Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Anlaufverluste einer GmbH rechtfertigen bei dem Alleingesellschafter eine Teilwertabschreibung auf die GmbH- Beteiligung unter anderem dann nicht, wenn der Gesellschafter zur Beseitigung dieser Verluste und zur Erreichung einer künftigen Rentabilität der GmbH erhebliche neue Mittel (Forderungsverzicht und Kapitalerhöhung) zuführt.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2

 

Tatbestand

Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1960 der beschwerdeführenden Kommanditgesellschaft (Bfin.), ob sie eine Teilwertabschreibung auf ihre GmbH-Beteiligung vornehmen durfte.

Die Bfin. war die alleinige Gesellschafterin einer im Mai 1959 gegründeten GmbH. Das Stammkapital der GmbH betrug zunächst 25 000 DM. Es wurde am 16. Dezember 1960 um 275 000 DM auf 300 000 DM erhöht. Die Bfin. übernahm die neuen Geschäftsanteile. Sie erbrachte ihre Gesellschaftereinlage durch Verzicht auf Forderungen gegen die GmbH in Höhe von 224 050 DM und durch Einbringung von Maschinen, die mit 50 950 DM bewertet wurden. Die GmbH wies für das Rumpfwirtschaftsjahr 1959 einen Verlust von 21 516 DM und für das Streitjahr 1960 einen Verlust von 93 462 DM aus. Die Bfin. verzichtete deshalb zu Lasten ihres Gewinnes auf weitere Forderungen in Höhe von 115 000 DM. Sie nahm eine Teilwertabschreibung auf ihre GmbH-Beteiligung, die zuletzt mit 300 000 DM zu Buche stand, in Höhe von 50 000 DM vor. Insgesamt verminderte die Bfin. damit den Gewinn des Streitjahres 1960 um 165 000 DM.

Das Finanzamt erkannte die Gewinnminderung nicht an. Es behandelte den Verzicht auf die Forderungen in Höhe von 115 000 DM als zusätzliche Anschaffungskosten der Beteiligung und erhöhte den Bilanzansatz der Beteiligung auf 415 000 DM. Die Teilwertabschreibung lehnte das Finanzamt ab, weil die nur vorübergehenden Produktionsschwierigkeiten der GmbH eine Abschreibung auf einen niedrigeren Teilwert nicht rechtfertigen. Damit erhöhte sich der erklärte Gewinn um 165 000 DM abzüglich einer Gewerbesteuerrückstellung von 23 800 DM, also um 141 200 DM.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit der Berufung machte die Bfin. geltend, daß das Vermögen der GmbH auch unter Berücksichtigung stiller Reserven unter dem Buchwert der Anteile liege. Die Ertragslage der GmbH sei am Bilanzstichtag auf lange Zeit so ungünstig gewesen, daß ein Käufer des ganzen Betriebes nicht den Buchwert der Beteiligung bezahlt hätte. Die schlechte Ertragslage sei nicht auf vorübergehende Anlaufschwierigkeiten, sondern auf echte Fehlmaßnahmen zurückzuführen, die in einer Fehleinschätzung der Leistungsfähigkeit besonders der einen der beiden Produktionsmaschinen bestanden hätten.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es billigte die Auffassung des Finanzamts, daß im Forderungsverzicht in Höhe von 115 000 DM zusätzliche Anschaffungskosten der Beteiligung zu sehen seien. Die wirtschaftliche Lage der GmbH sei Ende 1960 nicht so ungünstig gewesen, daß der Teilwert der Beteiligung unter den Anschaffungskosten von insgesamt 415 000 DM gelegen habe. In erster Linie seien für die Ermittlung des Teilwertes die zukünftigen Ertragsaussichten von Bedeutung, die ungeachtet der hohen Verluste günstig gewesen seien. Das ergebe sich daraus, daß die GmbH im Bundesgebiet ohne Konkurrenz gewesen sei und eine große Nachfrage nach den Erzeugnissen der GmbH bestanden habe, die nur wegen der Produktionsschwierigkeiten nicht habe befriedigt werden können. Zwar sei die Leistung der einen ausländischen Maschine hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Aber noch im Herbst 1960 sei eine zweite technisch verbesserte Maschine dieses Typs im Ausland bestellt worden, um die Produktion im zweiten Halbjahr 1961 vergrößern zu können. Auch die Kapitalerhöhung im Dezember 1960 wäre unverständlich, wenn die Bfin. nicht selbst davon ausgegangen wäre, daß sie damit ihre Tochtergesellschaft in die Gewinnzone führen könne. Die im Dezember 1960 gemachten Aufwendungen auf die Beteiligung seien daher keine Fehlmaßnahmen gewesen. Dasselbe treffe auf die ursprüngliche Beteiligung von 25 000 DM zu. Der Umstand, daß möglicherweise die Anschaffung der ersten Maschine eine Fehlmaßnahme der Tochtergesellschaft darstelle, rechtfertige es nicht, auch eine den Wert der Beteiligung auf längere Sicht beeinflussende Fehlmaßnahme bei der Muttergesellschaft anzunehmen. Die von der GmbH getroffenen, zeitlich zusammenhängenden Maßnahmen legten es nahe, den Zeitraum von der Gründung der GmbH bis zum 31. Dezember 1960 einheitlich zu würdigen. Wegen der am 31. Dezember 1960 unstreitig bestehenden günstigen Ertragsaussichten sei es nicht gerechtfertigt, auf die Gesamtheit der bis dahin für die Beteiligung aufgewendeten Beträge eine Teilwertabschreibung zuzulassen.

