Leitsatz (amtlich)

Im Jahre 1975 aus einem EG-Mitgliedstaat eingeführter Rum unterlag nicht der Monopolausgleichspitze.

 

Normenkette

BranntwMonG a.F. §§ 58, 76, 151-152; EWGV Art. 95 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) entnahm im August 1975 ihrem offenen Zollager Rum, den sie aus den Niederlanden eingeführt hatte. Sie meldete die Entnahme am 15. September 1975 an und berechnete die Monopolausgleichspitze zum Satz von 73 DM je Hektoliter Weingeist (hl W). Das dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt – HZA –) unterstehende Zollamt behandelte die Anmeldung als Steuerbescheid.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit der Begründung statt, die Erhebung der Monopolausgleichspitze widerspreche dem Diskriminierungsverbot des Art. 95 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV); Rum der eingeführten Art stehe mit inländischen Branntweinen im Wettbewerb, die keine der Monopolausgleichspitze entsprechende Abgabe zu tragen hätten.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht das HZA im wesentlichen geltend: Die Erhebung der Monopolausgleichspitze entspreche der Regelung der §§ 151, 152 des Gesetzes über das Branntweinmonopol (BranntwMonG) a. F. Diese Vorschriften verstießen nicht gegen Art. 95 EWGV. Der eingeführte Rum könne als nichtneutraler Alkohol nur mit inländischem ablieferungsfreiem Branntwein verglichen werden, der dem Branntweinaufschlag, einer Verbrauchsteuer, unterliege. Der Branntweinaufschlag schließe eine Belastung ein, die der Monopolausgleichspitze entspreche.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß die Erhebung der Monopolausgleichspitze auf den eingeführten Rum gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.

Die Erhebung des Monopolausgleichs durch den angefochtenen Bescheid entsprach dem damals geltenden nationalen Recht. Der eingeführte Rum unterlag als Branntwein dem Monopolausgleich (§ 151 Abs. 1 BranntwMonG a. F.). Dieser bestand aus dem Unterschied zwischen dem regelmäßigen Branntweinverkaufspreis und dem Branntweingrundpreis (§ 152 Abs. 1 BranntwMonG a. F.). Den regelmäßigen Branntweinverkaufpreis hatte die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein (BMonV) durch Bekanntmachung vom 16. September 1974 (Bundeszollblatt – BZBl – 1974, 1002) auf 1 810 DM/hl W festgesetzt (vgl. § 89 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG a. F.). Der Branntweingrundpreis betrug aufgrund der Bekanntmachung der BMonV vom 30. Oktober 1974 (BZBl 1974, 1137) 237 DM/hl W. Der auf den Rum anzuwendende Monopolausgleichsatz belief sich somit auf 1 573 DM/hl W (vgl. Bekanntmachung über den Monopolausgleich vom 30. Oktober 1974, BZBl 1974, 1142). Darin war die Branntweinsteuer in Höhe von 1 500 DM/hl W enthalten (§ 84 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG a. F.). Der über diesen Betrag hinausgehende Teil des Monopolausgleichs, die Monopolausgleichspitze (vgl. § 73 der Ausführungsbestimmungen – Grundbestimmungen – zum Gesetz über das Branntweinmonopol – GB –), belief sich somit auf 73 DM/hl W. Von diesem Satz ist der angefochtene Bescheid ausgegangen.

Nach dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts sind die genannten Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts jedoch unanwendbar, wenn sie im Gegensatz zum Gemeinschaftsrecht stehen. Das ist hier der Fall. Die damals geltenden Vorschriften des BranntwMonG über die Erhebung der Monopolausgleichspitze für eingeführten Rum verstießen gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 95 EWGV, der nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des erkennenden Senats unmittelbar geltendes Recht ist.

Die Frage, ob das nationale Recht aus Mitgliedstaaten eingeführte Waren bei der Erhebung nationaler Steuern diskriminiert, ist nach Art. 95 Abs. 1 EWGV anhand eines Vergleichs der Belastungen für eingeführte und für gleichartige inländische Waren unter Berücksichtigung der im nationalen Recht vorgesehenen, nach Gemeinschaftsrecht zulässigen Differenzierungen zu entscheiden. Das FG hat zu Recht den Rum als eine Ware angesehen, die mit inländischen Trinkbranntweinen gleichartig ist. Es hat aber verkannt, daß für den Belastungsvergleich im Rahmen des Diskriminierungsverbots nach Art. 95 EWGV auch auf die nationalen differenzierenden Steuerregelungen abzustellen ist.

