Leitsatz (amtlich)

1. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG trifft nicht den Fall, bei dem ein Manuskript als Ergebnis einer selbständigen Arbeit nicht durch denjenigen verwertet wird, der dieses Ergebnis bewirkt hat.

2. Das Finanzgericht ist nicht verpflichtet, im Hinblick auf den Sachverhalt jedem denkbaren Gesichtspunkt nachzuspüren, wenn Parteivortrag und Akteninhalt oder sonstige Umstände hierzu keinen Anlaß geben.

 

Normenkette

EStG §§ 18, 49 Abs. 1 Nr. 3, § 50a Abs. 4 Buchst. b; FGO § 76 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger hat im Jahre 1961 an die B-Filmgesellschaft 60 000 DM bezahlt. Dieser Betrag bildete das Entgelt für die zeitlich und örtlich unbegrenzte Überlassung der Verfilmungsrechte an dem Stoff...

Das beklagte FA hat den Kläger durch Haftungsbescheid gemäß § 50a Abs. 4 Buchst. b in Verbindung mit § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 KStG herangezogen. Auf die nach erfolglosem Einspruch eingelegte Klage hat das FG den Haftungsbescheid aufgehoben. Der Kläger hafte nicht für die Einbehaltung und Abführung einer Steuer (§ 50a Abs. 5 Satz 4 EStG), weil die an die B-Filmgesellschaft gezahlte Vergütung bei dieser keine Einkünfte im Sinne des § 49 EStG darstelle.

Mit der Revision beantragt der Beklagte, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das beklagte FA meint, Steuerpflicht im Seinne des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG komme auch dann in Betracht, wenn die B-Filmgesellschaft die vom Verfasser erworbenen Rechte an den Kläger veräußert habe; nach der sogenannten isolierenden Betrachtungsweise und dem objektsteuerähnlichen Charakter der beschränkten Steuerpflicht sei es für die Steuerpflicht aufgrund § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG unerheblich, ob "originäre oder derivative Urheberrechte" veräußert worden seien. Das FG gehe davon aus, daß die B-Filmgesellschaft die an den Kläger übertragenen Rechte als Verwertungsgesellschaft erworben habe. Es sei jedoch nicht festgestellt, ob die B-Filmgesellschaft die Rechte erworben habe; das Gericht sei nicht auf die Frage eingegangen, ob nicht eine indirekte Verwertung durch den Urheber bzw. seine Erben vorliege und Umgehungstatbestände im Sinne der §§ 5, 6 StAnpG erfüllt seien.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

I. Für die Entscheidung über die Revision kann - weil eine Steuerschuld nicht entstanden ist - dahingestellt bleiben, ob die B-Filmgesellschaft eine Körperschaft oder Personenvereinigung im Sinne des § 2 Abs. 1 KStG oder ob sie ein durch eine oder mehrere natürliche Personen (§ 1 Abs. 2 EStG) betriebenes Unternehmen ist. Das Unternehmen wird in V. betrieben. Das FG und die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, daß die B-Filmgesellschaft nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist Tatsachen, aus denen sich ergeben könnte, daß sich die Geschäftsleitung der B-Filmgesellschaft oder der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des oder der etwaigen Unternehmer im Inland befinden könnte, sind nicht ersichtlich.

Gemäß § 50a Abs. 4 Buchst. b EStG wird bei Einkünften, die aus Vergütungen für die Nutzung oder das Recht auf Nutzung von Urheberrechten herrühren, die Einkommensteuer - die Körperschaftsteuer, § 15 Nr. 1 KStDV 1961 - bei beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzuges erhoben. Inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Steuerpflicht sind u. a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG), die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Der Tatbestand dieser Vorschrift ist im Streitfall nicht erfüllt.

1. § 49 Abs. 1. Nr. 3 EStG trifft nicht den Fall, in dem ein Manuskript als Ergebnis einer selbständigen Arbeit nicht durch denjenigen verwertet wird, der dieses Ergebnis bewirkt hat. Zur selbständigen Arbeit gehöreen, wie die in § 18 EStG 1961 aufgezählten Beispiele zeigen, im wesentlichen solche Tätigkeiten, die überwiegend durch die Persönlichkeit des Ausübenden geprägt sind (Urteil des BFH I R 140/66 vom 4. März 1970, BFH 98, 420, BStBl II 1970, 428). Hiervon abgesehen ergibt sich aus dem Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG und dem systematischen Zusammenhang, in den diese Vorschrift gestellt ist, daß nur derjenige erfaßt werden soll, der im Inland die selbständige Tätigkeit ausübt oder der das von ihm bewirkte Ergebnis selbständiger Tätigkeit im Inland verwertet.

