsstättengewinnen aus sog. passiver Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages gemäß § 2 Abs.1 Satz 3 AIG im Zusammenhang mit Verlusten, die vor dem 1.Januar 1982 geltend gemacht worden sind, sind auch ab diesem Zeitpunkt entstandene Betriebsstättengewinne aus sog. passiver Tätigkeit zu berücksichtigen.

2. Darüber, ob Betriebsstättengewinne gemäß § 2 Abs.1 Satz 3 AIG hinzuzurechnen sind, ist im Veranlagungsverfahren zu entscheiden.

 

Normenkette

AuslInvG § 2 Abs. 1 S. 3; AO 1977 § 180 Abs. 5

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 22.01.1987; Aktenzeichen VI 482/85; EFG 1988, 6)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind an verschiedenen Gesellschaften in den USA und Kanada beteiligt. Ab 1974 erzielten sie aus diesen Beteiligungen Verluste von insgesamt DM ..., die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gemäß § 2 Abs.1 Satz 1 des Auslandsinvestitionsgesetzes (AIG) bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte der jeweiligen Jahre abzog. Für das Jahr 1982 rechnete das FA gemäß § 2 Abs.1 Satz 3 AIG einen Betrag von DM ... hinzu. Hierbei handelt es sich nach den Feststellungsbescheiden (§ 180 der Abgabenordnung --AO 1977--) des zuständigen Betriebsstättenfinanzamts um Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die aus Betriebsstätten in den beiden Staaten stammen und nach den maßgeblichen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steuerfrei sind. Die Kläger waren dagegen der Ansicht, diese Einkünfte seien nicht gemäß § 2 Abs.1 Satz 3 AIG hinzuzurechnen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 6 abgedruckten Gründen abgewiesen.

Mit der Revision rügen die Kläger Verfahrensfehler und Verletzung materiellen Rechts. Sie sind insbesondere der Ansicht, das FA sei gemäß § 182 Abs.1 AO 1977 an die im Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen gebunden. Das Betriebs-FA aber habe festgestellt, daß es sich bei den streitbefangenen Einkünften um solche handele, die nach einem DBA steuerfrei seien und auf die ausschließlich § 32b des Einkommensteuergesetzes (EStG) anwendbar sei. Dies schließe die Anwendung des § 2 AIG aus (vgl. Abschn.185 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--). Darüber hinaus habe das FG § 5 AIG unzutreffend angewendet.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA mehrfach Änderungsbescheide erlassen, zuletzt am 16.Februar 1989. Die Kläger haben jeweils beantragt, den geänderten Steuerbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Sie beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1982 auf DM ... festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der dem Verfahren beigetretene Bundesminister der Finanzen (BMF) ist der Ansicht, die Verpflichtung zur Nachversteuerung gelte uneingeschränkt auch nach Inkrafttreten des 2.Haushaltsstrukturgesetzes (2.HStruktG) vom 22.Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1523, 1552). Im übrigen könne nur das Wohnsitz-FA abschließend über eine Hinzurechnung gemäß § 2 Abs.1 Satz 3 AIG entscheiden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die streitbefangenen Einkünfte gemäß § 2 Abs.1 Satz 3 AIG zu Recht hinzugerechnet.

1. Die von den Klägern erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet. Die Entscheidung ergeht insoweit gemäß Art.1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) ohne Angabe von Gründen.

2. Gemäß § 2 Abs.1 Satz 1 AIG ist ein Verlust, der sich nach den Vorschriften des EStG bei Einkünften ergibt, die ein unbeschränkt Steuerpflichtiger in einer ausländischen Betriebsstätte erzielt und die nach einem DBA von der Einkommensteuer zu befreien wären, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte insoweit abzuziehen, als er nach dem DBA zu befreiende positive Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit aus anderen in dem ausländischen Staat belegenen Betriebsstätten übersteigt. Der nach Satz 1 abgezogene Betrag ist jedoch, soweit sich in einem der folgenden Veranlagungszeiträume bei den nach dem DBA zu befreienden Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit aus in dem ausländischen Staat belegenen Betriebsstätten insgesamt ein positiver Betrag ergibt, in dem betreffenden Veranlagungszeitraum bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte wieder hinzuzurechnen (§ 2 Abs.1 Satz 3 AIG).

