Leitsatz (amtlich)

1. Schätzer, die nach § 27 des Gesetzes betreffend die Oldenburgische Landesbrandkasse i.d.F. vom 16.März 1938 (Oldenburgisches Gesetzblatt Jahrgang 1938 Band 50 S.565) bestellt sind, üben ihre Sachverständigentätigkeit ehrenamtlich aus (Abgrenzung zu BFH-Urteil vom 4.April 1974 V R 70/73, BFHE 112, 425, BStBl II 1974, 528).

2. Zum Rechtsbegriff "ehrenamtliche Tätigkeit".

 

Orientierungssatz

Mit Urteil vom 27.7.1972 V R 33/72 hat der V. Senat des BFH entschieden, daß zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten i.S. des § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG 1967 alle diejenigen Tätigkeiten gehören, die in einem (anderen) Gesetz ausdrücklich oder im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als solche bezeichnet werden. Der X. Senat des BFH stimmt diesem rechtlichen Ausgangspunkt unter Berücksichtigung dessen zu, daß das vorgenannte Urteil keine abschließende Definition des Begriffs "ehrenamtliche Tätigkeit" gibt. Ergibt sich die Bezeichnung "ehrenamtlich" weder aus dem Gesetz, noch läßt sich ein diesbezüglicher Sprachgebrauch ermitteln, bedarf es einer Bestimmung des materiellen Begriffsinhalts. Erforderlich ist der Rückgriff auf den Kern der Rechtsbegriffe "Ehrenamt" und "ehrenamtliche Tätigkeit", der sich geformt hat vor allem unter dem Blickwinkel der Beteiligung von Bürgern an dem öffentlichen Gemeinwesen, insbesondere im Bereich der kommunalen und sozialversicherungsrechtlichen Selbstverwaltung sowie in der Justiz.

 

Normenkette

UStG 1967 § 4 Nr. 26 Buchst. b; BrandKG OL § 27 Fassung: 1938-08-06; BrandKG OL § 27 Fassung: 1938-03-16

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war selbständiger Unternehmer. Nebenher war er als (Ersatz-)Brandkassenschätzer für die Oldenburgische Landesbrandkasse tätig. Aus dieser Tätigkeit erzielte er im Streitjahr die folgenden Einnahmen:

12 Schätzungen von Neu- und Umbauten 300 DM

Revisionsschätzungen (an 70 Tagen) 4 200 DM

4 Schadensschätzungen (in 2 Fällen

zu jeweils 30 DM und in 2 weiteren

Fällen zu jeweils 40 DM) 140 DM

--------

4 640 DM.

Die Vergütung für die Schätzer wird auf der Rechtsgrundlage des § 35 Abs.1 des Gesetzes betreffend die Oldenburgische Landesbrandkasse --LBrandkassenG-- vom 6.August 1938 (Oldenburgisches Gesetzblatt 1938, Bd.50, S.565) auf Vorschlag des Vorstandes der Landesbrandkasse vom Minister der Finanzen des Landes Niedersachsen festgesetzt. Über diese Vergütung hinaus werden keine Auslagen erstattet. Im Streitfall wurde die Vergütung aufgrund der §§ 29 und 30 der "Anweisung für die Schätzer" gezahlt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, der Kläger habe die Tätigkeit als Schätzer nicht "ehrenamtlich" ausgeübt. Er sei leistungsbezogen entlohnt worden und habe ein unternehmerisches Risiko getragen. Dies folge bereits daraus, daß er nicht eine pauschal nach Zeitversäumnis, sondern vielmehr eine nach den von ihm erbrachten Einzelleistungen berechnete Vergütung erhalten habe.

In dem Bescheid vom 2.Dezember 1974 über Umsatzsteuer 1972 unterwarf das FA die Umsätze als Schätzer nach einer Bemessungsgrundlage von 4 170 DM der Umsatzsteuer. Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage beanspruchte der Kläger Steuerfreiheit nach § 4 Nr.26 Buchst.a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967. Hierzu trug er vor, er sei nebenberuflich für die Oldenburgische Landesbrandkasse --einer Anstalt des öffentlichen Rechts-- in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben tätig geworden. Diese Tätigkeit sei ehrenamtlich, weil er sie für Belange der Allgemeinheit ausgeübt und dafür keine Entlohnung, sondern nur einen geringen Aufwendungsersatz für seine Zeitversäumnis erhalten habe.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 4 Nr.26 UStG 1967. Es trägt im einzelnen vor:

Das FG habe aus dem festgestellten Sachverhalt einen nicht denkmöglichen Schluß gezogen. Es entspreche nicht der Lebenserfahrung, daß im Verwaltungsbezirk Oldenburg fast 300 Schätzer (Handwerksmeister, Architekten usw.) allein "der Ehre wegen" für die Schätzertätigkeit gewonnen werden könnten, wenn die dafür gezahlten Vergütungen nur als angemessene Entschädigung anzusehen wären. Sofern der Kläger bei den Revisionsschätzungen (60 DM täglich) "möglicherweise etwas zu kurz gekommen" sei, habe er für Neuschätzungen und in Schadensfällen bei der Bearbeitung von in aller Regel vier bis fünf Fällen täglich Entgelte zwischen 110 DM und 135 DM erzielen können. Weiterhin sei nicht denkbar, daß ein selbständig tätiger Unternehmer rd. ein Drittel seiner jährlichen Arbeitszeit unter Hintanstellung seines eigenen Hauptberufs für Schätzungen bei der Brandkasse opfere, ohne dafür ein entsprechendes Entgelt zu erhalten. Zu berücksichtigen sei, daß andere Schätzer weitaus höhere Vergütungen erzielten, die sodann ebenfalls als steuerfreie Entschädigung für ehrenamtliche Tätigkeit beurteilt werden müßten. Hier werde deutlich, daß es nicht um eine Abgeltung für Zeitversäumnis gehe, sondern um die Entlohnung "zur Bestreitung des Lebensunterhalts". Dies gelte insbesondere hinsichtlich der als "Pensionäre im Ruhestand" tätigen Brandkassenschätzer, die im übrigen nicht, wie für § 4 Nr.26 UStG 1967 gefordert, "nebenberuflich" tätig würden. Da jeder Schätzer seinen Aufwand aus den Gebühren selbst tragen müsse, habe er insoweit ein unternehmerisches Risiko, das bei ehrenamtlichen Tätigkeiten üblicherweise nicht vorkomme.

Die Oldenburgische Landesbrandkasse sei unternehmerisch tätig (§ 2 Abs.3 UStG 1967). Dies habe der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 4.April 1974 V R 70/73 (BFHE 112, 425, BStBl II 1974, 528) in Kenntnis des zur Gewerbesteuer einer öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalt ergangenen Urteils vom 18.Februar 1970 I R 157/67 (BFHE 99, 42, BStBl II 1970, 519) entschieden.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. a) Nach § 4 Nr.26 UStG 1967 ist von den unter § 1 Abs.1 Nrn.1 und 2 UStG 1967 fallenden Umsätzen steuerfrei

die ehrenamtliche Tätigkeit,

a) wenn sie für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt wird oder

b) wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht.

Das FG hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Befreiungsvorschrift erfüllt sind. Die Tätigkeit des Klägers als Brandkassenschätzer wird "ehrenamtlich" i.S. des § 4 Nr.26 UStG 1967 ausgeübt.

b) Der BFH hat es im Urteil in BFHE 112, 425, BStBl II 1974, 528 (mit Anmerkung Bunjes in Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Anmerkungen Umsatzsteuergesetz 1967, § 4 Nr.26, Rechtsspruch 2) dahingestellt sein lassen, ob der Brandkassenschätzer der Oldenburgischen Brandkasse ehrenamtlich tätig ist. Der V.Senat hat die Anwendung des § 4 Nr.26 Buchst.a UStG 1967 mit der Begründung verneint, bei sinnvoller und verfassungskonformer Auslegung begünstige diese Vorschrift nur die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeit für den öffentlich-rechtlichen Bereich einer juristischen Person. Öffentlich-rechtliche Versicherungsanstalten, auch wenn sie --wie die Oldenburgische Landesbrandkasse-- mit Zwangs- und Monopolrechten ausgestattet seien, würden als Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts unternehmerisch tätig (§ 2 Abs.3 UStG 1967). Die auf tatsächlichem Gebiet liegende Feststellung des FG, daß die für die Schätztätigkeit bezogenen --geringen-- Gebühren nicht nur Auslagenersatz und angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis darstellten, sondern leistungsbezogen seien, weil sie sich nach dem Wert der zu beurteilenden Objekte richteten und damit in einer Beziehung zum Arbeitsaufwand stünden, sei als mögliches Ergebnis der Würdigung tatsächlicher Verhältnisse revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

c) Der erkennende Senat kommt --ohne von einem Rechtssatz des V.Senats des BFH im Urteil in BFHE 112, 425, BStBl II 1974, 528, abzuweichen-- zu einem anderen Ergebnis, weil das FG zutreffend festgestellt hat, daß mit der Schätzergebühr lediglich Auslagenersatz und angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis gezahlt worden ist.

Das FG ist auf der Grundlage der von ihm getroffenen und den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs.2 FGO) Feststellungen zu folgendem Ergebnis gelangt:

Die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 35 Abs.1 LBrandkassenG festgesetzte Vergütung sei "nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt im Verhältnis zu Inhalt und Umfang der Tätigkeit für die Brandkasse" als angemessene Entschädigung für Zeitaufwand, nicht als Entlohnung, anzusehen. Der Kläger habe im Streitjahr einen Unternehmerlohn in Höhe von 16,50 DM zuzüglich 11 v.H. Umsatzsteuer je Stunde berechnet. Als Schätzer habe er weitaus niedrigere Stundensätze erzielt, mit denen er allenfalls die an ehrenamtliche Richter für Zeitversäumnis gezahlte Entschädigung (4 DM pro Stunde für höchstens bis zu 10 Stunden täglich zuzüglich Erstattung des Verdienstausfalls von höchstens 10 DM pro Stunde) erreicht habe. Anders als ehrenamtliche Richter habe der Kläger keinen Aufwendungsersatz erhalten. Für Revisionsschätzungen (§ 34 des LBrandkassenG) habe er eine Vergütung von etwa 7 DM bis 8 DM pro Stunde (Tagessatz: 60 DM) erhalten. Bei der Einschätzung von neuen oder veränderten Gebäuden sei ebenfalls nur der Zeitaufwand angemessen entschädigt worden. Unschädlich sei, daß die Höhe dieser Gebühren aufgrund von Einzelleistungen berechnet werde. Diese Berechnungsart sei historisch gewachsen und gehe von der Vorstellung aus, daß die Einschätzung wertvollerer Gebäude einen höheren Zeitaufwand erfordere (arg. § 29 Nr.1 Abs.4 der Anweisung für die Schätzer, betreffend Typenhäuser). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erhalte der Brandkassenschätzer z.B. für die Neueinschätzung eines Einfamilienhauses 27 DM; der Zeitaufwand für Anfahrt und Abfahrt zum Schätzungsort, Aufnahme und Beurteilung des Gebäudes im Protokoll und dessen anschließende Besprechung betrage mindestens 2 Stunden. Der Natur der Sache nach seien die Verhältnisse von Fall zu Fall unterschiedlich, doch rechtfertigten die Gesamtumstände die Beurteilung, daß im Vergleich zum erzielbaren Unternehmerlohn kein angemessenes Entgelt für die Leistung gezahlt werde. Gleiches gelte für die Teilnahme an Schadensschätzungen.

Das FG hat damit revisionsrechtlich einwandfrei festgestellt, daß mit der an Brandkassenschätzer gezahlten Vergütung deren Aufwand an baren Auslagen (z.B. für Reisekosten) sowie für Zeit abgegolten werden soll. Der Brandkassenschätzer erhält mithin eine geringere Erstattung als z.B. der ehrenamtliche Richter, der außer der Reisekostenvergütung --unter dem gesetzlichen Oberbegriff "Entschädigung für Zeitversäumnis" (§ 2 des Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter --EhrRiEG-- i.d.F. vom 1.Oktober 1969, BGBl I 1969, 1753)-- einen "Pauschbetrag für Zeitverlust" und Ersatz des Verdienstausfalls erhält. Unerheblich ist, in welcher Gesamthöhe die "Entschädigung für Zeitversäumnis" gezahlt wird. Für die steuerrechtliche Beurteilung am Maßstab des § 4 Nr.26 UStG 1967 ist ohne Bedeutung, daß z.B. ein Schöffe, der durch ein strafrechtliches Großverfahren zeitlich stark beansprucht ist, eine Gesamtentschädigung erhält, mit welcher er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.

