Leitsatz (amtlich)

Die Erben des Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft, mit denen das Gesellschaftsverhältnis fortgesetzt wird, sind nach § 15 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu besteuern, wenn sie die steuerrechtlichen Voraussetzungen eines Mitunternehmers erfüllen.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2; HGB § 139

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Tochter und Erbin eines im März 1968 verstorbenen Gesellschafters der beigeladenen KG. Der Erblasser hatte in seinem Testament seine beiden Töchter X - die Klägerin - und Y zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt und dabei bestimmt, daß seine Gesellschaftsanteile allein auf die Klägerin übergehen sollten. Der Mehrwert der Gesellschaftsanteile sollte ausgeglichen werden.

§ 13 des Gesellschaftsvertrags der beigeladenen KG enthielt für den Fall des Todes eines Gesellschafters die Bestimmung, daß die Erben das Recht haben, das Gesellschaftsverhältnis unverändert oder auch als Kommanditisten fortzuführen.

Am 16. April 1968 schlossen die Klägerin und ihre Schwester eine Auseinandersetzungsvereinbarung, nach der die Klägerin in die Komplementärstellung des Erblassers mit allen Rechten und Pflichten eintrat und ihre Schwester hinsichtlich ihrer Anteilshälfte auszuzahlen hatte. Die Klägerin verpflichtete sich, 186 250 DM für die Hälfte des Kapitalkontos des Erblassers (107 142 DM) an ihre Schwester zu zahlen. Den Mehrbetrag von 79 108 DM betrachtete sie als zusätzliche Anschaffungskosten für ihren Gesellschaftsanteil, die in einer Ergänzungsbilanz auf das Anlagevermögen und Umlaufvermögen verteilt wurden. In der Ergänzungsbilanz zum 31. Dezember 1969 wurden von diesem Betrag zusammen 31 400 DM abgeschrieben.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) erkannte diese Abschreibung bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns der beigeladenen KG nicht an, weil es sich bei dem Erwerb des Gesellschaftsanteils durch die Klägerin um einen erbrechtlichen und keinen betrieblichen Vorgang gehandelt habe.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das FG hat ausgeführt, nach § 13 des Gesellschaftsvertrages der beigeladenen KG sei allerdings davon auszugehen, daß beide Erbinnen - die Klägerin und ihre Schwester - den Gesellschaftsanteil ihres Vaters erworben und damit automatisch Gesellschafterinnen der KG geworden seien. Steuerrechtlich sei jedoch zu prüfen, ob die Schwester der Klägerin auf gesellschaftsrechtlicher (betrieblicher) oder auf erbrechtlicher Grundlage abgefunden worden sei. Im Streitfall habe die Schwester der Klägerin die Hälfte des Gesellschaftsanteils auf erbrechtlicher Grundlage im Vollzug der Teilungsanordnung des Erblassers an die Klägerin veräußert. Die Schwester der Klägerin sei nicht Mitunternehmerin geworden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der Verletzung des § 15 Nr. 2 EStG gerügt wird. Die Klägerin meint, sie und ihre Schwester seien auf Grund der Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag der beigeladenen KG Gesellschafterinnen der KG und damit zwangsläufig auch Mitunternehmerinnen geworden.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Feststellungsbescheid 1969 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, daß die Abschreibung lt. Ergänzungsbilanz von 31 400 DM als persönliche Betriebsausgabe der Klägerin anerkannt und ihr Gewinnanteil entsprechend herabgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die beigeladene KG hat - wie auch im Verfahren vor dem FG - keine Anträge gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat den Gesellschaftsanteil ihrer Schwester nicht auf betrieblicher, sondern auf privater Grundlage erworben (§§ 15, 16 EStG).

1. Der Senat hat zunächst geprüft, ob die Schwester der Klägerin zum Verfahren notwendig beizuladen gewesen wäre. Er hat diese Frage verneint. Der Streit darüber, ob der Erwerb des Gesellschaftsanteils durch die Klägerin ein betrieblicher oder ein privater Vorgang war, berührt allerdings auch die Schwester der Klägerin. War die Auseinandersetzung zwischen den beiden Schwestern ein betrieblicher Vorgang, dann entstand für die Schwester der Klägerin ein Veräußerungsgewinn (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG), war es ein privater Vorgang, entstand dieser Veräußerungsgewinn nicht (Urteile des BFH vom 8. September 1971 I R 191/69, BFHE 103, 175, BStBl II 1972, 12, und vom 29. Mai 1969 IV R 238/66, BFHE 96, 182, BStBl II 1969, 614). Über die Frage, ob und in welcher Höhe die Schwester der Klägerin einen Veräußerungsgewinn erzielt hat, ist im Verfahren über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns der KG zu entscheiden (BFH-Urteil vom 31. Juli 1974 I R 226/70, BFHE 113, 428, BStBl II 1975, 236). Da der Feststellungsbescheid 1969 der beigeladenen KG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, die Schwester der Klägerin aber einen Veräußerungsgewinn bereits im Jahr 1968 erzielt hätte, wird sie von der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht betroffen (§ 60 Abs. 3 FGO).

2. Gehört zum Nachlaß eines verstorbenen Steuerpflichtigen ein Unternehmen und scheidet ein Miterbe gegen Abfindung aus, so liegt darin nicht notwendig ein betrieblicher Vorgang, der zur Entstehung eines Veräußerungsgewinns des ausscheidenden Miterben nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG und zur Bewertung des erworbenen Anteils mit den Anschaffungskosten durch die verbleibenden Miterben führt. Die Annahme eines betrieblichen Vorgangs setzt voraus, daß sich die Miterben gewerblich betätigt haben. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie ihren Willen zum gemeinschaftlichen Betrieb des ererbten Unternehmens nach außen hin kundgegeben haben, z. B. dadurch, daß eine Auseinandersetzung tatsächlich unterblieb oder für immer oder längere Zeit ausgeschlossen wurde (BFH-Urteile vom 26. Juli 1963 VI 334/61 U, BFHE 77, 435, BStBl III 1963, 480; I R 191/69; vom 9. August 1973 IV R 133/68, BFHE 110, 509, BStBl II 1974, 84, und vom 4. Dezember 1974 I R 149/72, BFHE 114, 364, BStBl II 1975, 295).

Das gilt grundsätzlich auch, wenn der Erblasser Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft war. Die Miterben, auf die der Gesellschaftsanteil übergegangen ist, werden unmittelbar Gesellschafter, wenn - wie im Streitfall - der Gesellschaftsvertrag die Fortführung des Gesellschaftsverhältnisses mit ihnen vorsieht (§§ 139, 161 Abs. 2 HGB; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. November 1956 II ZR 222/55, BGHZ 22, 186). Daraus folgt aber nicht notwendig, daß sie auch Mitunternehmer i. S. des § 15 Nr. 2 EStG werden. Obwohl diese Vorschrift an die zivilrechtlichen Begriffe der Gesellschaft und des Gesellschafters anknüpft, ist nach der Rechtsprechung entscheidend auf den hier ebenfalls verwendeten Begriff des Mitunternehmers abzustellen. Das bedeutet, daß ein Gesellschafter auch die steuerrechtlichen Voraussetzungen eines Mitunternehmers erfüllen muß, wenn er nach § 15 Nr. 2 EStG besteuert werden soll (BFH-Beschluß vom 21. Februar 1974 IV B 28/73, BFHE 112, 51, BStBl II 1974, 404).

Zu den Merkmalen eines Mitunternehmers gehören Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative. Der Senat braucht im Streitfall nicht näher darauf einzugehen, was diese Voraussetzungen bei Gesellschaftern einer Personengesellschaft im einzelnen bedeuten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30. Juli 1975 I R 174/73, BFHE 116, 497, BStBl II 1975, 818). Denn die Schwester der Klägerin ist aus der Gesellschaft ausgeschieden, bevor sie Gelegenheit gehabt hätte, in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin Unternehmerinitiative zu entfalten und Unternehmerrisiko zu tragen. Sie ist daher nicht Mitunternehmerin i. S. des § 15 Nr. 2 EStG geworden. Auch die Bestimmung in § 13 des Gesellschaftsvertrags der beigeladenen KG, daß die Gesellschaft mit den Erben fortgesetzt wird, bewirkt nicht den Übergang der steuerrechtlichen Mitunternehmereigenschaft des Erblassers auf die Miterben. Sie hat nur gesellschaftsrechtliche Bedeutung. Ob die Miterben Mitunternehmer werden, ist für sie neu zu prüfen.

Daher vollzog sich auch der Erwerb des Gesellschaftsanteils durch die Klägerin nicht auf betrieblicher, sondern auf privater Grundlage. Er hatte seine Ursache in der Teilungsanordnung des Erblassers. Die Klägerin erwarb - steuerrechtlich gesehen - den Gesellschaftsanteil unentgeltlich und unmittelbar vom Erblasser (BFH-Urteile IV R 238/66 und I R 191/69). Bei dieser Sachlage ist für den Ansatz zusätzlicher Anschaffungskosten in einer Ergänzungsbilanz und damit auch für Abschreibungen der Vermögensgegenstände, auf die die zusätzlichen Anschaffungskosten verteilt werden, kein Raum (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 1972 I R 189/69, BFHE 106, 422, BStBl II 1972, 874).

 

Fundstellen

Haufe-Index 71740

BStBl II 1976, 191

BFHE 1976, 169

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