Die Bfin. rügt in ihrer Rb. Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zur erneuten Aufklärung der betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge.

Die Teilwertabschreibung sei zu Unrecht abgelehnt worden. Das Finanzgericht habe verkannt, daß die Bfin. die Kapitalausstattung der GmbH aus betriebswirtschaftlichen Gründen habe erhöhen müssen. Die Betriebsgröße sei unstreitig auf eine bestimmte, kalkulierte Produktionsmenge angelegt gewesen, die wegen der unerwarteten geringeren Leistungsfähigkeit der Maschinen nur beschränkt habe erreicht werden können. Diese Tatsachen hätten bereits vor Ablauf des Kalenderjahres 1960 festgestanden. Im Zeitpunkt der Kapitalerhöhung (16. Dezember 1960) habe der Verlust der GmbH eine Höhe von rund 115 000 DM erreicht. Er sei durch den Forderungsverzicht der Bfin. beseitigt worden. Die wirtschaftlichen Anschaffungskosten der Beteiligung, zu denen auch die Forderungen an die GmbH rechneten, hätten sich auf 506 559 DM (25 000 DM ursprüngliches Stammkapital und 481 559 DM Forderungen) belaufen. Dagegen habe, wie sich gleichfalls aus den Akten ergebe, der überschuß der Aktiva in der Bilanz der GmbH nach der Kapitalerhöhung 442 530 DM betragen, wobei die Verbindlichkeiten gegenüber der Bfin. von 142 509 DM nicht berücksichtigt seien. Ein Erwerber des ganzen Betriebes hätte deshalb für die Beteiligung nicht den vom Finanzgericht angesetzten Buchwert bezahlt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Die Voraussetzungen einer Teilwertabschreibung auf die GmbH- Beteiligung der Bfin. (§ 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG) sind nicht gegeben. Zutreffend ging das Finanzgericht davon aus, daß der Verzicht auf Forderungen gegen die GmbH in Höhe von 115 000 DM als zusätzliche Anschaffungskosten der Bfin. auf ihre Beteiligung zu behandeln sind. Die Gründe, die die Bfin. zu dieser Maßnahme veranlaßten, sind ohne Belang. Denn die erlassene Forderung besaß unstreitig selbst schon Finanzierungs- und Beteiligungscharakter. Auch die Bfin. trägt vor, daß die Konzernforderungen wirtschaftlich gesehen Anschaffungskosten der Beteiligung bildeten.

Der Wert einer Beteiligung, die ein Kaufmann an einem wirtschaftlich verwandten Unternehmen erwirbt und erweitert, beruht nicht nur auf dem durch die Beteiligung repräsentierten jeweiligen Betriebsvermögen der Gesellschaft; er wird auch durch die Aussichten auf die wirtschaftliche Zukunft und durch die Möglichkeit der Einflußnahme auf das nahestehende Unternehmen bestimmt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 386/61 U vom 22. April 1964, BStBl 1964 III S. 362, Slg. Bd. 79 S. 358). Die Grundsätze, die in der Entscheidung I 386/61 U für den Erwerb einer solchen Beteiligung an einem verlustbringenden Unternehmen dargelegt sind, treffen auch auf die Kapitalaufstockung durch den Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu, die dieser in Kenntnis der Verlustursachen vornimmt. Danach ist als Teilwert einer erst vor kurzer Zeit erworbenen Beteiligung grundsätzlich der Gesamtbetrag der Anschaffungskosten anzusehen. Eine dahingehende Vermutung kann durch den Nachweis entkräftet werden, daß der Erwerb der Beteiligung, mit anderen Worten die Gründung der GmbH und die weiteren Kapitalausstattungen, Fehlmaßnahmen darstellten (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I 9/39 vom 9. Januar 1940, RStBl 1940 S. 643; Urteile des Bundesfinanzhofs I 80/57 U vom 26. August 1958, BStBl 1958 III S. 420, Slg. Bd. 67 S. 382; I 229/59 U vom 11. Oktober 1960, BStBl 1960 III S. 509, Slg. Bd. 71 S. 695; I 386/61 U).

