Entscheidungsstichwort (Thema)

VGA: Überschreitung der Kompetenzen durch beherrschenden Gesellschafter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nehmen die eine GmbH beherrschenden Gesellschafter in Überschreitung ihrer Kompetenzen Handlungen für die GmbH vor, beruht die dadurch ausgelöste Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung auf dem Gesellschaftsverhältnis und kann zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen.

2. Einer verdeckten Gewinnausschüttung, die durch die die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter ausgelöst ist, steht nicht entgegen, daß sie nicht auf einem gültigen Beschluß der Gesellschafterversammlung beruht.

 

Orientierungssatz

1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung (Definition) kann nur angenommen werden, wenn die Vermögensminderung auf einer Rechtshandlung der Kapitalgesellschaft beruht, d.h. auf einer Rechtshandlung ihrer Organe. Neben den Geschäftsführern gehören zu den Organen der GmbH die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit. Sie sind das höchste Organ; ihre Zuständigkeit ist allumfassend (vgl. BFH-Urteil vom 13.9.1989 I R 41/86; Literatur).

2. Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist zugleich andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977, wenn die der Vermögensminderung entsprechenden Mittel abfließen.

 

Normenkette

KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2, § 27 Abs. 3 S. 2; GmbHG § 35 Abs. 1, §§ 48, 51 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein ….geschäft. Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren Frau I.B. und ihre Söhne Gr.B. und Gü.B. Geschäftsführerin der Klägerin war Frau I.B. Sie hat jedoch weitgehend ihre Söhne "schalten und walten" lassen.

Die Klägerin hat in den Streitjahren verschiedene von ihr erbrachte Bauleistungen entweder überhaupt nicht oder mit zu niedrigem Entgelt verbucht. Nach Behauptung der Klägerin wurden die nicht verbuchten Entgelte unmittelbar von den Söhnen ohne Wissen ihrer Mutter vereinnahmt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) hat diese nicht verbuchten Erlöse im Anschluß an eine Außenprüfung in folgender Höhe geschätzt: 10 000 DM + 1 300 DM Umsatzsteuer (1981), 30 000 DM + 3 000 DM Umsatzsteuer (1982) und 25 000 DM + 3 375 DM Umsatzsteuer (1983). Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, daß mangels Zustimmung der Mutter zu den unberechtigten Entnahmen keine verdeckten Gewinnausschüttungen vorlägen. Nachdem sie, die Klägerin, von diesen Entnahmen aufgrund der Außenprüfung des FA erfahren habe, habe sie sofort entsprechende Rückforderungen gegen die Söhne gewinnerhöhend zum 31.Dezember 1984 gebucht.

Die Klage hatte teilweise Erfolg.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 8 Abs.3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1977).

Es beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

1. Nach dem Tenor der Vorentscheidung hat das FG die Körperschaftsteuerbescheide 1981 bis 1983 sowie die Feststellungsbescheide zum 31.Dezember 1981, zum 31.Dezember 1982 und zum 31.Dezember 1983 aufgehoben, soweit die von der Klägerin nicht verbuchten Erlöse (1981: 10 000 DM, 1982: 30 000 DM, 1983: 25 000 DM) und die darauf entfallende Umsatzsteuer als "verdeckte Gewinnausschüttungen" behandelt wurden. Gleichzeitig ergibt sich aus den Entscheidungsgründen, daß das FG den Ansatz von Gewinnerhöhungen (1981: 10 000 DM, 1982: 30 000 DM, 1983: 25 000 DM) aus Gründen angenommener Regreßforderungen für erforderlich hielt. Diese Gewinnerhöhungen finden jedoch im Urteilstenor keine Berücksichtigung. Außerdem bleibt unklar, ob das FG unter "verdeckten Gewinnausschüttungen" auch den Ansatz anderer Ausschüttungen i.S. des § 27 Abs.3 Satz 2 KStG 1977 (Herstellung der Ausschüttungsbelastung) versteht. Diese Unklarheiten zwingen dazu, das gesamte Urteil des FG innerhalb des Revisionsantrages zu überprüfen.

2. Der Senat kann auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des FG nicht abschließend entscheiden, ob das FG zutreffend die Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1977 verneint hat. Verdeckte Gewinnausschüttungen i.S. der Vorschrift lägen vor, wenn die beiden Söhne von Frau I.B. die Klägerin beherrscht und die nicht verbuchten Entgelte in gegenseitiger Übereinstimmung verbucht haben sollten.

Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 13.September 1989 I R 41/86, BFHE 158, 338, BStBl II 1989, 1029). Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann nur angenommen werden, wenn die Vermögensminderung auf einer Rechtshandlung der Kapitalgesellschaft beruht, d.h. auf einer Rechtshandlung ihrer Organe (Urteil in BFHE 158, 338, BStBl II 1989, 1029). Neben den Geschäftsführern gehören zu den Organen der GmbH die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit (Scholz/Schmidt, GmbH-Gesetz, 7.Aufl., Bd.II 1988, § 45 Anm.5). Sie sind das höchste Organ und ihre Zuständigkeit ist allumfassend (vgl. Scholz/Schmidt, a.a.O.).

Im Streitfall liegen damit verdeckte Gewinnausschüttungen vor, wenn die Vermögensminderungen bzw. verhinderten Vermögensmehrungen auf Handlungen zurückzuführen sind, die von den die Klägerin beherrschenden Gesellschaftern vorgenommen wurden bzw. gebilligt wurden.

Einer verdeckten Gewinnausschüttung steht dabei nicht entgegen, daß gemäß § 35 Abs.1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) eine GmbH von den Geschäftsführern gerichtlich und außergerichtlich vertreten wird. Zwar obliegt es allein den Geschäftsführern, die Beschlüsse der Gesellschafter mit Außenwirkung umzusetzen (vgl. Fischer/Lutter/Hommelhoff, Kommentar zum GmbHG, 12.Aufl., § 45 Rdnr.4, und Feine, Die GmbH in Ehrenbergs Handbuch des gesamten Handelsrechts 1929, 3.Bd. III.Abteilung, S.504). Nehmen die eine GmbH beherrschenden Gesellschafter in Überschreitung ihrer Kompetenzen Handlungen für die GmbH vor, beruhen die dadurch ausgelöste Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung auf dem Gesellschaftsverhältnis. Die Gesellschaftereigenschaft ist eine nicht wegzudenkende Ursache für die eingetretene Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung.

Einer durch die die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter ausgelösten verdeckten Gewinnausschüttung steht nicht entgegen, daß sie nicht auf einem gültigen Beschluß der Gesellschafterversammlung beruht. Zwar ist die Gesellschafterversammlung das regelmäßige Verfahren, in dem die Gesellschafter beschließen (§ 48 GmbHG). Zu der Gesellschafterversammlung muß geladen werden (§ 51 Abs.1 GmbHG), so daß ein ohne Einberufung gefaßter Beschluß nichtig ist (vgl. Scholz/Schmidt, a.a.O., Bd.II 1988, § 51 Anm.27). Die Nichtigkeit eines Beschlusses beseitigt jedoch nicht die Ursächlichkeit der Gesellschaftereigenschaft für die eingetretene Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung.

Demgegenüber liegt keine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn die Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung auf Handlungen von Gesellschaftern beruht, die die Gesellschaft nicht beherrscht und deren Handlungen weder die anderen Gesellschafter noch die Geschäftsführer zugestimmt haben. Insoweit mag zwar die Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung durch die tatsächliche Ausnutzung der Gesellschafterstellung zustande gekommen sein. Sie beruht jedoch nicht auf einer Handlung, die der Kapitalgesellschaft zugerechnet werden kann.

Wegen der Rückgängigmachung der verdeckten Gewinnausschüttung verweist der Senat auf seine Rechtsprechung (vgl. Urteile in BFHE 158, 338, BStBl II 1989, 1029, und vom 29.April 1987 I R 176/83, BFHE 150, 337, BStBl II 1987, 733).

3. Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1977 ist zugleich andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs.3 Satz 2 KStG 1977, wenn die der Vermögensminderung entsprechenden Mittel abfließen. Dazu hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs.2 FGO), daß bei der Klägerin die Erlöse i.S. des § 27 Abs.1 KStG 1977 in dem Wirtschaftsjahr abflossen, in dem sie erfolgswirksam zu erfassen gewesen wären, jedoch nicht erfaßt wurden. Damit hängt die Annahme anderer Ausschüttungen im Streitfall ebenfalls von der in tatsächlicher Hinsicht ungeklärten Frage ab, ob die Vermögensminderungen auf Rechtshandlungen der Kapitalgesellschaft beruhten.

4. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nachzuholen ist die Aufgabe des FG. Zu diesem Zweck war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Durch die Zurückverweisung erhält das FG auch Gelegenheit zu prüfen, ob es gemäß § 29 Abs.2 Satz 3 KStG 1977 i.d.F. vor dem KStG 1984 bzw. § 28 Abs.2 Satz 2 KStG 1977 i.d.F. des KStG 1984 durch die Verrechnung der anderen Gewinnausschüttungen mit dem verwendbaren Eigenkapital zu einer Körperschaftsteuererhöhung kommt. Die Körperschaftsteuer erhöht sich, soweit für die vorgeschriebene Verrechnung nicht ausreichendes voll belastendes verwendbares Eigenkapital zur Verfügung steht (§ 28 Abs.2 KStG 1977 i.d.F. vor KStG 1984 und § 28 Abs.3 KStG 1977 i.d.F. des KStG 1984 jeweils i.V.m. § 27 Abs.1 KStG 1977).

 

Fundstellen

Haufe-Index 63103

BFH/NV 1991, 37

BStBl II 1991, 484

BFHE 163, 321

BFHE 1991, 321

BB 1991, 896

BB 1991, 896-897 (LT)

DB 1991, 995-996 (LT)

DStR 1991, 572 (KT)

HFR 1991, 547 (LT)

StE 1991, 143 (K)

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