Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Insassen-Unfallversicherung fällt der Anspruch auf Auskehrung der vom Versicherungsnehmer eingezogenen Versicherungssumme grundsätzlich in den Nachlaß des tödlich verunglückten Insassen mit der Folge, daß sie der Erbe des Insassen durch Erbanfall erwirbt.

Der erkennende Senat hält an der in seinem Beschluß II 96/56 U vom 23. September 1959 (BStBl 1960 III S. 54, Slg. Bd. 70 S. 145) vertretenen Auffassung nicht mehr fest, daß bei der Insassen- Unfallversicherung die Erben des versicherten Insassen im Zweifel einen eigenen Anspruch gegen den Versicherer haben, also einen solchen, der nicht in den Nachlaß des versicherten Insassen fällt.

 

Normenkette

ErbStG § 2 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Bf. und seine von ihm geschiedene Ehefrau sind in gesetzlicher Erbfolge Miterben nach ihrem Sohn (Erblasser) zu je 1/2. Der Erblasser, der Reisevertreter der X-AG war, erlitt in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit mit einem firmeneigenen Kraftwagen einen Unfall, an dessen Folgen er kurz darauf verstarb. Die AG, im folgenden als Versicherungsnehmer (VN) bezeichnet, hatte für den vom Erblasser zur Zeit des Unfalls benutzten wie bei ihren sämtlichen Firmenkraftwagen eine Insassen- Unfallversicherung für den Todesfall abgeschlossen. Der Versicherer überwies die Versicherungssumme an den VN, der sie seinerseits den Erben auszahlte. Der Bf. machte in einem Begleitschreiben zu seiner Erbschaftsteuererklärung geltend, die Unfallversicherungssumme sei nicht erbschaftsteuerpflichtig. Entgegen dieser Auffassung zog das Finanzamt den Bf. durch den am gleichen Tage abgesandten Teilsteuerbescheid vom 16. September 1958 unter anderem mit der auf ihn entfallenden Hälfte der Versicherungssumme zur Erbschaftsteuer heran. Der Bf. legte mit dem am 20. Oktober 1958, also rechtzeitig - der 19. Oktober 1958 war ein Sonntag - beim Finanzamt eingegangenen Schreiben vom 18. Oktober 1958 Sprungberufung ein, zu der der Vorsteher des Finanzamts am 31. Oktober 1958 seine Zustimmung erteilte. Mit der Sprungberufung begehrte der Bf., die anteilige Unfallversicherungssumme von der Erbschaftsteuer frei zu lassen, was zu seiner Freistellung führen muß. Das Finanzgericht hat die Sprungberufung als unbegründet zurückgewiesen. Das eingehend begründete Urteil des Finanzgerichts ist in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1961 S. 114 unter Nr. 138 veröffentlicht. Mit der Rb. erstrebt der Bf. wiederholt die Freilassung der anteiligen Unfallversicherungssumme von der Erbschaftsteuer.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil II 254/57 U vom 30. Juni 1960 (BStBl 1960 III S. 348, Slg. Bd. 71 S. 266) im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ausgesprochen, daß das Erbschaftsteuerrecht auf dem Erbrecht des BGB aufgebaut ist (a. a. O. S. 349 linke Spalte unten bzw. S. 268 unten). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 24. Januar 1962 - 1 BvR 845/58 - (BStBl 1962 I S. 500) dargelegt (a. a. O. S. 502 unter III 3 Abs. 2), daß Privat- und Steuerrecht dort tiefgreifend verbunden sind, wo das Steuerrecht den Steuergegenstand prinzipiell nach Rechtsformen des bürgerlichen Rechts bestimmt. Hiernach hängt die Beantwortung der Frage nach der Erbschaftsteuerpflicht für die vorliegendenfalls gezahlte Unfallversicherungssumme davon ab, ob bei der Insassen- Unfallversicherung der Anspruch gegen den VN auf Auskehrung der von ihm eingezogenen Versicherungssumme in den Nachlaß des tödlich verunglückten Insassen fällt oder nicht. Zu dieser Frage ist das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Februar 1960 - II ZR 136/58 - (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 32 S. 44; Versicherungsrecht 1960 S. 339 - mit Anm. von Prölss, a. a. O. S. 341; Der Betrieb 1960 S. 409) ergangen. Mit Rücksicht auf die oben dargelegten Grundsätze und unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Rechtseinheit ist es geboten, für die Entscheidung des vorliegenden Falles an die vom Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 8. Februar 1960 entwickelte Auffassung anzuknüpfen.

Der Bundesfinanzhof führt (a. a. O. unter 3) aus: Nimmt der VN die Unfallversicherung gegen Unfälle, die einem anderen (der sogenannten Gefahrsperson) zustoßen, so kann eine solche Versicherung nach § 179 Abs. 2, 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) ohne schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson nur zu deren Gunsten genommen werden. Liegt die schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson nicht vor, so gilt die Versicherung als zugunsten der Gefahrsperson genommen. § 179 Abs. 2 VVG erklärt für diese Fälle die Vorschriften der §§ 75 bis 79 VVG für entsprechend anwendbar; § 179 Abs. 2 VVG bedeutet also, daß die Gefahrsperson dieselbe Rechtsstellung wie der Versicherte nach den §§ 75 bis 79 VVG hat. Hieraus folgt zwingend, daß bei einer ohne schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson genommenen Unfallversicherung nur die Gefahrsperson Versicherter im Sinne der §§ 75 ff. VVG sein kann. Das bedeutet, daß nach § 75 VVG ihr, und nur ihr, die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zustehen und einen Bestandteil ihres Vermögens und damit auch ihres Nachlasses bilden. Diese Rechtslage ist auch bei der Insassen- Unfallversicherung (§ 16 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftverkehrsversicherung) gegeben. Ihre Besonderheit gegenüber der sonstigen Unfallversicherung besteht nur darin, daß sich hier erst bei Eintritt des Versicherungsfalls ergibt, wer Versicherter gewesen ist. Sie ist hinsichtlich der Person, die sich zur Zeit des Unfalls außer dem VN selbst in dem Fahrzeug befanden, Fremdversicherung im Sinne von § 179 Abs. 2 VVG. Hatte, wie in aller Regel, der verunglückte Insasse nicht schriftlich in den Abschluß einer Unfallversicherung eingewilligt, so ist nur er Versicherter im Sinne von § 75 VVG, so daß der Versicherungsanspruch allein ihm zusteht und als Bestandteil seines Vermögens in seinen Nachlaß fällt. Nur dann gehört der Anspruch auf Auszahlung der vom VN eingezogenen Versicherungssumme nicht zum Nachlaß des verunglückten Versicherten, wenn zwischen dem VN und dem verunglückten Versicherten vertragliche Abmachungen bestehen, aus denen sich eine Bestimmung des Versicherten über die Verwendung der eingezogenen Versicherungssumme herleiten läßt. (Bundesgerichtshof a. a. O. unter 4.)

Im vorliegenden Fall hatte der Erblasser unterschriftlich am 24. Juli 1957 bestätigt, das Merkblatt des VN über Versicherungsschutz bei Geschäftsreisen erhalten zu haben, das unter anderem auch Angaben über die bestehende Insassen-Unfallversicherung enthält. Mit Recht hat die angefochtene Entscheidung ausgeführt, daß in dieser Bestätigung keine schriftliche Einwilligung des Erblassers (als Gefahrsperson) im Sinne des § 179 Abs. 3 VVG zu erblicken ist. Bei der vom Erblasser abgegebenen Bestätigung handelt es sich um eine Wissenserklärung, nicht aber um eine Willenserklärung, wie sie § 179 Abs. 3 VVG erfordert. übrigens würde eine dem VN seitens des Erblassers etwa erteilte Einwilligung im Sinne des § 179 Abs. 3 VVG, die Unfallversicherung auf die Person des Erblassers für eigene Rechnung zu nehmen, zum Nachteil des Bf. ausschlagen. Denn die Auskehrung der alsdann dem VN zustehenden (anteiligen) Unfallversicherungssumme an den Bf. würde eine in die - höchste - Steuerklasse V fallende freigebige Zuwendung des VN an den Bf. darstellen.

Liegt demnach mangels einer schriftlichen Einwilligung des Erblassers keine vom VN auf eigene Rechnung genommene Unfallversicherung, sondern eine solche auf Rechnung des Erblassers als der Gefahrsperson vor, so ist es zutreffend, daß die angefochtene Entscheidung in übereinstimmung mit dem oben angeführten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Februar 1960 Nachlaßzugehörigkeit des Anspruchs auf Auskehrung der anteiligen Versicherungssumme und damit übergang auf den Bf. im Erbweg mit der zwangsläufigen Folge bejaht hat, daß Erbschaftsteuerpflicht hinsichtlich der anteiligen Unfallversicherungssumme besteht. Das Finanzgericht hat zutreffend festgestellt, daß im vorliegenden Fall zwischen dem VN und dem Erblasser nicht vereinbart worden ist, der Anspruch auf Herausgabe der Versicherungssumme solle unmittelbar seinen Erben zustehen.

Der erkennende Senat hält an der in seinem Beschluß II 96/56 U vom 23. September 1959 (BStBl 1960 III S. 54, Slg. Bd. 70 S. 145), der die neueste einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht hatte berücksichtigen können, vertretenen Auffassung nicht mehr fest, daß bei der Insassen-Unfallversicherung die Erben des versicherten Insassen auch ohne ausdrückliche Bezugsberechtigung im Zweifel einen eigenen Anspruch gegen den Versicherer haben, also einen solchen, der nicht in den Nachlaß des versicherten Insassen fällt. (Der Bundesgerichtshof hat - a. a. O. unter 3 - übrigens bei der Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung die Möglichkeit einer Bezugsberechtigung ausdrücklich verneint; vgl. hierzu auch die erwähnte Besprechung von Prölss unter I b.)

Die vom Bf. im Verfahren über die Berufung vorgelegten drei anwaltlichen Rechtsgutachten sind nicht von Bedeutung. Es ist zwar richtig, daß im vorliegenden Fall der Erblasser keinen Vertrag unter Lebenden geschlossen hat, auf Grund dessen von einem Dritten (hier der Bf.) mit dem Tode des Erblassers ein Erwerb von Vermögensvorteilen unmittelbar gemacht wird (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1951 = jetzt § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959). Das Finanzgericht hat aber die Steuerpflicht der Unfallversicherungssumme auch nicht aus dieser Bestimmung hergeleitet. Die Ausführungen des Gutachters, daß der Anspruch auf Auszahlung der Unfallversicherungssumme dem Erblasser nicht zugestanden habe und nicht in seinen Nachlaß falle, der Besteuerung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1951 (1959) also nicht unterliege, verkennt die im oben angeführten Urteil des Bundesgerichtshofs dargelegte Rechtslage. Es trifft insbesondere weiter nicht zu, daß der Bejahung der Erbschaftsteuerpflicht eine ausdehnende Gesetzesauslegung zugrunde liegt, denn im vorliegenden Fall wird § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1951 (1959) überhaupt nicht ausgelegt, sondern er wird nur seinem Wortlaut nach unter Zugrundelegung der sich aus dem VVG ergebenden erbrechtlichen Folgerungen angewandt.

Hiernach war das angefochtene Urteil zu bestätigen und die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410727

BStBl III 1963, 187

BFHE 1963, 509

BFHE 76, 509

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