Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Unterscheidung zwischen Leibrente und dauernder Last

 

Leitsatz (NV)

1. Es bleibt den Parteien eines Vermögensübertragungsvertrages überlassen, ob sie zur Versorgung des Übertragenden eine Leibrente oder eine dauernde Last vereinbaren wollen.

2. Wiederkehrende Geldzahlungen, die die Vertragsparteien als einheitliche, wiederkehrende Leistungen gewollt haben, dürfen nicht in einen gleichmäßigen Sockelbetrag als Mindestleibrente und Erhöhungsbeträge als dauernde Last aufgespalten werden.

3. Eine dauernde Last mit der Höhe nach variablen wiederkehrenden Leistungen ist anzunehmen, wenn deren Empfänger allgemein für jegliche altersbedingte Steigerung seiner Bedürftigkeit Erhöhungen verlangen kann.

 

Normenkette

EStG 1971 § 10 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 323

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt zusammen mit seinen beiden Geschwistern den Gesellschaftsanteil seines Vaters an einer KG im Wege vorweggenommener Erbfolge aufgrund Vertrages vom 23. Oktober 1971 mit Wirkung vom 1. Januar 1971 übertragen. Als Gegenleistung verpflichteten sich die drei Geschwister ,,zur Sicherung eines standesgemäßen Unterhalts und einer angemessenen Lebensführung" ihrer Eltern zur Übernahme des vom Vater geschuldeten Lastenausgleichs, zur Zahlung einer Rente an die Eltern und zur Übernahme bestimmter Steuern. Als Rente waren mit Wirkung vom 1. Januar 1971 unentgeltliche und lastenfreie lebenslängliche Unterhaltsleistungen von monatlich mindestens 4 500 DM vorgesehen. Bei Anfall von Arzt-, Apotheker-, Krankenhaus- und sonstigen besonderen Aufwendungen (z. B. Diätverpflegung etc.) konnten die Rentenberechtigten einen höheren Betrag, höchstens aber insgesamt 6 000 DM monatlich verlangen, ohne den Anfall außergewöhnlicher Kosten nachweisen zu müssen. Die Höhe der wiederkehrenden Leistungen war mit einer Wertsicherungsklausel verbunden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) behandelte die wiederkehrenden Leistungen des Klägers an seine Eltern in seinen Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre 1971 bis 1974, 1977 und 1979 als nur mit dem Ertragsanteil bei den Sonderausgaben berücksichtigungsfähige Leibrentenzahlungen. Alle Bescheide wurden im Laufe des Verfahrens mehrfach geändert.

Mit ihrer Klage begehrten die Kläger, die Zahlungen des Klägers an seine Eltern als dauernde Last in voller Höhe bei den Sonderausgaben zum Abzug zuzulassen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die Vertragsparteien hätten in dem Übertragungsvertrag vom 23. Oktober 1971 eine Mindestrente von 4 500 DM, die als Leibrente zu beurteilen sei, und vom Eintritt bestimmter Umstände abhängige Zusatzleistungen für besondere Aufwendungen vereinbart, die eine gesonderte dauernde Last darstellten. Der Kläger habe seinen Eltern in den Streitjahren nicht mehr gezahlt, als er in Erfüllung der Mindestrente unter Berücksichtigung gestiegener Lebenshaltungskosten habe leisten müssen.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts, insbesondere des § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1971 f. (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG 1979).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß die wiederkehrenden Leistungen des Klägers an seine Eltern, deren Abzug als dauernde Last die Kläger begehren, auf einer privaten Vermögensübertragung in vorweggenommener Erbfolge beruhen. Das angefochtene Urteil war jedoch aufzuheben, weil das FG verkannt hat, daß die wiederkehrenden Zahlungen des Klägers einheitliche Leistungen zur Versorgung seiner Eltern darstellen, die sich nicht in eine mit dem Ertragsanteil als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG abziehbare Mindestleibrente und vollen Umfangs nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG als dauernde Last berücksichtigungsfähige Erhöhungsbeträge aufteilen lassen, sondern insgesamt als dauernde Last im Rahmen der Sonderausgaben abziehbar sind.

1. Die Voraussetzungen einer Leibrente sind erfüllt, wenn regelmäßig wiederkehrende Leistungen in Geld oder vertretbaren Sachen in bestimmter Höhe zu erbringen sind. Dauernden Lasten fehlt hingegen das Merkmal der Gleichmäßigkeit. Sie bestehen in wiederkehrenden Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger für längere Zeit einem anderen gegenüber in Geld- oder Sachwerten von unterschiedlicher Höhe aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung zu leisten hat und die nicht zu bestimmten Einkünften nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 7 EStG 1971 (jetzt § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG) gehören. Dabei hat die Rechtsprechung die ,,bloße" Bezugnahme auf § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) in dem Sinne, daß eine Abänderung nicht ausgeschlossen sein solle, schon als ausreichend angesehen, um das Merkmal der Gleichmäßigkeit der Rentenleistungen zu verneinen und damit eine dauernde Last für gegeben zu erachten (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84, BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610).

Der BFH hat eine dauernde Last nicht nur dann bejaht, wenn die Höhe der Rentenleistungen von der Bedürftigkeit des Rentenberechtigten und der Leistungsfähigkeit des Rentenverpflichteten bestimmt wird. Vielmehr fehlt nach der Rechtsprechung des BFH das Merkmal der Gleichmäßigkeit schon dann, wenn die Leistungen von den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen des Gebers oder des Empfängers oder von einer anderen variablen Bemessungsgrundlage (z. B. Umsatz oder Gewinn) abhängen (Urteile vom 20. Mai 1980 VI R 108/77, BFHE 130, 520, BStBl II 1980, 573; vom 10. Juni 1986 IX R 7/82, BFH/NV 1987, 26).

Bei privaten Versorgungsleistungen aufgrund eines Vermögensübertragungsvertrages ist zu unterscheiden, ob es sich im vorstehenden Sinne um mit dem Ertragsanteil abziehbare Leibrenten, vollen Umfangs berücksichtigungsfähige dauernde Lasten oder nicht als Sonderausgaben abziehbare einmalige Vermögenszuwendungen handelt (Urteil in BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610). Dies darf jedoch nicht dazu führen, daß Geldzahlungen, die die Vertragsparteien als einheitliche wiederkehrende Leistungen gewollt und vereinbart haben, in einen gleichmäßigen Sockelbetrag als Mindestleibrente und Erhöhungsbeträge als dauernde Last aufgespalten werden (so bereits BFH-Urteile vom 30. Mai 1980 VI R 153/77, BFHE 130, 524, BStBl II 1980, 575; in BFH/NV 1987, 26; Urteil des FG Baden-Württemberg vom 27. Juni 1986 II (III) 209/83, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 557). Dazu steht auch das Urteil des BFH vom 18. März 1980 VIII R 69/78 (BFHE 130, 446, BStBl II 1980, 501) in seinem rechtlichen Ausgangspunkt nicht in Widerspruch. Auch darin ist für die Entscheidung der Frage, ob eine einheitliche Versorgungsleistung oder mehrere vorliegen, auf den Willen der Vertragsparteien abgestellt worden.

Die Aufspaltung eines einheitlichen Leistungsversprechens widerspräche dem bürgerlichen Recht, auf das sich die Unterscheidung zwischen Leibrente und dauernder Last gründet. Nach der vorstehenden Rechtsprechung bleibt es den Parteien eines Vermögensübertragungsvertrages überlassen, ob sie zur Versorgung des Übertragenden eine Leibrente oder eine dauernde Last wollen.

2. Im vorliegenden Fall haben die Parteien des Vermögensübertragungsvertrages vom 23. Oktober 1971 einheitliche, der Höhe nach schwankende ,,Unterhaltsleistungen" zur Versorgung des seinen Gesellschaftsanteil übertragenden Vaters und der Mutter vereinbart. Die Vertragsparteien haben für die ,,Unterhaltsleistungen" nicht nur eine Anpassung an veränderte Lebenshaltungskosten aufgrund einer Wertsicherungsklausel vorgesehen, sondern auch zusätzlich als variable Bemessungsgrundlage die Entwicklung der Bedürftigkeit der Versorgungsberechtigten gewählt.

In dem Vertrag vom 23. Oktober 1971 werden drei Leistungen des Klägers und seiner beiden Geschwister unterschieden, nämlich die Übernahme des vom Vater geschuldeten Lastenausgleichs, die Rente zum Unterhalt der Eltern und die Übernahme bestimmter Steuern. Die Unterhaltsrente besteht aus einem Mindestbetrag von monatlich 4 500 DM und Erhöhungen bei Anfall von Arzt-, Apotheker-, Krankenhaus und sonstigen besonderen Aufwendungen. Erhöhungen sind damit nicht nur für bestimmte Einzelfälle, sondern allgemein für jegliche altersbedingte Steigerung der Bedürftigkeit der Rentenberechtigten vorgesehen. Denn zu den sonstigen besonderen Aufwendungen gehören z. B. auch etwaige erhöhte Kosten infolge einer Unterbringung in einem Altersheim oder für eine Pflege.

Der Mindestbetrag und Erhöhungen zusammen dürfen lediglich nicht die Höchstgrenze übersteigen, die grundsätzlich 6 000 DM beträgt, die aber - ebenso wie der Mindestbetrag - an veränderte Lebenshaltungskosten aufgrund der Wertsicherungsklausel angepaßt werden kann.

3. Die Sache geht an das FG zurück, damit dieses tatsächliche Feststellungen nicht nur zur Höhe der wiederkehrenden Barleistungen des Klägers, sondern auch zur Ursache ihrer Schwankungen nachholt. Die wiederkehrenden Leistungen sind nur dann als dauernde Last abziehbar, wenn die Schwankungen in Änderungen der Bedürftigkeit der Eltern begründet sind. Ein Abzug der Leistungen als Sonderausgaben wäre hingegen ausgeschlossen, wenn es im Belieben des Klägers gelegen hätte, in welcher Höhe er seinen Eltern wiederkehrende Barleistungen erbrachte. Denn Vereinbarungen zwischen nahen Familienangehörigen müssen, um einkommensteuerrechtlich anerkannt werden zu können, nicht nur klar und eindeutig vereinbart sein, sondern auch tatsächlich durchgeführt sein. Nur unter dieser Voraussetzung kann eine auf einem besonderen Verpflichtungsgrund beruhende dauernde Last i. S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG angenommen werden (Urteil in BFH/NV 1987, 26).

Außerdem wird das FG der Frage nachzugehen haben, ob die in dem Vertrag vom 23. Oktober 1971 vereinbarte dauernde Last mit steuerlicher Wirkung auf den 1. Januar 1971 zurückbezogen werden durfte. Eine Ausnahme von dem steuerlichen Rückwirkungsverbot hat die Rechtsprechung dann zugelassen, wenn es sich nur um eine kurze Zeitspanne handelt und die Anerkennung der Rückbeziehung nach den Umständen des Falles vertretbar erscheint, insbesondere wenn mit dieser Gestaltung kein steuerlicher Vorteil erstrebt wird (BFH-Urteil vom 24. Januar 1979 I R 202/75, BFHE 128, 33, BStBl II 1979, 581).

Schließlich wird das FG zu prüfen haben, inwieweit in einzelnen Streitjahren § 42 FGO i. V. m. § 351 der Abgabenordnung (AO 1977) eine Herabsetzung der Einkommensteuer der Kläger gestattet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415451

BFH/NV 1988, 294

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