Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Sogenannte verlorene Baukostenzuschüsse, die Mieter zur Erlangung einer Wohnung geben, begründen in der Regel keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG (§ 25 LStDV).

Unter welchen Voraussetzungen kann ausnahmsweise eine außergewöhnliche Belastung angenommen werden?

 

Normenkette

EStG § 33; LStDV § 25

 

Tatbestand

Die Bfin. ist Oberpostsekretärin; sie hat Früh-, Spät- und Nachtdienst; im Streitjahr 1957 bezog sie ein Gehalt von 8.600 DM. Sie beantragte beim Lohnsteuerjahresausgleich für das Jahr 1957 einen von ihr in diesem Jahr bezahlten verlorenen Baukostenzuschuß von 3.500 DM zuzüglich einer Maklerprovision von 177,50 DM nach § 33 EStG (§ 25 LStDV) als außergewöhnliche Belastung anzusetzen. Sie sei Flüchtling und seit dem Jahre 1947 in A. ansässig; von Mai 1952 bis Juli 1957 habe sie ein 13,2 qm großes Nordzimmer bewohnt, das feucht und vom Schwamm befallen gewesen sei; sie habe kein fließendes Wasser, kein Bad und keine Küche gehabt; sie leide an schwerem Rheuma und Kreislaufstörungen mit nervösem Herzleiden und habe sich aus gesundheitlichen Gründen eine andere Wohnung beschaffen müssen. Auf Grund des geleisteten Baukostenzuschusses habe sie jetzt eine 25 qm große Einzimmerwohnung mit Bad und Kleinküche. Das Finanzamt erkannte den Baukostenzuschuß nicht als außergewöhnliche Belastung an. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte im wesentlichen aus: Nach den überreichten Attesten leide die Bfin. seit 1953 an einer Arthrose der Wirbelsäule und seit 1955 an einer Angina pectoris bei hochgradiger nervöser Erschöpfung. Es sei aber nicht dargetan, daß die Nachteile des früheren Zimmers diese Leiden ungünstig beeinflußt hätten. Das behauptete Rheumaleiden habe die Bfin. nicht nachgewiesen. Das Finanzamt habe auch mit Recht darauf hingewiesen, daß die Bfin. bei ihrem Einkommen sich ein anderes möbliertes Zimmer in besserer und gesünderer Lage hätte beschaffen können; möblierte Zimmer seien ausreichend vorhanden gewesen. Die Bfin. habe für den Baukostenzuschuß auch einen Gegenwert in Form der zehnjährigen Dauer des Mietvertrages erhalten; innerhalb dieser Vertragsfrist könne sie den Baukostenzuschuß oder einen der inzwischen vergangenen Zeit entsprechenden Teil durch Abtretung ihrer Rechte aus dem Mietvertrag wieder hereinbringen.

Mit der Rb. macht die Bfin. vor allem geltend, es könne ihr bei ihrem Alter von 63 Jahren und ihrer Krankheit nicht zugemutet werden, sich mit einem möblierten Zimmer zu begnügen; Mieter möblierter Zimmer seien fast immer erheblich vom Zimmervermieter abhängig. Der unregelmäßige Dienst und das damit verbundene Kommen und Gehen zur Nachtzeit seien für die Mitbewohner lästig und führten zu Reibungen. Im übrigen habe ein 63jähriger Steuerpflichtiger ein Recht auf eine eigene Kleinwohnung; denn die Mehrzahl alleinstehender Steuerpflichtiger dieser Altersgruppe habe auch eine eigene Wohnung. Das Finanzgericht lasse außer Betracht, daß sie Vertriebene sei und ihre frühere Wohnung in Schlesien verloren habe. Die laufende Miete betrage etwa 3 DM pro Quadratmeter im Monat und sei damit, auch wenn man den verlorenen Zuschuß berücksichtige, für eine Neubauwohnung erheblich.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Wie der Senat in der gleichzeitig ergehenden Entscheidung VI 160/59 S (BStBl 1960 III S. 309) ausgeführt hat, können verlorene Baukostenzuschüsse, die Mieter zur Erlangung einer Wohnung geben, nur in Ausnahmefällen als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG (§ 25 LStDV) anerkannt werden. Bürgerlich-rechtlich sind, wie im Urteil VI 160/59 S dargelegt ist, solche verlorenen Baukostenzuschüsse keineswegs "verloren" in dem Sinn, daß die Mieter sie ohne wirtschaftlichen Gegenwert opfern müssen. Die Zuschüsse werden vielmehr im Rahmen des Mietvertrags geleistet und verschaffen dem Mieter ein gemäß § 57 c des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG) auch in der Zwangsversteigerung wirksames Dauerwohnrecht, solange der sogenannte verlorene Zuschuß nicht als "abgewohnt" gilt. Gewöhnlich wird, wenn der Mieter einen verlorenen Zuschuß gibt, der Vertrag langfristig - im Streitfall auf zehn Jahre - fest abgeschlossen; oft ist dem Mieter, wenn er aus wichtigem Grund vorzeitig auszieht, das Recht vorbehalten, vom Vermieter einen Teil des verlorenen Zuschusses zurückzuverlangen oder dem Vermieter einen Mietnachfolger zu präsentieren, der bereit ist, dem ausziehenden Mieter einen Teil des sogenannten verlorenen Zuschusses zu erstatten. Auch wenn solche besonderen Vereinbarungen fehlen, ist der Zuschußgeber bürgerlich-rechtlich nicht der Willkür des Vermieters ausgeliefert, solange er den Zuschuß nicht "abgewohnt" hat, wirtschaftlich ist folgendes zu erwägen: Leistet der Mieter keinen sogenannten verlorenen Zuschuß, so verlangt der Vermieter oft - eine gewöhnlich höhere - auf die Miete im Laufe mehrerer Jahre zu verrechnende zinslose Mietvorauszahlung; leistet der Mieter weder einen sogenannten verlorenen Zuschuß noch eine zinslose Mietvorauszahlung, so wird in aller Regel die laufende Miete entsprechend höher bemessen. Welche dieser möglichen Formen im Einzelfall angewendet wird, hängt von der Entschließung der Vertragsparteien ab und ist im wesentlichen eine Frage der Kalkulation und der Finanzierungsmöglichkeit für Vermieter und Mieter. Die steuerliche Beurteilung, insbesondere die Anwendbarkeit des § 33 EStG (§ 25 LStDV), kann jedenfalls von der mehr zufälligen und überwiegend von wirtschaftlichen überlegungen bestimmten Form, in der der Mieter seine Miete zahlt, nicht abhängig gemacht werden, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat.

