Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff des "zur Wohnung gehörenden Grund und Bodens": Nachträglicher Erwerb eines Wiesengrundstücks als Garten zum vorhandenen Einfamilienhaus, Abtrennung einer unbebauten Teilfläche vom Grundstück, Notwendigkeit des Grund und Bodens für die Nutzung des Gebäudes

 

Leitsatz (amtlich)

Die Begünstigung der Anschaffungskosten (zur Hälfte) für den zur Wohnung i.S. des § 10e Abs. 1 EStG gehörenden Grund und Boden erstreckt sich nicht auf ein an das Wohngrundstück angrenzendes, nachträglich hinzuerworbenes Wiesengrundstück, das der Eigentümer als Garten nutzt, wenn es als selbständiges, verkehrsfähiges Grundstück bestehen bleibt und das Wohngrundstück mit 784 qm der für ein Wohngebäude erforderlichen und üblichen Größe entspricht (vgl. auch das zu § 52 Abs. 15 Satz 8 EStG ergangene BFH-Urteil vom 24. Oktober 1996 IV R 43/95, BFHE 181, 333, BStBl II 1997, 50).

 

Orientierungssatz

1. Im Streitfall: Hinzuerwerb eines 4733 qm großen --nicht bebaubaren, aber landwirtschaftlich nutzbaren--, bewertungsrechtlich als land- und forstwirtschaftliches Vermögen behandelten Wiesengrundstücks.

2. Bei dem --z.B. in §§ 10e, § 52 Abs. 15 Sätze 6, 8 und 9 EStG verwendeten Begriff "zur Wohnung gehörender Grund und Boden" handelt es sich um einen unbestimmten und daher auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff. Die Zugehörigkeit von Grund und Boden zur Wohnung richtet sich weder nach den baurechtlichen Mindestmaßen und Höchstmaßen für Baugrundstücke noch beschränkt sie sich auf die bebaute Fläche. Maßgebend ist vielmehr, in welchem Umfang der Grund und Boden für die Wohnungsnutzung erforderlich und üblich ist. Daher gehören auch Gartenflächen jeglicher Art in ortsüblichem Umfang zur Wohnung. Grundsätzlich ist jedoch nur das Grundstück begünstigt, auf dem sich die Wohnung befindet. Trennt der Eigentümer eine unbebaute Teilfläche von dem ursprünglichen Wohngrundstück ab, so daß ein weiteres, verkehrsfähiges Grundstück entsteht, gehört das abgetrennte Grundstück nicht mehr zur Wohnung, auch wenn es weiterhin als Hausgarten genutzt wird.

 

Normenkette

BewG 1991 §§ 33, 40 Abs. 3 S. 2, §§ 68, 33ff; EStG § 10e Abs. 1, 3, § 52 Abs. 15 Sätze 6, 8-9

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.02.1994; Aktenzeichen 5 K 2440/93; EFG 1994, 701; LEXinform-Nr. 0109440)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger erwarb im Jahr 1989 ein 784 qm großes Grundstück mit einem Wohngebäude, das die Kläger zu eigenen Wohnzwecken nutzten. Durch Artfortschreibung auf den 1. Januar 1990 wurde das dem Grundvermögen zugeordnete Grundstück nicht mehr als Zweifamilienhaus, sondern als Einfamilienhaus bewertet. Die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) betrug 261 080 DM. Hierin waren die Anschaffungskosten für den Grund und Boden von 56 249 DM zur Hälfte (28 124 DM) enthalten.

Im Streitjahr 1991 erwarb der Kläger ein unmittelbar an das Wohngrundstück angrenzendes Wiesengrundstück von 4 733 qm, das laut Nachfeststellung auf den 1. Januar 1992 bewertungsrechtlich dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen (Betrieb der Land- und Forstwirtschaft --Stückländerei--) zugerechnet wurde.

