Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des GbR-Gesellschafters

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Haftung der Gesellschafter einer GbR für die Umsatzsteuer und Lohnsteuer der Gesellschaft.

2. Die Haftung der Gesellschafter einer GbR für Steuerschulden der Gesellschaft kann nicht durch Vereinbarungen der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden (Bestätigung der Rechtsprechung des Senats).

 

Normenkette

AO 1977 § 191 Abs. 1; BGB §§ 421, 427, 714

 

Tatbestand

Der Kläger war zusammen mit einem Mitgesellschafter Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Die GbR stellte im Jahre 1985 wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit ihren Betrieb ein. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) nahm den Kläger gemäß § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) i. V. m. §§ 421, 427 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als Haftungsschuldner für rückständige Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer der GbR in Anspruch. Die Einsprüche des Klägers gegen die Haftungsbescheide blieben im wesentlichen erfolglos; seine Klagen wurden als unbegründet abgewiesen. Das Finanzgericht (FG) führte u. a. aus:

Der Kläger könne als ehemaliger Gesellschafter der GbR gemäß § 191 Abs. 1 AO 1977 durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, da er in sinngemäßer Anwendung der §§ 421, 427 BGB für die Zahlung der Steuerschulden der GbR einzustehen habe. Seine Rechtsposition sei nicht - wie der Kläger meine - die eines stillen Gesellschafters gewesen. Denn nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages einschließlich der Zusatzvereinbarung habe auch der Kläger durch die im Betrieb der GbR geschlossenen Geschäfte verpflichtet werden sollen. Der Annahme einer stillen Gesellschaft stehe ferner entgegen, daß der Kläger mit dem anderen Gesellschafter zur Geschäftsführung der GbR berechtigt und verpflichtet gewesen sei.

Die persönliche Haftung des Klägers als GbR-Gesellschafter habe nicht durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen werden können. Zwar sei in der Zivilrechtsprechung anerkannt, daß der Geschäftsführer einer GbR keine Verpflichtungen für und gegen die einzelnen Gesellschafter begründen könne, wenn und soweit seine Vertretungsmacht entsprechend eingeschränkt und dies für den Geschäftspartner erkennbar sei (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 25. Oktober 1984 VII ZR 2/84, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1985, 619; Oberlandesgericht - OLG - Hamm, Urteil vom 7. Dezember 1984 20 U 151/84, NJW 1985, 1846). Diese Rechtsprechung beruhe darauf, daß die Vertretungsmacht des Gesellschafter-Geschäftsführers beschränkbar sei (§ 714 BGB) und der Geschäftspartner deshalb nicht auf eine unbeschränkte Vertretungsmacht vertrauen könne. Diese Grundsätze seien aber auf das Haftungsschuldverhältnis zwischen GbR-Gesellschafter und dem Fiskus nicht übertragbar. Denn Steuerverbindlichkeiten der GbR entstünden nicht durch Rechtsgeschäfte, sondern durch Verwirklichung des gesetzlichen Steuertatbestandes; der Fiskus könne sich hiergegen nicht wehren. Das FA handele insoweit nicht rechtsgeschäftlich; es könne keine Risikoabwägung darüber vornehmen, ob es eine Steuerforderung begründen wolle oder nicht. Der Umfang und die eventuelle Beschränkung der Vertretungsmacht eines GbR-Geschäftsführers habe keine Auswirkung auf die ohne Zutun des FA entstehende Steuerforderung. Deshalb könne dem FA auch nicht die beschränkte Vertretungsmacht eines GbR-Gesellschafters entgegengehalten werden, durch dessen Verhalten (z. B. Ausführung von Umsätzen, Zahlung von Arbeitslohn) die Steuerschuld entstanden sei.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 191 Abs. 1 AO 1977, 421, 427 BGB. Er macht geltend, die zivilrechtliche Haftung eines Gesellschafters für Steuerschulden einer GbR, die sich aus §§ 421, 427 BGB ergebe, sei nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum auf das Gesellschaftsvermögen beschränkbar. Dafür genüge es, daß die Vertretungsmacht des Geschäftsführers für Dritte erkennbar beschränkt sei. Im Streitfall ergebe sich die Beschränkung der Haftung für ihn daraus, daß nach dem Gesellschaftsvertrag und der Zusatzvereinbarung der Mitgesellschafter 90 % des erzielten Gewinns erhalte und alle Verluste übernehme, die sowohl durch die laufende Geschäftstätigkeit als auch bei Auflösung der Gesellschaft entstünden. Für ihn sei danach nur ein Anspruch auf die restlichen 10 % des laufenden Gewinns vorgesehen. An den stillen Reserven sei er nach dem Gesellschaftsvertrag weder bei Ausscheiden aus der Gesellschaft noch bei Auflösung der Gesellschaft beteiligt. Das von der Gesellschaft erworbene Vermögen sei demzufolge allein dem Mitgesellschafter zuzurechnen.

Diese Vertragsgestaltung entspreche den typischen Regelungen einer stillen Gesellschaft. Er habe seine Vermögenseinlage in diese durch Dienstleistungen als Ingenieur, Gutachter, Sachverständiger, Betriebsleiter und kaufmännischer Berater erbracht. Ein stiller Gesellschafter hafte aber nicht für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, so daß schon aus diesem Grunde der Haftungstatbestand nach § 191 Abs. 1 AO 1977 nicht erfüllt sei.

Auch die vom FG angeführten Gründe zur Ablehnung einer Haftungsbeschränkung für GbR-Gesellschafter im Steuerrecht überzeugten nicht. Es sei zwar richtig, daß Steuerverbindlichkeiten der GbR nicht durch Rechtsgeschäfte, sondern durch Verwirklichung des gesetzlichen Steuertatbestandes entstünden und sich der Fiskus hiergegen nicht wehren könne. Dennoch könne die auf das Zivilrecht gestützte steuerrechtliche Haftung nicht weiter reichen als die Haftung nach bürgerlichem Recht. Fehle somit aufgrund einer erkennbaren zivilrechtlichen Haftungsbeschränkung die Möglichkeit, einen Gesellschafter mit seinem Privatvermögen zur Haftung heranzuziehen, so könne für den Bereich der Steuerhaftung nichts anderes gelten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FA hat den Kläger zu Recht als Haftungsschuldner für die rückständige Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer der GbR in Anspruch genommen. Eine Haftungsbeschränkung auf das Vermögen der Gesellschaft kommt - wie das FG zutreffend entschieden hat - bei Steuer- und Haftungsschulden der Gesellschaft nicht in Betracht.

1. Die Haftung trifft den Kläger in seiner Rechtsstellung als ehemaligen Gesellschafter einer GbR. Entgegen der Auffassung des Klägers war er an dem Unternehmen, das die rückständige Umsatzsteuer und Lohnsteuer nicht an das FA entrichtet hat, nicht nur als stiller Gesellschafter beteiligt. Dies ergibt sich zunächst aus der ausdrücklichen Bezeichnung der vom Kläger mitgegründeten Gesellschaft als GbR im Gesellschaftsvertrag. Bei einer stillen Gesellschaft wird aus den in dem Betriebe geschlossenen Geschäften allein der Inhaber berechtigt und verpflichtet (§ 335 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB - a. F., § 230 HGB n. F.). Das FG hat aber aus dem Gesellschaftsvertrag und der zwischen den Gesellschaftern abgeschlossenen Zusatzvereinbarung zutreffend entnommen, daß auch der Kläger durch die im Betrieb der GbR geschlossenen Geschäfte verpflichtet werden sollte. Auch sollte der Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag Inhaber des Betriebes sein. Gegen die Annahme einer stillen Gesellschaft spricht auch, daß der Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag mit dem anderen Gesellschafter zur Geschäftsführung und Vertretung der GbR berechtigt und verpflichtet war (Baumbach / Duden / Hopt, Handelsgesetzbuch, 28. Aufl., § 230 Anm. 5 B). Aus der fehlenden Beteiligung des Klägers am Verlust und an den stillen Reserven des Unternehmens, auf die sich die Revision beruft, kann dessen Rechtsstellung als stiller Gesellschafter allein nicht hergeleitet werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Januar 1982 IV R 197/79, BFHE 135, 297, BStBl II 1982, 389). Die Auslegung des Gesellschaftsvertrages und der Zusatzvereinbarung durch das FG, daß der Kläger nicht stiller Gesellschafter gewesen sei, ist somit nach den §§ 133, 157 BGB nicht zu beanstanden.

