Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorgreifliche Rechtsverhältnisse als Tatsachen i. S. von § 173 Abs. 1 AO 1977

 

Leitsatz (NV)

1. ,,Tatsache" i. S. von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Keine Tatsachen in diesem Sinn sind Schlußfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Wertungen. Auch eine andere rechtliche Wertung bereits bekannter Tatsachen, nämlich die geänderte Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, ist keine Tatsache im Sinn der genannten Vorschrift.

2. Macht ein Steuerpflichtiger unter der Bezeichnung ,,Kauf" oder ,,Pacht" in der Steuererklärung vorgreifliche Rechtsverhältnisse geltend, so geht es nicht um juristische Wertungen, sondern um Tatsachen i. S. von § 173 Abs. 1 AO 1977; auch die Bezeichnung ,,Vermietung" ist als Zusammenfassung von Tatsachen zu verstehen, die eine bestimmte rechtliche Wertung erst auslösen. Ein Steuerbescheid kann deshalb nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geändert werden, wenn sich aufgrund nachträglich bekanntgewordener Tatsachen oder Beweismittel herausstellt, daß die aus den Angaben des Steuerpflichtigen insoweit übernommene Wertung nicht zutrifft.

3. Aus dem Ergehen endgültiger Bescheide kann nicht gefolgert werden, das Finanzamt dürfe später bekanntwerdende Tatsachen nicht verwerten. Nur wenn der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht voll genügt und das Finanzamt trotz Zweifeln an der Richtigkeit der Erklärungen des Steuerpflichtigen eine endgültige Veranlagung durchführt, kann eine Berichtigung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 treuwidrig sein.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 164-165, 173 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Fundstellen

BFH/NV 1990, 1

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