Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorliegen einer Steuerumgehung i.S. des § 42 AO 1977 - zeitlich versetzte Wirtschaftsjahre von Obergesellschaft und Untergesellschaft mißbräuchlich

 

Leitsatz (amtlich)

Legt eine Personen-Obergesellschaft ohne branchenspezifische oder sonst plausible Gründe ihr Wirtschaftsjahr in der Weise fest, daß dieses einen Monat vor dem Wirtschaftsjahr der Personen-Untergesellschaft endet und eine einjährige Steuerpause eintritt, so liegt hierin ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts.

 

Orientierungssatz

Eine Umgehung i.S. des § 42 AO 1977 ist bei einer Gestaltung gegeben, die gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BFH-Rechtsprechung). Als Steuerminderung im genannten Sinn ist auch das Hinausschieben des Entstehens oder der Fälligkeit des Steueranspruchs zu sehen (vgl. Literatur). Den Steuerpflichtigen ist es allerdings grundsätzlich nicht verwehrt, ihre rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, daß sich eine geringere steuerliche Belastung ergibt (vgl. BFH-Beschluß vom 29.11.1982 GrS 1/81).

 

Normenkette

EStG § 4a Abs. 1 Nrn. 2-3, Abs. 2 Nr. 2; AO 1977 § 42

 

Tatbestand

Strittig ist bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte für das Jahr 1984, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ihren Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln darf.

Am 28.Februar 1983 schlossen die Eheleute X einen Vertrag zur Errichtung einer OHG --der Klägerin--. Danach ist Gegenstand der Klägerin, Beteiligungen an Gesellschaften und Unternehmen zu erwerben und zu verwalten. Das Wirtschaftsjahr sollte vom 1.Februar bis zum 31.Januar laufen. Das Amtsgericht A trug die Gesellschaft am 1.März 1983 in das Handelsregister ein. Die Klägerin führt keine Umsätze aus, beschäftigt keine Arbeitnehmer, sie unterhält lediglich Bankkonten. Mit weiteren Verträgen vom 28.Februar 1983 übertrugen die Eheleute X auf die Klägerin mit Wirkung vom 1.Januar 1983 ihre 92 %ige Beteiligung an der Y-GmbH & Co. KG sowie ihre insgesamt 95 %ige Beteiligung an der Z-KG; ferner traten sie ihren 92 %igen Anteil an der GmbH, die als Komplementärin an der Y-GmbH & Co. KG beteiligt ist, an die Klägerin ab. Diese Firmen, deren Beteiligungen die Eheleute X auf die Klägerin übertrugen, haben ein Wirtschaftsjahr, das vom 1.März bis zum 28. bzw. 29.Februar läuft. Die Finanzverwaltung hat dieses vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr gebilligt. Strittig ist, ob das wiederum andere Wirtschaftsjahr der Klägerin zulässig ist.

Die Klägerin gab für das Jahr 1984 eine Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte ab, die mit einem Verlust von 6 470 DM schloß. Dieser Verlust ergibt sich aus Gebühren und Beiträgen sowie Rechtskosten. Die Beteiligungsgewinne von unstreitig 12 325 426 DM, die aus den Beteiligungen der Klägerin herrühren, setzte sie nicht an, weil die Beteiligungsunternehmen das Wirtschaftsjahr erst zum 29.Februar 1984 abschlossen, mithin nach Schluß des Wirtschaftsjahres der Klägerin zum 31.Januar 1984. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ einen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte für das Jahr 1983 mit dem Verlust von 6 470 DM. Er begründet dies damit, daß ein abweichendes Wirtschaftsjahr für die Klägerin nicht in Betracht komme. Für das hier strittige Jahr 1984 setzte er die Einkünfte auf 12 325 426 DM fest.

Die Sprungklage hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus, es könne offenbleiben, ob die Klägerin im Streitjahr Gewerbetreibende i.S. von § 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewesen sei und mithin den Lauf ihres Wirtschaftsjahres frei habe bestimmen dürfen. Denn jedenfalls sei die Wahl gerade des Wirtschaftsjahres vom 1.Februar bis zum 31.Januar als Umgehung i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) anzusehen.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 4a EStG und des § 42 AO 1977. Sie --die Klägerin-- sei Gewerbetreibende i.S. von § 4a EStG (vgl. Söffing, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1983, 311) und könne somit den Lauf ihres Wirtschaftsjahres selbst bestimmen. Eine des Einvernehmens mit dem FA bedürftige Umstellung des Wirtschaftsjahres liege nicht vor. Es sei auch kein Fall der Umgehung i.S. von § 42 AO 1977 gegeben, da die Ausübung eines gesetzlichen Rechts keinen Rechtsmißbrauch darstellen könne. Hinzu komme, daß durch die von ihr getroffene Wahl des Wirtschaftsjahres keine Steuerminderung eingetreten sei. Eine solche sei aber Voraussetzung für die Anwendung des § 42 AO 1977.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und --sinngemäß-- den Gewinnfeststellungsbescheid 1984 vom 28.Januar 1985 dahingehend abzuändern, daß statt des festgestellten Gewinns von 12 325 426 DM ein Verlust von 6 470 DM festgestellt wird.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat ohne Rechtsverstoß die Wahl des Wirtschaftsjahres der Klägerin vom 1.Februar bis zum 31.Januar als eine Umgehung des Steuergesetzes i.S. von § 42 AO 1977 angesehen; es kann daher dahinstehen, ob die Klägerin überhaupt Gewerbetreibende i.S. von § 4a EStG ist.

Eine Umgehung i.S. des § 42 AO 1977 ist nach ständiger Rechtsprechung bei einer Gestaltung gegeben, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Februar 1988 IX R 157/84, BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604; vom 12.Juli 1988 IX R 149/83, BFHE 154, 93, BStBl II 1988, 942). Als Steuerminderung im genannten Sinne ist auch das Hinausschieben des Entstehens oder der Fälligkeit des Steueranspruchs zu sehen (vgl. u.a. Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 42 AO 1977, Rz.101).

Den Steuerpflichtigen ist es zwar grundsätzlich nicht verwehrt, ihre rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, daß sich eine geringere steuerliche Belastung ergibt (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 29.November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, 444, BStBl II 1983, 272, 277). Die vom Steuerpflichtigen gewählte Rechtsgestaltung ist der Besteuerung jedoch dann nicht zugrunde zu legen, wenn sie ausschließlich der Steuerminderung dient und bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Gesetz mißbilligt wird (vgl. BFH-Urteil vom 14.Oktober 1964 II 175/61 U, BFHE 80, 539, BStBl III 1964, 667, m.w.N.).

Diese Voraussetzungen für die Annahme einer mißbräuchlichen Gestaltung i.S. des § 42 AO 1977 sind im vorliegenden Falle erfüllt. Die Klägerin trägt selbst keinerlei sachliche Erwägungen vor, die die Überlappung ihres eigenen Wirtschaftsjahres mit den Wirtschaftsjahren ihrer Untergesellschaften plausibel erscheinen lassen könnten. Da sie selbst keine aktive Wirtschaftstätigkeit ausübt, mithin branchenspezifische Gesichtspunkte für die Wahl des Wirtschaftsjahres nicht in Betracht kommen können, kann die Wahl gerade des Wirtschaftsjahres vom 1.Februar bis zum 31.Januar nur den einzigen Grund gehabt haben, die jeweils zum 28.(29.)Februar entstandenen Gewinne der Untergesellschaften nicht im laufenden Veranlagungszeitraum, sondern einen Veranlagungszeitraum später der Besteuerung unterwerfen zu müssen. Gestaltungen dieser Art sind dem Anwendungsbereich des § 42 AO 1977 zuzuordnen. Der Einwand der Klägerin, sie sei aus erbrechtlichen und geschäftsleitungsbedingten Erwägungen gegründet worden, greift gegenüber dieser Beurteilung nicht durch. Denn nicht die Gründung der Klägerin als solche und die Rechtsübertragungen auf sie sind als Umgehung zu beurteilen, sondern die Wahl eines Wirtschaftsjahres, das in Verbindung mit diesen Übertragungen eine einjährige Verschiebung der steuerlichen Erfassung der Gewinne der Untergesellschaften zur Folge hat.

Auch dem Argument der Klägerin, die von ihr vorgenommene Festlegung des Wirtschaftsjahres sei steuerneutral, da auch Verlustjahre davon betroffen seien, kann nicht gefolgt werden. Denn die Gesellschafter der Klägerin werden bei sich abzeichnenden Verlustjahren der Grundgesellschaften rechtzeitig eine Herabsetzung ihrer Vorauszahlungen unter Hinweis auf einen möglichen Verlustrücktrag beantragen, wogegen das FA die Gewinne der Grundgesellschaften, die bei der Klägerin erst im Folgejahre steuerlich zu erfassen sind, nicht als Grundlage einer Erhöhung der Vorauszahlungen der Gesellschafter der Klägerin heranziehen darf.

Schließlich kann der Einwand der Klägerin nicht überzeugen, daß es ihr angesichts ihrer Neugründung unbenommen bleiben müsse, ihr Wirtschaftsjahr frei zu wählen. Das FG hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf verwiesen, daß § 42 AO 1977 gerade diejenigen Fälle erfaßt, in denen gesetzlich festgelegte Rechtspositionen genutzt werden, deren Nutzung in ihrer Gesamtheit aber nur dem Zweck der Steuerverminderung dient. Das unter nicht steuerrechtlichen Aspekten unverständlich anmutende Zusammentreffen mehrerer im einzelnen gesetzmäßiger Verhaltensweisen oder Gestaltungen in der ausschließlichen Absicht, die Steuerschuld zu vermindern, soll nach Wortlaut und Sinn des § 42 AO 1977 steuerrechtlich wirkungslos bleiben. Dieser ratio legis kann nicht mit Erfolg die Rechtmäßigkeit jedes Einzelaktes des Gesamtwerks entgegengehalten werden, andernfalls die Vorschrift als ganzes obsolet würde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63791

BFHE 166, 550

BFHE 1992, 550

BB 1992, 826

BB 1992, 826 (LT)

DB 1992, 11026-1027 (LT)

DStR 1992, 677 (KT)

DStZ 1992, 768 (K)

HFR 1992, 390 (LT)

StE 1992, 246 (K)

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