In der Einkommensteuererklärung für 1991 rechnete der Kläger die Anschaffungskosten für das Wiesengrundstück zur Hälfte der Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG bis zur Höchstbemessungsgrundlage von 300 000 DM hinzu. Er beantragte einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG von 15 000 DM sowie einen Nachholungsbetrag von jeweils 1 946 DM für die Veranlagungszeiträume 1989 und 1990.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 1991 den Hinzuerwerb nicht. Mit dem Einspruch brachten die Kläger vor, sie nutzten das Wiesengrundstück vollständig als Garten und Freizeitgelände. Bedingt durch den großen Abstand zur Straße vor dem Haus, eine große Terrasse und die befestigte Hoffläche mit Doppelgarage bliebe bei dem Wohngrundstück nur wenig Restfläche für einen Garten. Daher hätten sie sich entschlossen, das angrenzende Grundstück zu kaufen und als Garten zu gestalten und zu nutzen. Wirtschaftlich betrachtet sei ein einheitliches Grundstück entstanden. Der Einspruch war erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 701 veröffentlicht. Das FG führte im wesentlichen aus:

Nach § 10e Abs. 3 Satz 2 EStG seien auch nachträgliche Anschaffungskosten für den zur Wohnung gehörenden Grund und Boden begünstigt. Ob Grund und Boden zur Wohnung gehöre, hänge nicht von der Grundstücksgröße ab. Das "Merkmal der Zugehörigkeit" sei bereits in § 21 Abs. 2 EStG a.F. enthalten gewesen und in § 10e EStG übernommen worden. Folglich seien die Grundsätze des --zu § 21 Abs. 2 EStG ergangenen-- Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. August 1972 VIII R 80/69 (BFHE 107, 199, BStBl II 1973, 10) anwendbar. Danach sei jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob der Grund und Boden zur Wohnung gehöre. Im Streitfall sei das hinzuerworbene Grundstück der Wohnung zuzuordnen, weil es räumlich mit dem Gebäude zusammenhänge. Das Wiesen- und Gartengrundstück schließe unmittelbar an das vorhandene Grundstück an, werde von den Klägern insgesamt als Garten- und Freizeitgelände genutzt und "erhöhe die Annehmlichkeit des Wohnens". Da es auf die tatsächliche Gestaltung und Nutzung ankomme, stehe die bewertungsrechtliche Zuordnung zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen der Zuordnung des Grundstücks zur Wohnung nicht entgegen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen und formellen Rechts.

Es beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Zu Unrecht hat das FG die Anschaffungskosten des hinzuerworbenen Grundstücks als nachträgliche Anschaffungskosten in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG einbezogen.

1. Bemessungsgrundlage für die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG sind die Herstellungskosten oder Anschaffungskosten der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung sowie die Hälfte der Anschaffungskosten für den "dazugehörenden" Grund und Boden. Nachträgliche, bis zum Ende des Abzugszeitraums entstehende Herstellungs- oder Anschaffungskosten können vom Jahr ihrer Entstehung an für die Veranlagungszeiträume, in denen der Steuerpflichtige Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 oder 2 EStG hätte abziehen können, so behandelt werden, als wären sie zu Beginn des Abzugszeitraums entstanden (§ 10e Abs. 3 Satz 2 EStG).

Daher sind z.B. die Anschaffungskosten für den nachträglichen Erwerb von Grund und Boden im Rahmen der Höchstbeträge (zur Hälfte) zu berücksichtigen, wenn der Erbbauberechtigte das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück, auf dem sich die eigengenutzte Wohnung befindet, noch während des Abzugszeitraums zu Eigentum erwirbt. Grundsätzlich ist auch der Hinzuerwerb von Grundstücksflächen zu einem bereits vorhandenen Grundstück begünstigt, sofern die hinzuerworbene Grundstücksfläche als zur Wohnung gehörig zu beurteilen ist.

Der Begriff "zur Wohnung gehörender Grund und Boden" wird außer in § 10e EStG z.B. mit gleichem Inhalt auch in den Regelungen des § 52 Abs. 15 Satz 6, Satz 8 und Satz 9 zweiter Halbsatz EStG verwendet, in denen es um die steuerfreie Entnahme von Wohnungen und dem dazugehörenden Grund und Boden aus dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen geht. Es handelt sich um einen unbestimmten und daher auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1996 IV R 43/95, BFHE 181, 333, BStBl II 1997, 50, zu § 52 Abs. 15 Satz 8 EStG).

