Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichzeitige Inanspruchnahme unterschiedlicher Fördermöglichkeiten für dieselbe Baumaßnahme; Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids i.S. des § 7i Abs. 2 EStG

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 10f Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 EStG schließt eine Doppelförderung derselben Aufwendungen aus. Die Vorschrift hindert jedoch nicht die gleichzeitige Inanspruchnahme unterschiedlicher steuerlicher Fördermöglichkeiten für dieselbe Baumaßnahme.

2. Der Grundlagenbescheid i.S. des § 7i Abs. 2 EStG ist nur insoweit bindend, als er den Nachweis der denkmalschutzrechtlichen Voraussetzungen des § 7i Abs. 1 EStG erbringt. Über das Vorliegen der übrigen steuerrechtlich bedeutsamen Tatbestandsmerkmale haben die Finanzbehörden in eigener Zuständigkeit zu entscheiden. Ihnen ist auch die Beurteilung, ob ein Gebäude ein Baudenkmal oder ein Neubau ist, vorbehalten (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 13. September 2001 IX R 62/98, BFHE 196, 550, BStBl II 2003, 912).

 

Normenkette

EStG §§ 10f, 7i; GG Art. 108 Abs. 2 S. 2; FVG § 17 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Sächsisches FG (Entscheidung vom 11.04.2002; Aktenzeichen 2 K 1616/99)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) ―zusammen veranlagte Eheleute― erwarben mit Vertrag vom 23. März 1996 einen Miteigentumsanteil an dem mit einem Produktions- und Lagergebäude bebauten Grundstück in B, verbunden mit dem Sondereigentum an einem Teil einer in Fachwerkbauweise errichteten Scheune. Nach Durchführung von umfangreichen Baumaßnahmen nutzten die Kläger das von ihnen erworbene Sondereigentum zu eigenen Wohnzwecken. Die Aufwendungen für die Baumaßnahmen beliefen sich auf 367 531,09 DM. Die Kläger stellten im November 1997 einen Antrag auf Gewährung von Eigenheimzulage. Dabei gaben sie "Anschaffungskosten/Herstellungskosten" in Höhe von 360 000 DM an. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) setzte mit Bescheid vom 2. Januar 1998 Eigenheimzulage in Höhe von jeweils 8 000 DM für die Jahre 1997 bis 2004 fest. Bei der Berechnung des Fördergrundbetrags in Höhe von 5 000 DM ging das FA, wie sich aus dem Bescheid ergibt, von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 360 000 DM aus. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 4. August 1998 erteilte das Regierungspräsidium C den Klägern "eine Bescheinigung gemäß §§ 7i, 10f und 11b EStG".

Darin heißt es:

"(Die Bescheinigungsbehörde) bestätigt, daß das Gebäude/der Gebäudeteil

ein Baudenkmal nach § 2 Abs. 1 des Sächsischen Denkmalschutzgesetzes (SächsDschG) ist…

Die hieran durchgeführten Arbeiten, die zu Aufwendungen von 340 492,81 DM einschließlich Mehrwertsteuer geführt haben, waren im Sinne der §§ 7i, 10f und 11b EStG nach Art und Umfang

Anschaffungskosten: 30 274,95 DM

zur Erhaltung des Gebäudes/Gebäudeteiles als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich…

Die Bescheinigung ist nicht alleinige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung. Die Finanzbehörde prüft weitere, steuerrechtliche Voraussetzungen, insbesondere die Abziehbarkeit der Aufwendungen als Betriebsausgaben, Werbungskosten oder wie Sonderausgaben und die Zugehörigkeit der Aufwendungen zu den Anschaffungskosten im Sinne des § 7i Abs. 1 Satz 5 EStG oder den Herstellungskosten, zu den Werbungskosten, insbesondere zum Erhaltungsaufwand oder zu den nicht abziehbaren Kosten…

Diese Bescheinigung dient zur Vorlage beim Finanzamt…"

Die Kläger beantragten daraufhin im Rahmen der Einkommensteuererklärung für 1997 die Steuerbegünstigung nach § 10f des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dies lehnte das FA mit der Begründung ab, dass Aufwendungen in Höhe von 360 000 DM bereits in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Eigenheimzulage einbezogen worden seien.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage, mit der die Kläger die Berücksichtigung eines Abzugsbetrages nach § 10f EStG aus einer Bemessungsgrundlage von 240 415,82 DM begehrten, statt.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Zwar hat das FG zu Recht entschieden, dass § 10f Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 EStG der Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nicht entgegen steht. Indes enthält entgegen seiner Auffassung die von der Denkmalbehörde erteilte Genehmigung keine bindende Entscheidung über die Fördervoraussetzungen.

1. Nach § 10f Abs. 1 EStG kann der Steuerpflichtige Aufwendungen "an einem eigenen Gebäude" im Kalenderjahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den neun folgenden Kalenderjahren jeweils bis zu 10 v.H. wie Sonderausgaben abziehen, wenn die Voraussetzungen des § 7h oder des § 7i EStG vorliegen. Die Aufwendungen sind nur begünstigt, soweit der Steuerpflichtige das Gebäude in dem jeweiligen Kalenderjahr zu eigenen Wohnzwecken nutzt und die Aufwendungen nicht in die Bemessungsgrundlage nach § 10e EStG oder dem Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) einbezogen hat (§ 10f Abs. 1 Satz 2 EStG).

§ 10f Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 EStG schließt nur eine mehrfache Begünstigung derselben Aufwendungen aus. Die Vorschrift hindert jedoch nicht die gleichzeitige Inanspruchnahme unterschiedlicher steuerlicher Förderungsmöglichkeiten für dieselbe Baumaßnahme. Dies folgt aus dem Wortlaut sowie aus dem Sinn der Bestimmung. Die Kläger haben die Aufwendungen in Höhe von 240 415,82 DM nicht in die Bemessungsgrundlage nach dem EigZulG einbezogen.

a) Der Wortlaut des § 10f Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 EStG enthält ―anders als etwa § 7a Abs. 5 EStG (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 26. Februar 2002 IX R 42/99, BFHE 198, 432, BStBl II 2002, 472) und § 7 Abs. 2 des Fördergebietsgesetzes ―FördG― (vgl. dazu BFH-Urteil vom 14. September 1999 IX R 35/97, BFHE 189, 433, BStBl II 2000, 478)― kein ausdrückliches Verbot der Mehrfachförderung derselben Baumaßnahme. Die "Soweit"-Regelung bewirkt auch keinen Vorrang des EigZulG vor der Steuerbegünstigung nach § 10f EStG. Eine solche Vorrangstellung hat der Gesetzgeber etwa in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FördG Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten eingeräumt. Danach sind Aufwendungen nur begünstigt, "soweit" sie nicht zu den Betriebsausgaben oder Werbungskosten "gehören". § 10f Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 EStG regelt demgegenüber das Verhältnis zwischen den verschiedenen Fördermöglichkeiten nicht und schließt damit eine kumulative Förderung auch nicht aus. Die Vorschrift enthält insoweit lediglich eine Einschränkung zur Vermeidung einer Doppelförderung derselben Aufwendungen. Sie entspricht damit § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FördG (vgl. dazu Senatsentscheidung vom 24. Januar 2001 X R 73/97, BFHE 195, 131, BStBl II 2001, 603).

b) Die Mehrfachförderung derselben Baumaßnahme entspricht auch der Zielsetzung des Gesetzgebers. Mit der besonderen steuerlichen Förderung nach § 10f EStG wollte der Gesetzgeber, ergänzend zu der allgemeinen Förderung selbst genutzter Wohnungen, einerseits einen Ausgleich schaffen u.a. für "die besonderen Belastungen von Eigentümern zu eigenen Wohnzwecken genutzter Baudenkmale durch die öffentlich-rechtlichen Bindungen nach dem Denkmalschutzrecht der Länder" und andererseits die Erhaltung von Baudenkmalen und alter Bausubstanz aus städtebaulichen und wohnungspolitischen Gründen fördern (Hahn, Der Betrieb ―DB― 1990, 65; Biergans, Finanz-Rundschau ―FR― 1990, 133; Lambrecht in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, § 10f Rdnr. 1). Zu diesem Ziel bemerkt die Begründung zum Regierungsentwurf eines § 10f, nach dessen Abs. 1 Satz 2 sei die Inanspruchnahme von Abzugsbeträgen nach § 10e EStG gleichzeitig mit den Abzugsbeträgen nach § 10f EStG "für dieselben Aufwendungen in dem jeweiligen Kalenderjahr ausgeschlossen" (BTDrucks 11/5680, S. 13). Die besondere Förderung nach § 10f EStG ist deshalb unabhängig von der allgemeinen Förderung selbst genutzter Wohnungen (Biergans, FR 1990, 133; Stephan, DB 1992, 8).

c) Daraus folgt, dass der Eigentümer nicht nur zwischen dem Sonderausgabenabzug nach § 10f EStG und der Inanspruchnahme der Eigenheimzulage wählen kann (Kleeberg in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 10f Rz. B 28; a.A. Boeker in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 10f Rdnr. 25). Der Steuerpflichtige kann auch durch entsprechende Zuordnung der Aufwendungen zu den beiden Fördermöglichkeiten eine optimale steuerliche Förderung erreichen (Stuhrmann in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 10f Rz. 25; Ehrhard in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 10f Rz. 22; Meyer/Clausen in Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 10f EStG Rdnr. 16). Auch nach der Inanspruchnahme einer Förderart kann der Eigentümer grundsätzlich in der Folgezeit zu der anderen Förderart übergehen bzw. die weitere Fördermöglichkeit in Anspruch nehmen. Die Wahlmöglichkeit entfällt nur, soweit die Aufwendungen in die Bemessungsgrundlage nach dem EigZulG einbezogen worden sind. Denn eine Doppelförderung scheidet aus (Kleeberg in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10f Rz. B 28).

d) Nach der Rechtsprechung des Senats werden Aufwendungen nur insoweit in die Bemessungsgrundlage nach § 10e EStG einbezogen, als sie sich auf die Höhe eines bei der Veranlagung wie Sonderausgaben abgezogenen Betrags i.S. des § 10e Abs. 1 und 2 EStG ausgewirkt haben (Senatsentscheidung in BFHE 195, 131, BStBl II 2001, 603). In entsprechender Weise werden Aufwendungen nur insoweit in die Bemessungsgrundlage nach dem EigZulG einbezogen, als sie sich auf die Höhe des Fördergrundbetrags gemäß § 9 Abs. 2 EigZulG ausgewirkt haben. Soweit danach Aufwendungen nicht in diese Bemessungsgrundlage einfließen bzw. nicht verbraucht sind, kann der Eigentümer die Fördermöglichkeit nach § 10f EStG in Anspruch nehmen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind.

e) Nach diesen Grundsätzen waren die Kläger berechtigt, die Gesamtaufwendungen, wie geschehen, aufzuteilen und den beiden Fördermöglichkeiten zuzuordnen. Dem steht die Bestandskraft des Eigenheimzulagebescheids nicht entgegen. Soweit dort die Bemessungsgrundlage mit 360 000 DM unter "Berechnung der Eigenheimzulage" und "Berechnung des Fördergrundbetrags" aufgeführt ist, handelt es sich nicht um eine verbindliche Festsetzung gemäß § 15 EigZulG i.V.m. § 155 Abs. 1 und 4 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Verbindlichkeit der Festsetzung der Eigenheimzulage nach § 11 EigZulG erstreckt sich nämlich auf die Person des Abzugsberechtigten, die Höhe der Eigenheimzulage und den Festsetzungszeitraum. Die Bemessungsgrundlage zur Berechnung des Fördergrundbetrags (§ 8 EigZulG) ist dagegen eine Besteuerungsgrundlage, deren Feststellung grundsätzlich einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids bzw. Steuervergütungsbescheids (§ 157 Abs. 2 AO 1977) bildet. Besteuerungsgrundlagen erwachsen regelmäßig nicht in Bestandskraft mit der Folge, dass sie jederzeit austauschbar sind, soweit sich dadurch der Tenor des Bescheids nicht ändert (vgl. z.B. Baum in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, § 157 Rz. 21/1).

2. Das FG hat zu Unrecht ohne nähere Prüfung die Voraussetzungen des § 10f Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7i EStG bejaht. Es hat keine hinreichenden Tatsachenfeststellungen zu der entscheidungserheblichen Frage getroffen, ob eine begünstigte Sanierung oder, wie vom FA angenommen, ein nicht begünstigter Neubau durchgeführt wurde. Die Notwendigkeit einer solchen Prüfung ergibt sich im Hinblick darauf, dass die Kläger nach ihrem eigenen Vorbringen im Einspruchsverfahren (Schriftsatz vom 19. Dezember 1997) das erworbene Gebäude abgebrochen und den Abzug der Abbruchkosten als Vorkosten i.S. des § 10i Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG a.F. beantragt haben. Diesen Antrag haben sie u.a. damit begründet, "dass die Fundamente, Außenwände, Holzbalkendecken und der Dachstuhl nicht den Anforderungen des Umbaus genügt" hätten. Wenn diese Darstellung zutrifft, haben die Kläger einen Neubau errichtet, der nach § 10f EStG, der Baumaßnahmen "an einem (scil.: denkmalgeschützten) Gebäude" voraussetzt, nicht gefördert werden kann. Das angefochtene Urteil enthält mit dem Hinweis auf die Durchführung "umfangreicher Baumaßnahmen" eine nur unzureichende Sachverhaltsdarstellung und beruht in dieser Hinsicht auf einem materiell-rechtlichen Fehler, der von Amts wegen zu beachten ist und auch ohne entsprechende Rüge zur Aufhebung führt (vgl. Senatsurteil vom 22. April 1998 X R 101/95, BFH/NV 1998, 1481; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Tz. 40, m.w.N.). Die Bescheinigung des Regierungspräsidiums C vom 4. August 1998 enthält zu dem in dieser Hinsicht entscheidungserheblichen Sachverhalt entgegen der Auffassung des FG keine bindende Feststellung (nachfolgend 3.).

a) § 10f EStG betrifft "Aufwendungen an einem eigenen Gebäude", die steuerbegünstigt sind, wenn die Voraussetzungen des § 7h EStG oder des § 7i EStG vorliegen. Nach § 7i Abs. 1 EStG kann der Steuerpflichtige bei einem Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, jeweils bis zu 10 v.H. der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, unter weiteren, hier nicht strittigen Voraussetzungen im Jahr der Herstellung und in den neun folgenden Jahren absetzen. Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige die Voraussetzungen des Abs. 1 für das Gebäude und die Erforderlichkeit der Aufwendungen durch eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörden nachgewiesen hat (§ 7i Abs. 2 EStG).

b) Nach Wortlaut und Zielsetzung dieser Vorschrift sind nur Herstellungskosten an als Baudenkmal geschützten, bestehenden Gebäuden begünstigt, nicht hingegen der Neubau oder Wiederaufbau von Gebäuden (BFH-Urteil vom 14. Januar 2003 IX R 72/00, BFHE 201, 250, BStBl II 2003, 916; Siebenhüter in Herrmann/ Heuer/Raupach, a.a.O., § 7i EStG Rdnr. 10). Von einem Neubau ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch auszugehen, wenn Baumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude einem Neubau gleichkommen. Das ist der Fall, wenn das Gebäude aufgrund der Umbauarbeiten in bautechnischer Hinsicht neu ist (BFH-Urteil vom 31. März 1992 IX R 175/87, BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808, zu § 7 Abs. 5 EStG; Senatsentscheidungen vom 15. November 1995 X R 102/95, BFHE 179, 290, BStBl II 1998, 92; vom 11. September 1996 X R 46/93, BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94; vom 15. Mai 2002 X R 36/99, BFH/NV 2002, 1158, jeweils zu § 10e EStG).

c) Nur diese Auslegung entspricht dem Zweck des Gesetzes, die Erhaltung und die Modernisierung kulturhistorisch wertvoller Gebäude zu fördern. Der Gesetzgeber trug der Erkenntnis Rechnung, dass die ordnungsgemäße Erhaltung von Baudenkmalen, "die regelmäßig besonders aufwendig ist, bestehenden Wohnraum sichert, zur Entspannung der Wohnungssituation beiträgt und ein Anreiz ist, privates Kapital für Gebäudesanierungen und Bestandserhaltung zu mobilisieren" (vgl. BTDrucks 8/896, S. 6 sowie im Hinblick auf die mit § 82i der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ―EStDV― gesammelten Erfahrungen die Begründung des Gesetzentwurfs vom 14. November 1989, BTDrucks 11/5680, S. 9). Der BFH hat aus dem Wortlaut und der Zielsetzung des § 82i EStDV abgeleitet, dass ausschließlich Baumaßnahmen an einem als Baudenkmal geschützten bestehenden Gebäude steuerlich begünstigt werden. Eine Steuervergünstigung für Herstellungskosten an baulich selbständigen Anlagen, die nicht Teil des Denkmals sind, hat er dagegen abgelehnt (vgl. Urteile vom 15. Oktober 1996 IX R 47/92, BFHE 181, 312, BStBl II 1997, 176, und vom 5. November 1996 IX R 42/94, BFHE 181, 482, BStBl II 1997, 244). Unter Bezugnahme hierauf hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zutreffend entschieden, dass an dieser Einschätzung auch nach Ablösung des § 82i EStDV durch § 10f EStG festzuhalten ist (Beschluss vom 18. Juli 2001 4 B 45.01, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 2002, 342, Steuerrechtsprechung in Karteiform ―StRK― Einkommensteuergesetz 1990, § 7i Rechtsspruch 7). Denn Zweck der Regelung sei es, Vergünstigungen für Gebäude zu gewähren, die den öffentlich-rechtlichen Bindungen des Denkmalschutzrechts unterliegen. Der Zweck der Steuerentlastung ―Teilausgleich für "Opfer im Interesse des Allgemeinwohls"― trete auch in den übrigen Regelungen des § 7i Abs. 1 EStG deutlich zutage. Die Sätze 1, 3 und 4 des § 7i Abs. 1 EStG ließen ein differenziertes, in sich geschlossenes Regelungssystem erkennen, das es verbiete, auch Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen zu begünstigen, die nicht den besonderen Bindungen des Denkmalschutzrechts unterlägen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss in HFR 2002, 342, StRK, Einkommensteuergesetz 1990, § 7i Rechtsspruch 7 Bezug genommen (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juni 2002 1 S 1199/01, Baurecht 2002, 1836, Kommunale Steuer-Zeitschrift ―KStZ― 2003, 116).

3. Entgegen der Auffassung des FG enthält die Bescheinigung der Denkmalbehörde insoweit keine bindende Entscheidung.

a) Bei der Bescheinigung nach § 7i Abs. 2 EStG handelt es sich um einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977), dessen verbindliche Feststellungen sich auf die Tatbestände des zum Landesrecht gehörenden Denkmalrechts beschränken: die Denkmaleigenschaft des Gebäudes, sowie darauf, ob die Aufwendungen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind. Der Grundlagenbescheid i.S. des § 7i Abs. 2 EStG ist nur insoweit bindend, als er den Nachweis dieser denkmalschutzrechtlichen Voraussetzungen des § 7i Abs. 1 EStG erbringt. Über das Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Vorschriften des Steuerrechts haben die Finanzbehörden in eigener Zuständigkeit zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Urteile vom 13. September 2001 IX R 62/98, BFHE 196, 550, BStBl II 2003, 912, m.w.N.; in BFHE 201, 250, BStBl II 2003, 916).

b) Erfasst die Bescheinigung Tatbestandsmerkmale, die zugleich denkmalschutzrechtliche und steuerrechtliche Bedeutung haben, so ist nach dem Urteil des IX. Senats des BFH (in BFHE 196, 550, BStBl II 2003, 912) die in der Bescheinigung zum Ausdruck kommende denkmalschutzrechtliche Beurteilung auch steuerrechtlich bindend, weil andernfalls der Normzweck des § 82i EStDV, denkmalschutzrechtlich erforderliche Investitionen zu begünstigen, durch eine abweichende steuerrechtliche Beurteilung der Finanzbehörden unterlaufen werden könnte (vgl. auch BFH-Urteil vom 30. Oktober 2002 IX R 13/99, BFH/NV 2003, 744).

Der erkennende Senat hat Bedenken, ob er dem für den im Streitfall vorliegenden Sachverhalt folgen könnte, dass die Denkmalbehörde das sanierte Gebäude als Baudenkmal eingestuft und das "instandgesetzte" Gebäude als mit dem ursprünglichen Gebäude identisch behandelt hat, obwohl es sich möglicherweise um einen mit dem Altbau nicht identischen Neubau handelt, die Bauarbeiten mithin dann nicht "an" einem denkmalgeschützten Gebäude durchgeführt wurden.

Das arbeitsteilige (Bescheinigungs-)Verfahren ist grundsätzlich sinnvoll, weil und soweit die Denkmalschutzbehörde Sachverhalte beurteilt, welche die Finanzbehörde mangels eigener Sachkunde nicht selbst prüfen könnte (vgl. BFH-Entscheidungen vom 22. September 1989 III R 167/86, BFHE 158, 375, BStBl II 1990, 60; vom 27. Mai 1998 III B 22/98, BFH/NV 1998, 1474). Grenzt man die Verwaltungskompetenzen hiernach funktionsgerecht ab, obliegen die Anwendung des steuerlichen Rechtsgriffs "Erhaltungsaufwendungen an einem Gebäude" ebenso wie die Beurteilung des gegensätzlichen steuerlichen Terminus "Neubau" und schließlich die Deutung des Sinn und Zwecks steuerlicher Vorschriften, der wie vom BVerwG dargelegt aus dem Gesamtzusammenhang der Fördernormen zu ermitteln ist, ausschließlich der insoweit rechts- und sachkundigen Finanzbehörde. Jedenfalls begegnet es Bedenken, dass Denkmalbehörden zu spezifisch steuerlichen Voraussetzungen von Fördertatbeständen verbindlich entscheiden könnten, obwohl diese funktional zur Steuerverwaltung gehörende Verwaltungstätigkeit gemäß Art. 108 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 17 Abs. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) den Finanzbehörden vorbehalten ist (vgl. in anderem Zusammenhang Senatsurteil vom 11. Juni 1997 X R 242/93, BFHE 183, 427, BStBl II 1997, 612). Nur die Finanzbehörde hat das verfahrensrechtliche Instrumentarium zur "Durchführung der Besteuerung" (Amtliche Überschrift zum Vierten Teil der AO 1977) einschließlich der Steueraufsicht. Die nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen gegebenen Möglichkeiten, rechtswidrige Verwaltungsakte zu korrigieren, sind anders als die entsprechenden Vorschriften über die Steuerfestsetzung nicht darauf ausgerichtet, die Interessen der Steuergläubiger zu wahren. Zu dieser Frage braucht der Senat indes nicht abschließend Stellung zu nehmen.

c) Jedenfalls hängt die Frage, wie weit die Bindungswirkung der von der Denkmalschutzbehörde erteilten Bescheinigung im Einzelfall reicht, d.h. welche Sachverhaltselemente einer denkmalschutzrechtlichen Beurteilung unterzogen werden, vom jeweiligen konkreten Inhalt der Bescheinigung ab. Ihr Regelungsinhalt ist erforderlichenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 196, 550, BStBl II 2003, 912). Für die Auslegung von Willenserklärungen des öffentlichen Rechts sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ergänzend heranzuziehen. Die Frage, welchen Inhalt eine behördliche Erklärung hat, ist vom Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit zu beantworten (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 2000 XI R 28/99, BFHE 193, 494, BStBl II 2001, 303, mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung).

Zwar ist im Zweifel grundsätzlich das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus ihrer Sphäre nicht benachteiligt werden darf (BFH-Urteile vom 27. November 1996 X R 20/95, BFHE 183, 348, BStBl II 1997, 791; in BFHE 196, 550, BStBl II 2003, 912). Im Übrigen gilt der Grundsatz, dass empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen sind, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände verstehen musste (Empfängerhorizont; vgl. BFH-Urteil vom 10. Oktober 2002 VI R 13/01, BFHE 200, 363, BStBl II 2003, 156). Es ist daher auch zu berücksichtigen, welche behördliche Entscheidung der Betroffene nach seinem Empfängerhorizont in Kenntnis des in seiner Wissenssphäre verwirklichten Sachverhalts billigerweise erwarten durfte.

d) Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen des § 7i Abs. 1 EStG für das von den Klägern "instandgesetzte" Objekt nicht umfassend bindend bescheinigt worden. Die vom Regierungspräsidium C getroffene verbindliche Feststellung beschränkt sich hier, ihrer Verwaltungskompetenz entsprechend, auf die zum Denkmalrecht gehörenden Tatbestände (vgl. oben II. 3. a). Die Denkmalbehörde hat dagegen die Beurteilung, ob das Baudenkmal im steuerrechtlichen Sinn ein nur saniertes Gebäude oder ein Neubau ist, nicht vorgenommen, sondern die Prüfung dieser und anderer steuerrechtlicher Fragen ausdrücklich dem FA vorbehalten. Denn nach der Bescheinigung "prüft (die Finanzbehörde) weitere, steuerrechtliche Vorschriften …". Dazu gehört entscheidend auch die nur nach steuerrechtlichen Kriterien zu beurteilende Abgrenzung zwischen der Sanierung und Neuerrichtung eines Gebäudes. Weil und soweit das FA in Anbetracht dieses Vorbehalts in eigener Kompetenz über steuerrechtliche Fragen zu entscheiden hatte, unterscheidet sich der Streitfall vom Sachverhalt des BFH-Urteils in BFHE 196, 550, BStBl II 2003, 912. Nach Auffassung des Senats kann die in der Bescheinigung der Denkmalbehörde zum Ausdruck gebrachte denkmalrechtliche Beurteilung zumindest dann zu keiner steuerrechtlichen Bindung führen, wenn sie, wie hier, die Prüfung der steuerlichen Voraussetzungen von Fördertatbeständen der Finanzbehörde vorbehält.

4. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Frage, ob die Baumaßnahmen dem Gebäude das bautechnische Gepräge eines Neubaus geben, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung. Dies hat das FG wegen der von ihm angenommenen Bindungswirkung der Bescheinigung der Denkmalbehörde nicht vorgenommen. Diese ist nunmehr im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1151812

BFH/NV 2004, 1021

BStBl II 2004, 711

BFHE 2004, 87

BFHE 205, 87

BB 2004, 1210

DB 2004, 1187

DStR 2004, 945

DStRE 2004, 735

DStZ 2004, 390

HFR 2004, 633

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