Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückgängigmachung eines zuvor durchgeführten Gewinnverteilungsbeschlusses ist körperschaftsteuerrechtlich als Einlage zu behandeln

 

Leitsatz (NV)

1. Im Unterschied zu § 19 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 KStG 1968 knüpft § 27 KStG 1977 die Herstellung der Ausschüttungsbelastung nicht an ,,berücksichtigungsfähige Ausschüttungen" und insoweit auch nicht an den Inhalt eines Gewinnverteilungsbeschlusses.

2. Entscheidend kommt es auf die Ausschüttung als den tatsächlichen Vollzug eines Gewinnverteilungsbeschlusses an.

3. Die Ausschüttungsbelastung ist i. S. des § 27 Abs. 1 KStG 1977 ,,unwiderruflich" herzustellen, wenn ein Gewinnverteilungsbeschluß tatsächlich durchgeführt wurde.

4. Die tatsächliche Durchführung eines Gewinnverteilungsbeschlusses kann nicht dadurch rückgängig gemacht werden, daß die Gesellschafter die Rückgewähr der tatsächlich ausgeschütteten Beträge an die Kapitalgesellschaft beschließen.

 

Normenkette

KStG 1977 § 8 Abs. 4, § 27; KStG 1968 § 19 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3

 

Tatbestand

Der Revisionsbeklagte ist der Konkursverwalter über das Vermögen der Klägerin, einer GmbH. Er hat das zuvor gegen die Klägerin geführte Revisionsverfahren aufgenommen.

Die Klägerin erzielte im Streitjahr 1980 einen Handelsbilanzgewinn von 542 392 DM und ein zu versteuerndes Einkommen von 838 350 DM. Ihre Gesellschafter beschlossen am . . . März 1981, von dem Handelsbilanzgewinn 1980 500 000 DM auszuschütten. Der Ausschüttungsbetrag wurde den Gesellschaftern auf deren Darlehenskonten gutgeschrieben. Kapitalertragsteuer wurde einbehalten und abgeführt. In der Körperschaftsteuererklärung 1980 der Klägerin wurde eine Minderung der Körperschaftsteuer in Höhe von 5/16 von 500 000 DM = 156 250 DM geltend gemacht.

In den Jahren 1981 und 1982 erzielte die Klägerin Verluste in Höhe von ./. 8 817 DM (1981) bzw. von ./. 788 745 DM (1982). Die Klägerin machte für den Verlust 1982 den zweijährigen Verlustrücktrag nach 1980 geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) anerkannte den Verlustrücktrag nur bis zum Betrag von 57 100 DM. Dabei ging er von folgender Berechnung aus:

Einkommen 1980 838 350 DM

Ausschüttung 500 000 DM

zuzüglich Ausschüttungsbelastung in Höhe von

9/16 von 500 000 DM 281 250 DM 781 250 DM

Saldo 57 100 DM.

Gegen den auf dieser Grundlage ergangenen und gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1980 vom . . . Januar 1985 legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein. Später erhob sie Klage. Im Klageverfahren legte sie einen am . . . November 1985 gefaßten schriftlichen Gesellschafterbeschluß vor, in dem es auszugweise wie folgt heißt:

,,1. Die GmbH erzielte im Geschäftsjahr 1980 einen Handelsbilanzgewinn von DM 542 382, von dem sie 500000 DM an ihre Gesellschafter ausschüttete (siehe Gesellschafterbeschluß vom . . . 3. 1981). Diese Gewinnausschüttung wird in voller Höhe aufgehoben, d. h. es werden DM -0- ausgeschüttet. Die durch Umbuchung auf Darlehenskonten der Gesellschafter erhaltene Ausschüttung ist unter Berücksichtigung der Kapitalertragsteuer von den Gesellschaftern durch Berichtigung der Darlehenskonten zurückzugewähren.

2. Die Verluste der Jahre 1981 und 1982 in Höhe von 788 745 DM sind mit dem Gewinnvortrag aus dem Jahre 1980 zu verrechnen.

3. Der nach Aufhebung der Gewinnausschüttung 1980 verbleibende Gewinn der Gesellschaft wird wie bisher auf neue Rechnung vorgetragen."

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte die Körperschaftsteuer 1980 auf 27 776 DM herab. Es berücksichtigte einen zweijährigen Verlustrücktrag aus 1982 nach 1980 in Höhe von 731 645 DM.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung des § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der erkennende Senat verweist auf seine Urteile vom 14. März 1989 I R 105/88 (BFHE 157, 72, BStBl II 1989, 741, unter II.4) und vom 9. Dezember 1987 I R 260/83 (BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460). An der in beiden Urteilen vertretenen Rechtsauffassung hält er fest. Daraus ergibt sich für den Streitfall folgendes:

2. Nach § 27 Abs. 1 KStG 1977 ist die sog. Ausschüttungsbelastung herzustellen, wenn eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft Gewinn ausschüttet. Nach § 27 Abs. 3 KStG 1977 kann die Gewinnausschüttung i. S. des Absatzes 1 auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß beruhen (offene Ausschüttung) oder eine sog. ,,andere Ausschüttung" sein. Dazu hat der erkennende Senat in BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460 entschieden, daß unter Gewinnausschüttung i. S. des § 27 Abs. 1 KStG 1977 stets nur der tatsächliche Vermögensabfluß bei der Kapitalgesellschaft zu verstehen ist. Dies gilt gleichermaßen für die offene und die andere Ausschüttung. Zur Abgrenzung der beiden Formen von Gewinnausschüttungen ist darauf abzustellen, ob im Zeitpunkt seines Vollzugs ein den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechender Beschluß (noch) rechtswirksam besteht (vgl. Leitsatz Nr. 4 zu BFHE 157, 72, BStBl II 1989, 741).

