Leitsatz (amtlich)

1. Zur steuerrechtlichen Anerkennung eines sogenannten Ausschließlichkeitsvertrags zwischen einem Künstler und einer Kapitalgesellschaft.

2. Die nichtselbständige Arbeit eines Filmschauspielers wird in dem Land verwertet, in dem das Unternehmen, das den Film herstellt, seinen Sitz hat.

2. Das DBA-Italien gilt grundsätzlich nur für die Staatsangehörigen der vertragschließenden Staaten.

2. Der deutsch-amerikanische Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 gebietet nicht die Anwendung des DBA-Italien auf einen Staatsangehörigen der Vereinigten Staaten von Amerika.

 

Normenkette

EStG §§ 19, 49 Abs. 1 Nr. 4; LStDV § 40 Abs. 2; DBA ITA Art. 7; Deutsch-amerikanischer Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 Art. XI

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagten sind Erben des verstorbenen Filmschauspielers L. (Steuerpflichtigen), der die Staatsangehörigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika besaß, einen Wohnsitz in Italien und weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Am 5. Mai 1958 schloß die J., eine Aktiengesellschaft nach dem Recht der Republik Panama mit Sitz in Panama, mit der C. mit Sitz im Inland einen Vertrag, durch den die J. den Steuerpflichtigen der C. für einen Film zur Verfügung stellte. Als Entgelt sollte die J. von der C. 200 000 $ und bestimmte Anteile an den Verleihgewinnen erhalten. Die Arbeiten an dem Film, der Gegenstand dieses Vertrages war, fanden teils im Inland, teils in Italien statt.

Am 31. Januar 1959 setzte das Hauptfinanzamt für Erbschaftsteuer und Verkehrsteuern in Berlin gegen den Steuerpflichtigen eine Lohnsteuer von 127 486,62 DM fest, durch die es die nach dem Vertrag vom 5. Mai 1958 vereinbarte Vergütung von 200 000 $ = 840 000 DM zuzüglich weiterer Vergütungen von 9 910,77 DM mit einem Satz von 15 v. H. besteuerte. Auf den Einspruch hin setzte der Revisionskläger, das FA M., das die Besteuerung übernommen hatte, eine Lohnsteuer von 115 803,60 DM fest. Zur Begründung führte das FA aus, für die Tätigkeit des Steuerpflichtigen seien von der C. bisher tatsächlich 536 491,60 DM bezahlt worden. Diese Zahlungen seien Bezüge des Steuerpflichtigen gewesen; die J. habe sie nur als Vermittlerin in Empfang genommen. 28/82 dieser Bezüge seien als Inlandsbezüge mit 15 v. H. und 54/82 als Auslandsbezüge unter Verwertung der Tätigkeit im Inland mit 25 v. H. zu besteuern.

Auf die Klage der Erben des Steuerpflichtigen hat das FG den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung gegen den Steuerpflichtigen dahin geändert, daß es die Einkommensteuer (Lohnsteuer) auf 34 500 DM festgesetzt hat.

Zur Begründung hat das FG, dessen Entscheidung in EFG 1968, 128 veröffentlicht ist, ausgeführt:

1. Der Ausgangsbetrag für die Besteuerung des Steuerpflichtigen seien nicht 536 491 DM, sondern 536 491 DM minus 82 026 DM = 454 465 DM. Der Steuerpflichtige habe keine Bezüge von der C. erhalten. Zwischen der J. und dem Steuerpflichtigen habe ein sogenannter Ausschließlichkeitsvertrag bestanden, mit der Folge, daß die J. für das Zurverfügungstellen des Steuerpflichtigen von der C. eine Vergütung zu erhalten gehabt habe, die dann nach einer internen Vereinbarung zwischen der J. und dem Steuerpflichtigen auf diese beide zu verteilen gewesen sei. Danach habe zunächst die J. die ganzen Einnahmen erzielt und davon einen Teil (454 465 DM) an den Steuerpflichtigen weitergeleitet.

2. Von dem Ausgangsbetrag von 454 465 DM sei ein Teilbetrag von 28/82 = 155 183 DM mit 15 v. H. zu versteuern. Insoweit habe der Steuerpflichtige seine unselbständige Tätigkeit im Inland ausgeübt. Die Besteuerung dieses Teils der Bezüge mit 15 v. H. sei daher zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Soweit der Steuerpflichtige im Ausland gefilmt habe, sei seine Tätigkeit nicht im Inland ausgeübt, aber nach dem Verhältnis der Verwertung des Films durch die C. zur Verwertung durch die M., einer Gesellschaft mit Sitz in den USA, im Inland und im Ausland verwertet worden. Die Beteiligung der C. an der Verwertung des Films sei auf 15 v. H. zu schätzen. Die Steuer errechne sich daher wie folgt:

Ausgangsbetrag 536 491 DM

Anteil J. 82 026 DM

454 465 DM

28/82 steuerpflichtige Inlandstätigkeit 155 183 DM

299 282 DM

davon 15 v. H. 44 892 DM

daraus 25 v. H. Steuer 11 223 DM

dazu die unstreitige Steuer aus den 28/82 23 277 DM

34 500 DM

Gegen dieses Urteil hat das FA Revision eingelegt, soweit der Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung gegen den Steuerpflichtigen geändert wurden. Das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts. Im einzelnen führt es aus:

1. Ausgangsbetrag für die Besteuerung des Steuerpflichtigen seien 536 491 DM. Dieser Betrag sei nicht um die 82 026 DM zu kürzen, die die J. erhalten habe. Denn der Ausschließlichkeitsvertrag zwischen dem Steuerpflichtigen und der J. sei trotz des Urteils des BFH I 216/64 vom 29. November 1966 (BFH 88, 370, BStBl III 1967, 392) nicht anzuerkennen. Die Zahlungen der C. seien daher in vollem Umfang Bezüge des Steuerpflichtigen gewesen.

Diese Bezüge unterlägen nach § 50a Abs. 4 EStG 1958, § 73b EStDV 1958 (Streitjahr 1959) und nach § 50 Abs. 5 EStG 1957 (Streitjahr 1958) ohne jeden Abzug der Besteuerung.

2. Die Vergütungen, die danach der Steuerpflichtige erhalten habe, seien nicht nur, soweit der Steuerpflichtige im Inland gedreht habe (28/82), sondern auch, soweit er im Ausland gefilmt habe (54/82), zu versteuern. Denn die Arbeit des Steuerpflichtigen sei in vollem Umfang im Inland verwertet worden. Der Steuerpflichtige habe, auch soweit er im Ausland tätig geworden sei, an der Herstellung eines inländischen Films mitgewirkt. Darauf allein und nicht auch auf die Verwertung des Films komme es an.

Das FA beantragt, das Urteil des FG in der Einkommensteuersache der Erben des Steuerpflichtigen aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Sache an das FG zurückzuweisen.

Die Revisionsbeklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Die Revision des FA richtet sich nur gegen das Urteil des FG in der Einkommensteuersache der Erben des Steuerpflichtigen. Das ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Antrag des FA in der Revisionsbegründung vom 25. März 1968, der darauf gerichtet ist, das Urteil des FG "in Ziffer 1" aufzuheben. Nr. I des Urteils des FG betrifft allein den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung gegen den Steuerpflichtigen. Die Angabe der Erben des Steuerpflichtigen und der J. in der Revisionsschrift vom 13. Dezember 1967 und in der Revisionsbegründung vom 25. März 1968 diente offensichtlich nur der genauen Bezeichnung des angefochtenen Urteils, das in Nr. II den Bescheid und die Einspruchsentscheidung gegen die J. ersatzlos aufgehoben hat (§ 120 Abs. 2 Satz 1 FGO).

2. Der Senat kann nicht abschließend prüfen, ob die Einkünfte des Steuerpflichtigen aus nichtselbständiger Arbeit (BFH-Urteil I 116/61 U vom 27. November 1962, BFH 76, 266, BStBl III 1963, 95), die für eine Besteuerung in Betracht kommen, 536 491 DM oder 454 465 DM betragen. Die Frage hängt davon ab, ob der Steuerpflichtige Arbeitnehmer der J. oder Arbeitnehmer der C. war. Das FG hat den Ausschließlichkeitsvertrag zwischen dem Steuerpflichtigen und der J. steuerrechtlich anerkannt mit der Folge, daß der Steuerpflichtige seine Bezüge nicht von der C., sondern von der J. erhalten habe. Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung im Lichte neuerer BFH-Urteile nicht stand.

