Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderzahlungen des Arbeitgebers beim Wechsel zu einer anderen umlagefinanzierten Zusatzversorgungskasse sind kein Arbeitslohn

 

Leitsatz (amtlich)

Leistet der Arbeitgeber beim Wechsel zu einer anderen umlagefinanzierten Zusatzversorgungskasse Sonderzahlungen, fließt den Arbeitnehmern kein Arbeitslohn zu.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; LStDV § 2 Abs. 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Entscheidung vom 17.09.1996; Aktenzeichen 12 K 7182/95 L)

 

Tatbestand

I. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte mit Urteil vom 22. September 1995 VI R 52/95 (BFHE 179, 72, BStBl II 1996, 136) entschieden, dass die Pauschalierungsvoraussetzungen des § 40b Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch hinsichtlich Zuwendungen an eine nicht rechtsfähige Versorgungseinrichtung vorliegen und deshalb die Sache an das Finanzgericht (FG), das gegenteiliger Auffassung war, zurückverwiesen. Nunmehr hat das FG über die offen gebliebene Frage entschieden, ob die Zuwendungen Arbeitslohn der Streitjahre 1983 bis 1987 gewesen sind, und diese Frage bejaht.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, war zunächst Mitglied der Zusatzversorgungskasse der Stadt W (ZVK). Mit der Mitgliedschaft verfolgte sie den Zweck, ihren Arbeitnehmern beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einen zusätzlichen Versorgungsanspruch zu verschaffen. Die zur Finanzierung der Versorgungsleistungen festgesetzte Umlage wurde in vollem Umfang von den Arbeitgebern getragen. Diese Umlage betrug 1982 zuletzt 7,65 v.H. der Gehälter der versicherten Arbeitnehmer.

Nachdem der Rat der Stadt W beschlossen hatte, die ZVK zum 31. Dezember 1982 aufzulösen, schlossen die ZVK und die R-Zusatzversorgungskasse (R-ZVK) eine Verwaltungsvereinbarung des Inhalts, dass sämtliche Versicherungsverhältnisse einschließlich der bereits laufenden Rentenfälle sowie das gesamte Vermögen der ZVK zum 1. Januar 1983 auf die R-ZVK übergeleitet würden. Die bisherigen Mitglieder der ZVK wurden ab dem 1. Januar 1983 Mitglieder der R-ZVK.

Im Rahmen einer Aufnahmevereinbarung vom 24. November 1982 verpflichtete sich die Klägerin, zum Ausgleich des auf sie entfallenden "versicherungsmathematischen Mindervermögens" der ZVK an die R-ZVK einen am 31. Dezember 1982 fälligen Betrag von 889 607,60 DM zu zahlen. Dieser Betrag wurde in der Weise gestundet, dass unter Berücksichtigung eines 4 %igen Stundungszinses auf die Dauer von 10 Jahren ―erstmals am 1. Februar 1983― eine gleichbleibende monatliche Rate von 9 006,84 DM zu zahlen war. Mit den anderen Mitgliedern der ZVK traf die R-ZVK ähnliche Vereinbarungen. Hierdurch wurde sicher gestellt, dass die von der R-ZVK erhobene Umlage, die bei nur 4 v.H. lag, unverändert bleiben konnte. Wären die Ausgleichszahlungen für die neuen R-ZVK-Mitglieder nicht vereinbart worden, hätte die Umlage für sämtliche Mitglieder erhöht werden müssen. Die Ansprüche der versicherten Arbeitnehmer und die laufenden Renten änderten sich durch die Überleitung von der ZVK zur R-ZVK nach Art und Höhe nicht.

Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) den Tilgungsanteil der Ausgleichszahlungen als Lohnzuflüsse der Jahre 1983 bis 1987 an und forderte hierfür mit den angefochtenen Pauschalierungsbescheiden Lohnsteuer nach.

Das FG wies die hiergegen erhobene Klage im zweiten Rechtsgang ab. Es führte u.a. aus:

Die Ausgleichszahlungen stellten Arbeitslohn dar. Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung der Arbeitnehmer seien dann Arbeitslohn, wenn sich die Sache ―wirtschaftlich betrachtet― so darstelle, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Beträge zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie für seine Zukunftssicherung verwendet hätte. Hierzu gehörten nicht nur die im Umlageweg erfolgten Zahlungen, sondern auch Sonderzahlungen, wenn sie ―wie im vorliegenden Fall― lediglich anstelle einer ansonsten höheren Umlage geleistet würden. Das FA habe die Ausgleichszahlungen auch zutreffend als Zuwendungen der Jahre 1983 bis 1987 und nicht des Jahres 1982 angesehen.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 11 EStG. Es könne dahinstehen, ob es sich bei dem anlässlich des Wechsels von der ZVK zur R-ZVK entstandenen Verpflichtung zur Zahlung eines Einmalbetrages überhaupt um Arbeitslohn handele, da die diesbezügliche Zuwendung nicht in den Streitjahren 1983 bis 1987, sondern bereits außerhalb des Prüfungszeitraums im Jahr 1982 erfolgt sei.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die angefochtenen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheide aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat seinen Beitritt zum Revisionsverfahren erklärt (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). In seiner Stellungnahme vertritt es u.a. die Auffassung, dass es sich bei den Ausgleichszahlungen um steuerpflichtige Umlagezahlungen und damit um Arbeitslohn gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG handele. Die Zahlungen hätten den Charakter von Umlagevorauszahlungen. Diese dienten ausschließlich dazu, die Höhe der laufenden Umlagen der R-ZVK auf dem niedrigen Niveau von 4 v.H. zu halten und damit für die Arbeitgeber ab dem 1. Januar 1983 erheblich zu reduzieren sowie die Zusatzversorgung für die Versicherten zu stabilisieren.

Als vorweggenommene pauschale Umlagezahlungen seien die Ausgleichszahlungen als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen von Arbeitskraft im weitesten Sinn zu beurteilen. Soweit sich die Klägerin gegenüber der R-ZVK zur Zahlung freiwillig verpflichtet habe, könne dies in ihren steuerlichen Auswirkungen einer gesetzlichen Verpflichtung nicht gleichgestellt werden.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Pauschalierungsbescheide (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die streitigen Ausgleichszahlungen Arbeitslohn darstellen.

1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden.

Zum Arbeitslohn gehören auch Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesen nahe stehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (Zukunftssicherung), wenn der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch gegen die Versorgungseinrichtung erwirbt (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung ―LStDV―; BFH-Urteil vom 16. April 1999 VI R 60/96, BFHE 188, 334, BStBl II 2000, 406). Steht dem durch die Versicherung begünstigten Arbeitnehmer ein Rechtsanspruch gegen die Pensionskasse auf Leistung zu, fließen ihm durch die Zuwendung des Arbeitgebers an die Pensionskasse Leistungen aus dem Dienstverhältnis zu. Es liegt wirtschaftlich so, als hätte der Arbeitgeber die Zahlungen an den Arbeitnehmer und dieser sie an die Pensionskasse geleistet (vgl. das BFH-Urteil vom heutigen Tag VI R 32/04, zur Veröffentlichung bestimmt, m.w.N.).

2. Der Senat lässt dahinstehen, ob die ursprünglich bei der ZVK versicherten Arbeitnehmer der Klägerin durch die Ausgleichszahlungen einen Vorteil erlangt haben (vgl. dazu BFH-Urteil vom heutigen Tag VI R 32/04). Denn die Beträge werden jedenfalls nicht "für" deren Arbeitsleistung gewährt (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).

a) Dem genannten Tatbestandsmerkmal ist zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter haben muss. Demgegenüber sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 VI R 29/00, BFHE 208, 104, BStBl II 2005, 367, m.w.N.; Küttner/Thomas, Personalbuch 2005, Stichwort: Arbeitsentgelt, Rz. 48 ff.). Davon ist hier auszugehen.

Sichert der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung aus eigenen Mitteln zu, obliegt ihm allein deren Finanzierung und Sicherung. Er hat für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann zu sorgen, wenn die Durchführung der Leistung durch einen Dritten erfolgt. Das bedeutet u.a., dass der Arbeitgeber, der, wie die Klägerin, die Versorgungsanwartschaften seiner Arbeitnehmer über Umlagen finanziert hat, für die finanziellen Folgen einstehen muss, die mit dem Wechsel zu einer anderen Zusatzversorgungskasse verbunden sind. Durch den Wechsel ausgelöste Sonderzahlungen dienen ausschließlich dem (eigen-)betrieblichen Interesse des Arbeitgebers an der Sicherstellung seiner Versorgungszusage.

b) Zwar können Zahlungen des Arbeitgebers auch in Form einer Pauschalzuweisung Arbeitslohn der von dieser Zuwendung begünstigten Arbeitnehmer sein. So hat der Senat entschieden, dass Pauschalzuweisungen eines Arbeitgebers an eine betriebliche Pensionskasse zur Abdeckung von Fehlbeträgen des Deckungskapitals Arbeitslohn der aktiven Arbeitnehmer oder der Pensionäre sind, wenn die Beiträge zu Pensionskassen allein vom Arbeitgeber getragen werden und die Höhe der laufenden Beiträge versicherungsmathematisch nicht exakt kalkuliert wurde (BFH-Urteil vom 7. Juli 1972 VI R 116/69, BFHE 107, 11, BStBl II 1972, 890). Entscheidend war dabei, dass die Pauschalzuweisung wirtschaftlich an die Stelle eines eigenen Beitrags des Arbeitnehmers trat, da sie dazu diente, Fehlbeträge auszugleichen, die aufgrund der fehlenden versicherungsmathematischen Kalkulation der Beiträge von vornherein billigend in Kauf genommen wurden. In diesem Fall ist die Deckung der Fehlbeträge wirtschaftlich nichts anderes als die Nachzahlung einer Umlage (Birk/Hohaus, Finanz-Rundschau 2003, 441). Im Streitfall beruhten die Ausgleichszahlungen der Klägerin nicht auf einer fehlenden versicherungsmathematischen Kalkulation der Beiträge zur ZVK, sondern unmittelbar auf der "Aufnahmevereinbarung" vom 24. November 1982 zwischen der Klägerin und der R-ZVK und mittelbar auf der politisch motivierten Entscheidung der Stadt W, die ZVK aufzulösen. Der Senat geht davon aus, dass der Umlagesatz der ZVK von 7,65 v.H. zur Deckung sämtlicher Ausgaben ausgereicht hätte, falls es nicht zur Auflösung der ZVK zum 31. Dezember 1982 gekommen wäre.

3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist seine Entscheidung aufzuheben. Der spruchreifen Klage ist stattzugeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1442209

BFH/NV 2005, 2300

BStBl II 2006, 532

BFHE 2006, 443

BFHE 210, 443

BB 2005, 2449

DB 2005, 2447

DStRE 2005, 1447

DStZ 2005, 808

HFR 2005, 1165

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