2. Der Kläger hat seine Tätigkeit ehrenamtlich ausgeübt.

a) Mit Urteil vom 27.Juli 1972 V R 33/72 (BFHE 106, 479, BStBl II 1972, 844) hat der V.Senat des BFH entschieden, daß zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten i.S. des § 4 Nr.26 Buchst.b UStG 1967 alle diejenigen Tätigkeiten gehören, die in einem (anderen) Gesetz ausdrücklich oder im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als solche bezeichnet werden. Zur Tätigkeit eines Mitglieds des Aufsichtsrates einer Genossenschaft hat er entschieden, daß eine unentgeltlich oder nur gegen Ersatz der Aufwendungen ausgeübte Tätigkeit im Aufsichtsrat einer Genossenschaft nach allgemeinem Sprachgebrauch "noch als ehrenamtliche Tätigkeit anzusehen" sei. Die Verwendung dieses Begriffes lasse sich im Genossenschaftswesen damit erklären, daß die Genossenschaften ihrem Grundgedanken nach gemeinschaftliche Selbsthilfeeinrichtungen mit Selbstverwaltung seien.

b) Der Senat stimmt diesem rechtlichen Ausgangspunkt unter Berücksichtigung dessen zu, daß das Urteil in BFHE 106, 479, BStBl II 1972, 844 keine abschließende Definition des Begriffs "ehrenamtliche Tätigkeit" gibt (vgl. Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1972, 657). Ergibt sich --wie im Streitfall-- die Bezeichnung "ehrenamtlich" weder aus dem Gesetz, noch läßt sich ein diesbezüglicher Sprachgebrauch ermitteln, bedarf es einer Bestimmung des materiellen Begriffsinhalts. Erforderlich ist der Rückgriff auf den Kern der --in ihrer rechtstatsächlichen Ausprägung vielfältigen-- Rechtsbegriffe "Ehrenamt" und --inhaltlich weiter gefaßt-- "ehrenamtliche Tätigkeit", der sich geformt hat vor allem unter dem Blickwinkel der Beteiligung von Bürgern an dem öffentlichen Gemeinwesen, insbesondere im Bereich der kommunalen und sozialversicherungsrechtlichen Selbstverwaltung sowie in der Justiz.

Ein materieller Begriff der "ehrenamtlichen Tätigkeit" hat verfassungsrechtlichen Bezug zu staatsbürgerlichen Grundrechten und Grundpflichten (vgl. Art.121 der Verfassung des Freistaates Bayern). Er wird vorausgesetzt in § 539 Abs.1 Nr.13 der Reichsversicherungsordnung --RVO-- (Unfallversicherungsschutz bei Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeiten) und § 1385 Abs.3 a RVO (Berechnung des Beitragssatzes für ehrenamtlich Tätige). Darüber hinaus geht § 4 Nr.26 Buchst.b UStG 1967 davon aus, daß "ehrenamtliche Tätigkeit" auch für Private (Verbände, Vereine, Gewerkschaften, Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege usw.) ausgeübt werden kann.

c) Für den Bereich des Verwaltungsrechts ist unter "ehrenamtlicher Tätigkeit" zu verstehen "jede unentgeltliche Mitwirkung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, die aufgrund behördlicher Bestellung außerhalb eines haupt- oder nebenamtlichen Dienstverhältnisses stattfindet" (Regierungsentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes , BTDrucks 7/910, S.93, zu §§ 81 ff. des Verwaltungsverfahrensgesetzes --VwVfG--). Sie setzt im einzelnen voraus:

- die Wahrnehmung eines "bestimmt umgrenzten, institutionell geordneten Wirkungskreises im Bereich öffentlicher Gewalt" (Korte in Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd.III, 1961, Stichwort "Ehrenamt"; vgl. Urteil des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 19.August 1975 8 RU 234/74, BSGE 40, 139, 142). Dabei bezeichnet der Wortteil "Amt" zugleich den Dienst an der Sache im Sinne einer Unabhängigkeit von privaten und parteipolitischen Interessen (Korte, a.a.O.);

- diese organschaftliche Funktion wird von ihrem Träger neben seinem eigentlichen Lebensberuf oder ohne einen solchen ausgeübt (vgl. § 56d Abs.5 des Strafgesetzbuches --StGB--: "hauptberuflich" - "ehrenamtlich"). Nach der allgemeinen und rechtlichen Bedeutung des Wortes "ehrenamtliche Tätigkeit" ist unerheblich, daß im Einzelfall ein Hauptberuf nicht ausgeübt wird. So hat z.B. ein Schöffe auch dann ein Ehrenamt (§ 31 des Gerichtsverfassungsgesetzes --GVG--), wenn er arbeitslos oder aus Altersgründen nicht mehr erwerbstätig ist;

- Bestellung durch einen Träger der öffentlichen Gewalt;

- Unentgeltlichkeit der Tätigkeit.

d) Der ehrenamtlich Tätige hat keinen Anspruch auf Besoldung, sondern --allenfalls-- auf "eine Entschädigung besonderer Art, die einen angemessenen Ausgleich zwischen den öffentlichen und den beruflich-privaten Interessen schaffen soll" (Korte, a.a.O.). Dieser Ausgleich kann je nach Art der Tätigkeit unterschiedlich bemessen sein. Z.B. üben die Mitglieder des Vorstandes der Rechtsanwaltkammer "ihre ehrenamtliche Tätigkeit unentgeltlich aus. Sie erhalten jedoch eine angemessene Entschädigung für den mit ihrer Tätigkeit verbundenen Aufwand sowie eine Reisekostenvergütung" (§ 75 der Bundesrechtsanwaltsordnung --BRAO--). Weitergehend erhalten die Mitglieder des Vorstandes einer Handwerksinnung, die "ihr Amt als Ehrenamt unentgeltlich verwalten", "Ersatz barer Auslagen und eine Entschädigung für Zeitversäumnis" (§ 66 Abs.4 der Handwerksordnung). Das Amt eines Schöffen ist ein Ehrenamt (§ 31 GVG). Dies bedeutet, daß das Amt unentgeltlich zu versehen ist. Die auf der Grundlage des EhrRiEG zu gewährende Entschädigung, auch wenn sie den Verdienstausfall umfaßt, bedeutet keine Entlohnung, sondern lediglich einen Ersatz des sonst entstehenden Schadens (Schäfer in Löwe/Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Großkommentar, 5.Bd., 1979, § 31 GVG Rdnr.1). Die auf dem Gebiete des Sozialversicherungswesens ehrenamtlich Tätigen erhalten neben einem "Pauschbetrag für Zeitaufwand" eine Entschädigung für Verdienstausfall (§ 41 Abs.2 und 3 des Sozialgesetzbuchs --SGB IV--). Nach § 85 VwVfG hat der ehrenamtlich Tätige Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen und --ohne Begrenzung auf Höchstbeträge-- seines Verdienstausfalls. Der Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs.1 Nr.13 RVO setzt tatbestandsmäßig voraus, daß dem ehrenamtlich Tätigen "nicht durch Gesetz eine laufende Entschädigung zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts gewährt wird".

e) Die öffentlich-rechtliche Feuerversicherung ist genossenschaftlichen Ursprungs (vgl. Braeß/Schmidt, Feuerversicherung, in: Gablers Versicherungsenzyklopädie, Bd.4, 1984, S.12 ff.). Sie ist dazu bestimmt, "gemeinnützige Aufgaben des Staates" auf dem Gebiete des Versicherungswesens wahrzunehmen (Helmer, Entstehung und Entwicklung der öffentlich-rechtlichen Brandversicherungsanstalten in Deutschland, 1936, S.136; vgl. Begründung zum Entwurf eines Preußischen Gesetzes betreffend die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten, Sammlung der Drucksachen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 21.Legislaturperiode, III.Session 1910, Drucksache Nr.360, S.3735 f.). Sie hat besondere Pflichten gegenüber Grundpfandgläubigern (vgl. § 52 Abs.2 Satz 2 LBrandkassenG) und betreibt die Förderung der Feuersicherheit und des Feuerlöschwesens (§ 74 Abs.1 dieses Gesetzes). Die Vorschriften über das Schätzungswesen dienen vor allem der Vermeidung von Überversicherungen (Helmer, a.a.O., S.145). Wegen dieses unmittelbaren Bezuges zum öffentlichen Gemeinwohl ist die Tätigkeit eines Brandkassenschätzers im Rechtssinne "ehrenamtlich".

3. Da die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 4 Nr.26 Buchst.b UStG 1967 erfüllt sind, konnte der Senat dahingestellt sein lassen, ob dem V.Senat hinsichtlich der Möglichkeit und Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 4 Nr.26 Buchst.a UStG 1967 und hinsichtlich der Beurteilung der Brandkasse als Betrieb gewerblicher Art (vgl. jedoch Urteil in BFHE 99, 42, BStBl II 1970, 519 zu § 2 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--, § 2 Abs.1 Satz 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung --GewStDV--) zu folgen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61644

BStBl II 1988, 384

BFHE 152, 182

BFHE 1988, 182

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