Dies gilt nach Inkrafttreten des 2.HStruktG (a.a.O.), d.h. ab dem Veranlagungszeitraum 1982 (§ 8 Abs.1 AIG i.d.F. des 2.HStruktG) auch uneingeschränkt für Betriebsstättengewinne, die durch passive Tätigkeiten (hier: Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern) erzielt worden sind.

a) Gemäß § 5 Satz 1 AIG in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung des 2.HStruktG ist Voraussetzung "für die Anwendung der §§ 1 bis 3", daß die Gesellschaft, der Betrieb oder die Betriebsstätte im Ausland eine sog. aktive Tätigkeit ausübt, wozu kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung u.a. nicht die Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern zählt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift scheint zwar auch die Hinzurechnung eine aktive Tätigkeit des Steuerpflichtigen vorauszusetzen; denn die in § 5 AIG enthaltene Einschränkung des Regelungsbereiches auf bestimmte Betätigungen bezieht sich nach rein grammatikalischer Auslegung nicht nur auf § 2 Abs.1 Satz 1 AIG (Verlustverrechnung), sondern auch auf § 2 Abs.1 Satz 3 AIG (Korrektur der Verlustverrechnung durch Hinzurechnung). Daß sich die Hinzurechnung dennoch nicht auf die in § 5 AIG umschriebenen Betätigungen beschränkt, ergibt sich --im Rahmen des möglichen Wortsinns-- aus dem Zusammenhang und aus der Zielsetzung der Regelung.

b) Gegenstand der Hinzurechnung nach § 2 Abs.1 Satz 3 AIG ist der abgezogene Betrag i.S. des § 2 Abs.1 Satz 1 AIG. Dieser wird mit dem Ziel korrigiert, zeitweilig steuerfrei gebliebene Teilbeträge des Einkommens nachzuversteuern; denn der durch den Verlustausgleich gewährte steuerliche Vorteil soll nach dem Willen des Gesetzgebers nur unter der Voraussetzung belassen werden, daß nicht in späteren Jahren entsprechende Gewinne entstehen. Auf diese Weise soll der Steuerpflichtige so behandelt werden, als sei der gewerbliche Verlust nur in der geänderten Höhe angefallen (vgl. dazu im einzelnen Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2.März 1989 IV R 128/86, BFHE 156, 187, BStBl II 1989, 543; vom 8.März 1989 X R 181/87, BFHE 156, 190, BStBl II 1989, 541). Eine Auslegung, wonach mit Inkrafttreten des 2.HStruktG eine Hinzurechnung im Zusammenhang mit Verlusten, die vor dem 1.Januar 1982 abziehbar waren, nur noch unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 5 AIG n.F., d.h. bei aktiver Tätigkeit der Gesellschaft, des Betriebs oder der Betriebsstätte im Ausland möglich wäre, würde diesen engen sachlichen Zusammenhang durchbrechen und eine steuerliche Besserstellung gegenüber dem Rechtszustand vor Inkrafttreten des 2.HStruktG bedeuten. Diese war schon nach der allgemeinen Zielsetzung des § 2 AIG nicht gewollt; denn dessen Zweck ist es, im Interesse der deutschen Außenwirtschaft ausländische Verluste, die aufgrund eines DBA aus der inländischen Bemessungsgrundlage ausscheiden und sich damit im Inland nicht einkommensmindernd auswirken könnten, kraft unilateralen Rechts zum Abzug zuzulassen. Wie sich aus der Regelung des § 2 Abs.1 Satz 3 AIG ergibt, sollte sich der Abzug aber --ohne zeitliche Einschränkung-- auf die tatsächlich entstandenen Verluste beschränken.

Daran hat sich durch das Inkrafttreten des 2.HStruktG nichts geändert. § 5 AIG n.F. schränkt vielmehr bereits den Umfang der Vergünstigung in der Weise ein, daß Verluste, die im Zusammenhang mit bestimmten Tätigkeiten, u.a. der Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern, entstanden sind, schon von vornherein nicht mehr abziehbar sind. Damit stünde eine Auslegung im Widerspruch, die dazu führen würde, positive Beträge, die nach der ursprünglichen Regelung hinzuzurechnen waren, nach der Gesetzesänderung von der Hinzurechnung auszunehmen.

3. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Revision auch nicht auf Grund der vom Betriebsstätten-FA A im Feststellungsbescheid 1982 getroffenen Feststellungen begründet. Der Grundlagenbescheid enthält hinsichtlich der hier streitigen Hinzurechnung keine verbindliche Regelung.

a) Im Gewinnfeststellungsverfahren sind zwar auch Feststellungen über Besteuerungsgrundlagen zu treffen, die nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage ausgenommen, gleichwohl aber bei der Festsetzung der Steuer von Bedeutung sind (§ 180 Abs.5 AO 1977). Hierzu gehören insbesondere Feststellungen über Verluste aus einer in einem ausländischen Staat belegenen Betriebsstätte gemäß § 2 AIG (BFH-Urteil vom 28.April 1983 IV R 122/79, BFHE 138, 366, BStBl II 1983, 566). So ist festzustellen, ob und in welchem Umfang die nach dem DBA freigestellten Einkünfte aus einer ausländischen gewerblichen Betriebsstätte stammen. Die Feststellungen im gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren beschränken sich jedoch auf die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, unter denen Verluste bei der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen sind. Im Feststellungsverfahren ist nicht bereits darüber zu entscheiden, daß die Verluste bei der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen sind (BFH in BFHE 138, 366, BStBl II 1983, 566). Entsprechendes gilt wegen des engen sachlichen Zusammenhangs auch hinsichtlich der Hinzurechnung positiver Beträge gemäß § 2 Abs.1 Satz 3 AIG. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit aus der im Ausland belegenen Betriebsstätte hinzuzurechnen sind, entscheidet allein das Wohnsitz-FA. Im Feststellungsbescheid sind Aussagen weder über den Abzug noch die Hinzurechnung gemäß § 2 Abs.1 AIG zu machen. Eine Bindung würde aber selbst dann nicht eintreten, wenn das Betriebsstätten-FA eine weitergehende Regelung hätte treffen wollen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 182 AO 1977 Tz.1).

Übereinstimmend damit sagen die im Streitfall maßgeblichen Feststellungsbescheide lediglich aus, daß es sich bei den gesondert und einheitlich festgestellten Einkünften um ausländische Betriebsstätteneinkünfte handelt, die nach einem DBA steuerfrei sind. Zwar hat das Betriebsstätten-FA A darüber hinaus im Schreiben vom 3.April 1985 an den Prozeßbevollmächtigten der Kläger u.a. darauf hingewiesen, daß auf die streitbefangenen Einkünfte ausschließlich § 32b EStG Anwendung finde. Daraus hat es aber lediglich die ausdrückliche Schlußfolgerung gezogen, es handele sich um Einkünfte aus passiver Tätigkeit. Eine Aussage, daß diese Einkünfte nicht gemäß § 2 Abs.1 Satz 3 AIG hinzuzurechnen seien, läßt sich daraus nicht herleiten. Sie würde überdies --unbeschadet der rechtlichen Einordnung dieses Schreibens (vgl. dazu BFH-Urteil vom 9.September 1988 III R 253/84, BFH/NV 1989, 138)-- nach den vorstehenden Ausführungen das FA nicht binden. Der Hinweis, daß es sich um Einkünfte aus passiver Tätigkeit handelt, ist unerheblich. Insoweit bedurfte es für den Streitfall ohnehin keiner Feststellung (s.o. 2.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 62948

BStBl II 1990, 112

BFHE 158, 368

BFHE 1990, 368

BB 1990, 56-56 (L1-2)

DB 1990, 308 (T)

DStR 1990, 77 (KT)

HFR 1990, 116 (LT)

StE 1990, 5 (K)

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