Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegfall einer Betriebsaufspaltung durch Veränderungen in den wirtschaftlichen Gegebenheiten (Neuanmietung von Büroflächen; „Verflüchtigung“ des Kundenstamms)

 

Leitsatz (NV)

  1. Büroräume, die nur einen Anteil von 7,45 v.H. an der Gesamtnutzfläche haben, sind nicht wesentlich.
  2. Die sachlichen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung entfallen nicht, wenn der überlassene Kundenstamm "zurückzugeben" ist und das Potential des "pachtweise überlassenen" Kunden weiterhin faktisch genutzt wird.
 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25.08.2003; Aktenzeichen 5 K 2214/01; EFG 2005, 356)

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten über die Beendigung einer Betriebsaufspaltung. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die Klägerin betrieb seit 1982, davon seit 1985 in ihrem Einfamilienhaus (EFH) eine Werbeagentur als Einzelfirma. Mit Vertrag vom 20. Dezember 1989 gründete die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann die S-GmbH (GmbH). Die Klägerin hält 99 v.H. des Stammkapitals; sie ist auch die alleinige Geschäftsführerin des Unternehmens. Die Büroflächen im EFH (38 qm = 23,45 v.H. der Gesamtwohnfläche) sowie den Firmenwert in Form des Kundenstammes des Einzelunternehmens überließ die Klägerin gemäß schriftlichem Pachtvertrag vom 22. September 1990 der neu gegründeten GmbH für monatlich 1 000 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) nahm mit Verpachtung der gewerblichen Räume an die GmbH einschließlich der Überlassung des Firmenwerts eine Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der GmbH an (vgl. Betriebsprüfungs-Bericht für die Jahre 1989 bis 1991 vom 4. Mai 1993).

Im Zuge einer Außenprüfung für die Jahre 1996 bis 1998 hielt der Prüfer die Betriebsaufspaltung zum 30. November 1997 für beendet. Da die GmbH zum 1. Dezember 1997 das neu errichtete und vom Kläger als Alleineigentümer an die GmbH vermietete Betriebsgebäude in der R-Straße in X bezogen habe und vom EFH von diesem Zeitpunkt an lediglich noch 18,5 qm an die GmbH weitervermietet worden seien, stelle diese Bürofläche im EFH der Klägerin keine wesentliche Betriebsgrundlage mehr dar. Der Prüfer ermittelte einen ―der Höhe nach unstreitigen― Aufgabegewinn auf Grund der Beendigung der Betriebsaufspaltung zum 30. November 1997 von 499 975 DM.

Das FA folgte diesen Feststellungen und erließ mit Datum vom 6. März 2001 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheid 1997. Den Einspruch wies das FA mit Entscheidung vom 2. Juli 2001 als unbegründet zurück. Mit der Verpachtung der Betriebsräume seitens der Klägerin an die GmbH seien das Besitzunternehmen und das Betriebsunternehmen durch die Nutzungsüberlassung sachlich verflochten gewesen. Die sachliche Verflechtung sei mit dem Umzug in die allein dem Kläger gehörenden Räume weggefallen. Mit Anmietung des neuen Betriebsgebäudes sei ab 1. Dezember 1997 die bisherige sachliche Verflechtung entfallen. Soweit die Klägerin ab diesem Zeitpunkt noch 18,5 qm Bürofläche an die GmbH vermiete, stelle dieser verbleibende Büroraum keine wesentliche Betriebsgrundlage für das Betriebsunternehmen, die GmbH, dar.

Das FA ging ferner davon aus, dass die Klägerin in ihrem damaligen Einzelunternehmen keinen steuerlich beachtlichen Firmenwert geschaffen haben könne. Denn nach Abzug eines angemessenen Unternehmerlohnes für die Klägerin und eines angemessenen Gehalts für den mitarbeitenden Kläger führten die gängigen Methoden zur Ermittlung des Firmenwerts zu dem Ergebnis, dass allenfalls nur ein Firmenwert von geringem Wert entstanden sei, der noch 25 775 DM betrage. In Relation zu den Umsätzen der GmbH (in 1997 ca. 1,4 Mio. DM) stelle der so kapitalisierte Firmenwert keine wesentliche Betriebsgrundlage für die GmbH mehr dar.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab; das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 356 veröffentlicht.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts:

1. Zu Unrecht nehme das FG eine Beendigung der Betriebsaufspaltung an. Der Kundenstamm stelle eine wesentliche Betriebsgrundlage dar. Gerade die Umsatzsteigerung und die enge Beziehung zu dem Großkunden spräche dafür, dass die verpachtete Kundenbeziehung eine erhebliche (elementare) Bedeutung für die Betriebsgesellschaft habe. Der Beurteilung als wesentliche Betriebsgrundlage stehe nicht entgegen, dass der Firmenwert zu einem besonders niedrigen Pachtzins überlassen worden sei.

2. Auch hinsichtlich der angemieteten Räumlichkeiten sei über den 30. November 1997 hinaus eine sachliche Verflechtung anzunehmen. Miete der Geschäftsführer einer GmbH ein Grundstück an, sei regelmäßig davon auszugehen, dass dieses für den Betrieb der GmbH erforderlich sei. Diese Vermutung habe das FA nicht widerlegt. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin ihr Einzelunternehmen nicht wie früher in den Räumlichkeiten im EFH hätte fortführen können.

3. Schließlich lägen die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung vor. Alle wesentlichen Grundlagen (Bürofläche und Firmenwert) seien verpachtet worden. Bei Beendigung des Pachtverhältnisses habe die Klägerin ihr Unternehmen weiterführen können. Der verpachtete Firmenwert sei nicht aufgezehrt.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1997 vom 6. März 2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung einen Aufgabegewinn von 499 975 DM außer Ansatz zu lassen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen, und führt aus:

1. Unstreitig hätten die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorgelegen. Entgegen der Auffassung der Kläger müsse die Betriebsaufspaltung aber zum 30. November 1997 als beendet angesehen werden. Die noch überlassene Bürofläche von 18,5 qm (statt bisher 38 qm) könne nicht mehr als wesentliche Betriebsgrundlage angesehen werden. Gerade das Urteil vom 20. April 2004 VIII R 13/03 (Deutsches Steuerrecht ―DStR― 2004, 1476) spreche dafür, dass die GmbH ihren Betrieb auf eine andere räumliche und funktionale Grundlage gestellt habe.

2. Der überlassene Firmenwert in Gestalt des Kundenstammes sei keine wesentliche Betriebsgrundlage gewesen. Für die GmbH hätten keine Sicherheiten bestanden. Die Umsatzsteigerungen beruhten allein auf eigenen Aktivitäten der GmbH. Zur Beurteilung der Wesentlichkeit sei im Übrigen eine vergleichende Umsatzbetrachtung vorzuziehen.

3. Eine Betriebsverpachtung könne ebenfalls nicht angenommen werden. Mit einer noch verbliebenen Nutzfläche von 18,5 qm könne der Betrieb nicht wie früher fortgeführt werden. Außerdem sei nicht sichergestellt, dass der Goodwill und der Firmenwert wieder dem Verpächter zufielen. Die Klägerin könne nicht automatisch wieder auf den Großkunden zurückgreifen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist die bestehende Betriebsaufspaltung nicht beendet worden; allerdings ist in diesem Fall zu berücksichtigen, dass möglicherweise ein Teil der früher verpachteten Fläche entnommen worden ist.

1. Die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, dass eine Betriebsaufspaltung begründet worden war; die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung ―die sachliche und (hier unstreitige) personelle Verflechtung von Besitz- und Betriebsunternehmen (ständige Rechtsprechung im Anschluss an den Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63)― und damit eines gewerblichen Unternehmens i.S. von § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lagen vor.

Eine sachliche Verflechtung ist anzunehmen, wenn es sich bei dem vermieteten Wirtschaftsgut für das Betriebsunternehmen um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt. Bei einem Grundstück ist das der Fall, wenn es für die Betriebsführung der Betriebsgesellschaft von nicht nur geringer Bedeutung ist. Das ist stets anzunehmen, wenn es ―wie im Streitfall― der räumliche und funktionale Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit des Betriebsunternehmens ist (BFH-Urteil vom 1. Juli 2003 VIII R 24/01, BFHE 202, 535, BStBl II 2003, 757; Schmidt/ Wacker, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 15 Rz. 813).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Von dem im EFH gelegenen Büro aus wurde das Unternehmen betrieben; das Büro verkörperte dessen Sitz. Auch Räumlichkeiten in einem EFH können eine wesentliche Betriebsgrundlage sein; die "private" Umgebung ist insoweit irrelevant.

Unabhängig davon war auch die Überlassung des Firmenwerts (Kundenkartei) nach den funktionalen Erfordernissen des Betriebsunternehmens, einer Werbeagentur, von wesentlicher Bedeutung (dazu Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz. 808).

2. Entgegen der Auffassung des FG ist die Betriebsaufspaltung im November 1997 nicht durch Veränderungen in den wirtschaftlichen Gegebenheiten entfallen und beendet worden (vgl. zum Wegfall der sachlichen Verflechtung Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz. 865; Wenzel, Die Beendigung der Betriebsaufspaltung, S. 88).

a) Zwar haben durch die Verlagerung des Betriebs in die R-Straße die im EFH gelegenen Räume ihre Wesentlichkeit verloren. Deren Fläche hatte an der Gesamtnutzfläche nur noch einen Anteil von 7,45 v.H. (18,5 qm von [230 qm + 18,5 qm]). Nachdem die GmbH die Büroräume in der R-Straße bezogen hatte, waren die in dem EFH gelegenen und nur noch in einer Größe von 18,5 qm für die GmbH genutzten Räumlichkeiten für den Betrieb der GmbH weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht von wesentlicher Bedeutung. Mit der Neuanmietung von Büroflächen in der Größe von 230 qm und der Reduzierung der Nutzung der Räumlichkeiten im EFH von 38 qm auf 18,5 qm haben die im EFH verbliebenen Räumlichkeiten für den Betrieb der GmbH ihre bisherige Bedeutung verloren. Der räumliche und funktionale Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit des Betriebsunternehmens befindet sich nicht mehr in den Räumen des EFH, sondern in dem Gebäude in der R-Straße.

b) Indes ist der mit Vertrag vom 22. September 1990 verpachtete Firmenwert ("Kundenkreis etc.") weiterhin als wesentliche Betriebsgrundlage des Betriebsunternehmens anzusehen. Auch wenn die GmbH für den Firmenwert nur ein relativ geringes Entgelt aufzubringen hatte (vgl. z.B. auch BFH-Urteil vom 24. April 1991 X R 84/88, BFHE 164, 385, BStBl II 1991, 713), war der überlassene Kundenstamm, der im Wesentlichen aus einem Kunden bestand, für die GmbH weiterhin von geradezu herausragender Bedeutung.

Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin betrug im Streitjahr der Umsatz aus Geschäften mit diesem einen Kunden ca. 1 300 000 DM und machte damit ca. 95 v.H. des Gesamtumsatzes der GmbH aus. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Firmenwert im Laufe der bis zum 30. November 1997 vergangenen Zeit "verflüchtigt" hatte. Bei Beendigung des Pachtvertrags hätte der Kunde gemäß § 596 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) "zurückgegeben" werden müssen, die Beziehung der GmbH zu diesem Großkunden hätte also beendet werden müssen; nach Beendigung des Pachtvertrags hätte die Klägerin ―unter Ausschluss der GmbH― selbst wieder mit diesem Kunden Geschäfte machen können. Der Umstand, dass die Beziehung zu dem Großkunden nicht vertraglich abgesichert war, ist nicht erheblich. Insoweit ist allein von Bedeutung, dass die GmbH das Potential dieses "pachtweise überlassenen" Kunden weiterhin faktisch nutzte und dass bei Beendigung des Pachtvertrags die GmbH ―unabhängig vom weiteren Verhalten des Kunden― diese Geschäftsverbindung hätte beenden oder sich mit der Klägerin über andere Vertragsgestaltungen (z.B. eine Ablösung) hätte verständigen müssen. Der Senat muss daher nicht entscheiden, ob die sachliche Verflechtung auch dann fortbestünde, wenn der besagte Großkunde für die GmbH ausfiele, weil der Pächter bei Beendigung des Pachtverhältnisses ―mangels abweichender Vereinbarung― nach § 581 Abs. 2 i.V.m. § 556 Abs. 2 BGB a.F. grundsätzlich jedweden Kundenstamm zurückzugeben hätte (vgl. BFH-Urteil vom 31. März 1971 I R 111/69, BFHE 102, 73, BStBl II 1971, 536).

3. Zu klären ist aber noch, wie die in dem EFH gelegene, aber nach dem 30. November 1997 nicht mehr verpachtete Fläche in der Größe von 19,5 qm genutzt wurde, ob insoweit gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG eine Entnahme stattgefunden hat und ggf. mit welchem Wert diese Entnahme anzusetzen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1523521

BFH/NV 2006, 1453

DB 2007, 7

HFR 2006, 1107

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