Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfestsetzungsfrist bei grob fahrlässig unzutreffender Gewinnermittlung durch eine Steuerfachangestellte der beauftragten Steuerberatungsgesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung i.S. des § 378 AO 1977 kann auch derjenige sein, der die Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen wahrnimmt.

2. Die fünfjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 greift daher auch dann ein, wenn eine Steuerfachangestellte der vom Steuerpflichtigen beauftragten Steuerberatungsgesellschaft den Gewinn des Steuerpflichtigen grob fahrlässig unzutreffend ermittelt und das FA diesen Gewinn der Steuerveranlagung zugrunde legt.

 

Normenkette

AO 1977 § 169 Abs. 2 S. 2, § 370 Abs. 1 Nr. 1, § 378

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Entscheidung vom 11.04.2001; Aktenzeichen 18 K 7170/97 E; EFG 2001, 944)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte als Facharzt für innere Medizin und Chefarzt eines Krankenhauses Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die Einkommensteuererklärung 1990 (für das Streitjahr) ging im Oktober 1991 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―) ein. Der nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte Gewinn aus selbständiger Arbeit des Klägers in Höhe von 728 499 DM, davon Einnahmen von der Kassenärztlichen Vereinigung in Höhe von 277 985 DM, wurde erklärungsgemäß der Steuerfestsetzung vom 17. Februar 1992 zugrunde gelegt. Unter dem 2. Januar 1996 erging gegenüber dem Kläger eine Prüfungsanordnung nach § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Jahre 1992 bis 1994 (Einkommensteuer) bzw. 1992 bis 1995 (Einheitswerte des Betriebsvermögens und Vermögensteuer). Daraufhin wurden mit Schreiben vom 11. Januar 1996, Eingang beim FA am 12. Januar 1996, berichtigte Einkommensteuererklärungen der Kläger für die Jahre 1990 bis 1993 eingereicht. Hierin wurden Gewinnerhöhungen aus "Überweisungen Kassenärztliche Vereinigung/Krankenhaus" in Höhe von 119 061 DM (1993), 114 000 DM (1992), 73 600 DM (1991) und 82 400 DM (Streitjahr 1990) nacherklärt. Erläuternd teilte die steuerliche Beraterin der Kläger mit, bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit seien Buchungsfehler unterlaufen. Dem lag Folgendes zugrunde:

Vor dem Jahr 1990 hatte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ihre Entgelte direkt an den Kläger ausgezahlt. Ab dem Jahr 1990 überwies sie ―abgesehen von einzelnen dem Kläger direkt überwiesenen a conto- und Restzahlungen― die aus ihren Abrechnungen resultierenden Entgelte des Klägers zunächst an den Krankenhausträger, damit dieser aus den gutgeschriebenen Beträgen seine Sachkosten und Vertragsabgabeleistungen herausrechnen konnte, um danach den Restbetrag an den Kläger weiterzuleiten. Da die an den Krankenhausträger abzuführenden Anteile zwar dem Grunde nach feststanden, ihrer Höhe nach aber ungewiss waren, wurden die beim Krankenhaus eingehenden Zahlungen von der damals für die Kläger tätigen A-Steuerberatungsgesellschaft mbH (A) auf dem Erlöskonto 8010 als Einnahmen und in gleicher Höhe auf dem Konto 4710 (Abgaben an Krankenhausverwaltung) als Betriebsausgaben gebucht. Sobald der jeweilige Krankenhausanteil mit der Weiterleitung des Restbetrages vom Krankenhausträger an den Kläger feststand, sollte auf dem Betriebsausgabenkonto eine entsprechende Saldierung durch Gegenbuchung (Minderung der Betriebsausgaben) erfolgen. Die Gegenbuchung wurde jedoch ―gewinnneutral― über das Privateinlagenkonto 5801 ausgeführt.

