Leitsatz (amtlich)

Die entgeltliche Einräumung eines Dauernutzungsrechts nach dem Wohnungseigentumsgesetz am Grundstück des Tankstellenverwalters, die lediglich der Sicherung der Vertriebsrechte nach Auflösung des Agenturvertrags dient, ist kein steuerfreier Umsatz.

 

Normenkette

UStG 1951 § 4 Nr. 10 Buchst. c; WEG §§ 42, 31

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Oktober 1959 ein Erbbaurecht an einem in H belegenen Grundstück und errichtete dort in den folgenden Jahren einen Gebäudekomplex, eine Tankstelle und eine Tiefgarage. Noch vor Baubeginn, am 12. Dezember 1958, schloß der Kläger bezüglich der künftigen Tiefgarage und der Tankstelle mit der M zwei schriftliche Verträge. Er räumte der M sowohl an der Tankstelle wie an der Tiefgarage gemäß §§ 42, 31 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) ein Dauernutzungsrecht von zunächst 50 Jahren ein (§§ 2 und 3 "Dauernutzungsvertrag" - DNV -), wofür sich diese zur einmaligen Zahlung von 200 000 DM und außerdem zur Übernahme einer Bürgschaft für ein dem Kläger von dritter Seite zugesagtes Darlehen verpflichtete (§ 6 DNV). Die M wurde berechtigt, die Ausübung des Dauernutzungsrechts Dritten zu überlassen, der Kläger verpflichtet, alle dem Nutzungsrecht unterliegenden Räume und Flächen sowie Betriebseinrichtungen und Zubehör, mit Ausnahme der der M eigenen betriebstechnischen Einrichtungen für die Großtankstelle, instand zu halten und eine Versicherung gegen Gebäudeschäden sowie gegen die Inanspruchnahme aus der gesetzlichen Haftpflicht abzuschließen. Nach § 13 DNV war bestimmt, daß Verwaltung und Betrieb der dem Dauernutzungsrecht unterliegenden Großtankstelle und Großgarage nicht Gegenstand dieses Vertrages sei. Nach Nr. 1 und 2 des Agenturvertrags übernahm der Kläger als Handelsvertreter die Lagerung und den Verkauf von Produkten der M in deren Namen und für deren Rechnung sowie den Betrieb der Großgaragen auf eigene Rechnung. Nach Nr. 6 des Agenturvertrags verpflichtete sich die M zur selben Bürgschaftsleistung wie im Dauernutzungsvertrag und behielt sich das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Agenturvertrags vor, falls der Kläger seinen Zahlungsverbindlichkeiten aus dem Darlehnsvertrag nicht laufend ordnungsgemäß nachkommen sollte. Im übrigen wurde die Vertragsdauer auf 50 Jahre festgesetzt, wobei von beiden Seiten die Kündigung aus wichtigem Grunde und beim Tode des Klägers vorbehalten war.

Die M zahlte im Jahre 1962 50 000 DM als letzte Rate aus dem als Entgelt für das eingeräumte Dauernutzungsrecht vereinbarten Betrag von 200 000 DM. Der Kläger, der die Einräumung der Dauernutzung an die M als steuerfrei gemäß § 4 Nr. 10 Buchst. c UStG 1951 beurteilte, ließ diese Einnahme in seiner Umsatzsteuererklärung 1962 unberücksichtigt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) zog jedoch auch diesen Betrag zur Berechnung der Umsatzsteuer zum Steuersatz von 4 % heran und wies den Einspruch unter Berufung auf die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 5. Februar 1959 V 138/57 U, BFHE 68, 585, BStBl III 1959, 223) als unbegründet zurück.

Die Klage mit dem Antrag, die Umsatzsteuer um 2 000 DM zu ermäßigen, wurde abgewiesen. Das FG hat sich ebenfalls die Rechtsprechung des BFH zu eigen gemacht und im übrigen zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Diese Rechtsprechung, nach der die Anwendung des § 4 Nr. 10 UStG 1951 bei wechselseitig geschlossenen Miet- und Agenturverträgen auf die Leistung des Vermieters zu verneinen sei, müsse auch gelten, wenn der Tankstellenverwalter der Mineralölgesellschaft statt eines Mietrechts ein Dauernutzungsrecht im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes eingeräumt habe. Wesentlich sei, daß die wechselseitigen Verträge eine Einheit bildeten. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Falle erfüllt: Die Verträge seien von allen Beteiligten am selben Tage und mit dem übereinstimmenden Ziel der Errichtung von Tankstelle und Großgarage geschlossen worden. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse komme dabei dem der M eingeräumten Dauernutzungsrecht keine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung zu. Die M mache von diesem Recht keinen Gebrauch. Der wirtschaftliche Nutzen aus den Garagenräumen fließe ausschließlich dem Kläger zu; die Nutzung des Tankstellengeländes leite die M aus dem Agenturvertrag ab. Das Dauernutzungsrecht habe nur die Bedeutung einer zusätzlichen dinglichen Sicherung des obligatorischen Verkaufsrechts der M, wenn außergewöhnliche Ereignisse (Tod des Klägers, Verletzung der Pflichten aus dem Bürgschaftsverhältnis mit der M) den Vertragsablauf störten. Das in dem Dauernutzungsvertrag vereinbarte Entgelt, von dem 50 000 DM den Streitgegenstand näher bestimmten, sei der wirtschaftliche Preis für diese Sicherung, nicht für die Gebrauchsüberlassung. Diese Feststellung werde durch die Überlegung bestätigt, daß das Entgelt zu dem hohen Wert des 50jährigen Gebrauchsrechts außer jedem Verhältnis stehe.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Revision eingelegt und beantragt, das Urteil aufzuheben, nach dem Klageantrag zu erkennen und auszusprechen, daß die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig war. Zur Begründung des Rechtsmittels führt der Kläger aus: Das FG habe den vom BFH im Urteil vom 13. Juni 1957 V 259/56 U (StRK, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 10, Rechtsspruch 33) herausgestellten rechtlichen Unterschied zwischen Dauernutzungsrecht und Mietrecht verkannt und die wirtschaftliche Bedeutung des Nutzungsrechts für die M nach unzulänglichen Gesichtspunkten gewürdigt. Im Widerspruch zu seiner eigenen Feststellung, die M habe den Gegenstand ihres Nutzungsrechts an den Kläger verpachtet, sei es davon ausgegangen, die M habe von ihrem dinglichen Recht keinen Gebrauch gemacht. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Rahmen des Dauernutzungsvertrags habe das FG fehlerhafterweise als unzulänglich gewürdigt, ohne zu bedenken, daß die M als Gegenleistung nicht nur den Betrag von 200 000 DM und die Bürgschaft, sondern vor allem die Nutzung der Großgarage durch Vermietung der Parkflächen auf eigene Rechnung dem Kläger voll überlassen habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Nach der vom Kläger in Anspruch genommenen Regelung in § 4 Nr. 10 Buchst. c UStG 1951 sind ebenso wie nach den Buchst. a und b dieser Vorschrift die Verpachtung und Vermietung sowie die Überlassung von Grundstücken zur Nutzung anläßlich der Eigentumsübertragung auch steuerfrei "die Bestellung von Erbbaurechten und die Bestellung von Dauerwohnrechten und Dauernutzungsrechten". Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. insbesondere das Urteil vom 21. April 1966 V 200/63, BFHE 86, 178, BStBl III 1966, 415 mit weiteren Nachweisen) sind Abmachungen zwischen Mineralölgesellschaften und Grundstücksbesitzern, die den Kleinverkauf von Treibstoffen im Namen und für Rechnung dieser Gesellschaften zum Ziel haben, in der Regel Verträge, die unter sich eine Einheit bilden. Bei diesen Rechtsbeziehungen ist jedenfalls die Grundstücksvermietung, die nach Dauer und Zweckbindung an den Agenturvertrag geknüpft ist, diesem so sehr untergeordnet, daß die Aussonderung eines Mietzinses aus den Provisionen, die die Gesellschaften für die Vertriebstätigkeit bezahlen, nach § 4 Nr. 10 UStG 1951 nicht zu rechtfertigen ist.

Zur Beurteilung der rechtlichen Verhältnisse im vorliegenden Falle ist von den beiden erwähnten Verträgen auszugehen. Einen dritten mündlichen Vertrag über die Nutzung der Großgarage, auf den sich der Kläger in der Revisionsbegründung bezieht, hat das FG nicht festgestellt. Das Vorbringen kann daher nicht Gegenstand der revisionsrechtlichen Prüfung sein (§ 118 Abs. 2 FGO).