Im Unterschied zu § 19 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 KStG 1968 knüpft § 27 KStG 1977 die Herstellung der Ausschüttungsbelastung nicht an ,,berücksichtigungsfähige Ausschüttungen" und insoweit auch nicht an den Inhalt eines Gewinnverteilungsbeschlusses. Entscheidend kommt es vielmehr auf die Ausschüttung als den tatsächlichen Vollzug eines Gewinnverteilungsbeschlusses an. Daraus folgt, daß die Ausschüttungsbelastung i. S. des § 27 Abs. 1 KStG 1977 ,,unwiderruflich" herzustellen ist, wenn ein Gewinnverteilungsbeschluß tatsächlich durchgeführt wurde. Die tatsächliche Durchführung eines Gewinnverteilungsbeschlusses wird durch dessen nachträgliche Änderung nicht berührt. Sie kann auch nicht dadurch rückgängig gemacht werden, daß die Gesellschafter die Rückgewähr der tatsächlich ausgeschütteten Beträge an die Kapitalgesellschaft beschließen. Die Rückgewähr ist steuerrechtlich als Einlage zu beurteilen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. April 1987 I R 176/83, BFHE 150, 337, BStBl II 1987, 733). Sie führt zu einer Erhöhung des EK 04 erst ab dem Zeitpunkt, in dem die Rückgewähr tatsächlich beschlossen wird (vgl. BFH-Urteil vom 13. September 1989 I R 110/88, BFHE 158, 346, BStBl II 1990, 24, unter II.6 b und c). Die Erhöhung des EK 04 berührt jedoch dem Grunde nach die Herstellung der Ausschüttungsbelastung nicht.

3. Aus II.2 folgt für die Anwendung § 8 Abs. 4 KStG 1977, daß unter dem ausgeschütteten Gewinn im Sinne der Vorschrift die Summe der im Abzugsjahr vorgenommenen verdeckten und der für das Abzugsjahr vorgenommenen offenen Ausschüttung zuzüglich der darauf entfallenden Ausschüttungsbelastung zu verstehen ist (vgl. BFH in BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460, unter II.2). Entscheidend ist auch insoweit der tatsächliche Vollzug der genannten Ausschüttungen. Deshalb kommt es für die Entscheidung über den Rechtsstreit ausschließlich darauf an, ob die am . . . März 1981 für das Geschäftsjahr 1980 beschlossene Gewinnverteilung tatsächlich durchgeführt wurde oder nicht. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschafter der Klägerin am . . . März 1981 mit der Einführung eines zweijährigen Verlustvortrages weder rechneten noch rechnen konnten. § 8 Abs. 4 KStG 1977 ist insoweit zwingendes Recht, das die Berücksichtigung von Billigkeitserwägungen nicht zuläßt.

4. Zu der unter II.3 angesprochenen Frage hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die ausgeschütteten Beträge den Gesellschaftern auf Darlehenskonten gutgeschrieben wurden. Das FG hat jedoch auch mit Rücksicht auf die angespannte Liquidität der Klägerin Zweifel daran geäußert, ob in den Gutschriften eine ,,steuerlich anzuerkennende Gewinnausschüttung" gesehen werden könne. Diese Feststellungen reichen nicht aus, um die Frage abschließend beurteilen zu können, ob der Gewinnverteilungsbeschluß vom . . . März 1981 tatsächlich durchgeführt wurde. Einerseits begründet die bloße Verbuchung von Gewinnanteilen auf Darlehenskonten der Gesellschafter für sich genommen noch keinen tatsächlichen Abfluß der Dividende. Andererseits kann aber die Verbuchung durchaus Ausdruck einer zivilrechtlichen Vereinbarung zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Gesellschafter sein, aufgrund derer der Gewinnanteil des Gesellschafters in einen Darlehensrückzahlungsanspruch umgewandelt wurde. Eine solche Schuldnovation wäre steuerrechtlich als Zufluß der Dividende beim Gesellschafter und als zeitgleiche Hingabe eines Darlehens an die Gesellschaft zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480). Es kommt deshalb in tatsächlicher Hinsicht darauf an, ob die Gesellschafter der Klägerin ihre Gewinnanteile darlehensmäßig der Klägerin beließen oder ob sie sie lediglich aus Liquiditätsgründen nicht abriefen. Diese Frage ist insbesondere unter Heranziehung der von der Klägerin und den Gesellschaftern selbst abgegebenen Erklärungen zu ermitteln.

5. Die Vorentscheidung entspricht nicht den hier wiedergegebenen Rechtsgrundsätzen. Sie kann deshalb keinen Bestand haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417236

BFH/NV 1991, 190

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