Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Beiladung einer vollbeendeten GbR sowie ausnahmsweise anderer ehemaliger Gesellschafter bei unzulässiger Klage oder fehlender steuerrechtlicher Betroffenheit; Beschwer bei Feststellungsbescheiden

 

Leitsatz (NV)

1. Eine aufgelöste und abgewickelte GbR ist zum Klageverfahren eines ehemaligen Gesellschafters wegen einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung nicht mehr beizuladen.

2. Prozeßführungsbefugt sind unabhängig von den besonderen Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO die ehemaligen Gesellschafter im Rahmen des § 40 Abs. 2 FGO.

3. Die weiteren ehemaligen Gesellschafter brauchen ausnahmsweise nicht zum Klageverfahren des klagenden Gesellschafters notwendig beigeladen zu werden, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist oder die nichtklagenden ehemaligen Gesellschafter unter keinem denkbaren Gesichtspunkt steuerrechtlich betroffen sind.

4. Die im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren unterlassene notwendige Hin zuziehung kann durch die Beiladung zum gerichtlichen Verfahren geheilt werden. Jedoch muß die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung noch nachgeholt werden, um deren einheitliche Wirkung gegenüber allen am Verfahren zu beteiligenden Personen herbeizuführen.

 

Normenkette

AO 1977 § 179 Abs. 1-2, § 180 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 3, § 360 Abs. 3; FGO § 40 Abs. 2, § 48 Abs. 1 Nrn. 1-3, § 60 Abs. 3 S. 1

 

Tatbestand

Im Anschluß an eine Prüfung der Steuerfahndung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erstmals am 24. Juli 1986 gesonderte und einheitliche Feststellungsbescheide für die Feststellungszeiträume 1978 bis 1982 gegen die ehemaligen Gesellschafter der A und B GbR, nämlich Herrn A, Kläger und Revisionskläger (Kläger), Frau B und Herrn B, letztere beide seit November 1978 wohnhaft in Großbritannien.

Der Einspruch des Klägers gegen die Gewinnfeststellungsbescheide hatte nur für das Streitjahr 1978 teilweise Erfolg.

Mit der Klage wandte sich der Kläger gegen die Annahme, die GbR habe über den 31. Oktober 1978 hinaus fortbestanden, die Geschäftsleitung der zum 1. November 1978 gegründeten Partnership und der im Januar 1979 errichteten Limited sei von ihm in Deutschland ausgeübt worden und bezüglich dieser beiden Gesellschaften lägen die Voraussetzungen des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) vor mit der Folge der Zurechnung deren Gewinne auf eine aus allen drei Gesellschaftern in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) bestehende GbR.

Das Finanzgericht (FG) stellte durch Beiziehung der Einkommensteuerakten vom FA X fest, daß die Einkommensteuer für die Jahre 1978 bis 1990 gegen den Kläger bestandskräftig jeweils auf 0 DM festgesetzt worden war. In den Einkommensteuerbescheiden seien die Beteiligungseinkünfte aus der A-B GbR enthalten und jeweils Verlustrückträge berücksichtigt. Der Verlustvortrag aus dem Jahr 1984 habe im Jahr 1986 nur noch teilweise abgesetzt werden können. Für 1987 bis 1989 habe es keiner Inanspruchnahme von Verlustvor- bzw. -rückträgen mehr bedurft.

Das FG wies die Klage mangels Beschwer als unzulässig ab.

Obsiegte der Kläger, so wirkte sich dies nicht auf dessen Einkommensteuerfestsetzungen aus. Die Einkommensteuer sei jeweils auf 0 DM festgesetzt worden. Der Verlust des Jahres 1984 sei teilweise verfallen. Würden für 1978 keine Beteiligungseinkünfte angesetzt, so führe dies wegen eines positiven zu versteuernden Einkommens zu keinem Verlustrücktrag nach 1977. Der Kläger habe trotz entsprechender Hinweise des Berichterstatters auch keine einkommensteuerlichen Auswirkungen dargelegt. Auswirkungen auf die Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge reichten hingegen nicht aus, um eine Beschwer in dem gegen die Feststellungsbescheide gerichteten Klageverfahren zu begründen. Ent gegen der Auffassung des Klägers sei die Beschwer nicht allein in bezug auf die Gewinnfeststellungsbescheide zu überprüfen.

Da die Klage offensichtlich unzulässig sei, habe es auch keiner notwendigen Beiladung der Eheleute B bedurft.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung der §§ 40 Abs. 2, 42 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Feststellungs bescheide 1978 bis 1982 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 28. September 1988 nach Maßgabe des Schreibens vom 28. Januar 1987 zu ändern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig und begründet.

Das erstinstanzliche Urteil war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO), weil das FG es zu Unrecht unterlassen hat, die weiteren ehemaligen Gesellschafter, Frau und Herrn B, zum Verfahren beizuladen.

1. Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen.

a) Eine Beiladung der aufgelösten und liquidierten und damit handelsrechtlich voll beendeten A-B GbR kommt nicht mehr in Betracht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. März 1993 IV B 166/91, BFH/NV 1993, 674; vom 6. März 1990 VIII R 28/84, BFHE 160, 140, BStBl II 1990, 558; vom 26. Oktober 1989 IV R 23/89, BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333, 334; vom 21. Juli 1987 VIII R 302/82, BFH/NV 1989, 304, 305; vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544, 545; Beschluß vom 15. Januar 1987 IV B 95/86, BFH/NV 1987, 659, 660). Zugleich ist die Klagebefugnis der gewerbliche Einkünfte erzielenden GbR erloschen (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO). Prozeßführungsbefugt sind unabhängig von den besonderen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO im Rahmen des § 40 Abs. 2 FGO die ehemaligen Gesellschafter (Urteile in BFH/NV 1993, 674, 675; vom 8. Oktober 1991 VIII R 85/88, BFH/NV 1992, 324, 325 m. w. N.).

Im Streitfall geht es zum einen um die Frage, in welcher Zusammensetzung die ursprüngliche GbR und für welchen Zeitraum sie bestanden hat. Der Kläger behauptet, die GbR sei bereits im Laufe des Streitjahres 1978 voll beendet worden. Zudem ist die GbR ursprünglich nur von dem Kläger und Frau B vereinbart worden. Ob die Partnership und die Limited jeweils steuerrechtlich eigenständig anzuerkennende Gesellschaften darstellen oder -- wie der Beklagte meint -- deren Ergebnisse einkommensteuerrechtlich einer aus drei Gesellschaftern bestehenden GbR nach § 42 AO 1977 zuzurechnen sind, kann gegenüber diesen ehemaligen Gesellschaftern nur einheitlich entschieden werden (vgl. BFH-Beschluß vom 26. März 1991 VIII R 2/88, BFH/NV 1992, 177, 178; Urteil vom 9. April 1991 IX R 78/88, BFHE 163, 517, BStBl II 1991, 809, 810).

b) Die notwendige Beiladung der ehemaligen Gesellschafter durfte auch nicht -- ausnahmsweise -- deshalb unterbleiben, weil die Klage offensichtlich unzulässig wäre (vgl. dazu BFH-Urteile vom 27. November 1990 VIII R 206/84, BFH/NV 1991, 692, 693; vom 9. Mai 1979 I R 100/77, BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632, 633 mit ausführlicher Begründung) oder die nichtklagenden ehemaligen Gesellschafter unter keinem denkbaren Gesichtspunkt steuerrechtlich betroffen wären (vgl. dazu BFH/NV 1991, 692, 693; BFH-Urteil vom 22. Mai 1990 VIII R 120/86, BFHE 160, 558, BStBl II 1990, 780).

Offensichtlich unzulässig ist die Klage hier schon deshalb nicht, weil das FG eine fehlende Beschwer erst nach Beiziehung der Einkommensteuerakten und einer ausführlichen Prüfung möglicher Auswirkungen einer Entscheidung über die Feststellungsbescheide auf die Einkommensteuerfestsetzungen nicht nur bezüglich der Streitjahre, sondern im gesamten Zeitraum möglicher Verlustrück- und -vorträge angenommen hat.

2. a) Ist eine notwendige Beiladung unterlassen worden, so stellt dies als Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens einen wesentlichen, auch ohne Rüge im Revisionsverfahren zu prüfenden Mangel des Verfahrens dar, der zur Zurückverweisung -- ohne Sachprüfung -- führt (BFH-Urteil vom 19. April 1988 VII R 56/87, BFHE 153, 472, BStBl II 1988, 789, ständige Rechtsprechung).

Da die Beizuladenden bisher keine Gelegenheit hatten, sich zum Verfahren zu äußern, ist dem erkennenden Senat auch eine abschließende Stellungnahme zur Zulässigkeit der Klage verwehrt (BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632, 634). Die vom FA unterlassene gleichfalls notwendige Hinzuziehung der Gesellschafter (§ 360 Abs. 3 AO) kann durch die Beiladung zum gerichtlichen Verfahren geheilt werden (vgl. Urteil vom 22. November 1988 VIII R 62/85, BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359, 360). Jedoch muß die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung noch nachgeholt werden, um deren einheitliche Wirkung gegenüber allen am Verfahren beteiligten Per sonen herbeizuführen (dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 13. März 1991 VIII R 123/85, BFH/NV 1992, 46, 47 m. w. N.).

b) Der Senat gibt aus prozeßökonomischen Gründen folgende Hinweise:

aa) Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bereits allein darin eine Beschwer erblickt, daß in dem Feststellungsbescheid eine andere als die vom Kläger begehrte Vermögensart (BFH-Urteil vom 17. Februar 1993 II R 25/90, BFHE 171, 311, BStBl II 1993, 584, 585) oder Einkunftsart festgestellt worden ist (BFH-Urteile vom 24. April 1991 X R 84/88, BFHE 164, 385, BStBl II 1991, 713, 714; vom 24. Januar 1985 IV R 249/82, BFHE 143, 75, BStBl II 1985, 676; vom 10. Oktober 1964 VI 29/63 U, BFHE 78, 374, BStBl III 1964, 144, 145); das Bestehen einer Mitunternehmerschaft angenommen wird (BFH-Urteil vom 9. Mai 1984 I R 25/81, BFHE 141, 252, BStBl II 1984, 726, 727, wobei selbst bei Personenidentität zwischen mehreren Gesellschaften zu unterscheiden ist, vgl. BFHE 78, 374, BStBl III 1964, 144, 145); die Höhe des Gewinns abweichend festgestellt (BFH-Urteil vom 26. Juli 1984 IV R 13/84, BFHE 142, 96, BStBl II 1985, 3) oder Gewinne und Verluste einbezogen worden sind (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1991 I R 86/89, BFHE 166, 74, BStBl II 1992, 185, 186).

Die Beschwer liegt darin, daß eine vom Steuerpflichtigen behauptete Rechtsposition allgemein mit steuerrechtlich verbindlicher Wirkung festgestellt oder geleugnet wird (§ 40 Abs. 2 FGO i. V. m. §§ 179, 180 AO 1977; BFHE 125, 104, BStBl II 1978, 510, 511; BFH-Urteile vom 26. März 1971 VI R 131-135/68, BFHE 102, 66, BStBl II 1971, 478, 479; vom 11. März 1976 IV R 133/75, nicht veröffentlicht).

Der dienende Zweck der Feststellung gegenüber der Steuerfestsetzung (vgl. BFH- Urteil vom 14. Oktober 1987 I R 381/83, BFH/NV 1989, 141, 143) vermag an den verfahrensrechtlichen Auswirkungen dieser Verselbständigung der Feststellung einzelner Besteuerungsgrundlagen nichts zu ändern.

Die Durchführung eines einheitlichen und gesonderten Feststellungsverfahrens nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 ist grundsätzlich zwingende Voraussetzung für die in diesen Verfahren zu treffenden Feststellungen und für die entsprechenden Einzelveranlagungen der Gesellschafter. Eine konkrete Prüfung der jeweiligen einkommensteuerrechtlichen Auswirkungen durchbricht das System der Verselbständigung der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen, wie sie in zahlreichen verfahrensrechtlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommt (vgl. §§ 157 Abs. 2, 179 Abs. 1, 182 Abs. 1, 351 Abs. 2 AO 1977; ferner §§ 175 Abs. 1 Nr. 1, 181 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 AO 1977). Ob und in welchem Umfang die Feststellungen bei den Steuerveranlagungen der einzelnen beteiligten Gesellschafter sich jeweils auswirken und anfechtbar sind, kann nicht von der jeweiligen Ermittlungsintensität des Gerichts hinsichtlich der Folgebescheide abhängen. Andernfalls läge es im Ermessen des FG, die Anfechtbarkeit von Feststellungsbescheiden als Grundlagenbescheide verfahrensrechtlich zu steuern.

Nicht anders ist zu entscheiden, wenn der angefochtene Feststellungsbescheid erst nachträglich, also nach Erlaß der Einkommensteuerfestsetzung ergeht (BFHE 142, 96, BStBl II 1985, 3, 4; BFH-Beschluß vom 19. Oktober 1978 IV B 34/77, BFHE 125, 510, BStBl II 1978, 632).

bb) Zu der weiteren, sich im Rahmen einer Sachentscheidung stellenden Frage, ob eine einheitliche Feststellung für einzelne Feststellungszeiträume entfällt (§ 180 Abs. 3 AO 1977), weil nur eine der an den Einkünften beteiligte Person mit ihren Einkünften in der Bundesrepublik einkommensteuerpflichtig war, weist der Senat auf die folgenden BFH-Entscheidungen vom 12. Juli 1988 IX B 28/88 (BFH/NV 1989, 87, 88) und in BFHE 166, 74, BStBl II 1992, 187 hin.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420021

BFH/NV 1995, 318

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