Bereits mit Urteil vom 25. November 1981 Rs. 4/81 (EuGHE 1981, 2835, Absatz 14 der Gründe) hat der EuGH zu erkennen gegeben, daß es bei der Entscheidung, ob beim Belastungsvergleich nach Art. 95 EWGV die Belastung der eingeführten Ware durch den Monopolausgleich mit der entsprechenden Belastung von Monopolsprit oder von monopolfreiem Branntwein zu vergleichen ist, nicht um die Frage der Gleichartigkeit zweier Erzeugnisse geht, sondern um die Struktur zweier Abgabensysteme, nach denen gleiche Erzeugnisse unterschiedlich behandelt werden. Noch deutlicher hat der EuGH im Urteil vom 26. April 1983 Rs. 38/82 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 1983, 386) die Frage entschieden, in welchem Zusammenhang der Begriff der Gleichartigkeit i. S. des Art. 95 Abs. 1 EWGV mit der Zulässigkeit nationaler differenzierender Steuerregelungen steht. Er hat dabei die Auffassung nicht bestätigt, von der bisher der erkennende Senat (vgl. Urteile vom 16. Juli 1980 VII R 24/77, BFHE 131, 158, BStBl II 1980, 632; vom 5. August 1980 VII R 39/78, BFHE 131, 251, und vom 5. August 1980 VII R 55/78, BFHE 131, 410) und das FG in der Vorentscheidung ausgegangen sind.

Kennzeichen einer nationalen differenzierenden Regelung ist es, daß sie gleiche oder zumindest gleichartige Waren nach verschiedenen Gesichtspunkten steuerlich unterschiedlich behandelt. Käme es beim Belastungsvergleich nach Art. 95 Abs. 1 EWGV allein darauf an, wie eine gleichartige Ware innerstaatlich steuerlich belastet ist, so müßte – bei der relativ weiten Auslegung, die der Begriff der Gleichartigkeit in der Rechtsprechung des EuGH erfahren hat (vgl. z. B. Urteil vom 27. Februar 1980 Rs. 171/78, EuGHE 1980, 447) – eine aus Mitgliedstaaten eingeführte Ware im Regelfall in den Genuß der niedrigsten inländischen Steuerbelastung aller gleichartigen Waren gelangen. Dadurch würden die vom einzelstaatlichen Gesetzgeber getroffenen nationalen Steuerregelungen differenzierender Art praktisch unterlaufen. Das aber entspricht nicht dem Sinn und Zweck des Art. 95 Abs. 1 EWGV. Dieser will offensichtlich nicht die grundsätzlich noch bei den Mitgliedstaaten verbliebene Gesetzgebungshoheit auf dem Gebiet der inneren Steuern aufheben.

Zu dieser Problematik hat der erkennende Senat mit Beschluß vom 17. Dezember 1981 VII R 54/79 (BFHE 134, 497; vgl. die Rechtsfrage und die Begründung dazu – S. 502 ff.) den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht. Dieser hat dieses Ersuchen mit dem Urteil in HFR 1983, 386 beantwortet. Er hat darin entschieden, daß eine eingeführte Ware nicht schon dann in den Genuß einer (legitimen) nationalen Vergünstigung gelangen kann, wenn sie mit der begünstigten Ware gleichartig ist, sondern erst dann, wenn siealle Voraussetzungen der fraglichen Vorschrift erfüllt. Der EuGH beantwortete damit nicht nur die erste Frage des erkennenden Senats, die sich auf die Berücksichtigung der Produktionsumstände der eingeführten Ware bezog. Der EuGH hat vielmehr mit dem genannten Ausspruch ausdrücklich überbeide gestellten Fragen entschieden. Daran ändert nichts, daß er eine Begründung dieser Entscheidung hinsichtlich der zweiten Frage nicht gegeben hat.

Aus dem EuGH-Urteil ist zunächst zu entnehmen, daß der Frage der Gleichartigkeit eine wesentlich geringere Bedeutung zukommt, als das FG angenommen hat. Sie ist nur insoweit von Bedeutung, als nach ihr zu entscheiden ist, welche inländische Steuerregelung im Rahmen des nach Art. 95 EWGV erforderlichen Belastungsvergleichs berücksichtigt werden muß. Es unterliegt im vorliegenden Fall keinem Zweifel, daß die Belastung des eingeführten Rums mit der Belastung inländischer Branntweine zu vergleichen ist. Da die nationale Branntweinsteuerregelung aber nach bestimmten Gesichtspunkten differenziert, ist die Frage, welche der unterschiedlichen inländischen Belastungen konkret zum Vergleich heranzuziehen ist, danach zu entscheiden, welchen der verschiedenen Tatbestände der nationalen Regelung die eingeführte Ware nach ihrer Beschaffenheit und den sonstigen relevanten Umständen tatsächlich erfüllt.

Die Richtigkeit dieser Auslegung des EuGH-Urteils in HFR 1983, 386 beweisen dessen Ausführungen in Absatz 17 der Gründe. Dort hat der EuGH entschieden, daß nach der Nichtdiskriminierungsklausel des Art. 95 EWGV in den Genuß der Vergünstigung des § 79 Abs. 2 BranntwMonG a. F. nur solche Gemeinschaftswaren gelangen müssen, die deren Voraussetzungen ohne Einschränkung erfüllen. Daraus ergibt sich aber zwangsläufig, daß Ähnlichkeit oder Gleichartigkeit der eingeführten mit den begünstigten Waren noch keinen Anspruch auf Erstreckung dieser Vergünstigung gibt.

Diese Auffassung wird bestätigt durch die Stellungnahmen des Generalanwalts, der Kommission und der Bundesregierung im Verfahren Rs. 38/82 (HFR 1983, 386). Sie haben übereinstimmend die Auffassung vertreten, daß es sich hier nicht um die Frage der Gleichartigkeit i. S. des Art. 95 Abs. 1 EWGV handelt, sondern darum, ob die eingeführten Waren die Voraussetzungen des innerstaatlichen Rechts für eine Sonderregelung erfüllen. So hat der Generalanwalt in seinen Schlußanträgen vom 8. März 1983 vorgeschlagen, die genannte Frage des erkennenden Senats wie folgt zu beantworten:

„Falls das nationale Steuerrecht für verschiedene gleichartige Produkte in legitimer Differenzierung unterschiedliche Abgabenbelastungen vorsieht, ist die steuerliche Belastung eines gleichartigen aus einem Mitgliedstaat eingeführten Erzeugnisses nicht davon abhängig, mit welchem der inländischen Produkte das eingeführte Erzeugnis die meisten gemeinsamen Merkmale aufweist. Das eingeführte Erzeugnis ist vielmehr gemäß Art. 95 EWGV in den Steuertarif einzugruppieren, dessen Voraussetzungen von dem eingeführten Erzeugnis erfüllt werden.”

Die Frage, ob die differenzierende deutsche Regelung für die Belastung von Branntweinerzeugnissen mit einer Verbrauchsteuer, die in § 79 Abs. 2 BranntwMonG a. F. enthalten ist, den an sie nach Gemeinschaftsrecht zu stellenden Anforderungen entspricht, ist zu bejahen. Steuerliche Differenzierungen sind mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, wenn sie Ziele verfolgen, die den Erfordernissen des Vertrages und des abgeleiteten Rechts nicht widersprechen und wenn kraft ihrer Ausgestaltung sichergestellt ist, daß jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung von Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten und jeder Schutz inländischer konkurrierender Produktionen ausgeschlossen ist (vgl. EuGH-Urteile vom 14. Januar 1981 Rs. 140/79, EuGHE 1981, 1, und vom 14. Januar 1981 Rs. 46/80, EuGHE 1981, 77). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das wird vom HZA auch nicht in Abrede gestellt.

Aus dieser Rechtsprechung des EuGH ist für den vorliegenden Fall zu folgern, daß es für die Frage, welche der unterschiedlichen inländischen Steuerregelungen (Monopolsprit oder monopolfreier Alkohol) für den Belastungsvergleich nach Art. 95 Abs. 1 EWGV heranzuziehen ist, darauf ankommt, die Voraussetzungen welcher der beiden Regelungen der eingeführte Rum erfüllt. Nach § 58 BranntwMonG a. F. ist Branntwein aller Art an die BMonV abzuliefern; eine Ausnahme gilt nur für die in § 76 BranntwMonG a. F. genannten Branntweinarten. Danach sind nur Kornbranntwein sowie Branntweine, die ausschließlich aus Obst, Beeren, Wein, Weinhefe, Most, Wurzeln oder Rückständen davon gewonnen sind (§ 76 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 27, 101 BranntwMonG a. F.), von der Ablieferungspflicht ausgenommen. Zu diesen Branntweinen zählt Rum – der aus Zuckerrohr gewonnen wird – nicht. Dieser erfüllt daher die Voraussetzungen für Monopolsprit.

Die für den eingeführten Rum im entscheidungserheblichen Zeitraum vorgesehene inländische Belastung mit der Monopolausgleichspitze kann daher allein mit der Belastung von Branntweinen verglichen werden, die damals von der BMonV vermarktet wurden. Diese Belastung ergab sich aus dem von der BMonV festgesetzten Branntweinverkaufpreis. Wie der EuGH im Urteil in EuGHE 1981, 2835 entschieden hat, ist bei einem von einem staatlichen Monopol festgesetzten Branntweinverkaufpreis als „Abgabe” i. S. des Art. 95 EWGV nur der Preisbestandteil anzusehen, den das Monopol aufgrund gesetzlicher Regelung als der Höhe nach bestimmte Branntweinsteuer in die Staatskasse abzuführen hat. Monopolsprit ist danach lediglich mit der Branntweinsteuer belastet, die zum damaligen Zeitpunkt 1 500 DM/hl W betrug (§ 84 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG a. F.). Monopolsprit hatte also keine Abgabe zu tragen, die der Monopolausgleichspitze entsprach. Der dieser Abgabe unterworfene eingeführte Rum war daher um diesen Betrag höher belastet als vergleichbare inländische Produkte, also i. S. des Art. 95 Abs. 1 EWGV diskriminiert.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510485

BFHE 1984, 461

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge