Leitsatz (amtlich)

Entsteht bei der Umwandlung eines Organs auf den Organträger dadurch ein Übernahmegewinn, daß der Buchwert des Vermögens des Organs infolge der Nichtausschüttung von nachorganschaftlichen Gewinnen den Buchwert des Anteils des Organträgers an dem Organ übersteigt, so unterliegt dieser Gewinn bei dem Organträger nicht der Gewerbesteuer.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2; UmwStG 1957 § 8

 

Tatbestand

Der Revisionsbeklagten, einer KG, gehörte das gesamte Stammkapital (100 000 DM) einer GmbH, die unstreitig Organ der KG im Sinn des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG war. Ein Ergebnisabführungsvertrag zwischen der KG und der GmbH bestand nicht. Die GmbH wurde auf Grund des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften (UmwG) vom 12. November 1956 (BGBl I 1956, 854) durch Übertragung sämtlicher Aktiven und Passiven auf die KG umgewandelt. Der Umwandlung wurde die Bilanz der GmbH auf den 31. Dezember 1958 zugrunde gelegt. In dieser waren ein Stammkapital von 100 000 DM und ein Gewinnvortrag von 1 000 000 DM ausgewiesen, so daß sich für das von der KG übernommene Vermögen der GmbH ein Buchwert von 1 100 000 DM ergab. Da die Beteiligung der KG an der GmbH in der Bilanz der KG vor der Umwandlung nur mit 100 000 DM aktiviert war, ergab sich ein durch die Umwandlung verursachter, der Höhe nach unstreitiger Übernahmegewinn, den der Revisionsbeklagte (FA) im einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheid für 1958 gemäß § 8 Abs. 2 des Gesetzes über Steuererleichterungen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften (UmwStG) vom 11. Oktober 1957 (BGBl I 1957, 1713, BStBl I 1957, 468) zur Hälfte der Gewerbesteuer unterwarf.

Mit ihrer Sprungberufung(-klage) machte die KG geltend, die Heranziehung des Übernahmegewinns zur Gewerbesteuer sei unzulässig, da - das ist unstreitig - der den Buchwert der Beteiligung übersteigende Buchwert des übernommenen Vermögens der GmbH dadurch entstanden sei, daß die GmbH in der Vergangenheit ihre Gewinne nicht ausgeschüttet habe. Diese Gewinne habe sie, die KG, aber bereits als Gewerbeertrag versteuert, weil die GmbH nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG als ihre Betriebstätte gegolten habe. Müßte sie, die KG, den Übernahmegewinn versteuern, so würde also derselbe Gewerbeertrag doppelt erfaßt werden. Zum gleichen Ergebnis führe auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 9 Nr. 2 GewStG. Denn diese Vorschrift sei, soweit sie die Kürzung auf die Anteile am Gewinn einer Personengesellschaft beschränke, nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG vereinbar.

Das FA stützte sich demgegenüber auf das Urteil des BFH I 29/53 U vom 6. Oktober 1953 (BStBl III 1953, 329) für seine Ansicht, trotz des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG seien Organträger und Organ nicht als einheitliches Unternehmen anzusehen, so daß es sich bei der Umwandlung auch nicht um einen bloß internen Vorgang innerhalb dieses einheitlichen Unternehmens gehandelt habe. Die genannte Vorschrift solle lediglich verhindern, daß beteiligte Gemeinden durch Gewinnverteilungsabreden innerhalb eines Organkreises benachteiligt würden. Die Gewerbeerträge der durch Organschaft verbundenen Unternehmen würden ungeachtet der Vorschrift getrennt nach § 7 GewStG ermittelt, und dann erst würden die zusammengerechneten Erträge bei dem Organträger von der Gewerbesteuer erfaßt.

Das FG gab durch das in den EFG 1968, 268 veröffentlichte Urteil der Klage statt. Es führte aus, während der RFH in dem Urteil VI 210/41 vom 6. Mai 1942 (RStBl 1942, 858) angenommen habe, gewerbesteuerlich würden Organträger und Organ als ein einheitliches Unternehmen angesehen, habe der BFH in den Urteilen I 29/53 U (a. a. O.) und I 237/61 U vom 8. Januar 1963 (BFH 76, 513, BStBl III 1963, 188) die vom FA vorgetragene Ansicht vertreten. Der BFH habe deshalb (Urteil I 29/53 U) den bei der Umwandlung eines Organs auf die Muttergesellschaft durch Erhöhung von Bilanzansätzen entstandenen Buchgewinn als gewerbesteuerpflichtig angesehen. Im Schrifttum (Schwendler, FR 1965, 508 und 1967, 10; Henze, DStZ A 1966, 232 und vom FG München (EFG 1967, 299) werde dagegen die Auffassung vertreten, daß Gewinnrealisierungen innerhalb eines Organkreises nicht zur Gewerbesteuer heranzuziehen seien, weil die Betriebstättenfiktion des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG zur Folge habe, daß das Organ und die beherrschende Gesellschaft ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Selbständigkeit für die Gewerbesteuer als einheitlicher Steuergegenstand zu behandeln seien. Nach dieser Ansicht könnte im vorliegenden Fall bereits deshalb kein steuerpflichtiger Gewerbeertrag entstanden sein, weil nicht selbständige Steuergegenstände verschmolzen, sondern nur Betriebstätten zusammengefaßt worden seien. Es könne indes dahingestellt bleiben, ob der im Schrifttum vertretenen "Einheits- oder Filialtheorie" in jeder Hinsicht zu folgen sei. Denn auch die vom BFH für notwendig erachteten Einschränkungen der Einheitstheorie könnten es nach Ansicht des Senats nicht rechtfertigen, denjenigen buchmäßigen Vermögenszuwachs der beherrschenden Gesellschaft, der durch die Übernahme des aus nicht ausgeschütteten Gewinnen des Organs stammenden Vermögens ohne Änderung der Buchwerte entstanden sei, als Gewerbeertrag zu erfassen. In dem Urteil I 29/53 U habe der BFH über einen wesentlich anderen Sachverhalt zu entscheiden gehabt. Es sei dort um einen Übernahmegewinn gegangen, der durch eine Erhöhung von Buchwerten für das Anlagevermögen der schwindenden Organgesellschaft in deren Umwandlungsbilanz entstanden sei, also um einen bis dahin noch nicht realisierten und versteuerten Gewinn, der endgültig unversteuert geblieben wäre, wenn der BFH dem Begehren der Steuerpflichtigen entsprochen hätte, weil für die künftige Gewinnermittlung der aufnehmenden Gesellschaft von den erhöhten Buchwerten auszugehen gewesen sei. Im hier vorliegenden Fall handele es sich hingegen nicht um einen durch Aufstockung von Wertansätzen beim aufgelösten Organ erstmals ausgewiesenen Gewinn, sondern um den buchmäßigen Vermögenszuwachs, der bei der aufnehmenden Muttergesellschaft dadurch entstanden sei, daß die Summe der unverändert gebliebenen Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter höher als der Bilanzwert der Beteiligung gewesen sei. Dieser Unterschiedsbetrag sei aber unstreitig bereits als Gewinn des Organs bei der Steuerpflichtigen zur Gewerbesteuer herangezogen worden. Eine doppelte Heranziehung sei nicht möglich. So habe auch bereits der RFH in dem Urteil VI 210/41 für den Fall der Veräußerung der Anteile an einem Organ entschieden, daß der Veräußerungsgewinn der Muttergesellschaft insoweit nicht der Gewerbesteuer unterliege, als er sich aus bereits versteuerten, nicht ausgeschütteten Gewinnen des Organs zusammensetze.

Das FA legte Revision ein, mit der es seine abweichende Rechtsansicht weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Mit der anläßlich einer Umwandlung zu entrichtenden Gewerbesteuer befaßt sich § 8 UmwStG. Nach dessen Abs. 1 gelten die dort näher aufgeführten Vorschriften des UmwStG, die die Ermittlung des Einkommens der umgewandelten Kapitalgesellschaft (§ 3) und der Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft (§ 4) und dessen Besteuerung (§§ 5 und 6) betreffen, bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die Gewerbesteuer entsprechend; nach Abs. 2 ist der "durch die Umwandlung entstehende Gewinn im Sinn des § 5 Abs. 1 Satz 1 ... bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die Gewerbesteuer nur zur Hälfte anzusetzen". Für den hier vorliegenden Fall, in dem es um die Gewerbesteuer der übernehmenden Personengesellschaft geht und in dem der Buchwert des Vermögens der Kapitalgesellschaft höher ist als der Buchwert des zum Betriebsvermögen der Personengesellschaft gehörenden, jetzt schwindenden Anteils an der Kapitalgesellschaft, bestimmt der nach § 8 Abs. 1 UmwStG anwendbare § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG, daß grundsätzlich der Buchwert des übernommenen Vermögens maßgebend ist, so daß also ein Gewinn eintreten müßte. Nach dem ebenfalls anwendbaren § 4 Abs. 1 Satz 3 UmwStG kann in einem solchen Fall, in dem der Buchwert des übernommenen Vermögens den Buchwert des Anteils übersteigt, ein niedrigerer Wert angesetzt werden, wobei der Wert des Anteils die untere Grenze bildet. Von dieser Möglichkeit hat die KG keinen Gebrauch gemacht.

Für den so, d. h. auf Grund des Ansatzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG entstandenen Übernahmegewinn ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UmwStG auf Antrag die Einkommensteuer nur mit 15 % dieses Gewinns und nach § 8 Abs. 2 dieser Gewinn bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nur zur Hälfte anzusetzen.

2. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, daß nach dem Wortlaut des Gesetzes bei Fortführung der den Buchwert des Anteils an der Kapitalgesellschaft im Wert übersteigenden Buchwerte des Vermögens der Kapitalgesellschaft ein Gewinn entsteht, der sowohl im einkommensteuerlichen als auch im gewerbesteuerlichen Sinn versteuert werden müßte.

Dem Sinn des UmwStG, die Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften zu fördern, entsprechend kann aber nicht angenommen werden, daß durch das UmwStG dort eine - wenn auch durch tarifliche Vorschriften gemilderte - Steuerpflicht entstehen soll, wo sie durch allgemeine Grundsätze des Steuerrechts, hier insbesondere des Gewerbesteuerrechts, ausgeschlossen ist. Die Steuerpflichtige und das FG weisen in diesem Zusammenhang mit Recht darauf hin, daß auch die durch § 7 GewStG an sich gebotene Koppelung von einkommensteuerlichem (körperschaftsteuerlichem) Gewinn und gewerblichem Ertrag nicht unbedingt gilt, sondern daß ein der Einkommensteuer unterliegender Veräußerungsgewinn (§ 16 EStG) nicht zum Gewerbeertrag rechnet (vgl. z. B. das BFH-Urteil VI 336/62 U vom 20. Dezember 1963, BFH 79, 42, BStBl III 1964, 248).

Andererseits kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß ein Vorgang, der den Tatbestand einer Umwandlung (Verschmelzung) erfüllt, schon deshalb keine steuerlichen und damit auch gewerbesteuerlichen Folgen haben könnte, weil eine Organschaft vorliegt. Eine solche Ansicht würde völlig außer Betracht lassen, daß es geradezu zu den Begriffserfordernissen der Organschaft gehört, daß bürgerlich-rechtlich zwei getrennte Unternehmen bestanden hatten und daher die Verschmelzung tatsächlich erst die - auch wirtschaftlich - völlige Einheit bringt.

