Leitsatz (amtlich)

Die von § 17 Abs.1 Satz 2 BetrAVG erfaßten Personen können die unverfallbare Anwartschaft auf eine zugesagte Pension nicht aktivieren.

 

Orientierungssatz

Ausführungen zur Anwendbarkeit der §§ 1, 2 BetrAVG, wenn der Versorgungsberechtigte kein Arbeitnehmer i.S. der §§ 1 bis 16 BetrAVG ist (vgl. BGH-Urteil vom 28.4.1980 II ZR 254/78); zur entsprechenden Geltung des § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG, wenn Personen betroffen sind, die den Arbeitnehmern nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG gleichgestellt sind; zum grundsätzlichen Ansatz des Anwartschaftsrechts gemäß § 5 EStG aufgrund des Realisationsprinzips, sowie zur Einschränkung des Realisationsprinzips (vgl. Rechtsprechung des BFH, BGH, BVerfG; Abweichung vom BFH-Urteil vom 4.11.1965 IV 5/64 U).

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1, § 4 Abs. 1; BetrAVG §§ 17, 1-2

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Entscheidung vom 12.10.1982; Aktenzeichen VI 208/79)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist selbständige Gastwirtin; sie war im Jahre 1982 69 Jahre alt. Sie betreibt eine Gaststätte, die sie gemäß Vertrag vom 1.November 1960 von P gepachtet hat. Das Pachtverhältnis konnte erstmalig zum 31.Oktober 1963 gekündigt werden. Die Kündigungsfrist betrug drei Monate. In dem Pachtvertrag (§ 4) war bestimmt, daß der Pächter verpflichtet ist, für die Dauer des Pachtverhältnisses den gesamten Bedarf der gepachteten Gaststätte an Spirituosen, Weinbrand, Likören, Wein und Schaumwein in- und ausländischer Herkunft ausschließlich bei P zu beziehen, und zwar auch für Veranstaltungen außerhalb der Gaststätte. Daneben bestand eine Bezugsverpflichtung für nichtalkoholische Getränke und für Roh- und Röstkaffee gegenüber der Firma V sowie für Bier gegenüber der B-AG. Nach dem Pachtvertrag war die Klägerin verpflichtet, in und an den Geschäftsräumen der Gaststätte die von der Verpächterin gewünschte Reklame anbringen zu lassen, soweit sie ihr kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Bei einem Verstoß gegen die in § 4 vereinbarte Bezugsverpflichtung war vom Pächter eine Vertragsstrafe in Höhe von 500 DM zu zahlen.

Unter dem 28.Dezember 1961 erteilte P der Klägerin eine Versorgungszusage. Laut Aufdruck auf der Urkunde wurde diese Zusage in Anerkennung der bisherigen guten wirtschaftlichen Zusammenarbeit und treuen Verbundenheit der Klägerin zu P gewährt. P verpflichtete sich hierin, an die Klägerin eine Altersrente von monatlich 150 DM zu zahlen, sofern das Pachtverhältnis mit der Klägerin noch bis zur Erreichung des Rentenalters (27.September 1978) bestand. An die Stelle der Altersrente sollte, wenn das Pachtverhältnis nach Erfüllung der Wartezeit infolge Erwerbsunfähigkeit vorzeitig gelöst werden mußte, für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit eine Invalidenrente treten. Die Wartezeit war erfüllt, wenn das Pachtverhältnis bei Eintritt der Erwerbsunfähigkeit fünf volle Jahre ohne Unterbrechung bestanden hatte. In Ziff.6 der Versorgungszusage war vorgesehen, daß P die Rentenzahlungen ganz oder teilweise in kapitalisierter Form ablösen dürfe. Ziff.7 bestimmte, daß die Versorgungszusage erlösche, wenn das Pachtverhältnis aus anderen Gründen als durch Tod oder Erwerbsunfähigkeit endete. In Ziff.8 war festgelegt, daß Ansprüche aus der Versorgungszusage weder abgetreten noch verpfändet werden durften. Gemäß Ziff.11 der Versorgungszusage durfte die Firma P die Versorgungszusage ändern bzw. Leistungen kürzen oder einstellen, wenn sich ihre wirtschaftliche Lage wesentlich verschlechtert oder die steuerrechtliche Behandlung der Aufwendungen, die zur planmäßigen Finanzierung der Versorgungsleistungen der Firma gemacht werden, sich wesentlich ändern. Ebenso war eine Einstellung bzw. Kürzung der Leistungen aus der Versorgungszusage vorgesehen, wenn die Klägerin Handlungen begehen würde, die in grober Weise gegen Treu und Glauben verstießen oder zu einer fristlosen Kündigung des Pachtvertrags berechtigen würden.

Die Klägerin hat diese Versorgungszusage unterzeichnet und damit ihr Einverständnis mit dieser Regelung erklärt. In der Bilanz auf den 31.Dezember 1974 war die Versorgungszusage nicht unter den Posten des Anlagevermögens aufgenommen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erhöhte bei der Einkommensteuerveranlagung den erklärten Gewinn aus Gewerbebetrieb um den nach seiner Meinung zu aktivierenden Betrag der Versorgungszusage. Er setzte dabei den gemäß § 6a des Einkommensteuergesetzes (EStG) sich aus der versicherungsmathematischen Berechnung ergebenden Teilwert an und bezifferte diesen mit 9 427 DM.

Der von der Klägerin eingelegte Einspruch hatte deswegen teilweise Erfolg, weil es das FA unterlassen hatte, den sich aus der Aktivierung des Rentenanspruchs ergebenden Mehrbetrag der Gewerbeertragsteuer gewinnmindernd zu berücksichtigen.

Die von der Klägerin erhobene Klage sah das Finanzgericht (FG) als begründet an. Die Entscheidung des FG ist im Betriebs-Berater (BB) 1983, 294 veröffentlicht.

Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung der §§ 4, 5 und 6 EStG.

Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat der Klage zu Recht stattgegeben.

1. Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn aus Gewerbebetrieb durch Betriebsvermögensvergleich. Dazu war sie nach § 5 Abs.1 EStG verpflichtet, auch wenn sie nur freiwillig Bücher geführt und Abschlüsse gemacht haben sollte.

2. Aufgrund des mit P bestehenden Vertragsverhältnisses, das sich auf den Pachtvertrag und den Vertrag über die Versorgungszusage gründete, war für die Klägerin kein Vermögensgegenstand bzw. kein Wirtschaftsgut entstanden, das in der Bilanz zum 31.Dezember 1974 auszuweisen war.

3. Die Klägerin hatte gemäß §§ 1, 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) gegen P eine unverfallbare Anwartschaft auf die zugesagte Pension erlangt.

3.1. Die §§ 1, 2 BetrAVG finden Anwendung, obwohl die Klägerin nicht Arbeitnehmerin im Sinne der §§ 1 bis 16 BetrAVG war (vgl. § 17 Abs.1 Satz 2 BetrAVG). Der Klägerin wurde eine Alters- und Invalidenversorgung aus Anlaß ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen, nämlich für P zugesagt. Die Zusage stand erkennbar im Zusammenhang mit den von der Klägerin zu erbringenden Leistungen (insbesondere der Abnahmeverpflichtung und der Verpflichtung zur Anbringung einer Reklame).

§ 17 Abs.1 Satz 2 BetrAVG findet auch auf Personen Anwendung, die nicht dem Bild eines sozial abhängigen, arbeitnehmerähnlichen Dienstvertragspartner entsprechen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 28.April 1980 II ZR 254/78, BGHZ 77, 94, wonach § 17 Abs.1 Satz 2 BetrAVG neben Handelsvertretern und selbständigen Handwerkern auch Rechtsanwälte und Steuerberater betreffen kann).

3.2. Die §§ 1, 2 BetrAVG waren bereits zum 31.Dezember 1974 anwendbar (vgl. § 32 Satz 1 BetrAVG, wonach das Gesetz am Tage nach seiner Verkündung in Kraft trat; das Gesetz wurde am 21.Dezember 1974 im BGBl I, 3610 verkündet).

3.3. Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen der entsprechend anwendbaren Vorschriften der §§ 1, 2 BetrAVG. Sie hatte zum 31.Dezember 1974 das 35.Lebensjahr vollendet und die Versorgungszusage bestand zum 31.Dezember 1974 bereits zehn Jahre.

3.4. Der Unverfallbarkeit der Anwartschaft zum 31.Dezember 1974 steht nicht entgegen, daß nach der im Jahre 1961 getroffenen Vereinbarung die Altersrente nur gewährt werden sollte, sofern das Pachtverhältnis mit der Klägerin noch bis zur Erreichung des Rentenalters (27.September 1978) fortbestand. Dieser Teil des Vertrages ist gemäß § 17 Abs.3 Satz 3 BetrAVG unbeachtlich. Danach kann von den Bestimmungen des BetrAVG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. § 17 Abs.3 Satz 3 BetrAVG gilt entsprechend, wenn Personen betroffen sind, die --wie die Klägerin-- den Arbeitnehmern nach § 17 Abs.1 Satz 2 BetrAVG gleichgestellt sind (vgl. Blomeyer/Otto, Gesetz zur betrieblichen Altersversorgung, § 17 Rz.193, und Höhne in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, Kommentar zum Betriebsrentengesetz, 2.Aufl., Heidelberg 1982, § 17 BetrAVG Rdnr.125 a).

4. Der Ansatz des Anwartschaftsrechts ist an sich gemäß § 5 EStG geboten (vgl. unten unter 4.1.). Dem Ansatz stehen jedoch gewichtige Gründe entgegen, die einen Ansatz verbieten (vgl. unten 4.2.).

4.1.1. Bestandteil der Grundsätze der ordnungsmäßigen Buchführung, nach denen das Betriebsvermögen der Klägerin zum 31.Dezember 1974 zu ermitteln war (vgl. oben 1.), ist das Realisationsprinzip (vgl. jetzt § 252 Abs.1 Nr.4 des Handelsgesetzbuches --HGB--, sowie Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7.Aufl., S.354, und Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 6.Aufl., S.206 ff.). Es besagt, daß Gewinne handelsrechtlich ausgewiesen werden dürfen --steuerrechtlich allerdings ausgewiesen werden müssen (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3.Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291)--, wenn sie durch den Umsatzprozeß in Erscheinung getreten sind (BFH-Urteil vom 29.November 1973 IV R 181/71, BFHE 111, 89, BStBl II 1974, 202). Dies geschieht, sobald der Leistungsverpflichtete die vereinbarte Leistung erbracht hat; denn damit reduziert sich das Risiko des Leistungsverpflichteten darauf, daß der Vertragspartner den Anspruch mindernde Umstände geltend macht oder sich als zahlungsunfähig erweist (so für den vergleichbaren Fall der Gewinnverwirklichung bei einem Veräußerungsgeschäft; BFH-Urteil vom 27.Februar 1986 IV R 52/83, BFHE 146, 383, BStBl II 1986, 552). Danach wäre die unverfallbare Anwartschaft der Klägerin zum 31.Dezember 1974 zu aktivieren. Die Klägerin hatte ihre Leistungen erbracht, indem sie --wie zwischen den Beteiligten nicht strittig-- den Vertrag erfüllte, der die Grundlage für die Pensionszusage bildete (vgl. auch Döllerer, BB 1974, 1541/1543 ff., und Woerner, Finanz-Rundschau --FR-- 1984, 489/494 rechte Spalte). Ungewöhnliche Risiken standen der Aktivierung nicht entgegen. Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit, das an sich dem Gewinnausweis nicht entgegensteht, war durch die Ansprüche gegen den Träger der Insolvenzsicherung, nämlich den Pensions-Sicherungs-Verein (Versicherungsverein) auf Gegenseitigkeit (§§ 7, 14 BetrAVG), ausgeschlossen. Die erdiente Anwartschaft kann nur in seltenen Ausnahmefällen durch Maßnahmen des Unternehmens in Wegfall gebracht werden, das sich zu den Versorgungsleistungen verpflichtet hat (Urteil des Bundesarbeitsgerichts --BAG-- vom 17.März 1987 3 AzR 64/84, BAGE 54, 261).

4.1.2. Auch der Umstand, daß das Anwartschaftsrecht im Falle des Todes der Klägerin entfällt, stand dem Gewinnausweis nicht entgegen. Dies entspricht der Rechtsprechung, die im Falle der Veräußerung eines im Betriebsvermögen befindlichen Wirtschaftsgutes gegen eine Leibrente den Gewinnausweis fordert (vgl. BFH-Urteile vom 20.Januar 1971 I R 147/69, BFHE 101, 218, BStBl II 1971, 302, und vom 14.Januar 1982 IV R 76/79, nicht veröffentlicht --NV--). Dem Realisationsprinzip ist nicht zu entnehmen, daß der Gewinnausweis ausgeschlossen ist, wenn der Anspruch bzw. die Anwartschaft auf die Gegenleistung allein dem Leistungsverpflichteten zusteht und von ihm nicht abgetreten werden kann oder wenn der Anspruch bzw. die Anwartschaft auf die Gegenleistung im Falle des Todes des Leistungsverpflichteten entfällt. Hängt der Anspruch bzw. die Anwartschaft von dem Erleben ab, wird dem bei der Bewertung Rechnung getragen, indem von der Lebenserwartung ausgegangen wird, die sich aus den allgemeinen Sterbetafeln ergibt.

4.1.3. Dem Gewinnausweis kann auch nicht entgegengehalten werden, daß die Anwartschaft von einem Erwerber des Betriebs der Klägerin nicht angesetzt worden wäre und daß deshalb der Anwartschaft kein Teilwert zukommt (§ 6 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG). Nach dem Gesetz wird die Übertragungsfähigkeit unterstellt. Im übrigen gelten die Ausführungen unter 4.1.2. entsprechend.

4.1.4. Gegen eine Aktivierung der Anwartschaft sprechen auch nicht die von der Klägerin angeführten BFH-Urteile vom 26.Februar 1975 I R 72/73 (BFHE 115, 243, BStBl II 1976, 13), vom 18.Juni 1975 I R 24/73 (BFHE 116, 474, BStBl II 1975, 809) und vom 23.November 1978 IV R 20/75 (BFHE 126, 448, BStBl II 1979, 143); denn diese Urteile betreffen nicht den Gewinnausweis im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages, sondern die Frage, ob ein Wirtschaftsgut infolge einer Anschaffung zu aktivieren ist.

4.1.5. Unerheblich wäre auch, wenn dem Vertragspartner der Klägerin im Streitjahr ein Wahlrecht bezüglich der Passivierung seiner Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin zuzugestehen wäre (vgl. BGH-Urteil vom 27.Februar 1961 II ZR 292/59, BGHZ 34, 324, und § 6a EStG; vgl. jetzt Art.28 Abs.1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch --EGHGB-- für nach dem 31.Dezember 1986 begründete bzw. erhöhte Pensionsansprüche). Die steuerrechtlichen Folgen für die Klägerin sind nicht von der steuerrechtlichen Behandlung desjenigen abhängig, der zur Zahlung der Versorgungsbezüge verpflichtet ist.

4.2. Obwohl danach eine Aktivierung des Anwartschaftsrechts möglich erscheint, hält es der Senat für geboten, diese Möglichkeit zu verneinen, wenn sich das Anwartschaftsrecht --wie im Streitfall-- aus § 17 Abs.1 Satz 2 BetrAVG ergibt. Durch diese Vorschrift werden die Versorgungswerke eines bestimmten Personenkreises demselben Schutz unterstellt, wie er für die Versorgungswerke von Arbeitnehmern besteht. Dem Zweck der Regelung entspricht es, den erfaßten Personenkreis auch hinsichtlich der Besteuerung den Arbeitnehmern jedenfalls insoweit gleichzustellen, als sich die Regelung auf die Besteuerung auswirkt. Ein Arbeitnehmer versteuert die Versorgungsbezüge in vergleichbaren Fällen erst mit dem Zufluß.

Diese Einschränkung des Realisationsprinzips entspricht einer am Gleichheitssatz (Art.3 des Grundgesetzes --GG--) orientierten Auslegung. Wenn der Gesetzgeber aus sozialen Gründen mit § 17 BetrAVG einen bestimmten Personenkreis den Arbeitnehmern hinsichtlich der Versorgungszusage gleichstellt, liegt es im Rahmen der von ihm vorgegebenen Sachgesetzlichkeit, bei der Besteuerung entsprechend zu verfahren (vgl. die auf die vom Gesetzgeber geschaffene Sachgesetzlichkeit abstellenden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 14.März 1963 1 BvL 28/62, BVerfGE 15, 313/318, und vom 16.Februar 1965 1 BvL 20/64, BVerfGE 18, 366/372).

Der von § 17 Abs.1 Satz 2 BetrAVG erfaßte Personenkreis steht insoweit Arbeitnehmern gleich, als zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anwartschaft unverfallbar ist, noch ungewiß ist, ob der Begünstigte je in den Genuß der Versorgungsleistung kommt. Demgegenüber fällt nicht ins Gewicht, daß die durch die Erfassung der Anwartschaft eintretende Erhöhung des zu versteuernden Einkommens im Falle des Wegfalls des Anwartschaftsrechts (infolge der Pensionszahlungen und durch den Tod des Berechtigten) durch eine Minderung der Bemessungsgrundlage ausgeglichen wird. Regelmäßig wird die durch die steuerliche Erfassung des Anwartschaftsrechts eintretende steuerliche Belastung nicht durch die steuerliche Entlastung ausgeglichen, die durch den Wegfall des Anwartschaftsrechts bzw. des Anspruchs auf die Versorgungsbezüge eintritt. Im Regelfall ist die durch die Aktivierung des Anwartschaftsrechts entstehende Steuerbelastung höher als die Entlastung. Die unverfallbare Anwartschaft entsteht zu einer Zeit, zu der der Steuerpflichtige aktiv tätig ist und regelmäßig über ein höheres Einkommen verfügt als beim Bezug der Pensionszahlungen. Die Pensionsansprüche entfallen regelmäßig erst nach dem Eintritt in den Ruhestand durch den Tod des Berechtigten. Hinzu kommt, daß die Aktivierung der Anwartschaft erst mit deren Unverfallbarkeit in Betracht käme. Damit würde es vielfach infolge des progressiven Tarifs zu einer steuerlichen Belastung kommen, die in einem groben Mißverhältnis zu der eines vergleichbaren Arbeitnehmers steht.

5. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der bisherigen Rechtsprechung des BFH ab.

5.1. Soweit diese im Falle der Veräußerung eines einzelnen zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgutes gegen Leibrente die Möglichkeit verneint hat, die Bezüge erst mit dem Zeitpunkt des Zuflusses zu versteuern (vgl. oben 4.1.2.), liegt ein anderer Sachverhalt vor. Bei der Veräußerung eines einzelnen Wirtschaftsgutes befindet sich der Steuerpflichtige nicht in einer Lage, die mit der eines Arbeitnehmers vergleichbar ist. Es steht ihm insbesondere frei, das Wirtschaftsgut gegen einen sofort zu entrichtenden Kaufpreis zu veräußern.

5.2. Die Rechtsprechung hat bei der Veräußerung eines Betriebes gegen laufende Bezüge unter bestimmten Voraussetzungen den Steuerpflichtigen zugestanden, zwischen der Sofortversteuerung des entstehenden Gewinns und einer späteren Versteuerung der laufenden Bezüge zu wählen. Das Wahlrecht wird gewährt, wenn der Kaufpreis in Form von Zahlungen geleistet wird, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und die für den Veräußerer mit einem Wagnis verbunden sind (BFH-Urteile vom 12.Juni 1968 IV 254/62, BFHE 92, 561, BStBl II 1968, 653, und vom 26.Juli 1984 IV R 137/82, BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829), die ratenweise Zahlung des Kaufpreises hauptsächlich vereinbart wird, um zugleich die Versorgung des Berechtigten zu sichern (Urteil in BFHE 92, 561, BStBl II 1968, 653, und BFH-Urteile vom 23.Januar 1964 IV 85/62 U, BFHE 79, 16, BStBl III 1964, 239, und vom 20.Januar 1959 I 200/58 U, BFHE 68, 500, BStBl III 1959, 192), oder der Kaufpreis durch Zahlungen geleistet wird, die durch eine Sachwertklausel des Inhalts gesichert ist, daß den laufenden, ihrer Höhe nach ungewissen Preissteigerungen in einer Branche oder bei einem bestimmten Stoff oder Erzeugnis durch Erhöhung des Nennbetrags der Geldzahlungen Rechnung getragen wird (BFH-Urteil vom 16.Juli 1964 IV 377/62 U, BFHE 80, 410, BStBl III 1964, 622).

Der Senat weicht von dieser Rechtsprechung nicht ab. Sie bezieht sich einmal auf den Fall der Betriebsveräußerung. Sie schließt zum einen nicht aus, daß in anderen Fällen laufende Bezüge erst mit dem Zufluß besteuert werden. Aus der Rechtsprechung ergibt sich auch nicht, daß eine Besteuerung der laufenden Bezüge mit deren Zufluß nur im Rahmen eines Wahlrechts möglich ist. Zum einen betrifft die angeführte Rechtsprechung grundsätzlich nicht die laufende Gewinnermittlung, sondern den Veräußerungsgewinn. Zum anderen ist das Wahlrecht ersichtlich eingeräumt, um dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zu belassen, die Tarifvergünstigung gemäß § 34 Abs.1 EStG für den Veräußerungsgewinn in Anspruch zu nehmen.

5.3. Soweit der Senat von dem Urteil vom 4.November 1965 IV 5/64 U (BFHE 84, 183, BStBl III 1966, 67) abweichen sollte, ist eine Anrufung des Großen Senats nicht erforderlich; denn die Entscheidung ist nicht gemäß § 64 der Reichsabgabenordnung veröffentlicht (§ 181 Nr.5 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 61992

BFH/NV 1989, 14

BStBl II 1989, 323

BFHE 155, 368

BFHE 1989, 368

BB 1989, 676-678 (LT1)

DB 1989, 757-758 (LT)

DStR 1989, 210 (KT)

HFR 1989, 298 (LT)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge