Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein Gewerbetreibender Kesselwagen gegen einen jährlichen Mietzins von mehr als 250.000 DM gemietet, so obliegt es ihm, den Jahresbetrag - gegebenenfalls im Schätzungswege - auf diejenigen Betriebstätten aufzuteilen, denen die Kesselwagen im fraglichen Zeitabschnitt gedient haben. Unterläßt er dies, so ist das FA in der Regel berechtigt, die Kesselwagen der Betriebstätte zuzurechnen, in der sich die Geschäftsleitung befindet.

 

Normenkette

GewStG § 8 Ziff. 8, § 9 Ziff. 4, § 8/7

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -) vermietet Eisenbahnkesselwagen an große ölfirmen der Bundesrepublik. Sie vereinnahmte aus Mieten im Jahre 1954 von der B-AG einen Betrag von 437.930 DM von von der V-AG einen Betrag von 293.041 DM.

Der Antrag der Stpfl., bei der vorläufigen Gewerbesteuerveranlagung 1954 die Hälfte der vereinnahmten Mietbeträge nach § 9 Ziff. 4 GewStG 1951 abzusetzen, blieb erfolglos, weil die entsprechenden Mieten bei der B-AG und V-AG nicht nach § 8 Ziff. 8 GewStG 1951 dem Gewerbegewinn hinzugerechnet worden waren. Das Verwaltungsgericht (VG) vertrat im ersten Rechtsgang die Auffassung, daß es für die Anwendung des § 9 Ziff. 4 GewStG allein darauf ankomme, wie bei der Gewerbesteuerveranlagung der Mieter tatsächlich verfahren worden sei.

Der BFH hob mit Urteil I 120/57 U vom 18. November 1958 (BStBl 1959 III S. 274, Slg. Bd. 69 S. 33) die Entscheidung des VG auf und verwies den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurück. Der Senat führte aus: Der Vermieter könne bei seiner Gewerbesteuerveranlagung nicht an die im Verfahren der Mieter getroffenen Entscheidungen gebunden sein, wenn er in diesen Verfahren nicht als Beteiligter zugezogen worden sei. Das VG müsse daher - unabhängig von den bei den Mieterinnen angewandten Verfahren - sachlich-rechtlich prüfen, ob die Voraussetzungen nach § 8 Ziff. 8 und § 9 Ziff. 4 GewStG erfüllt seien. Um widerstreitende Entscheidungen für die mehreren beteiligten Unternehmen nach Möglichkeit zu vermeiden, empfehle es sich, an die B-AG und die V-AG mit der Frage heranzutreten, ob sie in diesem Verfahren zu der Rechtsfrage Stellung nehmen wollten. Auch den für die Mieterinnen zuständigen Finanzämtern (Fä) B. und H. sei in geeigneter Weise und unter Beachtung des Steuergeheimnisses Gelegenheit zu geben, zu der Frage Stellung zu nehmen.

Im Verfahren des zweiten Rechtsgangs hat das VG dem FA H, dem FA B sowie den Mieterinnen, der B-AG und der V-AG, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das FA H führte - zum Teil unter Bezugnahme auf sein früheres Schreiben vom 25. Oktober 1955 - aus, daß nach seiner Ansicht zum Zwecke der Prüfung, ob die nach § 8 Ziff. 8 Satz 2 GewStG maßgebende Betragsgrenze von 250.000 DM in den Betriebstätten eines Gemeindebezirks überschritten sei, die gemieteten Kesselwagen denjenigen Betriebstätten zugerechnet werden müßten, denen sie jeweils gedient hätten. Das FA nehme von einer derartigen Prüfung jedoch Abstand, weil im Ergebnis bei einer Kesselwagenmiete von insgesamt 298.041 DM auf die einzelnen Betriebstätten nicht mehr als 250.000 DM entfallen könnten. Das FA B. vertrat die Ansicht, die Kesselwagen könnten keiner bestimmten Betriebstätte der B-AG zugerechnet werden. Die Voraussetzungen des § 8 Ziff. 8 GewStG seien daher bei der B-AG nicht gegeben. Die Veranlagung der B-AG sei aber vorläufig. Die endgültige Entscheidung werde bis zur Klärung der Rechtsfrage durch die Rechtsmittelbehörde zurückgestellt. Die B-AG teilte mit, insgesamt würden 570 ihrer Lager mit 3800 Kesselwagen versorgt. Kein Wagen habe einen Festen Dauerstandort. Es sei eine nicht zumutbare Arbeit, im einzelnen festzustellen, wo die Wagen im Laufe des Jahres zum Einsatz gelangt seien. Die Wagen könnten daher keiner bestimmten Betriebstätte zugerechnet werden. Dieser Stellungnahme schloß sich die V-AG an.

Das VG wies die Berufung hierauf erneut zurück. Es verneinte die Voraussetzungen der §§ 8 Ziff. 8 und 9 Ziff. 4 GewStG, weil die Kesselwagen als Transportmittel mit laufend verschiedenen Aufgaben keiner bestimmten Betriebstätte der Mieterinnen zugerechnet werden könnten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. (Revision) der Stpfl., mit der unrichtige Anwendung der §§ 8 und 9 Ziff. 4 GewStG gerügt wird, ist begründet.

Der Senat hat im ersten Rechtsgang die Auffassung vertreten, daß es für die Anwendung des § 9 Ziff. 4 GewStG nicht darauf ankomme, wie die Mietzinsen beim Mieter tatsächlich behandelt worden sind, sondern daß entscheidend sein müsse, ob die Mietzinsen bei zutreffender sachlich-rechtlicher Beurteilung nach § 8 Ziff. 8 GewStG dem Gewinn des Mieters hätten hinzugerechnet werden müssen. An diese Rechtsauffassung ist der Senat im zweiten Rechtsgang gebunden (vgl. das zu § 296 Abs. 4 AO alter Fassung ergangene Urteil des BFH VI 304/64 U vom 23. April 1965, BStBl 1965 III S. 487, Slg. Bd. 82 S. 666).

Die Vorinstanz hat die bei Auslegung des § 8 Ziff. 8 GewStG anzuwendenden Grundsätze verkannt. Der Auffassung des VG, daß die vermieteten Kesselwagen keiner Betriebstätte der Mieterinnen zugerechnet werden könnten, kann nicht gefolgt werden. Wie der Senat im Urteil I 225/61 vom 23. September 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (HFR) 1955 S. 64, ausgeführt hat, sind Wirtschaftsgüter, die keiner Betriebstätte, also nicht einmal der Betriebstätte am Ort der Geschäftsleitung, zugerechnet werden können, nach den Denkgesetzen nicht möglich. Mindestens in Form der Geschäftsleitung hat jeder Gewerbebetrieb eine Betriebstätte. Bestehen mehrere Betriebstätten, so ist diejenige zu ermitteln, für die das Wirtschaftsgut jeweils den größten wirtschaftlichen Nutzen hat. Ist die Beziehung zu mehreren Betriebstätten eine gleichermaßen enge, so kann eine Aufteilung des Jahresbetrags auf die mehreren Betriebstätten in Frage kommen. Lassen sich Wirtschaftsgüter nicht einer oder mehreren Betriebstätten außerhalb des Orts der Geschäftsleitung zuordnen, so sind sie mindestens der Betriebstätte zugehörig, in der sich die Geschäftsleitung befindet, weil sich jedenfalls an diesem Ort der Ertrag auswirkt, der wirtschaftlich aus dem Nutzen der Wirtschaftsgüter gewonnen wird. An diesen Grundsätzen hält der Senat fest.

Hat ein Gewerbetreibender Kesselwagen gegen einen jährlichen Mietzins von mehr als 250.000 DM gemietet, so obliegt es ihm, den Jahresbetrag - gegebenenfalls im Schätzungswege - auf diejenigen Betriebstätten aufzuteilen, denen die Kesselwagen im fraglichen Zeitabschnitt gedient haben. Da es für den Steuerpflichtigen leichter ist als für das FA, die tatsächlichen Voraussetzungen einer Aufteilung auf mehrere Betriebstätten darzutun, füllt es in den Rahmen der dem Steuerpflichtigen nach § 171 AO auferlegten Mitwirkungspflicht, den Nachweis zu führen, daß der Jahresbetrag nicht nur der Betriebstätte am Ort der Geschäftsleitung, sondern mehreren Betriebstätten außerhalb dieses Ortes zuzurechnen ist. Unterläßt der steuerpflichtige Mieter diese Aufteilung, so darf das FA in der Regel davon ausgehen, daß die Aufteilung entweder nicht möglich oder aber daß der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist und dadurch auch die Pflicht des FA zur weiteren Sachaufklärung ihre Grenze findet. Das FA ist in einem solchen Falle berechtigt, die gemieteten Kesselwagen der Betriebstätte zuzurechnen, in der sich die Geschäftsleitung befindet. Die Voraussetzungen einer Zurechnung nach § 8 Ziff. 8 GewStG werden daher vom FA in einem solchen Falle zu Recht angenommen. Damit sind zugleich auch die Voraussetzungen einer Kürzung des Gewerbegewinns beim Vermieter (§ 9 Ziff. 4 GewStG) gegeben.

Von dieser Beurteilung muß auch im Streitfall ausgegangen werden. Das VG ist auf Grund seiner Ermittlungen, insbesondere auf Grund der Auskünfte der Mieterinnen, zu dem Ergebnis gelangt, daß im Streitfalle nicht eindeutig festgestellt werden könne, welcher Betriebstätte und welcher Gemeinde die Kesselwagen zuzurechnen seien. Diese tatsächliche Feststellung enthält, vor allem unter Berücksichtigung der für das VG bestehenden Aufklärungsschwierigkeiten, keinen Rechtsirrtum. Der Senat ist daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO an diese Feststellung gebunden.

Lassen sich die Kesselwagen unter mehreren Betriebstätten keiner bestimmten Betriebstätte außerhalb der Geschäftsleitung zurechnen, so sind sie der Betriebstätte zuzurechnen, in denen sich die Geschäftsleitung befindet. Bei einer Zurechnung der Kesselwagen zu den Betriebstätten, in denen sich die Geschäftsleitungen der B- AG und der V-AG befinden, übersteigen die Jahresbeträge der Mieten jeweils den Betrag von 250.000 DM. Die Voraussetzungen einer Hinzurechnung nach § 8 Ziff. 8 GewStG liegen somit vor. Damit sind auch die Erfordernisse des § 9 Ziff. 4 GewStG bei der Stpfl. erfüllt.

Die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung des FA und der Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1954 werden daher aufgehoben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1, § 121, § 100 Abs. 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 412076

BStBl III 1966, 424

BFHE 1966, 469

BFHE 85, 469

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