Allerdings kann, wie der Senat in der Entscheidung VI 160/59 S angedeutet hat, unter besonderen Umständen die Belastung durch Mietzahlung eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG (§ 25 LStDV) sein. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Form die Miete gezahlt wird. Eine solche Ausnahme kann man z. B. annehmen, wenn ein Steuerpflichtiger wegen ansteckender Krankheit in der Familie für befristete Zeit schnell eine Wohnung beschaffen muß, deren Miete - sei es in Form eines verlorenen Zuschusses, einer verrechenbaren Mietvorauszahlung oder einer höheren laufenden Miete - seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse erheblich übersteigt; in diesen Fällen kann der die Verhältnisse des Steuerpflichtigen übersteigende Teil der Miete, solange der Notstand andauert, nach § 33 EStG (§ 25 LStDV) berücksichtigt werden. Dasselbe gilt, wenn dringende Gründe die Zusammenführung einer zerstreuten Familie gebieten oder wenn Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone, die ihre Wohnung aufgeben mußten, sich in der Bundesrepublik eine Familienwohnung beschaffen müssen. Voraussetzung ist in allen solchen Fällen aber, daß die Belastung durch die Miete zwangsläufig ist; sie muß zur Abwendung einer dringenden Notlage geboten und darf nicht durch das Streben nach gehobener Lebenshaltung veranlaßt sein. Eine weitere Voraussetzung ist, daß die Belastung außergewöhnlich ist. Das ist der Fall, wenn die Miete über dem Rahmen dessen liegt, was Steuerpflichtige ähnlicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse an Miete anzulegen pflegen. Schließlich muß der Mieter seine Mietzahlungen mit seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit innerhalb angemessener Frist in Einklang zu bringen versuchen; macht er keine ernsthaften Bemühungen, eine seinen wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßte Wohnung zu finden, so kann die Zwangsläufigkeit der Belastung für die Zukunft entfallen.

Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat das Finanzgericht rechtlich zutreffend den verlorenen Baukostenzuschuß nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG (§ 25 LStDV) anerkannt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bfin. durch Krankheit oder Reibungen mit ihren Mitbewohnern zum Wohnungswechsel gezwungen war oder ob nicht vielmehr der Wunsch nach einer besseren und moderneren Wohnung in erster Linie für sie bestimmend war; es kann ferner dahingestellt bleiben, ob es wirklich Sache der Finanzämter ist zu prüfen, ob nicht ein möbliertes Zimmer als Wohnung ausgereicht hätte; es kann auch dahingestellt bleiben, ob man berücksichtigen kann, daß die Bfin. Vertriebene ist und daß sie schon über zehn Jahre ihre frühere Wohnung verloren und in A. gewohnt hatte; schließlich kann es auch dahingestellt bleiben, ob die Bfin., die den verlorenen Zuschuß anscheinend aus ihren Ersparnissen gegeben hat, damit nicht ihr Vermögen in Form der Mietvorauszahlung nur in einer anderen, ihr zweckmäßig erscheinenden Form angelegt hat. Denn jedenfalls hat die Bfin. nicht dargetan, daß sie durch die Wohnungsmiete außergewöhnlich belastet ist. Ihr Bruttogehalt beträgt über 700 DM, die laufende Miete 75 DM monatlich. Rechnet man den sogenannten verlorenen Zuschuß von 3.500 DM auf die zehnjährige feste Vertragszeit um, so erhöht sich die Monatsmiete um etwa 30 DM auf 105 DM. Eine solche Mietbelastung steht nicht außer Verhältnis zum Einkommen der Bfin. und dem, was Steuerpflichtige, die eine moderne Kleinwohnung wünschen, an Miete zahlen, zumal wenn sie alleinstehende Personen sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409710

BStBl III 1960, 310

BFHE 1961, 164

BFHE 71, 164

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