Bei der Bewertung einer Beteiligung an einer neu gegründeten mit Verlust arbeitenden Kapitalgesellschaft sind mehrere Fälle zu unterscheiden. Anlaufverluste rechtfertigen für sich allein den Ansatz eines niedrigeren Teilwertes grundsätzlich nicht (vg. Urteil des Reichsfinanzhofs III 140/38 vom 11. Mai 1939, RStBl 1939 S. 805). Derartige Verluste muß jeder Kaufmann in Rechnung stellen. Bei einer Veräußerung des Unternehmens würde deshalb der auf die Beteiligung entfallende Verkaufspreis nicht unter dem Betrag der tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Veräußerers liegen. Treten jedoch während der Anlaufzeit Verluste auf, die erkennen lassen, daß sich das Unternehmen ohne grundlegende finanzielle Maßnahmen nicht rentieren wird und unterbleiben diese Maßnahmen, so liegen die Voraussetzungen einer Teilwertabschreibung in der Regel vor. Denn infolge der Verluste sind das Vermögen der Kapitalgesellschaft und, da keine Aussicht auf eine Besserung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens besteht, auch der Wert der Beteiligung gemindert. Anders ist der Teilwert der Beteiligung zu beurteilen, wenn Maßnahmen getroffen sind, die eine künftige Rentabilität gewährleisten sollen. Zwar ist auch hier in dem Zeitpunkt, in dem die Finanzierungsmaßnahmen vorgenommen werden, das Vermögen der Kapitalgesellschaft durch die Verluste noch gemindert. Aber auf den Teilwert der Beteiligung bleibt dieser Umstand ohne Einfluß. Denn der Wert der Beteiligung bemißt sich wesentlich nach den künftigen Ertragsaussichten und den sonstigen an den Besitz der Beteiligung geknüpften Erwartungen, deren Verwirklichung die Finanzierungsmaßnahmen dienen. Daher kommt in diesen Fällen eine Teilwertabschreibung erst in Betracht, wenn auf Grund der weiteren Entwicklung erkennbar ist, daß der Gesamtheit der getroffenen Maßnahmen der Erfolg versagt bleiben wird.

Zutreffend ging das Finanzgericht von den Ertragsaussichten der GmbH aus, die nach den von der Bfin. nicht bestrittenen Feststellungen auf Grund der Kapitalerhöhung und der weiteren im Zusammenhang damit getroffenen betrieblichen Maßnahmen am Bilanzstichtag bestanden. Der Auffassung der Bfin., daß mit der Kapitalerhöhung ein "neuer Anfang" gesetzt worden sei, der es rechtfertige, die bis dahin eingetretenen Verluste der GmbH bei der Bfin. durch eine Teilwertabschreibung zu berücksichtigen, kann nicht gefolgt werden. Die Bfin. stattete die GmbH in Kenntnis des Ausmaßes und der Ursachen der Verluste in ungleich größerem Umfang als zuvor mit Kapital aus. Der Betrieb wurde nicht umgestellt, vielmehr verfolgte die GmbH die bisherigen Produktionsziele weiter. Die von der Bfin. seit Gründung der GmbH vorgenommenen Finanzierungsmaßnahmen bauten aufeinander auf und sind wirtschaftlich einheitlich zu würdigen. Die ihnen zugrunde liegenden Erwägungen waren auch, wie das Finanzgericht feststellte, sinnvoll, weil die GmbH mit der Herstellung ihrer Spezialprodukte im Bundesgebiet ohne Konkurrenz war und die Nachfrage nicht befriedigen konnte. Unter diesen Umständen kann nicht davon gesprochen werden, daß nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag (31. Dezember 1960) die Gesamtheit der von der Bfin. getroffenen Maßnahmen eine Fehlinvestition darstellte.

Die Vorentscheidung wies mit Recht darauf hin, daß die Kapitalerstausstattung der GmbH durch die Bfin. nicht schon deshalb eine Fehlmaßnahme bildete, weil die GmbH ihrerseits das Kapital möglicherweise - zum Teil - verfehlt angelegt habe. Denn die unerwartet niedrige Leistungsfähigkeit einer Spezialmaschine der GmbH bildete allenfalls bei der GmbH einen Grund zur Abschreibung der Anschaffungskosten dieser Maschine auf den niedrigeren Teilwert. Sie rechtfertigte jedoch nicht ohne weiteres bei der Bfin. eine Abschreibung auf ihre GmbH- Beteiligung.

Eine Teilwertabschreibung auf die GmbH-Beteiligung käme nach alledem erst in Betracht, wenn die an die erörterten Finanzierungsmaßnahmen geknüpften geschäftlichen Erwartungen sich in der Folgezeit nicht erfüllten. Ob das der Fall ist, kann erst auf Grund der weiteren Entwicklung mit Wirkung für die auf den 31. Dezember 1960 folgenden Bilanzstichtage entschieden werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411667

BStBl III 1965, 503

BFHE 1966, 5

BFHE 83, 5

BB 1965, 976

DB 1965, 1235

DStR 1965, 538

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge