Leitsatz (amtlich)

1. Eine Kraftfahrzeugbeihilfe nach § 17 der VO zur Kriegsopferfürsorge vom 30. Mai 1961 (BGBl I 1961, 653) ist steuerfrei (§ 3 Nr. 6 EStG); Kraftfahrzeugaufwendungen, die Werbungskosten sind, dürfen nicht um die Beihilfe gekürzt werden.

2. Zur Berücksichtigung von privaten Kraftfahrzeugaufwendungen Schwerkörperbehinderter als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 6, § 33

 

Tatbestand

Die Eheleute (Kläger und Revisionsbeklagte) beziehen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, der Kläger als Finanzbeamter, die Klägerin als Buchhalterin. Wegen einer Kriegsbeschädigung (Amputation des rechten Unterschenkels) ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers um 50 v. H. gemindert.

Bei der Veranlagung erkannte das FA als Werbungskosten des Ehemannes u. a. Pauschbeträge für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an. In der Einspruchsentscheidung verminderte es die Werbungskosten um 264 DM mit der Begründung, daß der Ehemann für die Benutzung seines Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine Beihilfe des Sozialamts von 22 DM monatlich erhalten habe. Den als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Betrag von 750 DM als "Kraftfahrzeugkosten für Schwerbeschädigte" erkannte das FA schon bei der Veranlagung nicht an. Für den Ehemann berücksichtigte es lediglich den Pauschbetrag für Körperbehinderte von 636 DM nach § 65 EStDV 1961. Der Ehemann hatte die gesamten Aufwendungen für sein Kraftfahrzeug bei einer Fahrleistung von 14 291 km einschließlich einer Absetzung für Abnutzung (AfA) von 1 261 DM auf 3 181 DM beziffert.

Das FG ließ die Werbungskostenpauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ungekürzt zum Abzug zu und berücksichtigte Kraftfahrzeugkosten von 750 DM als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG. Zur Begründung führte es aus: Die Beihilfe des Sozialamts nach § 13 der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge vom 30. Mai 1961 (BGBl I 1961, 653) sei nach § 3 Nr. 6 EStG steuerfrei, da sie unabhängig von der geleisteten Dienstzeit und versorgungshalber gezahlt werde. Wegen der Steuerfreiheit könne sie weder von den Gesamtkosten noch von den Kosten zur Erreichung der Arbeitsstätte abgesetzt werden, da dies zu einer Minderung der Werbungskosten bzw. der außergewöhnlichen Belastung und damit mittelbar zu ihrer Besteuerung führen würde.

Körperbeschädigte, die in der Fortbewegung behindert seien, benutzten ihr Kraftfahrzeug mehr als gesunde Steuerpflichtige, weil sie überwiegend auch private Angelegenheiten mit dem Wagen erledigten und nicht zu Fuß gingen. Die dadurch entstehenden Mehrausgaben seien für sie außergewöhnlich, ohne daß dabei die Einkommens-und Vermögensverhältnisse eine Rolle spielten. Entscheidend komme es auf die Art und die Schwere der Gehund Stehbehinderung an. Diese Auffassung lasse sich auch der Rechtsprechung des BFH (Urteil VI 313/64 vom 30. November 1966, BFH 88, 407, BStBl III 1967, 457) entnehmen und liege dem Erlaß der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg

54-S 2247-104

52-S 2193-63

vom 22. Oktober 1964 - vgl. auch den in "Der Betrieb" 1964, 1572 veröffentlichten Erlaß - zugrunde (nach dem die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen regelmäßig anzunehmen sei, wenn der Körperbehinderte geh- und stehbehindert sei und die Geh- und Stehbehinderung für sich allein zu einer Erwerbsminderung von 70 v. H. führe). Der Grad der Erwerbsminderung spiele demgegenüber, soweit er - wie beim steuerpflichtigen Ehemann - nicht unter 50 v. H. liege, keine wesentliche Rolle. Auch nach der Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 (BGBl I 1965, 978) würden Beschädigte, deren Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 v. H. gemindert ist, unentgeltlich befördert, wenn sie infolge der Schädigung erheblich gehbehindert seien. Dem Kläger sei auch ein Beschädigtenausweis ausgestellt worden, der nur solchen Beschädigten mit einer Erwerbsminderung unter 70 v. H. zustehe, die wenigstens 50 v. H. erwerbsgemindert und infolge der Schädigung erheblich gehbehindert seien. Es sei anzunehmen, daß diese Regelung in dem Erlaß der Finanzbehörde vom 22. Oktober 1964 berücksichtigt worden wäre, wenn das Gesetz schon damals verkündet und in Kraft gewesen wäre. Schließlich erweise auch die Beihilfe zur Unterhaltung und zum Betrieb des Kraftfahrzeugs, daß der steuerpflichtige Ehemann erheblich gehbehindert sei. Die Beihilfe werde nur gezahlt, "wenn der Beschädigte zur Erreichung seines Arbeitsplatzes infolge der Schädigung auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist".

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 9 und 33 EStG 1964. Es führt u. a. aus, die Zuschüsse seien nicht steuerfrei, weil sie aufgrund einer Verordnung gezahlt würden und nach § 3 Nr. 6 EStG nur Bezüge aufgrund gesetzlicher Vorschriften steuerfrei seien. Außerdem würden die Zuschüsse gezielt als Auslagenersatz für entstehende Kraftfahrzeugkosten und nicht versorgungshalber gezahlt. Jedoch müßten die Beihilfen anteilig bei den Werbungskosten und den außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigt werden, da sie für die Benutzung des Kraftfahrzeugs allgemein bestimmt seien. Die Werbungskosten dürften daher auch nur um einen Teil der Beihilfen gekürzt werden. Nur bei Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung müßten auch die restlichen Beihilfen anteilig davon abgesetzt werden. Wenn die FÄ in jedem Einzelfall bei Körperbeschädigungen zwischen 50 und 69 v. H. zu prüfen hätten, ob die Gehbehinderung so erheblich sei, daß der Pauschbetrag anzuwenden sei, wären sie überfordert. Eine gewisse Typisierung müsse in Kauf genommen werden. Zwangsläufigkeit und Außergewöhnlichkeit derartiger Mehraufwendungen könnten nur bei schwerster körperlicher Beeinträchtigung anerkannt werden; das sei aber nur dann der Fall, wenn der Körperbehinderte geh- und stehbehindert ist und diese Behinderung für sich allein zu einer Erwerbsminderung von 70 v. H. führt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA ist, soweit dieses die Kürzung der Werbungskosten um die anteilige Beihilfe des Arbeits-und Sozialamts erstrebt, unbegründet, im übrigen aber begründet.

1. Die Beihilfe ist nach § 3 Nr. 6 EStG steuerfrei. Dem steht nicht entgegen, daß sie auf Grund einer Verordnung und nicht auf Grund eines förmlichen Gesetzes gewährt wird; denn nach § 2 Abs. 1 AO ist Gesetz jede Rechtsnorm. Zum Gesetzesbegriff im Sinne der AO und damit regelmäßig auch im Sinne der Einzelsteuergesetze gehören also auch Verordnungen.

Die Beihilfe wird auch unabhängig von einer geleisteten Dienstzeit und versorgungshalber gezahlt. Der Steuerpflichtige hatte, wie die Arbeits- und Sozialbehörde auf Anfrage des FG mitgeteilt hat, an sich Anspruch auf eine Jahreskarte, die zur jederzeitigen Benutzung der Verkehrsmittel in A berechtigt. Diese Jahreskarte würde ohne Zweifel der Versorgung dienen, weil sie die Nachteile des Steuerpflichtigen auf Grund seiner Behinderung ausgleichen soll. Die Beihilfe tritt an die Stelle der Jahreskarte, weil der Steuerpflichtige einen eigenen Personenkraftwagen (PKW) besitzt; sie kann nicht anders beurteilt werden als die Jahreskarte selbst.

Wenn die Voraussetzungen, die die Vorschrift des § 3 Nr. 6 EStG aufstellt, erfüllt sind, ist die Steuerfreiheit zu gewähren. Es erscheint mit dem Zweck der Vorschrift, Versorgungsleistungen jeder Art von der Besteuerung auszunehmen, unvereinbar, wenn die Steuerfreiheit mittelbar wieder beseitigt würde, indem als Werbungskosten abzugsfähige Aufwendungen um empfangene Versorgungsleistungen gekürzt werden.

Zu der Frage, ob durch derartige steuerfreie Bezüge auch die Minderung von Aufwendungen, die an sich als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden könnten, ausgeschlossen wird, braucht der Senat hier keine Stellung zu nehmen. Wie noch auszuführen sein wird, können Aufwendungen für private Kraftfahrzeugfahrten im Falle des Steuerpflichtigen nicht abgezogen werden.

2. In dem Urteil VI R 325/67 vom heutigen Tage (BStBl II 1970, 380) hat sich der Senat erneut mit der Frage befaßt, unter welchen Voraussetzungen bei Schwerkörperbehinderten, die geh- und stehbehindert sind, Kosten für private Fahrten mit ihrem Kraftfahrzeug als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG neben den nach § 65 EStDV zu gewährenden Pauschbeträgen für Körperbehinderte berücksichtigt werden können. Der Senat hat dabei an seiner bisherigen Rechtsprechung, nach der die in den gleichlautenden Erlassen der Länderfinanzministerien enthaltene Verwaltungsregelung eine vertretbare Schätzung nach § 217 AO darstellt, festgehalten. Auf die Begründung zu diesem Urteil, das zur Veröffentlichung bestimmt ist, wird Bezug genommen. Der Senat hat insbesondere darauf hingewiesen, daß die Schwere der Geh- und Stehbehinderung von besonderen fachkundigen Behörden nach bestimmten Richtlinien festgestellt wird und ihren Niederschlag in der Höhe des Erwerbsminderungsgrades findet. Eine Geh- und Stehbehinderung, die etwa zu einer 100 %igen Erwerbsminderung geführt hat, muß deshalb als wesentlich schwerer angesehen werden als etwa eine Erwerbsminderung von 70 v. H. oder gar eine solche von 50 v. H. Es entspricht der Lebenserfahrung, daß die zwangsläufigen Aufwendungen, die den Körperbehinderten wegen ihrer Behinderung erwachsen, um so größer sind, je höher die Erwerbsminderung ist. Wenn also bei einer Erwerbsminderung von 70 v. H. die Anerkennung eines Betrages von 750 DM im Kalenderjahr als außergewöhnliche Belastung für private Kraftfahrzeugfahrten nach den Ländererlassen angemessen ist, dann kann diese Schätzung nicht auch bei einer Erwerbsminderung von 50 v. H. zutreffen. Hieran wird auch dadurch nichts geändert, daß in anderen gesetzlichen Regelungen, z. B. in dem Gesetz über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 (a. a. O.) andere Voraussetzungen als in den Erlassen für die Gewährung von Vergünstigungen vorgesehen werden.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß in seinem Falle besondere Verhältnisse vorliegen, die eine von den Erlassen abweichende Schätzung rechtfertigen könnten, hat der steuerpflichtige Ehemann nicht dargetan. Die Mitteilung der von ihm insgesamt erbrachten Kraftfahrzeugaufwendungen sowie der Hinweis auf seine Geh- und Stehbehinderung und die darauf beruhende 50 %ige Erwerbsminderung können für sich allein eine abweichende Schätzung nicht hinreichend begründen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68988

BStBl II 1970, 452

BFHE 1970, 251

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