Leitsatz (amtlich)

Ein Abzug von Schulden und Lasten, die mit den nach § 73a Abs. 2 BewG a. F. steuerbefreiten Wirtschaftsgütern in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, ist bei Einheitswerten, die für Stichtage vor dem Inkrafttreten des ÄndG-BewG 1963 festgestellt wurden, nach § 74 Abs. 2 BewG in der damals geltenden Fassung des BewG nicht zulässig. Danach sind die Unterhaltungslasten für die unter Denkmalsschutz stehenden Schlösser bei den Vermögensteuer-Veranlagungen auf diese Stichtage nicht zu berücksichtigen.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor ÄndG-BewG 1963 § 73a; BewG i.d.F. vor ÄndG-BewG 1963 § 74 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger wurde durch den berichtigten Bescheid vom 24. Mai 1956 vorläufig auf den 1. Januar 1949 zur Vermögensteuer veranlagt. Die Vermögensteuer ab 1. Januar 1949 wurde auf 53 227,50 DM festgesetzt. Mit dem Einspruch erstrebte der Kläger u. a. den Abzug der Unterhaltungskosten für seine unter Denkmalsschutz stehenden Schloßanlagen mit dem Kapitalwert von 1 267 300 DM. Der Einspruch hatte in diesem Punkt keinen Erfolg. Auch die Berufung, mit der er den Abzug dieser Unterhaltungskosten nur noch für drei dieser Anlagen mit einem Kapitalwert von 879 228 DM geltend machte, wurde zurückgewiesen.

Das FG führte im wesentlichen aus: Das FA habe bei der Ermittlung des Gesamtvermögens nach § 73a Abs. 2 des Bewertungsgesetzes in der am 1. Januar 1949 geltenden Fassung (im folgenden: BewG) die unter Denkmalsschutz stehenden Burgen nicht mit ihrem Wert angesetzt. Bei dieser Maßnahme handele es sich um eine Befreiung von der Vermögensteuer, nicht um eine vom wirklichen Wert abweichende geringere Bewertung, wie der Kläger meine. Das besage schon der klare Wortlaut des § 73a BewG. Auch in der Rechtsprechung und in der Fachliteratur werde einhellig die Auffassung vertreten, daß § 73a BewG eine Steuerbefreiungsvorschrift sei. Danach handle es sich bei den geltend gemachten Unterhaltungsaufwendungen für die unter Denkmalsschutz stehenden Schlösser um Lasten, die mit steuerbefreiten Wirtschaftsgütern in wirtschaftlichem Zusammenhang ständen. Sie seien deshalb nach § 74 Abs. 2 BewG nicht abzugsfähig. Sie würden auch dann nicht abzugsfähig sein, wenn für den Kläger eine aus Tradition und den Bestimmungen über Denkmalsschutz abzuleitende Verpflichtung zur Instandhaltung bestünde. Denn aus dieser Verpflichtung würde dem Kläger keine zusätzliche Belastung erwachsen. Sie betreffe nur denselben Aufwand, der sich für den Eigentümer der Bauwerke schon aus dem Besitz der Gebäude ergebe und der mit diesem wirtschaftlich eng verknüpft und deshalb vom Schuldenabzug ausgeschlossen sei, weil die Gebäude von der Vermögensteuer befreit seien. Auf den durch das Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 10. August 1963 (ÄndG-BewG 1963) eingefügten Satz 2 des § 74 Abs. 2 BewG könne sich der Kläger nicht berufen. Er gelte nicht für den Hauptveranlagungszeitraum 1949.

Mit der Rechtsbeschwerde, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, rügt der Kläger unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Zur Begründung nimmt er auf sein Vorbringen im Einspruchs- und im Berufungsverfahren Bezug. Er rügt, daß das FG sich im einzelnen mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt habe.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist in diesem Punkte nicht begründet.

Dem FG ist darin zuzustimmen, daß der Kapitalwert der Unterhaltungskosten für die unter Denkmalsschutz stehenden Schlösser des Klägers nicht bei der Ermittlung des Gesamtvermögens abgezogen werden kann. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Unterhaltungskosten überhaupt echte Schulden oder Lasten sind. Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob, wenn diese Frage zu bejahen ist, diese Unterhaltungskosten bereits bei der Einheitsbewertung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe des Klägers berücksichtigt worden sind. Denn das FG hat mit Recht den Abzug dieser Unterhaltungskosten schon deswegen versagt, weil sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit steuerbefreiten Wirtschaftsgütern stehen.

Der Senat verbleibt bei der bereits im Vorbescheid vertretenen Auffassung, daß § 73a BewG eine Steuerbefreiungsvorschrift ist. Der Kläger ist zu Unrecht der Meinung, das Gegenteil ergebe sich schon aus der Stellung dieser Vorschrift im Gesetz und aus der Gesetzessystematik. Es ist zwar richtig, daß die persönlichen Befreiungen von der Vermögensteuer im VStG selbst (§§ 3, 3a VStG) geregelt sind. Sachliche Befreiungen von der Vermögensteuer sind jedoch außer in anderen Gesetzen auch im BewG enthalten, so z. B. in § 60 BewG für die Schachtelbeteiligungen beim Betriebsvermögen und in § 68 für eine Reihe von Wirtschaftsgütern beim sonstigen Vermögen. Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zur Vermögensteuer ist nach § 4 Abs. 1 VStG das Gesamtvermögen der unbeschränkt Steuerpflichtigen, das mit dem Wert anzusetzen ist, der sich nach den §§ 73 bis 77 BewG ergibt, wenn die Lastenausgleichsabgaben nach Maßgabe des § 209 LAG berücksichtigt werden. In § 4 Abs. 1 VStG sind also auch die §§ 73a und 73b BewG angesprochen, die erst später in das BewG eingefügt worden sind. Nach ihrer Stellung im Gesetz sind sie Ergänzungsvorschriften zu § 73 BewG, insbesondere zu § 73 Abs. 2 BewG. Sie betreffen Wirtschaftsgüter, die - über den § 73 Abs. 2 BewG hinaus - ebenfalls nicht zum Gesamtvermögen gehören. Es ergibt sich also entgegen der Auffassung des Klägers schon aus der Gesetzessystematik und aus der Stellung des § 73a BewG im Gesetz, daß es sich um eine Steuerbefreiungsvorschrift handelt. Der Senat hat schon im Vorbescheid eingeräumt, daß dies aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht ohne jeden Zweifel zu entnehmen ist. Denn das in § 73a BewG gebrauchte Wort "ansetzen" kann unter Umständen auch als "bewerten" verstanden werden. Der Vertreter des FA hat allerdings demgegenüber darauf hingewiesen, daß in § 73a Abs. 2 BewG davon die Rede ist, daß die dort bezeichneten Wirtschaftsgüter "nicht angesetzt" werden und daß diese Worte dem in § 73b Abs. 1 BewG gebrauchten Ausdruck, "bleibt ... außer Ansatz" gleichzustellen ist. Die letzten etwa noch verbleibenden Zweifel werden jedoch durch die historische Entwicklung des § 73a BewG beseitigt.

"In den Durchführungsbestimmungen zum Reichsbewertungsgesetz vom 2. Februar 1935 - RBewDB 1935 - (RGBl I, 81, RStBl I 189) war nämlich in § 41 eine niedrigere Bewertung von Grundstücken wegen öffentlichen Interesses, in § 45 eine niedrigere Bewertung von Grundstücken, die der Volkswohlfahrt dienen, und in § 74 eine niedrigere Bewertung von beweglichen Gegenständen, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, vorgesehen. In allen drei Bestimmungen hieß es, daß die Grundstücke bzw. die beweglichen Gegenstände mit 40 oder 20 v. H. des an sich maßgebenden Werts 'zu bewerten' seien. Die §§ 41 und 45 RBewDB 1935 wurden durch § 66 Abs. 2 GrStDV 1937 vom 1. Juli 1937 (RGBl I, 733, RStBl I, 781) gestrichen. Das geschah in der Erwägung, daß es sich sachlich um Steuerbefreiungen handle, die nicht durch anderweitige niedrigere Bewertung, sondern durch echte Befreiungsvorschriften berücksichtigt werden sollten (so Haider-Engel-Dürschke, Bewertungsgesetz und Bodenschätzungsgesetz, 3. Aufl., Anm. zu § 73a BewG; Vgl. auch Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 1.-4. Aufl., Anm. 1 zu § 73a BewG). Für die Vermögensteuer wurde eine solche Befreiungsvorschrift durch die Neufassung des § 74 RBewDB 1935 = § 74 BewDV in der Fassung der Verordnung vom 22. November 1939 (RGBl I 2271, RStBl 1133) geschaffen. Durch diese Neufassung wurden einmal die bisher in den §§ 41 und 45 BewDB 1935 angesprochenen Grundstücke in den § 74 BewDV einbezogen, zum anderen wurde das Wort 'bewerten' durch das Wort 'ansetzen' ersetzt. Gerade durch diese letztere Änderung sollte der Charakter dieser Bestimmung als einer Steuerbefreiungsbestimmung klargestellt werden. Daran hat sich auch nichts geändert, als § 74 BewDV durch § 2 des Vermögensbewertungsgesetzes (VBewG) vom 16. Januar 1952 (BGBl I, 28, BStBl I, 35) gestrichen und durch § 1 Nr. 16 dieses Gesetzes § 73a BewG a. F. in das BewG eingefügt wurde. Diese Änderung war in dem Regierungsentwurf des VBewG nicht vorgesehen, sondern beruhte auf einem Vorschlag des zuständigen Bundestagsausschusses. Das ergibt sich aus dem Sitzungsbericht der 177. Sitzung der 1. Wahlperiode des Bundestages. Aus diesem Sitzungsbericht geht aber auch hervor, daß § 73a BewG a. F. eine Steuerbefreiungsvorschrift sein sollte; denn es heißt dort: 'Wenn also ... so hohe Einnahmen erzielt werden, daß sie die Aufwendungen für die Unterhaltung übersteigen, wäre die Steuerbefreiung natürlich nicht am Platze' (Stenographische Berichte, Bd. 9 S. 7311)."

An dieser Auffassung hält der Senat fest.

Wenn es sich aber bei den unter § 73a BewG fallenden Wirtschaftsgütern um steuerbefreite Wirtschaftsgüter handelt, so entfällt der Abzug der mit diesen Wirtschaftsgütern in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden oder Lasten nach § 74 Abs. 2 BewG in der am 1. Januar 1949 geltenden Fassung.

Die Auffassung des Klägers, die Ergänzung dieser Vorschrift durch das ÄndG-BewG vom 10. August 1963 (BGBl I, 676, BStBl I 1963, 608) sei nur eine Klarstellung und wirke deshalb auf den 1. Januar 1949 zurück, ist rechtsirrig. Der Kläger kommt zu dieser Auffassung durch die Annahme, in dem Gesetzentwurf des ÄndG-BewG 1963 sei ursprünglich eine Vorschrift enthalten gewesen, wonach die nach § 73a Abs. 2 BewG bei der Bewertung nicht anzusetzenden Vermögenswerte auch nicht zum Vermögen im Sinne des BewG zu rechnen seien. Diese Annahme trifft jedoch nicht zu. Der amtliche Entwurf des ÄndG-BewG 1963 (Bundestagsdrucksache IV/1227) enthält überhaupt keine derartige Vorschrift. Die Ergänzung des § 74 Abs. 2 BewG beruhte auf einem Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestages. Aus welchem Grunde der Ausschuß diese Ergänzung für erforderlich hielt, geht eindeutig aus dem Bericht der Berichterstatterin dieses Ausschusses (Bundestagsdrucksache IV/1365 S. 2) hervor, in dem es heißt: "Der Finanzausschuß schlägt zugunsten von Grundbesitz und anderen Gegenständen, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, eine Ergänzung des § 74 Abs. 2 vor. Solche Vermögensgegenstände bleiben unter bestimmten Voraussetzungen nach § 73a BewG vermögensteuerfrei. Vor allem Grundbesitz dieser Art ist vielfach für den Eigentümer mit erheblichen Belastungen verbunden. Entgegen dem allgemeinen Grundsatz, daß Schulden und Lasten, die mit steuerfreien Wirtschaftsgütern in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens nicht abgezogen werden können, soll deshalb ausnahmsweise der Abzug dieser Schulden und Lasten hier zugelassen werden." Aus diesen Ausführungen ist eindeutig zu entnehmen, daß es sich bei der vom Ausschuß vorgeschlagenen Ergänzung des § 74 Abs. 2 BewG um eine Ausnahmevorschrift handelt, ohne die der Abzug von Schulden und Lasten, die mit nach § 73a BewG steuerbefreiten Wirtschaftsgütern in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nicht möglich wäre. Da jedoch diese Ergänzung nach Art. 7 des ÄndG-BewG 1963 erst am 1. Januar 1963 in Kraft getreten ist, kann sie im Streitfall, in dem es sich um den Stichtag vom 1. Januar 1949 handelt, nicht angewandt werden.

Der Einwand des Klägers, daß er durch den Nichtabzug der Unterhaltungskosten schlechtergestellt sei als ein Schloßbesitzer, der sein Schloß nicht der Allgemeinheit zur Verfügung stelle, trifft nicht zu. Das gilt schon für den Ausgangspunkt, daß der gemeine Wert eines Schlosses regelmäßig gleich Null sei. Wenn auch die Schlösser wegen der auf ihnen ruhenden Belastungen und Beschränkungen einen geringeren Wert haben als andere Grundstücke (vgl. dazu Urteil des RFH III 21/43 vom 24. Juni 1943, RStBl 1943, 587, und für das BewG 1965 Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 1967, Deutsche Steuer-Zeitung Ausgabe B/Eildienst 1967 S. 467), so kommt eine Bewertung mit 0 DM bei ihnen schon wegen des Grund- und Bodenwerts in der Regel nicht in Betracht.

Auch die vom Kläger in dem Schriftsatz vom 5. Dezember 1968 und in der mündlichen Verhandlung erwähnten Beispiele sind nicht geeignet, eine Schlechterstellung des Klägers auf Grund des § 73a BewG darzutun. Soweit er dabei die Unterhaltungslast berücksichtigt, ist darauf hinzuweisen, daß ein Schloßbesitzer, dessen Schloßanlage nicht unter Denkmalsschutz steht und der deshalb § 73a Abs. 2 BewG nicht in Anspruch nehmen kann, eine solche Unterhaltungslast, die ja gerade auf den Vorschriften über den Denkmalsschutz beruht, gar nicht geltend machen kann. Soweit in den Beispielen auf eine am Stichtag bestehende reguläre Schuld, z. B. aus Instandsetzungen, Bezug genommen wird, ist auf folgendes hinzuweisen: Eine Benachteiligung des Steuerpflichtigen, der § 73a BewG in Anspruch nimmt, kommt erst dann in Betracht, wenn eine solche Schuld höher ist als der Wert, mit dem die Schloßanlage ohne § 73a BewG anzusetzen wäre. Eine so hohe Schuld wird aber nicht an jedem Stichtag bestehen, weil nicht in jedem Jahr so hohe Reparaturkosten anfallen. An den Stichtagen, an denen eine so hohe Schuld nicht besteht, ist jedoch der Schloßbesitzer, der § 73a BewG in Anspruch nimmt, gegenüber dem anderen Schloßbesitzer im Vorteil. Dieser Vorteil geht sicherlich nicht vollständig verloren, wenn an einem Stichtag einmal tatsächlich eine Schuld besteht, die betragsmäßig den Wert der Schloßanlage übersteigt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68436

BStBl II 1969, 230

BFHE 1969, 542

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