Bei der Vorbereitung des Jahresabschlusses 1994 fiel der A am 30. Juli 1995 auf, dass der vom Krankenhausträger für dieses Jahr zu zahlende Restbetrag nicht richtig verbucht worden war. Die Einkommensteuererklärung 1994 wurde dem FA daraufhin unter Ansatz des um die Fehlbuchung korrigierten Gewinns am 21. September 1995 eingereicht. Eine Berichtigung der Jahre 1990 bis 1993 erfolgte erst zu Beginn des Jahres 1996. Nach Ansicht der Kläger war aber für das Jahr 1990 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten.

Die Kläger trugen dazu im Klageverfahren weiter vor: Die damals bei der A angestellte Sachbearbeiterin, die Zeugin B, habe die Geschäftsvorfälle der Jahre 1990 bis 1994 verbucht. In den Jahren 1990 bis 1993 sei übersehen worden, die Krankenhausabrechnungen vom Kläger anzufordern und erfolgswirksam auszuwerten. Dem damals zuständigen Abteilungsleiter, dem Zeugen D, sei erst bei der Durchführung des Jahresabschlusses 1994 aufgefallen, dass mit den Krankenhausabrechnungen im Zusammenhang stehende Abschlussbuchungen noch zu tätigen waren. Der steuerliche Vertreter und jetzige Prozessbevollmächtigte, der Steuerberater E, selbst habe erst Anfang Januar 1996 von diesen Vorgängen erfahren. Der Kläger sei vor Ablauf der Festsetzungsfrist nicht über den ausgeräumten Buchungsfehler 1994 unterrichtet worden. Der Steuerberater E sei im Jahr 1995 ein Geschäftsführer der A gewesen, die in der Hauptsache Ärzte, darunter auch viele Chefärzte, steuerlich berate und vertrete. In der A seien die Akten über die Jahresabschlüsse und Jahressteuererklärungen jahrgangsweise getrennt geführt worden. Ein Sachbearbeiter, der Jahresabschlüsse erstelle und dabei im Rahmen der Abschlussbuchungen die Buchführung überprüfe sowie stets alle im Laufe des Jahres gemachten Buchungsfehler ausräume, müsse nicht davon ausgehen, dass im Jahr 1994 vorgekommene Buchungsfehler auch in den Vorjahren gemacht worden seien. Er könne vielmehr davon ausgehen, dass etwaige Fehler bei der Erstellung der jeweiligen Jahresabschlüsse ausgeräumt worden seien. Eine leichtfertige Steuerverkürzung liege daher nicht vor, wenn sich der Sachbearbeiter im Jahr 1995 darüber im Unklaren gewesen sei, ob er den Jahresabschluss 1990 noch überprüfen müsse oder nicht, zumal wegen vieler noch ausstehender Steuererklärungen ein starker Arbeitsdruck bestanden habe. Das gelte auch für den Abteilungsleiter, den Zeugen D, der u.a. selbst ca. 60 Jahressteuererklärungen erstelle. Die im Jahr 1995 für die Jahre 1990 bis 1993 ―aufgrund Vergessens― unterlassene Überprüfung oder das Nicht-Daran-Denken sei nicht als leichtfertige Steuerverkürzung anzusehen, zumal der Zeuge in allen anderen Fällen stets richtig gehandelt habe.

Der Kläger selbst sei über den beim Jahresabschluss 1994 ausgeräumten Buchungsfehler weder bei der Besprechung des Jahresabschlusses 1994 und der Einkommensteuererklärung 1994 noch vorher oder nachher informiert worden. Er habe den Fehler aus den Jahresabschlüssen 1990 bis 1993 genauso wenig erkennen können wie das FA. Zudem habe er keinen Anhaltspunkt gehabt, dass eine auf Ärzte spezialisierte Steuerberatungsgesellschaft für ihn fehlerhafte Jahresabschlüsse 1990 bis 1993 erstellt habe. Vergleiche mit den Zahlen des Vorjahres seien anlässlich der Durchsicht von Steuererklärungen vor deren Unterzeichnung bei Ärzten nicht üblich. Die Vorjahreszahlen würden deshalb in den Jahresabschlüssen auch nicht dargestellt, weil sich die Verhältnisse oft zu sehr veränderten. Es habe daher auch keine Anzeigepflicht nach § 153 AO 1977 bestanden.

