Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Umsatzsteuerermäßigung für Bräunungsstudio

 

Leitsatz (NV)

1. Ein gewerbliches Bestrahlungsinstitut verabreicht keine Heilbäder i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1980, wenn die Bestrahlungen weder zur Heilung einer Krankheit durchgeführt werden noch der Vorbeugung von Krankheiten (Gesundheitsvorsorge) zu dienen bestimmt sind. Der Nachweis des Heilzwecks im Einzelfall reicht für eine generelle Steuerbegünstigung nicht aus.

2. Die Beweiserwägungen der Vorinstanz sind für das Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler überprüfbar, mithin darauf, ob sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar sind, gegen Denkgesetze oder gesichertes Erfahrungswissen verstoßen, oder ob ihnen zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung zugrunde liegen (st. Rechtsprechung).

 

Normenkette

FGO §§ 118, 120 Abs. 2 S. 2; UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 9

 

Tatbestand

Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, der Kläger habe die Lichtbäder nicht zu Heilzwecken, sondern ganz überwiegend zum Zwecke der Hautbräunung verabreicht. Das Gutachten des durch das Gericht bestellten Sachverständigen ergebe überdies, daß die vom Kläger verabreichten Lichtbäder keinen nachweisbaren gesundheitsfördernden Effekt hätten. Die Schädlichkeit der eingesetzten Strahlungen sei höher einzustufen als ihr etwaiger Nutzen.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, die er auf Verletzung materiellen (§ 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1980) und formellen Rechts stützt. Er macht geltend, ohne Änderung des Gesetzes könne ihm die etwa 10 Jahre lang von der Verwaltung gewährte Umsatzsteuervergünstigung nicht durch bloße Änderung der Rechtsansicht des Beklagten entzogen werden. Das Urteil beruhe ferner auf mangelhafter Sachaufklärung. Es verletze ihn insofern in seinen Rechten, als es die vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage den Sachverständigen überlassen habe. Überdies bestehe keine einheitliche Sachverständigenmeinung über den gesundheitlichen Nutzen oder Schaden von UV-Lichtbädern.

Das FA hat am 21. Juli 1988 für 1983 einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid erlassen und die Umsatzsteuer 1983 auf ... DM festgesetzt. Es hat dabei die Solarienumsätze dem vollen Steuersatz unterworfen. Der Kläger hat diesen Bescheid gemäß §§ 68, 121, 123 Satz 2 der Finanzerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Auffassung des FG, die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1980 lägen im Streitfall nicht vor, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1980 ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für Umsätze aus der Verabreichung von Heilbädern.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die UV-Bestrahlungen dienten der Vorbeugung von Krankheiten (Gesundheistvorsorge). Der Senat kann unerörtert lassen, ob § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1980 unter dem Begriff Heilbad überhaupt nur Maßnahmen erfaßt, die zur Heilung einer Krankheit durchgeführt werden oder ob es für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift - wie der Kläger meint - ausreicht, wenn die Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge zu dienen bestimmt sind. Denn jedenfalls hat das FG festgestellt, daß die vom Kläger verabreichten Lichtbäder nicht der Gesundheitsvorsorge dienten. Sie seien von ihm überdies in der Mehrzahl der Anwendungsfälle zu kosmetischen Zwecken (Hautbräunung) eingesetzt worden. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Der Kläger hat hiergegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht.

a) Soweit er im Hinblick auf eine Aufteilung der Umsätze mangelhafte Sachverhaltsaufklärung rügt, genügt diese Verfahrensrüge bereits nicht den Begründungsvoraussetzungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO. Der Kläger hat nicht dargelegt, einen entsprechenden Beweisantrag vor dem FG gestellt oder das Nichterheben der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt zu haben. Er hat auch nicht dargelegt, welche Tatsachen das FG ohne besonderen Antrag hätte feststellen müssen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. März 1992 II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562; BFH-Urteil vom 6. Februar 1991 II R 87/88, unter 2. b, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459).

b) Soweit der Kläger rügt, die Beweisaufnahme des FG mittels eines Sachverständigen verstoße gegen Vorschriften des Prozeßrechts, erfüllt sein Vortrag bereits nicht die Voraussetzung des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO, weil er nicht vorgetragen hat, den Verstoß vor dem FG rechtzeitig gerügt zu haben (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Die Verfahrensvorschriften über die Beweisaufnahme sind verzichtbar (vgl. BFH-Beschluß vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372). Der Kläger hätte einen Verstoß hiergegen spätestens in der mündlichen Verhandlung vom 30. August 1988 vor dem FG rügen können und müssen.

c) Die Tatsachenfeststellung durch das FG ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht sachlich zu beanstanden. Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, sich eine Überzeugung vom Vorliegen der Tatsachen zu verschaffen, die einen gesetzlichen Tatbestand ausfüllen. Die Beweiserwägungen sind für das Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler überprüfbar, mithin darauf, ob sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar sind, gegen Denkgesetze oder gesichertes Erfahrungswissen verstoßen, oder ob ihnen zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung zugrunde liegen (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1988 I R 369/83, BFHE 152, 485, BStBl II 1988, 486 unter 2. am Ende der Gründe; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Tz. 10 m.w.N.). Dies ist entgegen den Behauptungen des Klägers nicht der Fall. Das FG hat sich bei seiner Beweiswürdigung nicht nur auf die in sich schlüssigen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gestützt, sondern hat auch die vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen zum Beweisthema zur Kenntnis genommen und berücksichtigt. Es hat dabei keine Erfahrungssätze verletzt. Seine Schlußfolgerung, die vom Kläger verabreichten Lichtbäder hätten keine nachweisbare gesundheitsfördernde Wirkung, ist jedenfalls möglich.

2. Das FA war auch nicht aufgrund der bisherigen Verwaltungspraxis verpflichtet, die Umsätze des Klägers mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung muß das FA in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut prüfen und rechtlich würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muß es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1992 X R 99/88, BFHE 170, 41, BStBl II 1993, 289 unter 5. a der Gründe). Das FA kann im Hinblick auf einen noch nicht entstandenen Steueranspruch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nur gebunden sein, wenn es einem Steuerpflichtigen zugesichert hat, einen konkreten Sachverhalt, dessen steuerrechtliche Beurteilung zweifelhaft erscheint und der für die wirtschaftliche Disposition des Steuerpflichtigen bedeutsam ist, bei der Besteuerung in einem bestimmten Sinn zu beurteilen (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall indes nicht vor.

3. Die Umsätze des Klägers im Zusammenhang mit dem Verabreichen von Lichtbädern in städtischen Schwimmbädern sind auch nicht deshalb nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1980 begünstigt, weil sie unmittelbar mit dem Betrieb dieser Schwimmbäder verbunden wären. Mit dem allgemeinen Steuersatz zu versteuern sind alle Leistungen, die nicht als übliche und typische Nebenleistungen anzusehen sind (vgl. Schöll in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 12 Rz. 284). Dies ist bei den Umsätzen des Klägers der Fall; denn er tritt damit zu anderen tariflich nicht begünstigten Unternehmern in Wettbewerb (z.B. Solarien).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419277

BFH/NV 1994, 746

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