Leitsatz (amtlich)

Die Gewährung des sog. Zukunftssicherungsfreibetrages (§ 2 Abs.3 Nr.2 Satz 3 LStDV) hängt nicht davon ab, ob die Ausgaben für Zukunftssicherung beim Arbeitnehmer dem Grunde nach Sonderausgaben darstellen (entgegen Abschn.11 Abs.1 LStR 1975; jetzt Abschn.11 Abs.5 LStR).

 

Orientierungssatz

Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 LStDV (Zukunftssicherungsfreibetrag) ist rechtsgültig (Festhaltung an BFH-Urteil vom 31.10.1957 VI 1/54 U).

 

Normenkette

LStDV 1975 § 2 Abs. 3 Nr. 2 S. 3; LStR 1975 Abschn. 11 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg (Entscheidung vom 23.06.1983; Aktenzeichen IV 46/80)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte zur

Zukunftssicherung einer bestimmten Gruppe ihrer Arbeitnehmer beginnend mit dem

1.November 1969 einen Gruppenlebensversicherungsvertrag abgeschlossen. Der

Versicherungsvertrag, für den die Voraussetzungen des § 40b des

Einkommensteuergesetzes (EStG) unstreitig nicht gegeben sind, sieht die

Zahlung einer jährlichen Altersrente vor, die sich aus einem Einmalbeitrag in

Höhe von 200 DM ergibt. Die Altersrente soll sich um den Betrag erhöhen, der

sich aus den alljährlichen weiteren Einmalbeitragszahlungen errechnet. Seit

1969 sind sämtliche Versicherungen mit einer jährlichen Beitragszahlung von je

200 DM abgeschlossen worden. Die Versicherungsbeiträge ließ die Klägerin als

Zukunftssicherungsleistungen steuerfrei.

Nach einer die Jahre 1976 und 1977 umfassenden Lohnsteueraußenprüfung vertrat

der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) unter Hinweis auf

Abschn.11 Abs.1 der Lohnsteuer- Richtlinien 1975 (LStR 1975) die Auffassung,

die Klägerin habe die Versicherungsbeiträge zu Unrecht als

Zukunftssicherungsleistungen nach § 2 Abs.3 Nr.2 der

Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) steuerfrei belassen. Der Ansatz

des Zukunftssicherungsfreibetrages (312 DM) auf die Direktversicherungen sei

nicht möglich, weil die Leistungen der Klägerin --Direktversicherung gegen

Einmalbeitrag-- bei den Arbeitnehmern keine Sonderausgaben sein könnten.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Im einzelnen

führte das Finanzgericht (FG) aus: Die in Abschn.11 Abs.1 LStR 1975 von der

Finanzverwaltung vertretene Auffassung, den Ansatz des

Zukunftssicherungsfreibetrages davon abhängig zu machen, daß es sich bei den

Prämienzahlungen für eine Direktversicherung um Leistungen handele, die bei

dem Arbeitnehmer als Sonderausgaben berücksichtigt werden könnten, sei aus § 2

Abs.3 Nr.2 LStDV nicht abzuleiten. Die Finanzverwaltung beziehe sich für ihre

Auffassung zu Unrecht auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28.März

1958 VI 92/55 U (BFHE 66, 693, BStBl III 1958, 266), und vom 13.August 1971

VI R 171/68 (BFHE 103, 350, BStBl II 1972, 57). Der BFH habe mit dieser

Rechtsprechung lediglich sicherstellen wollen, daß eine doppelte steuerliche

Berücksichtigung der Leistungen des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung

durch Gewährung eines Freibetrages und zugleich durch die Abziehbarkeit als

Sonderausgaben ausgeschlossen werde. Die umgekehrte Schlußfolgerung, daß ein

Freibetrag nicht gewährt werden könne, soweit die Zukunftssicherungsleistungen

keinen Sonderausgabencharakter hätten, sei aus dem BFH-Urteil hingegen nicht

ableitbar. Der vom BFH verfolgte Zweck des Ausschlusses einer doppelten

steuerlichen Berücksichtigung falle auch mit dem Einkommensteuerreformgesetz

(EStRG) 1975 insoweit weg, als nunmehr Rentenversicherungen mit einem

Kapitalwahlrecht gegen Einmalbeitrag nicht mehr als Sonderausgaben abgezogen

werden könnten. Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus Sinn und Zweck des

§ 2 Abs.3 Nr.2 LStDV ab 1975 lasse sich entnehmen, daß mit der Änderung des

§ 10 EStG auch eine entsprechende Änderung des § 2 Abs.3 Nr.2 LStDV 1975 habe

verbunden sein sollen.

Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die

Klage abzuweisen. Es rügt die unrichtige Anwendung des § 2 Abs.3 Nr.2

LStDV. Zur Begründung führt es u.a. aus: Die Vorentscheidung verstoße gegen

das Urteil in BFHE 66, 693, BStBl III 1958, 266, indem sie den

Zukunftssicherungsfreibetrag auch für Leistungen des Arbeitgebers zulasse, die

begrifflich keine Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs.1 Nr.2 EStG seien. Der

Zukunftssicherungsfreibetrag sei seinem Wesen nach ein pauschalierter

Sonderausgabenbetrag (BFH-Urteil vom 2.August 1963 VI 93/61 S, BFHE 77, 452,

BStBl III 1963, 485), der nur unter der Voraussetzung steuerfrei belassen

werden könne, daß es sich um eine Leistung handele, die bei dem Arbeitnehmer

--würde er sie selbst erbringen-- begrifflich Sonderausgaben darstellen würden

(Abschn.11 Abs.1 LStR 1975).

Die Klägerin tritt der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung

entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Die Gewährung des sog.

Zukunftssicherungsfreibetrages hängt nicht davon ab, daß die Ausgaben für

Zukunftssicherung beim Arbeitnehmer dem Grunde nach Sonderausgaben

darstellen.

Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 EStG i.V.m. § 2 Abs.3 Nr.2 LStDV auch

Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem

nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der

Invalidität, des Alters oder des Todes sicherzustellen (Zukunftssicherung).

Nach § 2 Abs.3 Nr.2 Satz 3 LStDV gehören diese Zukunftssicherungsausgaben aber

nur insoweit zum Arbeitslohn, als sie im Kalenderjahr insgesamt 312 DM

übersteigen.

Die Zahlungen der Klägerin auf die Gruppenlebensversicherung dienten der

Sicherstellung ihrer Arbeitnehmer oder der diesen nahestehenden Personen für

den Fall des Alters oder des Todes. Diese Zweckbestimmung der Ausgaben wird

nicht dadurch beeinflußt, daß sie auf eine Gruppenlebensversicherung gegen

laufende Beiträge oder gegen Einmalbeiträge geleistet werden. In beiden

Fällen handelt es sich um Zukunftssicherungsausgaben im Sinne des § 2 Abs.3

Nr.2 LStDV.

Entgegen der Auffassung des FA, das sich auf die entsprechende

Verwaltungsanweisung in Abschn.11 Abs.1 Satz 1 LStR 1975 (Abschn.11 Abs.5 Satz

2 Nr.1 LStR ab 1978) beruft, setzt die Gewährung des

Zukunftssicherungsfreibetrages nicht voraus, daß es sich bei den Ausgaben des

Arbeitgebers um Zukunftssicherungsausgaben handelt, die bei dem Arbeitnehmer

dem Grunde nach Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs.1 Nr.2 EStG darstellen

können. Die Auffassung der Finanzverwaltung ist nicht etwa geboten, um die

Rechtsgültigkeit des § 2 Abs.3 Nr.2 Satz 3 LStDV zu rechtfertigen. Der Senat

hat die Rechtsgültigkeit der Vorschrift bereits im Urteil vom 31.Oktober 1957

VI 1/54 U (BFHE 66, 8, BStBl III 1958, 4) bejaht. Er hält an dieser

Auffassung fest. Dabei sieht er sich durch § 40b Abs.1 Satz 1 letzter

Teilsatz EStG bestätigt, mit dem auch der Zukunftssicherungsfreibetrag

angesprochen ist. Aus ihm ergibt sich, daß der Gesetzgeber ebenfalls von der

Rechtmäßigkeit des Zukunftssicherungsfreibetrages ausgeht.