Die Fehler seien dem Steuerberater E auch erst Anfang Januar 1996, wenige Tage nach Eingang der Prüfungsanordnung, aufgefallen, und zwar bei der Vorbereitung auf die Prüfung. Im Streitfall habe die Besonderheit vorgelegen, dass der Kläger noch einen sog. Altvertrag gehabt habe. Dieser habe noch nicht so hohe Vertragsabgaben vorgesehen wie die jüngeren Chefarztverträge. Der Krankenhausträger habe daher von den Zahlungen der KV ―schon vor Verrechnung der Vertragsabgaben― in geschätzter Höhe Vorauszahlungen an den Kläger überwiesen. Da die A die Arzthonorare bereits voll als Einnahmen erfasst gehabt habe, hätten die auf das Bankkonto des Klägers geleisteten Vorauszahlungen (Teilhonorare) nicht noch einmal erfasst werden dürfen. Die Sachbearbeiterin habe sie daher auf dem Einlagekonto verbucht. Da die späteren Krankenhausabrechnungen nicht zur Buchhaltung gelangt seien und so buchhalterisch auch nicht ausgewertet worden seien, sei die notwendige Minderung der Betriebsausgaben unterblieben. Ansonsten sei dies eine selbstverständliche Abschlussbuchung, wie sie bei allen anderen Kostenarten auch vorkommen könne und vorkomme. Wenn eine solche Buchung für 1994 trotzdem zunächst nicht erfolgt sei, habe der Zeuge D nicht davon ausgehen müssen, dass eine derart unproblematische Routinebuchung auch schon für die Vorjahre (1990 bis 1993) versehentlich unterblieben sei. Dieser Mangel sei dann später (Anfang 1996) durch den Steuerberater E ausgeräumt worden.

In der fehlerhaften Bearbeitung einer offenkundigen Sache liege aber keine grobe Fahrlässigkeit und damit auch keine leichtfertige Steuerverkürzung gemäß § 378 AO 1977. Nach der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) vom 9. November 1993 4 St RR 54/93 (Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht ―wistra― 1994, 34, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1994, 410) sei einem Steuerpflichtigen nicht anzulasten, dass er eine vom Steuerberater unzutreffend erstellte Erklärung für richtig angesehen, unterschrieben und abgegeben habe.

Die Klage hatte ―auch in Würdigung der nachgereichten Schriftsätze vom 23. April 2001 und 3. Mai 2001― keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vernahm den Steuerfachgehilfen D und die Steuerfachangestellte B als Zeugen und führte in seinem, in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 944 veröffentlichten Urteil u.a. aus, das FA habe den Einkommensteuerbescheid 1990 noch ändern dürfen, weil die Einkommensteuer 1990 leichtfertig verkürzt worden sei und daher die Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 fünf Jahre betragen habe. Der Auffassung, die Vorbereitung einer Steuererklärung durch einen Steuerfachgehilfen könne keine Steuerverkürzung sein, sei nicht zu folgen.

Mit der Revision machen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht (§§ 4 Abs. 3 und 11 EStG sowie §§ 169 und 378 AO 1977) geltend. Auch beruhe das angefochtene Urteil auf einem Verfahrensmangel.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil und den Einkommensteuerbescheid 1990 vom 18. Juli 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. August 1997 ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

I. 1. Da die Zulassung der Revision den Bundesfinanzhof (BFH) bindet (§ 115 Abs. 3 FGO), kommt es nicht mehr darauf an, ob entsprechende Zulassungsgründe i.S. von § 115 Abs. 2 FGO vorlagen. Auch ist nicht bedeutsam, ob die Kläger mit der Revision entsprechende Zulassungsgründe ordnungsgemäß i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt haben.

2. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Kläger die Revision den Anforderungen des § 120 Abs. 3 FGO entsprechend begründet haben. Dies ist der Fall. Aus der Begründungsschrift ergibt sich ausdrücklich, dass die Kläger die Verletzung der §§ 4 Abs. 3 und 11 EStG sowie der §§ 169 und 378 AO 1977 rügen. Die Kläger setzen sich auch mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander und legen die nach ihrer Ansicht maßgebenden Umstände dar, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergeben soll, und zwar dass die Festsetzungsfrist nicht fünf Jahre betrage, weil die Einkommensteuer 1990 nicht leichtfertig verkürzt worden sei.

II. 1. Die Kläger haben den angeblichen Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt. Sie machen keine Tatsachen geltend, aus denen sich ―die Richtigkeit ihres Vortrags unterstellt― ergibt, dass das FG die Verfahrensvorschriften nicht eingehalten hat. Zu Recht macht das FA darauf aufmerksam, dass die Kläger mit dem angeblichen Verfahrensverstoß lediglich die Beweiswürdigung durch das FG angreifen, also einen möglicherweise materiell-rechtlichen Fehler rügen, weil das FG aufgrund des im Wesentlichen unstreitigen Sachverhalts das Verhalten der an der Abgabe und an der Erstellung der Einkommensteuererklärung 1990 sowie an der zugrunde liegenden Gewinnermittlung beteiligten Personen als eine leichtfertige Steuerverkürzung angesehen hat. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem klägerischen Vorbringen, bei den Mandanten der A hätten nur ausnahmsweise und allein im Streitfall die KV-Einnahmen die lediglich geschätzten Verwaltungsabgaben überstiegen. Damit ist ―ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG― gerade nicht dargelegt, dass das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt hätte. Das FG hat nämlich ausgeführt, dass bereits die Anordnung der erfolgsneutralen Verbuchung grob fehlerhaft gewesen sei. Die sich danach aufdrängende und notwendige Überprüfung und Korrektur der Gewinnermittlung im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung habe der Zeuge D unterlassen; dies sei auch als leichtfertige Steuerverkürzung zu bewerten.

2. Zwar ist eine Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Das FG hat im Streitfall aber zu Recht darauf abgestellt, dass der ändernde Bescheid vom 18. Juli 1996 noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen ist. Diese lief nicht bereits zum 31. Dezember 1995, also wie sonst vier Jahre nach Abgabe der Steuererklärung (Eingang der Einkommensteuererklärung 1990 beim FA am 25. Oktober 1991), sondern erst zum 31. Dezember 1996 ab. Im Streitfall beträgt die Festsetzungsfrist fünf Jahre, weil die Einkommensteuer 1990 leichtfertig verkürzt wurde (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977).

Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kommt es nur darauf an, ob eine Steuer hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden ist. Ob der Steuerschuldner selber oder sein Vertreter bzw. Erfüllungsgehilfe den Tatbestand einer Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung erfüllt hat, ist unerheblich (BFH-Urteile vom 31. Januar 1989 VII R 77/86, BFHE 156, 30, BStBl II 1989, 442, und vom 30. Oktober 1990 VII R 18/88, BFH/NV 1991, 721; vgl. zu § 144 Abs. 1 Satz 1 der Reichsabgabenordnung ―AO― BFH-Urteil vom 4. März 1980 VII R 88/77, BFHE 130, 131, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1980, Nr. 335, und zu § 152 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 Senatsurteil vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324). So hat der Senat im Urteil in BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324 ausgeführt, dass sich die Festsetzungsfrist dann verlängert, wenn die Person, deren sich die Steuerpflichtige zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, dabei eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO 1977) oder eine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 Abs. 1 AO 1977) begeht (3.b cc der Gründe; so auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 169 AO 1977 Tz. 18). Das setzt voraus, dass der jeweilige Täter den Tatbestand in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt (BFH-Urteil vom 2. April 1998 V R 60/97, BFHE 186, 1, BStBl II 1998, 530). Von Bedeutung ist dann nur, ob der steuerliche Berater im Hinblick auf den Inhalt der Steuererklärung als Erfüllungsgehilfe des Steuerpflichtigen anzusehen ist, selbst wenn nur dieser eine Erklärung mit wahrem Inhalt abgeben kann und deshalb die von seinem steuerlichen Berater vorbereitete Erklärung überprüfen muss (vgl. hierzu z.B. BFH-Beschluss vom 25. Juni 1997 VIII B 35/96, BFH/NV 1998, 8). Ist der steuerliche Berater als Erfüllungsgehilfe anzusehen, scheidet die Exkulpationsmöglichkeit nach § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 aus (BFH-Urteil vom 23. März 1982 VII R 68/81, BFHE 135, 563, HFR 1982, 423).

Das FG hat zutreffend angenommen, dass die festgesetzte Einkommensteuer leichtfertig verkürzt wurde (§ 378 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Dabei kann offen bleiben, ob der Zeuge D als Abteilungsleiter der steuerlichen Beraterin der Kläger, der A, diesen Tatbestand erfüllt hat. Denn aufgrund der Feststellungen des FG steht fest, dass auch die Zeugin B, eine Steuerfachangestellte, in Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten der Kläger gehandelt hat und mit der unrichtigen Erstellung der beim FA eingereichten Erklärungen, nämlich der Gewinnermittlung und der Einkommensteuererklärung 1990, leichtfertig eine der in § 370 Abs. 1 AO 1977 bezeichneten Taten begangen hat. Sie hat leichtfertig unrichtige Angaben gemacht. Leichtfertigkeit bedeutet nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. Dezember 2000 II B 123/99, BFH/NV 2001, 738; vom 17. März 2000 VII B 39/99, BFH/NV 2000, 1180, und in BFH/NV 1998, 8) einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, aber im Gegensatz dazu auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt. Ein derartiges Verschulden liegt danach vor, wenn der Täter nach den Gegebenheiten des konkreten Falls und seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, den sich aus den konkret einschlägigen gesetzlichen Regelungen ergebenden Sorgfaltspflichten zu genügen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 1180).

Nach den den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ist dessen Annahme einer leichtfertigen Steuerverkürzung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Zeugin B war für die Verbuchung der laufenden Geschäftsvorfälle zuständig. Fest steht weiter, dass sie die für das Streitjahr beim Krankenhausträger eingegangenen Zahlungen der KV auf dem Erlöskonto 8010 als Einnahmen und in gleicher Höhe auf dem Aufwandkonto 4710 als Betriebsausgaben für die Verwaltungsabgaben ―und damit letztlich erfolgsneutral― verbucht hatte, obwohl entsprechende Abrechnungen noch nicht vorlagen. Dieses Vorgehen beruhte auf einer Anordnung des der Zeugin B als Verwaltungsleiter vorgesetzten Zeugen D. Nach dem Revisionsvorbringen hatte er diese Vorgehensweise angeordnet, weil nach den Erfahrungen der A bei den von ihr betreuten Ärzten die auch auf die Privatpatienten entfallenden Verwaltungsabgaben an den Krankenhausträger die KV-Einnahmen überstiegen, so dass diese Vorgehensweise ―abgesehen von zeitlichen Verschiebungen― letztlich nicht zu einer Verkürzung des Gewinns hätte führen können. Dementsprechend wurde ein sog. KV-Abstimmungsblatt, das der Zeuge D entwickelt hatte, verwandt. Die erste Erfassung konnte danach aber nur vorläufiger Natur sein. Dennoch hatte die Zeugin B später die beim Kläger eingehenden a conto- und Restzahlungen des Krankenhausträgers ―zu Unrecht― als Einlagen verbucht. Die laut Revisionsvorbringen insoweit angeblich befürchtete doppelt erfolgswirksame Berücksichtigung war schon deshalb nicht möglich, weil die Zeugin die bereits erfassten Honorare in gleicher Höhe durch geschätzte Betriebsausgaben für die ihr noch unbekannten Verwaltungsabgaben an den Krankenhausträger ausgeglichen hatte. Sie hätte daher diese Buchungen durch die volle Erfassung der a conto- und Restzahlungen erfolgswirksam ergänzen müssen. Die Revision räumt auch ein, dass die sog. erfolgsneutrale Verbuchung der KV-Einnahmen des Klägers sachlich nicht berechtigt war, weil dieser ―aufgrund eines Alt-Vertrages als Chefarzt mit deutlich niedrigeren Verwaltungsabgaben an den Krankenhausträger― insoweit beträchtliche Überschüsse erzielte.

