Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzinsung hinterzogener Vermögensteuer

 

Leitsatz (NV)

Es liegt nicht im Ermessen des Finanzamts, Zinsen für hinterzogene Steuern zu erheben.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 5, 235 Abs. 1, § 370; RAO § 392; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Die GmbH ist Komplementärin einer Kommanditgesellschaft (KG), deren einziger Kommanditist der Kläger ist. Die KG war 1964 gegründet worden. Im gleichen Jahr beteiligte sich an dem Handelsgewerbe der KG eine Aktiengesellschaft (AG) mit Sitz in A (Schweiz) als stille Gesellschafterin mit einer Vermögenseinlage von 100 000 DM. Deren Anteile am Gewinn sowie die Zinsen für nicht ausbezahlte Gewinnanteile wurden ihr gutgeschrieben. Die Zinsguthaben der AG wurden im Inland nicht versteuert.

Im Jahre 1974 wurden die steuerlichen Verhältnisse des Klägers und die der KG durch einen Steuerfahndungsbeamten geprüft. Aufgrund der Prüfungsfeststellungen kam das Finanzamt (FA) zu der Überzeugung, daß der Kläger im Zusammenwirken mit dem Steuerberater B Vermögensteuer (1966 bis 1972) und Ergänzungsabgabe (1971, 1972) hinterzogen hat. Es forderte dementsprechend insgesamt 135 880 DM Vermögensteuer und 1 174 DM Ergänzungsabgabe nach. Die geänderten Bescheide wurden bestandskräftig. Das von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht C eingeleitete Strafverfahren wurde durch Beschluß des Landgerichts C vom 19. März 1979 gemäß § 153 a Abs. 2 der Strafprozeßordnung (StPO) gegen Zahlung eines Betrags von 250 000 DM an die Staatskasse vorläufig eingestellt.

Das FA setzte durch Bescheide vom 27. November 1979 insgesamt 13 762 DM Zinsen für hinterzogene Vermögensteuer und Ergänzungsabgabe fest.

Die verbundenen Einsprüche wies es durch Entscheidung vom 20. Februar 1981 zurück.

Mit seiner Klage hat der Kläger begehrt, die Bescheide vom 27. November 1979 und die Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 1981 ersatzlos aufzuheben. Eine rechtskräftige gerichtliche Feststellung über eine Steuerhinterziehung des Klägers liege nicht vor. Eine Steuerhinterziehung sei ihm auch nicht nachgewiesen. Für ihn gelte die Unschuldsvermutung nach Art. VI Abs. 2 MRK. Das FA habe ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es die Verwaltungsanweisung der Oberfinanzdirektion (OFD) nicht beachtet habe, wonach ,,in der Regel nach einer Einstellung des Strafverfahrens davon auszugehen" sei, ,,daß die Voraussetzungen zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen nicht gegeben sind". Ein solcher Regelfall liege hier - entgegen der Ansicht des FA - vor.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Sie sei unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte seien rechtmäßig.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung der §§ 5, 235 AO 1977, des § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO), des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) und des Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

Er beantragt, das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 1981 und die Zinsbescheide vom 27. November 1979 ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß hinterzogene Steuern zu verzinsen sind (§ 235 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -), und daß Steuern hinterzogen hat, wer zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil eines anderen bewirkt hat, daß Steuereinnahmen verkürzt worden sind (§ 392 der Reichsabgabenordnung - AO - a. F.). Die vom FG festgestellten Tatsachen rechtfertigen die Beurteilung, daß zumindest der Steuerberater des Klägers Vermögensteuer und Ergänzungsabgabe in der vom FG festgestellten Höhe zum Vorteil der KG verkürzt hat. Seine Ausführungen hinsichtlich des Klägers als Zinssschuldner sind frei von Rechtsirrtum (§ 235 Abs. 1 Satz 2 AO 1977).

Die Verfahrensrüge ist unbegründet.

Art. 103 Abs. 1 GG gewährt das Recht, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlaß der Entscheidung zu äußern. Dieses Recht war dem Kläger nicht beschnitten; insbesondere hatte er Gelegenheit, sich zu der Verfügung der OFD vom 8. Juni 1979 zu äußern und er hat diese Gelegenheit in der mündlichen Verhandlung vor dem FG genutzt, wie aus seinem Schriftsatz vom 7. Februar 1984 an das FG (letzter Absatz) hervorgeht.

Auch die Rechtsrüge ist unbegründet.

Die Ansicht des Klägers, das FG habe verkannt, daß die erwähnte Verfügung der OFD ,,eine einheitliche Ermessenspraxis der Verwaltungsbehörde geschaffen" habe, von der das FA ohne zureichenden Grund abgewichen sei, ist unzutreffend. Denn es lag nicht im Ermessen des FA, Zinsen für hinterzogene Steuern zu erheben, sondern es war hierzu verpflichtet (§ 235 Abs. 1 Satz 1 AO 1977: ,,. . . sind zu erheben"). Damit erweist sich auch die aus der unzutreffenden Ansicht des Klägers abgeleitete Rüge der Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) als unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416116

BFH/NV 1989, 416

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