Die Zugehörigkeit von Grund und Boden zur Wohnung richtet sich weder nach den baurechtlichen Mindest- und Höchstmaßen für Baugrundstücke noch beschränkt sie sich auf die bebaute Fläche. Maßgebend ist vielmehr, in welchem Umfang der Grund und Boden für die Wohnungsnutzung erforderlich und üblich ist (BFH in BFHE 181, 333, BStBl II 1997, 50). Daher gehören auch Gartenflächen (Vor- und Nutzgärten, Hausgärten) in ortsüblichem Umfang zur Wohnung. In Anlehnung an die bewertungsrechtliche Regelung in § 40 Abs. 3 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) beanstandet die Finanzverwaltung bei landwirtschaftlichen Wohngebäuden die Zugehörigkeit von Hausgärten zur Wohnung in der Regel nicht, wenn die vom Steuerpflichtigen als Garten bezeichnete und genutzte Fläche nicht mehr als 1 000 qm beträgt (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 4. Juni 1997 IV B -S 2135- 7/97, BStBl I 1997, 630).

Grundsätzlich ist jedoch nur das Grundstück begünstigt, auf dem sich die Wohnung befindet. Trennt der Eigentümer eine unbebaute Teilfläche von dem ursprünglichen Wohngrundstück ab, so daß ein weiteres, verkehrsfähiges Grundstück entsteht, gehört das abgetrennte Grundstück nicht mehr zur Wohnung, auch wenn es weiterhin als Hausgarten genutzt wird (BFH in BFHE 181, 333, BStBl II 1997, 50; BMF in BStBl I 1997, 630).

Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob bei nicht landwirtschaftlichen Wohngebäuden als Garten genutzte Flächen im gleichen Umfang wie bei landwirtschaftlichen Wohngebäuden als üblich und somit als zur Wohnung gehörend anzusehen sind. Denn ein nachträglich zum Wohngrundstück hinzuerworbenes Wiesengrundstück gehört unabhängig von seiner Quadratmeterzahl und seiner Nutzung als Garten nicht zur Wohnung, wenn es als selbständiges, verkehrsfähiges Grundstück bestehen bleibt und das Wohngrundstück der für ein Wohngebäude erforderlichen und üblichen Größe entspricht. Die Zugehörigkeit zur Wohnung kann nicht allein dadurch begründet werden, daß der Eigentümer ein weiteres, an das Wohngrundstück angrenzendes Grundstück als Garten nutzt.

Die Grundsätze des --zu § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG ergangenen-- BFH-Urteils in BFHE 107, 199, BStBl II 1973, 10 sind entgegen der Auffassung des FG nicht entsprechend anwendbar, da Gegenstand dieses Urteils nicht die Zugehörigkeit von hinzugekauften Grundstücken zur Wohnung war. Es war vielmehr zu entscheiden, ob das 42 345 qm große Grundstück insgesamt als Garten oder Park gestaltet war und deshalb als der Wohnung "zugehöriger" Garten nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG dem Nutzungswert der Wohnung zuzurechnen und damit die gesamte Grundstücksfläche bei der Ermittlung des Mietwerts zu berücksichtigen war. Ob selbständige Grundstücke, die an das Wohngrundstück angrenzen, zur Wohnung gehören, hatte der BFH nicht zu entscheiden.

2. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Das nachträglich erworbene, an das Wohngrundstück angrenzende Wiesengrundstück bildete jedenfalls im Streitjahr keine rechtliche Einheit mit dem Wohngrundstück. Durch Nachfeststellung auf den 1. Januar 1992 war es bewertungsrechtlich anders als das Wohngrundstück nicht dem Grundvermögen (§ 68 BewG), sondern dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen (§§ 33 ff. BewG) zugeordnet worden. Das vorhandene Wohngrundstück von 784 qm entsprach der für Einfamilienhäuser üblichen Größe. Das hinzuerworbene Wiesengrundstück war auch nicht ausschließlich zur Nutzung als "Hausgarten" geeignet (vgl. BFH in BFHE 107, 199, BStBl II 1973, 10). Auch wenn es nach den Ausführungen der Kläger im Streitjahr 1991 nicht bebaubar war, so hätte es doch landwirtschaftlich genutzt werden können. Ferner war es weiterhin ohne das Wohngrundstück veräußerbar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66289

BFH/NV 1998, 383

BFH/NV 1998, 383-384 (Leitsatz und Gründe)

BStBl II 1998, 17

BFHE 184, 322

BFHE 1998, 322

BB 1998, 148

BB 1998, 148 (Leitsatz)

DB 1998, 241

DB 1998, 241-242 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1998, 42

DStRE 1998, 42-43 (Leitsatz und Gründe)

DStZ 1998, 396

DStZ 1998, 396-397 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1998, 181

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