Leitsatz (amtlich)

Die Anschaffung von Wirtschaftsgütern, die zum Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft gehören, ist nicht nur dann der Privatsphäre der Gesellschafter zuzurechnen, wenn schon beim Erwerb erkennbar war, daß dieser für den Betrieb keinen Nutzen, sondern nur Verluste bringen wird. Auch aus Umständen anderer Art, z. B. aus der Behandlung der Geschäfte in der Buchführung, kann auf die private Veranlasssung geschlossen werden.

 

Normenkette

EStG §§ 4-5; BGB § 718; HGB § 38

 

Tatbestand

Streitig ist, ob durch den An- und Verkauf von Wertpapieren eingetretene Verluste der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer KG, oder (privat) ihren Gesellschaftern zuzurechnen sind.

Die Klägerin betreibt die Herstellung von ... erzeugnissen. Ihre Gesellschafter waren zunächst W. J. (Komplementär, Gewinnbeteiligung 2/3) und W. S. (Kommanditist, Beteiligung 1/3).

Am 7. März 1970 wurde namens der Klägerin mit einem unabhängigen Vermögensberater ein "Vermögensverwaltungsvertrag" geschlossen, nach dem der Vermögensberater ermächtigt wurde, Wertpapiere im Namen und für Rechnung der Klägerin zu kaufen und zu verkaufen. Im März 1970 stellten die Gesellschafter aus ihrem Privatvermögen den Betrag von insgesamt 550 000 DM (W. J. 265 000 DM, W. S. 285 000 DM) dem Vermögensberater zur Verfügung. W. J. überließ ihm ferner aus seinem Privatvermögen im Jahre 1971 noch 275 000 DM und 1972 135 000 DM. Durch Käufe und Verkäufe von Wertpapieren entstand im Zeitraum von 1970 bis 1972 ein Verlust von insgesamt 738 062 DM (1970 = 204 265 DM, 1971 = 438 427 DM und 1972 = 95 370 DM).

In der laufenden Buchführung der Klägerin wurden weder die Geldmittel noch die Wertpapiere erfaßt. Bei der Bilanzerstellung für das Jahr 1970 am 7. März 1972 wurden folgende Buchungen vorgenommen; Der im Jahre 1970 hingegebene Betrag von 550 000 DM wurde als Einlage in der Umbuchungsspalte der Hauptabschlußübersicht, der Aufwand von 204 265 DM durch den Ansatz der Wertpapiere im Depotkonto mit 345 735 DM erfaßt. In gleicher Weise wurde bei Bilanzabschluß vom 7. Juni 1973 für den Veranlagungszeitraum 1971 und vom 27. November 1974 für den Veranlagungszeitraum 1972 verfahren.

Aufgrund dieser bei einer Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen berichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA-) die einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheide für die Jahre 1970 bis 1972 unter Berufung auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO).

Der gegen den berichtigten Feststellungsbescheid 1970 eingelegte Einspruch und die Klage der Klägerin hatten keinen Erfolg. FA und Finanzgericht (FG) teilten die Auffassung der Klägerin nicht, die Wertpapiere müßten schon deshalb in ihrem Betriebsvermögen erfaßt werden, weil sie zum Gesamthandsvermögen gehörten.

Das FG begründete seine Auffassung wie folgt: Betriebsvermögen könnten nur Wirtschaftsgüter sein, deren Erwerb betrieblich veranlaßt sei. Wertpapiere gehörten weder nach ihrer Wesensart noch als wesentliche Grundlage zum Fabrikationsbetrieb der Klägerin. Auch die Absicht zur Erweiterung von Betriebsbauten, auf die sich die Klägerin berufe, reiche nicht aus, dem Wertpapiererwerb aus privaten Mitteln die Bestimmung beizumessen, daß er unmittelbar oder mindestens nahezu ausschließlich der Erzielung von Betriebseinnahmen habe dienen sollen. Es sei nicht ersichtlich, wie Spekulationsgeschäfte mit Wertpapieren von insgesamt mehr als 1/2 Mio DM der von der Klägerin behaupteten Planung und Entwicklung eines Bauvorhabens in entscheidendem Maße hätten dienlich sein können. Der übliche Weg für die Ansammlung von Baukapital wäre z. B. die Anlage eines Festgeldkontos oder dergleichen gewesen. Die Behauptung, daß nur der Plan zur Betriebserweiterung die Veräußerung von Wertpapieren und den folgenden Abschluß des Vermögensverwaltungsvertrages plausibel machen würde, sei nicht schlüssig. Denn die Gründe oder Motive für Spekulationsgeschäfte könnten mannigfaltig sein. Allein die Entscheidung, Wertpapiere zu kaufen und zu verkaufen, besage im allgemeinen nichts für oder gegen die Zuordnung des Geschäfts zum Privat- oder Betriebsvermögen. Im vorliegenden Fall könnte z. B. von den Gesellschaftern W. S. und W. J. eine sogenannte Gelegenheitsgesellschaft im Bereich privater Vermögensverwaltung gebildet worden sein. Ebensowenig liege gewillkürtes Betriebsvermögen vor (wird näher ausgeführt).

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Sie beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid 1970 dahin gehend abzuändern, daß die durch die Wertpapiere entstandenen Verluste wie erklärt berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Wertpapiere waren kein Betriebsvermögen der Klägerin (§ 5 EStG); die Mittel, mit denen sie angeschafft worden sind, wurden der Klägerin nicht als Einlagen (§ 5 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) zugeführt.

1. Allerdings ist das FG bei der Abgrenzung des Betriebsvermögens der Klägerin zum Teil von Merkmalen ausgegangen, die mit der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht mehr voll im Einklang stehen.

a) In der neueren Rechtsprechung des BFH wird zwischen dem Betriebsvermögen der Gesellschaft (Gesellschaftsvermögen, Gesamthandsvermögen) und dem Sonderbetriebsvermögen der einzelnen Gesellschafter unterschieden (vgl. zum Gesellschaftsvermögen Urteile vom 22. Mai 1975 IV R 193/71, BFHE 116, 328, BStBl II 1975, 804; vom 2. Juni 1976 I R 136/74, BFHE 119, 414, BStBl II 1976, 668; zum Sonderbetriebsvermögen Urteile vom 7. Juli 1972 I R 230/70, BFHE 107, 108, BStBl II 1972, 928, und vom 10. Januar 1973 I R 114/71, BFHE 108, 109, BStBl II 1973, 238; seitdem ständige Rechtsprechung). Die Unterscheidung zwischen dem Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft und dem Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter rechtfertigt sich daraus, daß der Gesellschafter (Mitunternehmer) seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Nr. 2 EStG a. F., § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F.) zum Teil durch den Einsatz von Gesamthandsvermögen (§ 718 BGB, § 15 Nr. 2 Halbsatz 1 EStG a. F., § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1 EStG n. F.), zum Teil durch den Einsatz eigenen Vermögens (§ 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG a. F., § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG n. F.) erzielt. Soweit Wirtschaftsgüter zum Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft gehören, können die für das Betriebsvermögen von Einzelunternehmern und das Sonderbetriebsvermögen von Gesellschaftern (Mitunternehmern) geltenden Grundsätze über die Bildung von notwendigem und gewillkürtem Betriebsvermögen nur mit Einschränkung herangezogen werden. Bei einer gewerblich tätigen und bilanzierenden Personengesellschaft ist ein Wirtschaftsgut, das zivilrechtlich Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft ist und deshalb gemäß § 38 HGB in ihrer Handelsbilanz auszuweisen ist, wegen der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 EStG) grundsätzlich auch einkommensteuerrechtlich Betriebsvermögen der Personengesellschaft. Dies gilt in der Regel unabhängig davon, ob die Personengesellschaft das betreffende Wirtschaftgut in ihrer Buchführung ausgewiesen hat. Hat sie es nicht ausgewiesen, muß die Buchung zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Wege der Buchberichtigung nachgeholt werden.

b) Die Maßgeblichkeit der bürgerlich-rechtlichen Zuordnung für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung gilt jedoch nicht ausnahmslos. Ausnahmen ergeben sich vielmehr aus den Begriffen Betriebsvermögen (§ 4 Abs. 1 EStG) und Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG). Ein Wirtschaftsgut ist trotz seiner privatrechtlichen Zugehörigkeit zum Gesamthandsvermögen dann nicht Betriebsvermögen im einkommensteuerrechtlichen Sinn, wenn seine Anschaffung nicht betrieblich veranlaßt war (BFH-Urteile IV R 193/71, I R 136/74). Eine betriebliche Veranlassung ist etwa ausgeschlossen, wenn beim Erwerb eines Wirtschaftsguts bereits erkennbar ist, der Erwerb werde dem Betrieb der Personengesellschaft keinen Nutzen, sondern nur Verluste bringen (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1967 IV 32/63, BFHE 88, 323, BStBl III 1967, 391). Eine Anschaffung von Wirtschaftsgütern kann aber - je nach den Umständen des Einzelfalles - auch aus anderen Gründen nicht betrieblich veranlaßt sein.

2. Nach diesen Grundsätzen ist der Würdigung des FG im Ergebnis beizutreten.

Es kann im Streitfall offenbleiben, ob die Wirtschaftsgüter tatsächlich im Namen der Klägerin erworben worden sind. Jedenfalls rechtfertigen die Gesamtumstände des Falles den vom FG gezogenen Schluß, daß die Anschaffung der Wertpapiere nicht betrieblich veranlaßt war. Ist es schon - wie das FG ausgeführt hat - wenig glaubhaft, daß sich ein Unternehmen von der Art der Klägerin die zur Erweiterung des Betriebs benötigten Mittel durch Spekulation mit Wertpapieren verschafft, so treten im Streitfall noch besondere Umstände hinzu, die eine private Veranlassung der Geschäfte deutlich machen. Dafür ist einmal von Bedeutung, daß die Wertpapiergeschäfte durchweg mit privaten Mitteln der Gesellschafter getätigt worden sind und daß die zur Verfügung gestellten Beträge im Mißverhältnis zur Beteiligung der Gesellschafter an der Klägerin gestanden haben. Außerdem sind die für die Anschaffung der Wertpapiere eingesetzten Mittel gegenüber der Bilanzsumme der Klägerin auf den 31. Dezember 1970 von rd. 1,2 Mio DM unverhältnismäßig hoch. Schließlich aber spricht die Art und Weise, wie die Klägerin bei der Verbuchung der Geschäfte vorgegangen ist, entscheidend gegen die betriebliche Veranlassung. Auch wenn es für die Zugehörigkeit von Wirtschaftsgütern zum (notwendigen) Betriebsvermögen eines Unternehmens auf die Buchführung in aller Regel nicht ankommt, so kann doch für die Frage, ob Geschäfte dem betrieblichen Bereich der Gesellschaft oder dem privaten Bereich der Gesellschafter zuzurechnen sind, das buchmäßige Verhalten der Beteiligten nicht außer Betracht bleiben. Das gilt vor allem für Unternehmen, an denen - wie im Streitfall - nur Familienangehörige beteiligt sind. Entscheidend ist, daß die Klägerin die Wertpapiergeschäfte über mehrere Jahre hin erst bei der Aufstellung der Jahresabschlüsse im Wege der "Berichtigung" buchmäßig erfaßt hat, jeweils also die Buchungen zu einem Zeitpunkt vorgenommen hat, in dem erkennbar war, daß die Wertpapiergeschäfte keine Überschüsse, sondern nur Verluste erbracht hatten. Ein ordentlicher Kaufmann pflegt echte Betriebsvorfälle, wie Käufe und Verkäufe von Wirtschaftsgütern, sowie Einlagen auf diese Weise nicht buchmäßig abzuwickeln.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73046

BStBl II 1979, 257

BFHE 1979, 530

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