Der Senat hat im Urteil I 216/64 (a. a. O.) entschieden, daß ein Filmschauspieler, der unter Vereinbarung von festem Gehalt und Ruhegeld seine Dienste ausschließlich einer Gesellschaft zur Verfügung stelle, die befugt sei, ihr Recht auf die Dienstleistung einem anderen Filmhersteller zu übertragen und von dieser Befugnis gegen ein von dem Übernehmer zu leistendes Entgelt Gebrauch mache, Arbeitnehmer der Gesellschaft bleibe. Inzwischen hat sich auch der VI. Senat des BFH mit der Frage eines Arbeitnehmer-Gestellungsvertrages zwischen einem Filmschauspieler und einer Gesellschaft befaßt und entschieden, der Filmschauspieler sei nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft, wenn er nach Lage der Dinge nicht in deren Organismus eingegliedert sei. Gegen eine Eingliederung spreche insbesondere, wenn die Gesellschaft durch das Vertragsverhältnis kein Unternehmerrisiko eingehe, weil sie an den Filmschauspieler in keinem Fall höhere Beträge zu leisten habe, als sie für seine Tätigkeit von den Filmherstellern eingenommen habe (BFH-Urteil VI R 303/66 vom 10. April 1970, BFH 99, 462, BStBl II 1970, 716). Zwischen den Sachverhalten, die den beiden BFH-Urteilen zugrunde lagen, bestehen rechtlich erhebliche Unterschiede. Im Fall des VI. Senats fehlte ein eigenes unternehmerisches Risiko der Gesellschaft, da diese auf keinen Fall mehr an den Filmschauspieler zu zahlen brauchte, als sie für seine Arbeit erhielt. Im Fall des I. Senats bestand ein echtes Unternehmerrisiko der Gesellschaft. Diese übernahm, wie es in dem Urteil heißt, das Risiko eines zweckmäßigen Einsatzes des Filmschauspielers, einer dauernden gleichmäßigen Entlohnung und einer angemessenen Altersversorgung. Daraus ergab sich für die Gesellschaft eine Gewinn- wie Verlustmöglichkeit, weil die Höhe der Altersversorgung bestimmt war, während die Vergütungen, die für die Überlassung der Dienste des Schauspielers an den Filmhersteller zu erzielen sein würden, unbekannt waren.

Das FG hat über die Vereinbarungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der J. nicht die tatsächlichen Feststellungen getroffen, die notwendig sind, damit abschließend beurteilt werden kann, ob der Streitfall dem Sachverhalt des BFH-Urteils I 216/64 (a. a. O.) oder dem Sachverhalt des BFH-Urteils VI R 303/66 (a. a. O.) ähnlich ist, insbesondere, ob für die J. ein eigenes Unternehmerrisiko bestand. Die bisherigen Feststellungen des FG lassen ein derartiges Risiko nicht erkennen. Das FG wird indessen diese Frage näher untersuchen und den Inhalt der Vereinbarungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der J. feststellen. Weiter wird es die Rechtsverhältnisse der J. zu klären haben, insbesondere, ob die J. von dem Steuerpflichtigen oder etwa von der C. abhängig war. Beides kann im Rahmen der Würdigung der gesamten Umstände gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Steuerpflichtigen und der J. sprechen.

Stellt sich bei der erneuten Verhandlung heraus, daß der Steuerpflichtige als Arbeitnehmer der J. anzusehen war, so verbleibt es dabei, daß als Ausgangsbetrag für die Einkommensteuer des Steuerpflichtigen 454 465 DM anzusetzen sind. Kann dagegen der Steuerpflichtige nach den Grundsätzen des BFH-Urteils VI R 303/66 (a. a. O.) nicht als Arbeitnehmer der J. angesehen werden, so stammen seine Bezüge unmittelbar von der C. Als Ausgangsbetrag für die Einkommensteuer sind dann 536 491 DM anzusetzen. Ein Abzug des Betrages von 82 026 DM, den die J. erhalten hat, kommt nicht in Betracht. Das ergibt sich für das Streitjahr 1959 aus § 50a Abs. 4 EStG 1958, § 73b EStDV 1958. Nach diesen Vorschriften unterliegen die Einkünfte aus der Ausübung oder Verwertung einer Tätigkeit als Künstler in voller Höhe, ohne Abzug von Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben und Steuern, dem Steuerabzug, der im Regelfall 25 v. H. und, soweit die Tätigkeit im Inland ausgeübt wurde, 15 v. H. beträgt. Das gleiche gilt aber, wie das FA richtig ausgeführt hat, auch für das Streitjahr 1958.

3. Der Ausgangsbetrag von 536 491 DM oder 454 465 DM - je nach dem Ergebnis der erneuten Verhandlung und Entscheidung des FG - unterliegt unstreitig mit einem Anteil von 28/82 (die Tätigkeit wurde im Inland ausgeübt) einem Steuersatz von 15 v. H. Er unterliegt mit dem weiteren Anteil von 54/82 (die Tätigkeit wurde nicht im Inland ausgeübt) in vollem Umfang einem Steuersatz von 25 v. H. Denn die Arbeit des Steuerpflichtigen wurde, soweit sie nicht im Inland ausgeübt wurde, im Inland verwertet (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1957, 1958, § 40 Abs. 2 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung 1957, 1958). Eine Aufteilung in eine Verwertung der Arbeit im Inland und in eine Verwertung der Arbeit im Ausland nach Maßgabe der Bruttoeinspielergebnisse des von der C. hergestellten Films kommt nicht in Betracht. Das Gesetz stellt darauf ab, wo die nichtselbständige Arbeit, nicht wo das Ergebnis dieser Arbeit verwertet wird. Daher kommt es im Streitfall nicht darauf an, wo der Film, der unter Mitwirkung des Steuerpflichtigen entstand, aufgeführt wurde.

Die Arbeit des Steuerpflichtigen in Italien wurde im Inland verwertet, weil ihr unmittelbarer Erfolg im Inland eintrat. Der Film, den die inländische C. herstellte, entstand - als Ganzes betrachtet - im Inland. Vor allem standen die Leistungsschutzrechte an den Bild- und Tonstreifen zunächst der inländischen C. als Herstellerin zu (Hubmann, Urheber- und Verlagsrecht, 227 f.), mag diese auch die Rechte durch Vertrag vom 27. Februar 1959 weitgehend auf die M. übertragen haben. Der Film war somit ein Erzeugnis der deutschen Volkswirtschaft, auch wenn man diese, wie es das Territorialprinzip nahelegt, in der räumlichen Begrenzung durch das Staatsgebiet sieht. Da die Tätigkeit des Steuerpflichtigen in seiner Eigenschaft als Filmschauspieler - anders als die Mitarbeit untergeordneter Hilfskräfte - unmittelbar in den Film einging, wurde sie im Inland verwertet.

4. Der deutsche Steueranspruch wird durch Art. 7 DBA-Italien vom 31. Oktober 1925 (RGBl II 1925, 1146), der das Besteuerungsrecht dem Staat des Ortes der Ausübung der nichtselbständigen Arbeit zuteilt, nicht ausgeschlossen. Denn dieses Abkommen gilt nur für die Staatsangehörigen der beiden vertragschließenden Staaten (Urteil des RFH IV 233/38 vom 19. April 1939, RFH 46, 323). Das ist im Abkommen nicht ausdrücklich bestimmt, kann aber aus einigen Vorschriften in Verbindung mit der Entstehungsgeschichte geschlossen werden. Nach Art. 13 Abs. 3c werden Personalsteuern - zu denen die hier streitige Steuer allerdings nicht gehört - von dem Staat erhoben, dessen Staatsangehörigkeit der Steuerpflichtige besitzt, wenn der Steuerpflichtige in beiden Staaten weder Wohnsitz noch dauernden Aufenthalt hat. Diese Anknüpfung der Besteuerung an die deutsche oder italienische Staatsangehörigkeit spricht dafür, daß das Abkommen nur für die Staatsangehörigen beider Staaten gelten soll. Aus Nr. 15 des Schlußprotokolls folgt nicht unbedingt das Gegenteil. Nach dieser Bestimmung treffen für Personen, die Staatsangehörige beider vertragschließenden Staaten sind, oder für Personen, die in keinem dieser Staaten die Staatsangehörigkeit besitzen, die obersten Finanzbehörden Vereinbarungen von Fall zu Fall, wenn nach Art. 13 des Abkommens die Staatsangehörigkeit über die Besteuerung entscheidet. Das erweckt den Anschein, daß das Abkommen grundsätzlich auch auf Personen anzuwenden ist, die weder die deutsche noch die italienische Staatsangehörigkeit besitzen. Die Bestimmung kann aber auch die Bedeutung haben, die ihr der RFH in dem Urteil IV 233/38 (a. a. O.) beigelegt hat, nämlich, daß nur für den Fall des Art. 13 Abs. 3c DBA-Italien und nur von Fall zu Fall durch ein Handeln der Verwaltung die Vermeidung der Doppelbesteuerung von Nichtstaatsangehörigen geregelt werden soll.

Auch Art. 15 des DBA-Italien legt die Annahme nahe, daß das Abkommen nur für beiderseitige Staatsangehörige gilt. Nach dieser Bestimmung kann ein Steuerpflichtiger, der sich durch eine Maßnahme der Doppelbesteuerung verletzt fühlt, "bei dem Staate, dem er angehört" Einspruch erheben. Danach blieben Steuerpflichtige, die weder die deutsche noch die italienische Staatsangehörigkeit besitzen, in diesem Punkt schutzlos. Das Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens, Bericht des Steuerausschusses der OECD 1963 (Musterabkommen), das von der Gültigkeit des Abkommens für alle Personen, die in einem Vertragsstaat ansässig sind, ausgeht (Art. 1), dehnt folgerichtig den Schutz aus auf jede "in einem Vertragsstaat ansässige Person" (Art. 25). Der Senat hält es nicht für zulässig, die Worte "bei dem Staate, dem er angehört" in Art. 15 DBA-Italien bereits im Sinne des Art. 25 des Musterabkommens auszulegen.

Lassen diese Erwägungen gleichwohl Zweifel übrig, ob das DBA-Italien grundsätzlich nur für die Staatsangehörigen der beiden vertragschließenden Staaten gelten sollte, so werden diese Zweifel durch die Entstehungsgeschichte des Abkommens beseitigt. Unter dem Einfluß des Nationalitätsprinzips beschränkten die DBA in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ihre Gültigkeit im allgemeinen auf die Staatsangehörigen der Vertragspartner (Bühler, Prinzipien des internationalen Steuerrechts, 54; Musterabkommen Kommentar zu Art. 1). Dr. Herbert Dorn, der auf deutscher Seite das DBA-Italien mitunterzeichnet hat, hielt zwar diesen Standpunkt bereits im Jahr 1925 nicht für folgerichtig und geboten (StuW 1925, 1037 [1046]), ließ aber keinen Zweifel daran, daß dieser Standpunkt für das DBA-Italien noch Gültigkeit habe. Er schrieb wörtlich zum DBA-Italien: "Der Vertrag schafft grundsätzlich nur Rechte für die Staatsangehörigen der beiden vertragschließenden Staaten und die ihnen entsprechenden juristischen Personen und Gesellschaften. Der darüber hinausgehende Gedanke, alle Steuerbürger ... in die Vorteile des Vertrages einzubeziehen, ist hier noch nicht weiter geführt" (StuW 1926, 97 [100]). Diese Äußerung hat Gewicht, da das Ziel der Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages die Feststellung des wirklichen Parteiwillens z. Z. des Vertragsschlusses ist (Schwarzenberger, Einführung in das Völkerrecht, 94) und die Bemerkung von Dr. Herbert Dorn eine Auskunft aus erster Hand über den damaligen Parteiwillen darstellt.

Richtig ist, daß die alte Auffassung, ein DBA gelte nur für die Staatsangehörigen der beiden vertragschließenden Staaten, inzwischen aufgegeben ist (Musterabkommen, Kommentar zu Art. 1). Die neue Auffassung kann aber, so überzeugend sie auch begründet wurde (Seuffert, StuW I 1938 Sp. 203 f.), nicht einem Vertrag untergeschoben werden, der noch von der früheren Auffassung geprägt ist. Vielmehr ist es Sache der Staaten, die den Vertrag geschlossen haben, ihn entsprechend zu ändern. Eine Auslegung des Abkommens unter Berücksichtigung der Entwicklung der Verhältnisse (§ 1 Abs. 2 StAnpG) findet ihre Schranke im Parteiwillen.

5. Der Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 zwischen der BRD und den Vereinigten Staaten von Amerika, ratifiziert durch das Gesetz vom 7. Mai 1956 (BGBl II 1956, 487) und in Kraft seit 14. Juli 1956 (BGBl II 1956, 763), gebietet nicht die Anwendung des DBA-Italien auf den Steuerpflichtigen. In Betracht kommt Art. XI des Vertrages. Nach Art. XI Abs. 1 unterliegen die Staatsangehörigen eines Vertragsteils, die in dem Gebiet des anderen Vertragsteils wohnhaft sind, und die Staatsangehörigen, die in dem Gebiet des anderen Vertragsteils Handel treiben oder sich dort anderweitig betätigen, hinsichtlich der Zahlung von Steuern, Gebühren und Abgaben keiner stärkeren Belastung als unter gleichliegenden Voraussetzungen die Staatsangehörigen des anderen Vertragsteils. Unter diese Bestimmung fällt der Steuerpflichtige schon deshalb nicht, weil er nicht im Inland wohnhaft war und die streitigen Einkünfte auch nicht durch eine Tätigkeit im Inland erzielt hat. Nach Art. XI Abs. 3 unterliegen die Staatsangehörigen eines Vertragsteils in dem Gebiet des anderen Vertragsteils hinsichtlich der Zahlungen von Steuern keiner stärkeren Belastung als unter gleichen Voraussetzungen die Staatsangehörigen irgend eines dritten Landes. Auch diese Vorschrift dürfte schon deshalb nicht eingreifen, weil sie die Besteuerung "in dem Gebiet des anderen Vertragsteils" betrifft, d. h. für einen Angehörigen der Vereinigten Staaten von Amerika: In dem Gebiet der BRD. Im Streitfall werden Einkünfte des Steuerpflichtigen durch die BRD aber nicht in deren Gebiet besteuert. Für die Auslegung der Worte "in dem Gebiet des anderen Vertragsteils" wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit an den Ort der Ausübung und nicht an den Ort der Verwertung der Arbeit anzuknüpfen sein. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls nach den meisten DBA für die Zuteilung des Besteuerungsrechts; der Senat hat ihn deshalb auch auf die Auslegung einer anderen Bestimmung des DBA-USA 1954 vom 22. Juli 1954 (BStBl I 1955, 70) angewandt (BFH-Urteil I R 176/66 vom 2. Mai 1969, BFH 96, 163, BStBl II 1969, 579). Für diese Auslegung spricht auch der Zusammenhang des Art. XI Abs. 3 mit Art. XI Abs. 1 des Vertrages vom 29. Oktober 1954, der, wie erwähnt, die Gleichstellung mit den Inländern an die Voraussetzung knüpft, daß der Staatsangehörige eines Vertragsteils in dem Gebiet des anderen Vertragsteils wohnhaft ist oder dort Handel treibt oder sich dort anderweitig betätigt.

Der Senat braucht indes diese Frage nicht abschließend zu prüfen. Denn er ist der Auffassung, daß Art. XI Abs. 1 (Gleichstellung mit den Inländern) und Abs. 3 des Vertrages vom 29. Oktober 1954 (Gleichstellung mit den Staatsangehörigen eines dritten Staates) nur verbietet, daß der Gesetzgeber einem Staatsangehörigen des anderen Vertragsteils höhere Steuern auferlegt als den eigenen Staatsangehörigen und den Staatsangehörigen eines dritten Staates. Die Bestimmungen gebieten aber nicht, den Staatsangehörigen des anderen Vertragsteils alle Vorteile zukommen zu lassen, die ein Vertragsteil durch ein DBA mit einem dritten Staat seinen Staatsangehörigen und den Staatsangehörigen des dritten Staates einräumt. Eine Meistbegünstigung in diesem Sinne, die zur Ausdehnung eines zweiseitigen Vertrages auf einen dritten Staat führt, ist dem internationalen Steuerrecht grundsätzlich fremd (Bühler, a. a. O., 172).

6. Auch das DBA-USA 1954 schränkt das Besteuerungsrecht der BRD im Streitfall nicht ein, da der Steuerpflichtige in Deutschland keinen Wohnsitz hatte (Art. XV Abs. 1b DBA-USA 1954).

 

Fundstellen

Haufe-Index 412991

BStBl II 1972, 281

BFHE 1972, 557

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