3. Man könnte sich lediglich fragen, ob § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG für das spezielle Gebiet der Gewerbesteuer deshalb jegliche Auswirkung von Vorgängen, die sonst Gewinn auslösen und damit nach § 7 GewStG auch einen Gewerbeertrag, auf den Gewerbeertrag verhindert, weil das Organ als Betriebstätte der Obergesellschaft gilt. Schon der Umstand, daß auch diese Vorschrift offenbar davon ausgeht, daß rechtlich selbständige Unternehmen vorliegen und daß sie daher das Organ als Betriebstätte nur fingiert, gebietet aber insoweit Zurückhaltung. Auch der RFH hat diese Konsequenz nicht gezogen. Die von ihm allerdings stets vertretene Ansicht, § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG bewirke, daß das Organ trotz bürgerlich-rechtlicher Selbständigkeit lediglich einen unselbständigen Teil eines einheitlichen Gesamtunternehmens bilde (vgl. die Urteile I 205/38 vom 12. Dezember 1939, RStBl 1940, 29; I 226/39 vom 23. Januar 1940, RStBl 1940, 436; VI 36/42 vom 11. März 1942, RStBl 1942, 546; VI 210/41) hinderte ihn nicht, in dem genannten Urteil VI 210/41 (ohne daß das entscheidungserheblich gewesen wäre, weil auch die Steuerpflichtige insoweit davon ausging) auszusprechen, daß Gewinne, die bei der Veräußerung von Anteilen des Organträgers an der Organgesellschaft durch die Realisierung stiller Reserven entstehen, auch zum gewerblichen Ertrag gehörten. Dasselbe nahm aber auch der BFH, der nicht von der Einheitstheorie des RFH ausging, in dem Urteil I 162/60 U vom 27. September 1960 (BFH 71, 594, BStBl III 1960, 471) an. In dem weiteren der Veräußerung ähnlichen Fall der Umwandlung Entscheidung I 29/53 U kam er ebenfalls zu dem Ergebnis, daß der aus einer Erhöhung der Bilanzwerte herrührende Gewinn Teil des gewerblichen Ertrags der aufnehmenden Gesellschaft sei. Die unterschiedliche rechtliche Qualifizierung des gewerbesteuerlichen Organschaftsbegriffs des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG führte somit für den Veräußerungsfall und den ihm ähnlichen Fall der Umwandlung im Grundsatz beim RFH und beim BFH zum selben Ergebnis.

Die Bedeutung des Unterschieds der Theorien des RFH und des BFH liegt auch nicht etwa darin, daß der BFH klar aussprach (vgl. die Urteile I 162/60 U und I 237/61, a. a. O), jedes Unternehmen müsse für sich nach § 7 GewStG den Ertrag ermitteln, der dann erst zusammengerechnet nur bei der Obergesellschaft zur Gewerbesteuer herangezogen werde. Auch der RFH ging offenbar davon aus, daß die Erstellung einer Konzernbilanz kaum möglich sein werde, sondern in der Praxis jedes Unternehmen für sich bilanzieren werde (vgl. die ausdrückliche Bemerkung in dem Urteil VI 210/41).

Die eigentliche und das Ergebnis entscheidend beeinflussende Bedeutung der Unterschiede in den Theorien des BFH und des RFH liegt nicht auf dem Gebiet der Gewinnrealisierung, sondern auf einem anderen Gebiet. Der RFH erwähnte die Filialtheorie zunächst in dem Urteil I 205/38 lediglich um darzulegen, daß für den gewerbesteuerlichen Organschaftsbegriff eine Gewinnabführungsvereinbarung nicht Voraussetzung sei, weil ohnehin das Organ nur ein unselbständiger Teil des Gesamtbetriebes sei, die Versteuerung des Ertrags also immer bei der Obergesellschaft erfolgen müsse. In zwei weiteren Urteilen aber zeigte sich dann erst die entscheidende Bedeutung der Einheitstheorie. Der RFH nahm nämlich an (Urteil I 226/39), daß wegen der vorliegenden wirtschaftlichen Einheit die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung sowohl beim Organträger als auch beim Organ vorliegen müßten, und (Urteil VI 36/42) daß die erhöhte Gewerbesteuer nach § 17 GewStG (Zweigstellensteuer) auch dann zu entrichten sei, wenn in dem seiner Ansicht nach einheitlichen Unternehmen auch nur der eine Teil (Organ oder Organträger) ein Einzelhandelsunternehmen sei. Dem RFH folgend nahm auch das FG München (EFG 1967, 299) an, daß sich wegen der Einheitlichkeit des Unternehmens eine steuerschädliche Tätigkeit des Organs oder des Organträgers für das Gesamtunternehmen steuerschädlich auswirke.

Gerade in Fällen dieser Art aber setzte sich der BFH mit der vom RFH vertretenen Einheitstheorie auseinander, wobei er sie nicht etwa nur einschränkte, wie das FG es ausdrückt, sondern völlig ablehnte. Für ihn sind Organträger und Organ nicht nur bürgerlich-rechtlich, sondern auch für das Gewerbesteuerrecht selbständige Gesellschaften mit der Folge, daß das Organ seine vor Begründung der Organschaft entstandenen Verluste nach § 10a GewStG auch nach Begründung der Organschaft noch bei seinem Gewerbeertrag kürzen, aber ein dabei nicht verbrauchter Rest nicht auf den Organträger übertragen werden kann (BFH-Urteil I 254/55 U vom 31. Januar 1956, BFH 62, 246, BStBl III 1956, 91); daß die Übertragung des von der Obergesellschaft gehaltenen Anteils an einer Personengesellschaft auf die Organgesellschaft bei der Personengesellschaft einen Gesellschafterwechsel bewirkt, weil nicht mehr die Muttergesellschaft, sondern die Tochtergesellschaft ihr Gesellschafter ist, und daß somit die Personengesellschaft ihre Verluste aus den Vorjahren nicht beim Gewerbeertrag nach § 10a GewStG kürzen kann (BFH-Urteil I 237/61 U, a. a. O.); daß die für Dauerschulden von Kreditinstituten geltende Bestimmung des § 19 GewStDV nur von dem Unternehmen (Organ oder Organträger) in Anspruch genommen werden kann, das als Kreditinstitut anzusehen ist (BFH-Urteil I R 198/65 vom 29. Mai 1968, BFH 93, 289, BStBl II 1968, 807) oder daß sich eine steuerschädliche Tätigkeit nur bei der Gesellschaft auswirkt, bei der sie vorliegt (BFH-Urteil I R 21/67 vom 30. Juli 1969, BFH 96, 362, BStBl II 1969, 629, durch das das oben genannte, auf der Einheitstheorie beruhende Urteil des FG München, EFG 1967, 299, aufgehoben wurde).

In dem Urteil I R 198/65 erklärte der I. Senat auch seine in dem bezeichnenderweise einen Veräußerungsfall betreffenden Urteil I 338/60 U vom 23. März 1965 (BFH 82, 559, BStBl III 1965, 449) geäußerten Zweifel, ob es nämlich nicht richtiger sei, zur reinen Filialtheorie zurückzukehren und deshalb den Gesamtertrag der verbundenen Unternehmen bei dem Organträger nach dessen Besteuerungsmerkmalen zur Gewerbesteuer heranzuziehen, für überwunden. Er führte dabei aus, die dem Begriff der Organschaft im Bereich des Gewerbesteuerrechts und des Umsatzsteuerrechts zugrunde liegende wirtschaftliche Unselbständigkeit der Organgesellschaft könne nicht zu einer rechtlichen Unselbständigkeit ausgeweitet werden; § 7 GewStG verbiete das, nach dem der nach den Vorschriften des Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerrechts zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt oder vermindert nach §§ 8, 9 GewStG, zugrunde gelegt werden müsse, und die Bedeutung des Organverhältnisses im Bereich der Gewerbesteuer erschöpfe sich darin, daß Forderungen und Schulden zwischen organschaftlich verbundenen Unternehmen und dergleichen zur Vermeidung einer doppelten Heranziehung außer Betracht blieben.

4. Wie bereits erwähnt, kommen RFH (Urteil VI 210/41) und BFH (Urteile I 162/60 U und I 29/53 U) trotz der Verschiedenheit ihrer grundlegenden Theorien in Fällen, in denen es um die Gewerbesteuer für die anläßlich einer Veräußerung der Anteile an einer Organgesellschaft oder anläßlich der Umwandlung der Organgesellschaft realisierten stillen Reserven geht, zum selben Ergebnis, daß nämlich der Ertrag insoweit der Gewerbesteuer unterliege. Der BFH konnte hierfür die einfache Begründung ins Feld führen, es handele sich bei der Veräußerung eines Anteils an der Organgesellschaft nicht um die Veräußerung eines Teilbetriebs, sondern die Veräußerung des Anteils an einer selbständigen Gesellschaft (Veräußerungsfall I 162/60 U) oder bei der Umwandlung stünden sich zwei selbständige Gesellschaften gegenüber (Umwandlungsfall I 29/53 U). Dem RFH war diese Begründung an sich verschlossen, weil er auf dem Gebiet der Gewerbesteuer von einem einheitlichen Unternehmen ausging. Dennoch setzte er das Ergebnis (Gewerbesteuerpflicht des Veräußerungsgewinns, soweit es sich um den Mehrerlös für das Anlage- und Betriebskapital gegenüber den Buchwerten handelt) als selbstverständlich voraus. Er brauchte hierzu keine näheren Ausführungen zu machen, da es bei ihm in erster Linie um die Frage ging, ob auch ein Veräußerungsgewinn, der durch die Veräußerung des Anteils an der Organgesellschaft mitsamt den bei ihr thesaurierten und wegen § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG bereits von dem Organträger versteuerten Gewinnen (Erträgen) entstandene Gewinn zum Gewerbeertrag des Organträgers gehörte. Das verneinte der RFH mit der sich nicht so sehr auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG, sondern auf allgemeine Grundlagen des Gewerbesteuerrechts stützenden Begründung, wenn auch nach den GewStR - wohl im wesentlichen mit Rücksicht darauf, daß die Aufstellung einer einheitlichen Konzernbilanz in den meisten Fällen praktisch kaum durchführbar sei - die Gewerbeerträge des beherrschenden Unternehmens und der Untergesellschaft getrennt zu ermitteln seien, so müsse doch aus den Einzelbilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen der Organgesellschaften alles ausgeschieden werden, was sich nicht auswirken würde, wenn man dem Willen des Gesetzgebers entsprechend die Untergesellschaft und das beherrschende Unternehmen als einen wirtschaftlichen Organismus ansehe. Ebenso wie die Anerkennung der Untergesellschaft nicht dazu führen dürfe, dem Steuerpflichtigen unberechtigte steuerliche Vorteile zu verschaffen, müsse andererseits auch eine doppelte steuerliche Belastung unterbleiben, und zwar selbst dann, wenn eine Kürzung des nach § 7 GewStG ermittelten Gewerbeertrags in § 9 GewStG nicht ausdrücklich vorgesehen sei. Der (wegen § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG) bereits vom Organträger versteuerte, bei der Organgesellschaft thesaurierte Ertrag könne deshalb nicht nochmals der Gewerbesteuer unterworfen werden.

Der BFH hat einen derartigen Fall, soweit ersichtlich, bisher noch nicht entschieden. Der erkennende Senat ist mit dem FG (und auch dem FG Hamburg, EFG 1969, 201) der Auffassung, daß er - ungeachtet des behandelten Theorienstreits - nicht anders entschieden werden kann, als ihn der RFH entschieden hat, wobei es keine Rolle spielen kann, ob es sich um die Veräußerung eines Anteils an einer Organgesellschaft durch den Organträger oder die Aufnahme eines Organs in den Organträger handelt.

Das ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:

Ohne die Sonderregelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG wäre es nicht ausgeschlossen, daß derselbe Ertrag zweimal zur Gewerbesteuer herangezogen würde. Bestünde ein Ergebnisabführungsvertrag, so rechnete zwar der Gewinn des Organs zum Ertrag des Organträgers und wäre dieser also nur einmal zu versteuern. Bestünde dagegen kein Ergebnisabführungsvertrag, d. h. aber bestünde keine Organschaft im Sinne des Körperschaftsteuerrechts, so wäre im Falle der Thesaurierung der Gewinne bei dem "Organ" der Ertrag zunächst nur bei ihm zu erfassen. Damit erhöhte sich der Wert des von dem "Organträger" gehaltenen Anteils an dem "Organ" und müßte im Falle einer Veräußerung dieses Anteils oder der Aufnahme des "Organs" in den "Organträger" ein Gewinn (Ertrag) bei dem "Organträger" entstehen, der nochmals zur Gewerbesteuer heranzuziehen wäre. Diese doppelte Erfassung erfolgte, wenn auch zu einem anderen Zeitpunkt und unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt, ebenso, wenn die Gewinne nicht thesauriert, sondern an den "Organträger" ausgeschüttet würden: Sie wären dann sowohl Ertrag des "Organs" als auch des "Organträgers" im Zeitpunkt der Entstehung bzw. der Ausschüttung; ein (späterer) Veräußerungs-(Übernahme-) gewinn entfiele, weil sich der Wert des Organs gegenüber dem Wert des Anteils nicht erhöht hätte. Da somit je nach Vorliegen einer Gewinnabführungsvereinbarung ein Konzern die Gewinne hätte verlagern und damit einen Teil der Gemeinden hätte benachteiligen können, bestimmte § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG, daß praktisch immer so verfahren werden muß, als wenn ein Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen wäre, und zusätzlich - für Organschaften mit und ohne Ergebnisabführungsvertrag im gewerbesteuerrechtlichen Sinne in gleicher Weise -, daß die somit benachteiligte Gemeinde des ertraglosen Organs wie die Gemeinde einer Betriebstätte des Organträgers behandelt wird. Wird aber somit unterstellt, daß ein Ergebnisabführungsvertrag vorliegt, werden also die Gewinne immer dem Organträger zugerechnet und auf die Gemeinden etwa vorhandener echter Betriebstätten und des als Betriebstätte fingierten Organs verteilt, so kann es nicht im Sinne des Gesetzgebers gelegen haben, hinsichtlich der Besteuerung des im Organkreis erzielten Ertrags nunmehr wiederum zu unterscheiden, ob tatsächlich ein Ergebnisabführungsvertrag vorgelegen hat oder nicht und ob - bei Nichtvorliegen - die Gewinne thesauriert wurden oder nicht. In diesem letzteren Falle der Ausschüttung der Gewinne an den Organträger muß nach Ansicht des Senats aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG im Hinblick auf die Vergleichbarkeit mit der Organschaft mit Ergebnisabführung geschlossen werden, daß der Ertrag nur beim Organträger und also auch nur einmal erfaßt werden könnte. Während also im Falle der Organschaft mit Ergebnisabführungsverpflichtung und im Falle der Organschaft ohne Ergebnisabführung aber mit Ausschüttung des Gewinns die doppelte Erfassung stets ausgeschlossen wäre, bliebe nur der Fall der Organschaft ohne Ergebnisabführung und ohne Gewinnausschüttung übrig. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber in dieser Weise hätte differenzieren sollen und wollen. Es liegt vielmehr näher, daß er den bereits früher vom Organ realisierten und vom Organträger versteuerten Ertrag nicht noch einmal beim Organträger, also demselben Steuerrechtsubjekt, erfassen wollte, selbst wenn eine Organschaft im Sinne des Körperschaftsteuerrechts mangels einer Ergebnisabführungsvereinbarung nicht vorlag.

Das bedeutet allerdings, daß auch die Verluste innerhalb einer Organschaft entsprechend behandelt werden müssen. Erleidet die Organgesellschaft nach Begründung des Organverhältnisses Verluste, ohne daß diese auf Grund eines Gewinnabführungsvertrages vom Organträger übernommen werden, so mindern diese über die Zurechnung eines negativen Gewerbeertrags der Organgesellschaft den laufenden vom Organträger zu versteuernden Gewerbeertrag. Gleichzeitig verringern diese Verluste den Wert der Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft. Veräußert der Organträger später die Beteiligung, so entsteht ein entsprechend niedrigerer Veräußerungsgewinn oder ein Veräußerungsverlust. Diese Minderung eines Veräußerungsgewinns oder dieser Veräußerungsverlust dürfen aber, soweit sie auf nachorganschaftliche und bei der Besteuerung des Organträgers über die Zurechnung des negativen Gewerbeertrags bereits berücksichtigte Verluste zurückgehen, steuerlich nicht nochmals berücksichtigt werden, weil sonst die fraglichen Verluste im Organkreis zweimal zur Geltung kommen würden. Bei der Veräußerung ist deshalb dem Veräußerungsgewinn oder Veräußerungsverlust ein Betrag in Höhe der in früheren Jahren berücksichtigten Verluste hinzuzurechnen. Entsprechendes gilt, wenn die Organschaft umgewandelt wird und ein niedrigerer Übernahmegewinn oder ein Übernahmeverlust entsteht, oder wenn der Organträger die Beteiligung nicht veräußert, aber eine Teilwertabschreibung auf sie vornehmen will.

Der Senat kommt mithin zu demselben Ergebnis, wie es in Tz. 59 der Anlage zum Schreiben des BMWF an die Herren Finanzminister (Finanzsenatoren) der Länder betreffend körperschaftsteuerrechtliche und gewerbesteuerrechtliche Organschaft vom 30. Dezember 1971 (BStBl I 1972, 2) niedergelegt ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413156

BStBl II 1972, 582

BFHE 1972, 383

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