Entscheidungsstichwort (Thema)

Finanzierungskosten wesentlicher Beteiligungen; Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten

 

Leitsatz (NV)

1. Finanzierungskosten für eine im Privatvermögen gehaltene wesentliche Beteiligung an einer GmbH sind grundsätzlich Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Dies gilt ebenso für Finanzierungskosten nachträglicher Anschaffungskosten.

2. Schuldzinsen, welche auf die Zeit nach Wegfall der Einkünfteerzielung entfallen, sind nicht als nachträgliche Werbungskosten abziehbar (ständige Rechtsprechung). Unerheblich ist, ob die Erzielung der Einkünfte freiwillig oder zwangsweise beendet worden ist.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1 S. 1, § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 24 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr 1986 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war seit 1979 an einer GmbH mit 75 v.H. (=15000 DM) am Stammkapital beteiligt. Die Beteiligung befand sich in ihrem Privatvermögen.

Die GmbH gab zum 30. Juli 1982 das Einzelhandelsgeschäft auf. Zum 11.April 1984 wurde die zwischenzeitlich aufgelöste Gesellschaft im Handelsregister gelöscht. Die Klägerin hatte sich für die Erfüllung betrieblicher Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber der Stadtsparkasse (S) selbstschuldnerisch verbürgt, um mit Hilfe der Kreditmittel der GmbH die Fortführung des Geschäftsbetriebs zu ermöglichen. Die S nahm die Klägerin nach Auflösung der GmbH in Höhe von 121114,56 DM in Anspruch. Das FA errechnete für 1984 einen Liquidationsverlust in Höhe von 136114,56 DM.

Die Klägerin nahm im Jahre 1984 ein Darlehen in Höhe der Bürgschaftsschuld auf, um die Bürgschaft abzulösen. 1985 löste sie dieses Darlehen bei der S mit Hilfe eines bei der Bausparkasse aufgenommenen Kredits ab.

Für das Streitjahr 1986 machte die Klägerin auf diesen Kredit gezahlte Zinsen in Höhe von 10161,37 DM geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte den Abzug der Zinsen als Werbungskosten ab. Der Einspruch war wegen eines anderen Streitpunkts teilweise erfolgreich.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Einkommensteuer auf 0 DM herab.

Mit der Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend.

Die Kläger haben sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Zutreffend hat das FG dem eigentlichen klägerischen Begehren nicht entsprochen, neben den Tilgungsleistungen auch die Schuldzinsen als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen (vgl. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. April 1991 VIII R 100/87, BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234; vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37; zuletzt Urteil vom 8. Dezember 1992 VIII R 99/90, BFH/NV 1993, 654).

2. Zu Unrecht hat das FG hingegen den Abzug der im Streitjahr 1986 angefallenen Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus Kapitalvermögen zugelassen (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nr.7 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

a) Finanzierungskosten für eine im Privatvermögen gehaltene wesentliche GmbH-Beteiligung sind grundsätzlich als laufende Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu behandeln (BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37). Dies gilt in gleicher Weise für Finanzierungskosten nachträglicher Anschaffungskosten (BFH in BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234).

b) Schuldzinsen sind als Werbungskosten indessen nur solange abzugsfähig, wie sie im jeweiligen Zeitpunkt ihrer Entstehung mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.1 EStG; BFH-Urteil vom 12. November 1991 IX R 15/90, BFHE 166, 219, BStBl II 1992, 289). Schuldzinsen, die auf die Zeit der Einkünfteerzielung entfallen, jedoch erst nach deren Beendigung geleistet werden, bleiben als Werbungskosten gemäß § 24 Nr.2 EStG abzugsfähig (BFH-Urteil vom 23. Januar 1990 IX R 8/85, BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464).

Die im Streitfall geltend gemachten Schuldzinsen sind indessen erst im Jahre 1986 entstanden.

c) Nachdem die GmbH nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) spätestens im Jahre 1984 aufgelöst war (vgl. dazu BFH-Urteil vom 3. Oktober 1989 VIII R 328/84, BFH/NV 1990, 361) und die Kapitalanlage in Form der Beteiligung keine Erträge mehr bringt, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH der Abzug von - nachträglichen - Werbungskosten nicht mehr möglich (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1983 VIII R 276/82, BFHE 139, 257, BStBl II 1984, 29; vom 2. Oktober 1984 VIII R 20/84, BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428, und VIII R 36/83, BFHE 143, 228, BStBl II 1985, 320, beide zur Finanzierung nachträglicher Anschaffungskosten einer Beteiligung; vom 31. Juli 1991 VIII R 67/88, BFH/NV 1992, 33). Entsprechend ist zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entschieden worden (vgl. BFH-Urteile vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/8 BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373; vom 7. August 1990 VIIIR 67/86, BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14; in BFHE 166, 219, BStBl II 1992, 289).

