Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung bei Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

 

Leitsatz (NV)

1. Begehrt ein Beteiligter an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ein Grundstück erworben hat, erhöhte Absetzungen (§ 14 a BerlinFG) wegen Ausbaues des Dachgeschosses zu neugeschaffenem Wohnraum, so sind im finanzgerichtlichen Verfahren die anderen Gesellschafter als Miteigentümer des Grundstücks notwendig beizuladen.

2. Die Unterlassung der notwendigen Beiladung durch das FG ist ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der im Revisionsverfahren auch ohne Rüge zu beachten ist. Ein Verzicht auf die notwendige Beiladung ist ebensowenig möglich wie eine Nachholung in der Revisionsinstanz (ständige Rechtsprechung).

 

Normenkette

FGO § 48 Abs. 1-2, § 60 Abs. 3, § 123 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Ärztin. Sie und ein Kollege (A) erwarben 1978 in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ein bebautes Grundstück, auf dem sie ihre Arztpraxen betreiben. Das Grundstück ist ausweislich des Einheitswertsbescheids auf den 1. Januar 1979 Geschäftsgrundstück.

In den Jahren 1978 und 1979 baute die Klägerin als alleinige Bauherrin das Dachgeschoß des Hauses im frei finanzierten Wohnungsbau zu neugeschaffenem Wohnraum aus, den sie seit 1. Oktober 1979 ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Mit dem geänderten Feststellungsbescheid 1979 vom 26. April 1982 versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die für den Ausbau von der Klägerin geltend gemachten erhöhten Absetzungen gemäß § 14 a Abs. 5 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in Höhe von 40 000 DM und berücksichtigte bei ihr nur die Absetzung für Abnutzung (AfA) von 2 % für drei Monate = 666 DM.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) begünstigt § 14 a Abs. 5 BerlinFG nur Ausbauten und Erweiterungen an Mehrfamilienhäusern. Dies ergebe sich aus dem Bedeutungszusammenhang, aus § 31 a Abs. 6 BerlinFG sowie aus den Gesetzesmaterialien.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 14 a Abs. 5 BerlinFG.

Sie beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Feststellungsbescheid 1979 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 1982 dahin abzuändern, daß die auf sie entfallenden Einkünfte mit ./. 55 118 DM berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, den Mitgesellschafter A gemäß § 60 Abs. 3 FGO beizuladen. Nach dieser Vorschrift sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen. Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind.

A ist klagebefugt. Der von der Klägerin angefochtene Feststellungsbescheid enthält die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die die Klägerin und A in gesamthänderischer Verbundenheit erzielt haben. Klagebefugt sind gemäß § 48 Abs. 2 FGO alle Mitberechtigten, gegen die der einheitlichen Feststellungsbescheid ergangen ist, unabhängig von den Beschränkungen, die § 48 Abs. 1 FGO für die Feststellung gewerblicher Einkünfte ausspricht (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. September 1981 VIII R 90/79, BFHE 134, 505, BStBl II 1982, 216). Insbesondere die Anwendung des § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO, wonach bei einer Frage, die einen Gesellschafter persönlich angeht, der Gesellschafter klagebefugt ist, der durch die Feststellung über diese Frage berührt wird, ist nicht anwendbar. Klagebefugnis und notwendige Beiladung hängen in dem Sinn zusammen, daß die Klagebefugten, die nicht selbst Klage erhoben haben, notwendig beizuladen sind (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1974 I R 62/74, BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209).

Die notwendige Beiladung kann allerdings ausnahmsweise unterbleiben, wenn die nicht klagenden Gesellschafter unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich betroffen sind (vgl. BFH-Urteil vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544). A ist jedoch durch die Feststellung - abgesehen von der Höhe des Gesamtüberschusses der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - jedenfalls deshalb betroffen, weil ihm gegenüber als Miteigentümer des Grundstücks bindend über die alleinige Berechtigung der Klägerin, AfA auf die Ausbaukosten vorzunehmen, entschieden wird.

Die Unterlassung der notwendigen Beiladung ist ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der im Revisionsverfahren auch ohne Rüge zu beachten ist (BFHE 134, 505, BStBl II 1982, 216). Ein Verzicht auf die notwendige Beiladung ist ebensowenig möglich, wie eine Nachholung in der Revisionsinstanz (§ 123 Satz 1 FGO; vgl. BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416271

BFH/NV 1989, 707

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