Nach Auffassung des Senats gefährdete diese "neutrale" Verbuchung bereits deutlich die zutreffende endgültige Erfassung der Betriebseinnahmen und -ausgaben. Jedenfalls hätte die Zeugin B bei der Verbuchung der a conto- und Restzahlungen das frühere Rechenwerk überprüfen und dabei auch klar erkennen müssen, dass die tatsächlich angefallenen Verwaltungsabgaben die von ihr geschätzten Betriebsausgaben bei weitem nicht erreichten und dass der Kläger aus seiner Tätigkeit für die KV tatsächlich Überschüsse in sehr beträchtlichem Umfang erzielte. Frau B hätte dann ―zumindest― die dem Kläger im Laufe des Jahres 1990 auf seinem eigenen Konto zugeflossenen KV-Zahlungen keinesfalls als Einlagen erfassen dürfen, sondern sie in voller Höhe als Einnahmen verbuchen müssen.

Da die Zeugin B nach ihrer Aussage seinerzeit als Steuerfachgehilfin angestellt war, war sie auch in der Lage, ihre entsprechenden Sorgfaltspflichten zu erkennen und die grob fehlerhafte Verbuchung und Erfassung von Einnahmen als Einlagen zu vermeiden. Diese Verpflichtung bestand unabhängig davon, ob auch der eigentliche steuerliche Vertreter oder der Kläger ihre Sorgfaltspflichten verletzt haben.

3. Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Revision angeführten Rechtsprechung der ordentlichen Gerichtsbarkeit (vgl. Urteil des BayObLG in wistra 1994, 34, DStR 1994, 410, und Beschluss des Oberlandesgerichts ―OLG― Braunschweig vom 8. März 1996 Ss (B) 100/95, wistra 1996, 319, DStR 1997, 515; zustimmend Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 5. Aufl., § 378 AO 1977 Rz. 25, § 370 AO 1977 Rz. 18; Tormöhlen in Wannemacher, Steuerstrafrecht, 4. Aufl., Rz. 1712; Krekeler in Praxis Steuerstrafrecht ―PStR― 2002, 129 ff., 133 f.; Dörn, Die Steuerberatung ―Stbg― 2002, 454 ff.; kritisch Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 378 AO 1977 Rdnr. 24), wonach der steuerliche Berater nicht wegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung belangt werden könne, wenn er lediglich eine Steuererklärung für den Steuerpflichtigen vorbereitet hat. Dieser Auffassung ist das FG im Streitfall zu Recht nicht gefolgt. Täter i.S. von § 378 AO 1977 kann nämlich auch derjenige sein, der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen wahrnimmt (Klein/Gast-de Haan, Abgabenordnung, 7. Aufl., § 378 Rz. 4). Das kann z.B. auch der steuerliche Berater sein, ohne dass er gegenüber dem FA hervorgetreten sein müsste (Urteil des Reichsgerichts vom 12. April 1923 III 750/22, RG 57, 218; zustimmend u.a. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, a.a.O., § 378 Rz. 12 ff.). Selbst wenn eine von einem Dritten erstellte Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG rein theoretisch ein Internum sein und bleiben kann, so ist sie doch für die zutreffende Ermittlung des Gewinns und zur Vorlage beim FA für die festzusetzende Steuer bestimmt. Mit der Einreichung der unrichtigen Gewinnermittlung durch den Steuerpflichtigen endet das eigentliche Vorbereitungsstadium. Objektiv ist der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 erfüllt, wenn das FA aufgrund dieser unrichtigen Gewinnermittlung die Steuer zu niedrig festsetzt. Der erkennende Senat hat wiederholt ausgeführt, dass eine leichtfertige Steuerverkürzung auch dann vorliegen kann, wenn der steuerliche Berater den Gewinn des Steuerpflichtigen zu niedrig ermittelt und diesen Gewinn in die von ihm vorbereitete, aber vom Steuerpflichtigen unterzeichnete Steuererklärung einsetzt (vgl. Senatsurteile vom 23. Oktober 1986 IV R 54/86, BFH/NV 1988, 409, und in BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324, unter 3.b cc zur Verlängerung der Festsetzungsfrist). Auch nach der von einem Teil der Literatur vertretenen Ansicht (Klein/Gast-de Haan, a.a.O., § 378 Rz. 4 und 6; Scheurmann-Kettner in Koch/ Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 378 Rz. 4; Kühn/Hoffmann, Abgabenordnung, 17. Aufl., § 378 Anm. 2. b; Rüping in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 378 AO 1977 Rz. 24), setzt das Merkmal der "gegenüber den Finanz- und anderen Behörden unrichtigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen" gerade nicht voraus, dass der steuerliche Berater selbst die Steuererklärung unterzeichnet hat. Diese Ansicht entspricht auch dem Wortlaut von § 370 und § 378 AO 1977. Möglicher Täter ist danach nicht nur der Steuerpflichtige, der seine Steuererklärung unterzeichnet, sondern auch die Person, die der Steuerpflichtige zur Erfüllung dieser Verpflichtung einschaltet.