Der von diesen Verträgen weitgehend bestimmte Tatbestand des Rechtsstreits unterscheidet sich jedoch von den Tatbeständen der Vergleichsfälle in wesentlichen Punkten: Hier wurde kein vom Tankstellenumsatz abhängiges Entgelt für ein (in Einzelfällen auch durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gesichertes) Pacht- oder Mietrecht, sondern ein fixes Entgelt von 200 000 DM für ein dingliches Dauernutzungsrecht vereinbart. Die Berechtigung bezieht sich ferner nicht nur auf die Fläche der Tankstelle, sondern auch auf die Räume der Großgarage. Sie ist weiterhin nicht an den Fortbestand des Agenturvertrags geknüpft, sondern soll ihre volle Bedeutung gerade erst dann gewinnen, wenn dieser Vertrag vorzeitig aufgelöst wird. Eine Besonderheit des vorliegenden Falles ist schließlich auch darin zu sehen, daß die vereinbarten Gegenleistungen nach den aus dem Worlaut des Vertrags möglichen und revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des FG nicht wie in den Vergleichsfällen als zusätzliches Entgelt für die Vermittlungstätigkeit des Tankstelleninhabers, sondern nach dem Willen der Vertragsparteien als Entschädigung für die durch das Dauernutzungsrecht geschaffene Sicherung der M bezahlt wurden.

Diese Unterschiede können bei der rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Falles nicht außer Betracht bleiben. Im Gegensatz zur Auffassung des FG kann der Senat deshalb die Einräumung des Dauernutzungsrechts nicht als eine dem Agenturvertrag völlig untergeordnete, in der Verwaltertätigkeit des Klägers aufgehende und umsatzsteuerrechtlich wie diese zu behandelnde Leistung beurteilen. Die Grundsätze der wiedergegebenen Rechtsprechung des erkennenden Senats bedürfen daher einer Ergänzung.

Nicht anders als in den bereits genannten, vom BFH entschiedenen Vergleichsfällen bilden jedoch auch hier, wie das FG richtig ausgeführt hat, die wechselseitigen Verträge (Dauernutzungsvertrag und Agenturvertrag) eine Einheit. Mit Recht sieht das FA in seiner Revisionserwiderung diese Beurteilung durch das eigene Vorbringen des Klägers bestätigt, nach dem kein Vertrag ohne den anderen geschlossen worden wäre. Dabei war es nach den für den BFH bindenden Feststellungen des FG der Wille der Vertragsparteien, daß der dingliche Dauernutzungsvertrag nur der Sicherung des Vertriebs von M-Produkten auf dem Grundstück des Klägers dienen sollte. Der Kläger bestätigt diese Auffassung auch in seiner Revisionsbegründung, indem er als Interesse der M an dem Dauernutzungsvertrag die Gewißheit bezeichnet, daß unabhängig von den Unsicherheiten aus dem obligatorischen Agenturvertrag (Vertragsbruch, Tod des Klägers) keine andere Mineralölgesellschaft ihre Produkte in dieser bekannt umsatzstarken Gegend vertreibt. Mag auch dieses Interesse darauf abgestellt gewesen sein, den Tankstellenbetrieb an diesem Ort für die Dauer von mindestens 50 Jahren unabhängig von der Person des Klägers und daher unabhängig vom Agenturvertrag mit diesem Kläger aufrechtzuerhalten, so bleibt die Verknüpfung der eingeräumten Sicherheit mit diesem speziellen Agenturvertrag doch dadurch gewahrt, daß auch der Kläger im Vertragsweg durch Gewährung dieser Sicherheit mit seinem Interesse durchgedrungen ist, für 50 Jahre als Agent der M diese Tankstelle zu betreiben und den Garagenraum auf eigene Rechnung zu nutzen.

Infolge der Wechselwirkung der beiden Verträge konnte die M jedoch von ihrer dinglichen Rechtsposition von vornherein keinen Gebrauch machen; sie bleibt daran auch gehindert, solange der Agenturvertrag mit dem Kläger und seinen Erben fortgesetzt wird. Denn dieser Vertrag berechtigt - auf obligatorischer Grundlage - wiederum den Kläger zum Gebrauch und zur Nutzung der dem Dauernutzungsrecht unterworfenen Räume und Flächen. Nach der durch die beiden Verträge geschaffenen Lage war also der Kläger nicht verpflichtet, der M die Leistung zu erbringen, durch die der in den §§ 31 Abs. 2, 42 WEG definierte materielle Inhalt eines Dauernutzungsrechts verwirklicht wird: nämlich die M zu berechtigen, die Vertragsräume auf dem dem Erbbaurecht des Klägers unterliegenden Grundstück unter Ausschluß des Klägers zu nutzen. Im Lichte der nach § 1 Abs. 2 StAnpG gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Vertragswerkes erweist sich deshalb die Verschaffung des Dauernutzungsrechtes als Einräumung einer lediglich formalen Rechtsposition, deren vom WEG vorgesehener materieller Inhalt bis zum Eintritt einer Bedingung, nämlich der Auflösung des Agenturvertrags mit dem Kläger, vertraglich suspendiert worden war. Die Verschaffung einer solchen Rechtsposition ist keine "Bestellung" eines Dauernutzungsrechts im Sinne des § 4 Nr. 10 Buchst. c UStG 1951. Denn diese Vorschrift steht im Zusammenhang mit weiteren Befreiungstatbeständen (Buchst. a und b), in denen der Gesetzgeber ausschließlich auf die Gebrauchsgewährung an Grundstücken abstellt und setzt deshalb - wie das FG zutreffend unter Hinweis auf die Kommentare zum Umsatzsteuergesetz 1951 von Plückebaum-Malitzky, Anm. 2734 c, und Soelch-Ringleb, Anm. 202 zu § 4 Nr. 10, ausgeführt hat - ebenfalls eine solche voraus. Von dieser rechtlichen Vorstellung sind auch die Ausführungen des Senats zum § 4 Nr. 10 Buchst. c UStG 1951 im Urteil vom 16. Dezember 1971 V R 41/68 (BFHE 104, 262, 267 und f., BStBl II 1972, 238) getragen.

Im vorliegenden Falle hat der Kläger der M das Dauernutzungsrecht auf unbestimmte Zeit nicht zur Ausübung, sondern als eine über den Agenturvertrag hinausreichende Sicherung für das ortsgebundene Vertriebsinteresse der M gewährt, wobei es ungewiß war, ob der Kläger und seine Erben jemals den mit einem Dauernutzungsrecht verbundenen materiellen Anspruch der M einzulösen hätten. Die M hat mit ihrer Gegenleistung von 200 000 DM diese Sicherung ihrer Interessen, nicht aber die Einräumung des Gebrauchs an den Grundstücken entschädigt. Die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 10 Buchst. c UStG 1951 kann deshalb nicht angewendet werden.

Ähnlich wie der Senat in ständiger Praxis der Übertragung des Sicherungseigentums an einer Sache den Charakter einer Lieferung abspricht, weil sich der neue Eigentümer zugleich mit der Übernahme der Sache bis zum Eintritt des Sicherungsfalles jeder Verfügung zu enthalten verpflichtet, so kann umsatzsteuerrechtlich auch bei der Belastung eines Grundstücks oder Erbbaurechts mit einem Dauernutzungsrecht keine dem Wesen dieses Rechts entsprechende Leistung des Eigentümers oder Erbbauberechtigten angenommen werden, wenn sich der Käufer des Rechts zugunsten des Veräußerers verpflichtet, bis zum ungewissen Eintritt eines bestimmten Ereignisses die Nutzung der Räume zu unterlassen.

Es kommt daher nicht darauf an, ob, wie das FG entschieden hat, dem Dauernutzungsrecht als einer Garantieleistung des Klägers im Rahmen des Vertragswerks eine Nebenrolle zukommt; maßgebend für die Entscheidung ist vielmehr, daß, wie schon betont, durch die gegen das Entgelt von 200 000 DM vorgenommene Belastung des Erbbaurechts mit einem Dauernutzungsrecht zugunsten der M kein der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 10 Buchst. c UStG 1951 entsprechender Tatbestand verwirklicht ist.

Bei dieser Rechtslage braucht auf die Darlegungen des Klägers zur Bedeutung des Dauernutzungsrechts im Verhältnis zum Mietrecht sowie auf die Auseinandersetzung der Beteiligten über die Ausgewogenheit der das Dauernutzungsrecht betreffenden gegenseitigen Leistungen und über die Bedeutung des § 13 DNV nicht eingegangen zu werden.

 

Fundstellen

BStBl II 1973, 875

BFHE 1974, 381

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