2. Nach § 191 Abs. 1 AO 1977 kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Diese Vorschrift umfaßt auch die Haftungsansprüche nach zivilem Recht. Bei einer GbR ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats, wenn die Gesellschaft als solche der Besteuerung unterliegt (z. B. bei der Umsatzsteuer), die persönliche, gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter aus den Rechtsgedanken der §§ 421, 427 BGB (Urteile vom 23. Oktober 1985 VII R 187/82, BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156, und vom 27. Juni 1989 VII R 100/86, BFHE 158, 1, BStBl II 1989, 952). Auf diese Entscheidungen wird Bezug genommen. Das FA hat somit - wie das FG zutreffend entschieden hat - den Kläger als Gesellschafter der GbR für die rückständige Umsatzsteuer der Gesellschaft dem Grunde nach zu Recht durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen.

Hinsichtlich der von der GbR nicht abgeführten Lohnsteuer ergeben sich aufgrund der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Person des Arbeitgebers bei Beschäftigungsverhältnissen mit einer GbR Zweifel, ob sich die Haftung der Gesellschafter - wie vom FG angenommen - ebenfalls aus § 191 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. den oben dargestellten allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsgrundsätzen oder aus § 191 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. der Vorschrift über die Arbeitgeberhaftung in § 42 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergibt. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die GbR oder die einzelnen Gesellschafter - und damit auch der Kläger - Arbeitgeber der Beschäftigten des Unternehmens waren und ob somit die eine oder die andere materiell-rechtliche Haftungsnorm zur Anwendung kommt. Denn in beiden Fällen hat das FA den Kläger auch hinsichtlich der Lohnsteuer dem Grunde nach zu Recht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen (vgl. das Urteil des Senats vom 27. März 1990 VII R 26/89, BFHE 161, 390 m. w. N.).

3. Die angefochtenen Haftungsbescheide sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Es kann dahinstehen, ob im Streitfall die Vertretungsmacht der geschäftsführenden Gesellschafter der GbR erkennbar in der Weise eingeschränkt war, daß sie nur befugt waren, Verpflichtungen mit Wirkung für und gegen das Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen), nicht aber für und gegen die einzelnen Gesellschafter zu begründen (vgl. § 714 BGB). Selbst wenn eine derartige Beschränkung der Vertretungsmacht vorgelegen haben sollte, ergäbe sich daraus entsprechend der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. die Zitate in der Vorentscheidung und der Revision) nur eine zivilrechtlich wirkende Haftungsbeschränkung.

Der Senat hat aber in seinem Urteil vom 27. März 1990 VII R 26/89 (BFHE 161, 390) entschieden, daß die Haftung der Gesellschafter einer GbR für Steuerschulden der Gesellschaft nicht durch Vereinbarungen der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden kann. Er hat dies damit begründet, daß die dem Gläubiger erkennbare Beschränkung der Vertretungsmacht nur für rechtsgeschäftlich begründete Verpflichtungen zu einer Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen führen kann. Für die kraft Gesetzes ohne Mitwirkung und Einflußmöglichkeiten des FA entstehenden Verpflichtungen aus dem Steuerschuldverhältnis muß es dagegen bei dem Grundsatz der unbeschränkten persönlichen Haftung der Gesellschafter verbleiben, weil es hier auf die Erkennbarkeit einer nach dem Gesellschaftsvertrag gewollten Haftungsbeschränkung nicht ankommen kann. An dieser Auffassung hält der Senat entgegen den mit der Revision vorgebrachten Einwendungen fest. Wegen der Begründung im einzelnen nimmt er auf sein Urteil VII R 26/89 und die dort angegebenen Nachweise Bezug.

Die Vorentscheidung, die zu demselben Ergebnis gelangt ist, verletzt somit nicht die Rechtsnormen über die steuerrechtliche Haftung der GbR-Gesellschafter.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417346

BFH/NV 1991, 574

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