d) Dabei ist es unerheblich, ob die Beendigung der Einkünfteerzielung freiwillig oder zwangsweise erfolgt. In beiden Fällen entfällt mit dem Wegfall der Einkunftserzielung der wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart (BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 33 zur Veräußerung, bestätigt durch Urteil vom 19. Mai 1992 VIII R 16/88, BFHE 168, 170, BStBl II 1992, 902; Urteil vom 12. November 1991 IX R 15/90, BFHE 166, 219, BStBl II 1992, 289 zur Zwangsversteigerung; vom 23. Februar 1984 IV R 245/80, NV, zum Konkurs einer Aktiengesellschaft).

e) Der BFH hat sich wiederholt mit den auch von der Vorentscheidung erhobenen Einwendungen auseinandergesetzt und eine Gleichstellung nachträglicher Werbungskosten mit nachträglichen Betriebsausgaben wegen der unterschiedlichen rechtlichen Ausgangslage abgelehnt (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1992, 33; in BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14; in BFHE 163, 376, BStBl II 1991, 398; in BFHE 166, 219, BStBl II 1992, 289; vom 26. Februar 1988 III R 168/82, BFH/NV 1988, 554; zuletzt ferner die Urteile vom 10. November 1992, VIII R 98/90, BFH/NV 1993, 468; vom 8. Dezember 1992 VIII R 99/90.

Eine andere Betrachtung ist auch nicht daraus abzuleiten, daß der Gesetzgeber ausnahmsweise Gewinne bzw. Verluste aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften wegen der wirtschaftlichen Ähnlichkeit mit Gewinnen aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen für steuerwürdig ansieht und unter den Voraussetzungen des § 17 EStG steuerlich erfaßt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 8. Oktober 1985 VIII R 234/84, BFHE 145, 335, BStBl II 1986, 596; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11.Aufl., § 17 Anm.3a). Weder dieser Hintergrund der gesetzlichen Regelung und die daraus folgende Zuordnung des Veräußerungsgewinns zu den gewerblichen Einkünften (§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG), noch die besondere Gewinnermittlungsvorschrift in § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30. Juni 1983 IV R 113/81, BFHE 138, 569, BStBl II 1983, 640) führen indessen dazu, daß der Inhaber der Beteiligung damit Betriebsvermögen besäße und die Schuldzinsen Betriebsausgaben darstellten, die für Schulden zu leisten sind, die negatives Betriebsvermögen sind. Wird im betrieblichen Bereich eine Schuld durch Verwertung der Wirtschaftsgüter oder durch den Veräußerungspreis nicht abgedeckt, so bleibt sie Betriebsschuld mit der Folge, daß die Zinsen nachträgliche Betriebsausgaben sind (vgl. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373 m.w.N.; Urteil vom 27. November 1984 VIII R 2/81, BFHE 143, 120, BStBl II 1985, 323 zur Veräußerung von Mitunternehmeranteilen).

Eine vollständige Gleichstellung der wesentlichen Beteiligung mit der steuerlichen Behandlung von Mitunternehmeranteilen rechtfertigt sich indessen ebensowenig aus der Überlegung, daß § 17 EStG Wertsteigerungen der Beteiligung, insbesondere infolge nicht ausgeschütteter Gewinne der Kapitalgesellschaft (BFHE 145, 335, BStBl II 1986, 596) erfaßt; denn dadurch wird nicht die für den Abzug nachträglicher Betriebsausgaben notwendige Voraussetzung eines Betriebsvermögens geschaffen. § 17 EStG erfaßt ausschließlich den Veräußerungs- bzw. Liquidationsgewinn als gewerbliche Einkünfte, nicht aber den laufenden Gewinn. Erträge aus der Beteiligung werden als Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert. Es erfolgt keine Gewinnermittlung nach den §§ 4, 5 EStG (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 17 EStG Anm.45 und 170; Hörger in Littmann/Bitz/Meincke, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 17 Tz.52 und 53).

3. Da die streitigen Zinsen im Streitjahr 1986 nicht einkünftemindernd abgezogen werden können, war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64540

BFH/NV 1993, 714

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