Die bezeichnete Vorschrift knüpft mittels des Klammerzusatzes (§ 18) an den dem EStG zugrundeliegenden Begriff der selbständigen Arbeit an und erfaßt nach ihrem Wortlaut sowohl Einkünfte aus der Ausübung als auch solche aus der Verwertung selbständiger Arbeit. Dieser Zusatz war erforderlich, weil Ausübung und Verwertung selbständiger Arbeit an verschiedenen Orten - einerseits im Ausland, andererseits im Inland - erfolgen können; durch § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG wird klargestellt, daß aus einer im Ausland ausgeübten selbständigen Arbeit erzielte Einkünfte, soweit diese aus der Verwertung des Ergebnisses der selbständigen Arbeit im Inland herrühren, inländische Einkünfte sind.

§ 49 EStG hat den Zweck, die nach § 1 Abs. 2 EStG (§ 2 Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 15 Nr. 1 KStDV 1961) durch die beschränkte Steuerpflicht erfaßten Einkünfte zu bestimmen. Die Vorschrift knüpft durchweg an die für die unbeschränkte Steuerpflicht normierten Einkunftsarten an. Für die Steuerpflicht ist allein maßgebend, daß der der beschränkten Steuerpflicht Unterliegende die in § 49 EStG normierten Tatbestände erfüllt hat; diese Merkmale knüpfen an Vorgänge an, die Beziehung zum Inland haben. Eine solche Beziehung fehlt jedoch im Hinblick auf § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG, wenn ein Dritter im Ausland das Recht auf Verwertung des Produkts selbständiger Arbeit erworben hat und dieses Recht durch entgeltliche Übertragung auf einen anderen im Inland verwertet.

2. In einem solchen Fall kommt allenfalls die Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 6 EStG in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind jedoch nicht erfüllt. Die B-Filmgesellschaft unterhält im Inland weder eine Betriebstätte noch ist ein ständiger Vertreter bestellt. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG ist nicht anwendbar, weil keine Miete oder Pacht im Sinne des § 21 EStG vorliegt, die Verfilmungsrechte vielmehr zeitlich und örtlich unbegrenzt überlassen worden sind.

II. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beanstandung des Beklagten, das FG sei nicht auf die Frage eingegangen, ob nicht eine indirekte Verwertung durch den Urheber bzw. seine Erben, ein echter Erwerb der Rechte durch die B-Filmgesellschaft vorliege, als ausreichende Verfahrensrüge (hierzu BFH-Urteile V 77/64 vom 16. Dezember 1966, BFH 87, 375, BStBl III 1967, 145; II R 118/67 vom 5. November 1968, BFH 94, 116, BStBl II 1969, 84) aufgefaßt werden kann. Auch wenn man zugunsten des Beklagten unterstellt, es handele sich um eine ordnungsmäßige Rüge mangelnder Sachaufklärung, wäre die Revision unbegründet.

Das FG ist entsprechend des vom FA in Übereinstimmung mit dem Kläger dem Haftungsbescheid und der Einspruchsentscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt davon ausgegangen, daß die übertragenen Rechte der B-Filmgesellschaft zustanden. Das Gericht hatte nach dem ihm vom FA unterbreiteten Tatsachenstoff, auch unter Berücksichtigung des Inhalts der Akten, keinen Anlaß zu der Annahme, es könne ein Sachverhalt der vom FA mit der Revision als möglich bezeichneten Art in Betracht kommen.

Das FG ist nicht verpflichtet, im Hinblick auf den Sachverhalt jedem denkbaren Gesichtspunkt nachzuspüren, wenn Parteivortrag und Akteninhalt oder sonstige Umstände hierzu keinen Anlaß geben. Es ist Sache der Behörde, im Verfahren vor dem FG Zweifel an der Richtigkeit des bisher von beiden Parteien als richtig anerkannten Sachverhalts zu äußern; unterläßt sie dies, kann sie das Verfahren des FG nicht mit Erfolg mit der Begründung bemängeln, das Gericht habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69356

BStBl II 1971, 200

BFHE 1971, 73

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