Je weitgehender der Steuerpflichtige Pflichten auf den Berater überträgt und sich dadurch auch straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich entlastet, desto stärker wächst die strafrechtliche oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit des Beraters (Beschluss des OLG Karlsruhe vom 19. März 1986 3 Ws 147/85, wistra 1986, 189, Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst 1986, 207). Die Gegenmeinung berücksichtigt zudem nicht, dass die bei der Erstellung der Steuererklärungen häufig zwangsläufig notwendige Aufgabenteilung zwischen Steuerpflichtigem und steuerlichem Berater nicht dazu führen kann, dass die Festsetzungsfrist bei objektiv eindeutig unrichtigen Angaben wie üblich abläuft. Denn in diesem Fall erhöht sich der Ermittlungsaufwand der Finanzbehörden. Steuerrechtlich hat zudem der Steuerpflichtige die objektiv unrichtigen Angaben zu verantworten, selbst wenn ihn daran kein eigenes Verschulden trifft (BFH-Urteile in BFHE 156, 30, BStBl II 1989, 442, und in BHFE 137, 547, BStBl II 1983, 324, jeweils m.w.N.).

4. Der im Streitfall zu beurteilende Sachverhalt ist auch nicht mit dem Fall vergleichbar, dass der steuerliche Berater bei der Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen lediglich insoweit mitwirkt, als er auf unrichtige Angaben des Steuerpflichtigen vertraut hat. Vielmehr hat die Zeugin B nicht nur die Einnahmen unrichtig verbucht; sie hat auch in eigener Person den von den Klägern erklärten Gewinn unrichtig ermittelt, somit die unrichtigen Angaben in die Steuererklärungen eingetragen und so die unrichtige Steuerfestsetzung verursacht (Weyand in Schwarz, Abgabenordnung, § 378 Rz. 16; Dumke in Schwarz, a.a.O., § 370 Rz. 43; Bilsdorfer, Neue Wirtschafts-Briefe, Fach 13 S. 975 ff.). Es kann daher nicht darauf ankommen, ob in anders gelagerten Fällen eine mittelbare Täterschaft bei leichtfertig begangenen Steuerverkürzungen möglich ist und ob der Täter den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 immer eigenhändig erfüllen muss. Die Zeugin hat nämlich nicht nur die unrichtige Steuerfestsetzung "bewirkt" (vgl. § 404 AO), sondern selbst die für das FA maßgebende Gewinnermittlung erstellt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 911503

BFH/NV 2003, 676

BStBl II 2003, 385

BFHE 2003, 495

BFHE 200, 495

BB 2003, 722

DB 2003, 2370

DStR 2003, 506

DStRE 2003, 512

HFR 2003, 444

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge