Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Erbe eines Einzelunternehmens darf den von ihm erzielten Gewerbeertrag nicht um Fehlbeträge kürzen, die zu Lebzeiten des Erblassers entstanden sind.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 5, § 10a

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist bei der Gewerbesteuerveranlagung 1962, ob die Beschwerdeführerin (Bfin.) als Alleinerbin des Unternehmens ihres verstorbenen Vaters den zu seinen Lebzeiten entstandenen Gewerbeverlust bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrages nach § 10 a des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung vom 31. Juli 1963 - GewStG 1962 - (GewStG) geltend machen kann.

Die Bfin. betreibt als Einzelunternehmerin eine Fabrik. Ihr Gewinn für 1962 wurde nach § 5 EStG ermittelt. Die Bfin. führte den Betrieb als Alleinerbin ihres am 12. August 1962 verstorbenen Vaters unverändert als Einzelfirma fort. Sie erzielte im Rumpfwirtschaftsjahr 1962 einen Gewerbeertrag und begehrte, den Steuermeßbetrag unter Berücksichtigung der Gewerbeverluste ihres Vaters nur nach dem Gewerbekapital festzusetzen. Das Finanzamt lehnte dies ab.

Die mit Zustimmung des Vorstehers des Finanzamts eingelegte Sprungberufung blieb erfolglos. Zur Begründung führte das Finanzgericht aus, der Gewerbebetrieb sei im ganzen auf die Bfin. als Alleinerbin übergegangen. Nach § 10 a Satz 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 5 GewStG könne diese den maßgeblichen Gewerbeertrag nicht um die Gewerbeverluste ihres Vaters kürzen. Wegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung im GewStG ändere die Zulassung des Verlustabzuges durch den Erben im Einkommensteuerrecht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 49/61 S vom 22. Juni 1962, BStBl 1962 III S. 386, Slg. Bd. 75 S. 328) daran nichts.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Bfin. ist nicht begründet.

Der Gewerbebetrieb des Vaters der Bfin. ging auf sie als seine Alleinerbin im ganzen über. Das ergibt sich aus § 1922 Abs. 1 BGB, nach dem mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf seine oder seinen Erben übergeht. Damit galt der Gewerbebetrieb als durch den Vater eingestellt und als durch die Bfin neu gegründet (ß 2 Abs. 5 GewStG). Für diesen Fall bestimmt § 10 a Satz 2 GewStG ausdrücklich, daß der Unternehmer, auf den der Gewerbebetrieb übergeht, den maßgebenden Gewerbeertrag nicht um die Beträge kürzen darf, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrages des übergegangenen Unternehmens ergeben haben.

Dieses aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes hergeleitete Ergebnis entspricht auch dem Sinn des GewStG. Die Gewerbesteuer ist eine Objektsteuer mit personensteuerartigen Merkmalen. Der Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer zeigt sich im Steuergegenstand. Ihr unterliegen die Gewerbebetriebe (ß 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG) und nicht die Gewerbetreibenden. Dagegen ist Steuerschuldner der Unternehmer (ß 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG), nicht das Unternehmen. Beim übergang des Gewerbebetriebes im ganzen auf einen anderen Unternehmer treten auch personensteuerartige Merkmale der Gewerbesteuer insofern hervor, als der Gewerbebetrieb durch den bisherigen Unternehmer als eingestellt und durch den anderen Unternehmer als neu gegründet gilt (ß 2 Abs. 5 GewStG; bis einschließlich 1960 § 5 Abs. 2 GewStG).

Unter Berücksichtigung dieser Mischung von objekt- und personensteuerartigen Elementen bei der Gewerbesteuer machte schon der Reichsfinanzhof (Urteil VI 236/42 vom 26. August 1942, RStBl 1942 S. 1024) das Recht zum Abzug des Gewerbeverlustes nicht nur von der Unternehmensidentität, sondern auch von der Unternehmeridentität abhängig. Dieser Rechtsprechung folgte der Bundesfinanzhof (Urteile IV 666/55 U vom 19. Dezember 1957, BStBl 1958 III S. 210, Slg. Bd. 66 S. 548; I 139/57 U vom 23. Juli 1958, BStBl 1958 III S. 426, Slg. Bd. 67 S. 400), der in dem letzten Urteil die Geltendmachung des Gewerbeverlustes des Erblassers durch den Erben nicht zuließ, schon für das GewStG in seiner bis einschließlich 1960 geltenden Fassung, obwohl damals die Rechtslage noch nicht so eindeutig war wie in den folgenden Jahren. Denn bis einschließlich 1960 war die Vorschrift über die gewerbesteuerlichen Folgen des übergangs eines Gewerbebetriebes auf einen anderen Unternehmer im ganzen in dem die Steuerschuldnerschaft regelnden § 5 GewStG als Abs. 2 enthalten.

Erst nachdem der Bundesfinanzhof in den beiden oben bezeichneten Urteilen im Zusammenhang mit der Anrechnung des Gewerbeverlustes entschieden hatte, § 5 Abs. 2 GewStG in der bis 1960 einschließlich geltenden Fassung beschränke sich auf die Regelung der Steuerschuldnerschaft, wurde der Inhalt des § 5 Abs. 2 GewStG als Abs. 5 in § 2 eingefügt (Art. 6 Ziff. 1 Buchst. a und Ziff. 8 des Steueränderungsgesetzes 1961 vom 13. Juli 1961 - StändG 1961 -, BGBl I S. 98, BStBl 1961 I S. 444). Das geschah unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 666/55 U (a. a. O.), um "klarzustellen, daß § 5 Abs. 2 GewStG über die Einstellung und Neugründung bei übergang eines Betriebes im ganzen eine Vorschrift zur Gewerbesteuerpflicht und nicht eine Vorschrift zur Steuerschuldnerschaft ist" (Begründung des Regierungsentwurfs zum StändG 1961, Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 2573 S. 25). Außerdem wurde zur Klarstellung als Satz 2 in § 10 a GewStG die Vorschrift aufgenommen, daß im Falle des § 2 Abs. 5 der andere Unternehmer den maßgebenden Gewerbeertrag nicht um die Fehlbeträge kürzen darf, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrages des übergegangenen Unternehmens ergeben haben. Bei dieser eindeutigen Rechtslage kann der Erbe seinen Gewerbeertrag nicht um den Gewerbeverlust des Erblassers kürzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411498

BStBl III 1965, 115

BFHE 1965, 318

BFHE 81, 318

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