Die Finanzverwaltung stellt für ihre Auffassung zu Unrecht auf die

Rechtsprechung des BFH in BFHE 66, 693, BStBl III 1958, 266 ab. Der BFH hatte

dort nur zu entscheiden, ob Ausgaben des Arbeitgebers, die gemäß § 2 Abs.3

Nr.2 LStDV bis zur Höhe von 312 DM zum nicht steuerpflichtigen Arbeitslohn

gehören, in Höhe des Freibetrages vom Arbeitnehmer zusätzlich noch als

Sonderausgaben geltend gemacht werden konnten. Er hat dies mit dem Argument

verneint, es wäre nicht gerechtfertigt, einen Betrag, der nach den allgemeinen

Bestimmungen an sich als Arbeitslohn angesetzt werden müßte, steuerfrei zu

belassen und den gleichen Betrag nochmals als Sonderausgaben

einkommensmindernd abzusetzen. Diese Auffassung hat ab 1975 in § 10 Abs.2

Nr.2 EStG ihren gesetzlichen Niederschlag dadurch gefunden, daß vom

Sonderausgabenabzug solche Vorsorgeaufwendungen ausgeschlossen sind, die in

unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen

stehen. Auch wenn sich in dem Urteil in BFHE 77, 452, BStBl III 1963, 485

unter Bezugnahme auf das Urteil in BFHE 66, 693, BStBl III 1958, 266 die

Formulierung findet, der Freibetrag von 312 DM sei eine

Sonderausgabenpauschale, nicht hingegen ein besonderer Freibetrag für den

Arbeitnehmer oder für den Arbeitgeber, so ändert diese zu weit geratene

Formulierung nichts daran, daß es dem BFH nur darum ging, eine mehrfache

Begünstigung durch die Steuerfreiheit vom Arbeitslohn einerseits und den

anschließenden Sonderausgabenabzug dieses steuerfreien Betrages andererseits

zu verhindern. Nur insoweit mußte der Freibetrag von 312 DM mit dem

Sonderausgabenabzug in Verbindung gebracht werden. Aus dieser Rechtsprechung

und dem später in § 10 Abs.2 Nr.2 EStG niedergelegten

Sonderausgabenabzugsverbot kann aber nicht gefolgert werden, daß

Zukunftssicherungsausgaben im Sinne des § 2 Abs.3 Nr.2 LStDV nur solche sind,

die dem Grund nach auch als Sonderausgaben geltend gemacht werden könnten

(gleicher Ansicht Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und

Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 19 EStG

Anm.238; Giloy in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 19 Rdnr.

B 856). Hierfür läßt sich weder aus dem Wortlaut des § 2 Abs.3 Nr.2 LStDV

etwas ableiten noch erfordert der Gedanke der Doppelbegünstigung eine

entsprechende Auslegung dieser Vorschrift. Erfüllen

Zukunftssicherungsausgaben im Sinne des § 2 Abs.3 Nr.2 LStDV zugleich die

Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug, so ist dieser gemäß § 10 Abs.2

Nr.2 EStG in Höhe des Zukunftssicherungsfreibetrages zur Vermeidung einer

Doppelbegünstigung kraft Gesetzes ausgeschlossen. Sind die

Zukunftssicherungsausgaben hingegen dem Grunde nach keine Sonderausgaben, so

kann es schon deshalb nicht zu einer Doppelbegünstigung kommen. Es ist kein

Grund erkennbar, für diesen Fall unter Hinweis auf den nicht möglichen

Sonderausgabenabzug auch den Ansatz des Zukunftssicherungsfreibetrages zu

versagen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61965

BStBl II 1988, 504

BFHE 152, 454

BFHE 1988, 454

BB 1988, 1307-1307 (L1)

HFR 1988, 410 (LT1)

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