Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdeckte Gewinnausschüttung bei einem VVaG: Verzicht auf die Erhebung kostendeckender Beiträge, Übernahme von Kosten, die den Mitgliedern aus Anlaß der Teilnahme an der Mitgliederversammlung entstehen - VVaG fällt nicht unter die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgezählten juristischen Personen - Zulässigkeit der Anschlußrevision bei alleiniger Anfechtung der Kostenentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984 ist auch bei einem VVaG eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Mitgliedschaftsverhältnis veranlaßt ist und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht.

2. Ein VVaG ist keine Körperschaft, deren Leistungen i.S. der §§ 23 Abs.2 Satz 2, 41 KStG 1984 bei den Empfängern zu den Einnahmen i.S. des § 20 Abs.1 Nrn.1 oder 2 EStG gehören.

3. Die Aufwendungen eines VVaG sind nach allgemeinen Veranlassungsgrundsätzen dem Versicherungs- oder dem Mitgliedschaftsverhältnis zuzuordnen.

4. Erhebt ein VVaG im Mitgliedergeschäft keine kostendeckenden Beiträge, so ist eine durch das Mitgliedschaftsverhältnis veranlaßte verhinderte Vermögensmehrung anzunehmen, die steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen ist.

5. Entsprechendes gilt, wenn Aufwendungen, die durch das versicherungstechnische Mitgliedergeschäft veranlaßt sind und deshalb durch die Erhebung von Mitgliederbeiträgen hätten abgedeckt werden müssen, aus Mitteln des nichtversicherungstechnischen Geschäftes gedeckt werden.

 

Orientierungssatz

1. Das System der Erhebung kostendeckender Beiträge im versicherungstechnischen Mitgliedergeschäft baut auf einer zeitnahen Kostendeckung auf. Der Verzicht auf die Anhebung von Beiträgen bzw. auf die Erhebung von Nachschüssen wird in dem Augenblick zu einer verhinderten Vermögensmehrung i.S. der Definition der verdeckten Gewinnausschüttung, in dem ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des VVaG die Beiträge spätestens angehoben hätte. Aus diesem Grund kommt auch eine analoge Anwendung des § 10d EStG nicht in Betracht. Soweit die Finanzverwaltung in dem BMF-Schreiben in StEK, Körperschaftsteuergesetz 1977, § 8 Nr. 28 eine verdeckte Gewinnausschüttung erst nach Ablauf von drei Wirtschaftsjahren für den dann noch nicht mit einem Überschuß verrechneten Teil des Verlustes annimmt, handelt es sich um eine unter Billigkeitsgesichtspunkten erlassene Fristenregelung, die ausschließlich zugunsten der VVaG wirkt und deshalb revisionsrechtlich keinen Bedenken unterliegt.

2. Übernimmt ein VVaG die Kosten, die den Mitgliedern aus Anlaß der Teilnahme an der Mitgliederversammlung entstehen, so liegt hierin eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984. Entsprechendes gilt, wenn ein VVaG seinen Mitgliedern einen Vermögensvorteil (unangemessene Verpflegung) zuwendet, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des VVaG einem Nichtmitglied aus einem vergleichbaren Anlaß nicht zugewendet hätte. Die Angemessenheitsgrenze von 25 DM in dem BMF-Schreiben in StEK, Körperschaftsteuergesetz 1977, § 8 Nr. 28 stellt eine sachlich zutreffende Schätzung dar.

3. Eine Anschlußrevision, mit der nur eine Änderung der Kostenentscheidung begehrt wird, ist zulässig (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur).

 

Normenkette

AO 1977 § 163; KStG 1984 § 8 Abs. 3 S. 2, Abs. 6, § 23 Abs. 2 S. 2, §§ 21, 41; FGO § 155; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 556; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 2, § 10d; FGO § 135

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Entscheidung vom 23.11.1989; Aktenzeichen II 133/87)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Anschlußrevisionsbeklagte (Klägerin) ist ein sog. kleinerer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) i.S. des § 53 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Nach ihrem Satzungszweck versichert die Klägerin ihre Mitglieder aus den gemeinschaftlich aufzubringenden Mitteln gegen die in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) aufgeführten Schäden, soweit sie im Zusammenhang mit dem Betrieb von Schiffen stehen. Zur Deckung der Schäden und Verwaltungskosten werden nach Schiffsgrößen gestaffelte Umlagenvorschüsse festgesetzt und erhoben. Zur Deckung außergewöhnlicher Verluste aus dem Geschäftsbetrieb wird eine Verlustrücklage und zur Sicherung der Umlageverpflichtungen der Mitglieder ein Garantiefonds gebildet.

In den Wirtschaftsjahren 1981/82 bis 1984/85 beliefen sich die von den Mitgliedern erhobenen Umlagevorschüsse auf folgende Beträge pro tdw:

1981/82 1982/83 1983/84 1984/85

------- ------- ------- -------

DM DM DM DM

Basisbetrag 4 4 4 2

Nachschuß - - 3 3,80

Der Basisbetrag bezog sich auf eine Schiffsgröße von 1.500 tdw im Wirtschaftsjahr 1981/82, von 1 700 tdw in den Wirtschaftsjahren 1982/83 und 1983/84 und von 2 200 tdw im Wirtschaftsjahr 1984/85. Er nahm bei größeren Schiffen ab und bei kleineren Schiffen zu.

Der Bestand an Schiffen betrug im Wirtschaftsjahr

1981/82: 905 472 tdw

1982/83: 1 083 141 tdw

1983/84: 1 345 920 tdw

1984/85: 1 474 101 tdw.

Die Klägerin erzielte in den Wirtschaftsjahren 1981/82 bis 1984/85 folgende versicherungstechnische Ergebnisse: ...

In ihrer Körperschaftsteuer-Erklärung 1985 erklärte die Klägerin eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 232 DM, die aus den anläßlich einer Mitgliederversammlung aufgewendeten Kosten pro Teilnehmer in Höhe von 27,53 DM abzüglich einer Pauschale von 25 DM (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 26.November 1984 IV B 7 - S 2741 - 16/84, IV B 7 - S 2742 - 23/84, Steuererlasse in Karteiform --StEK--, Körperschaftsteuergesetz 1977, § 8 Nr.42) bestand.

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (Finanzamt --FA--) errechnete demgegenüber eine weitere verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 60 748 DM, weil die Klägerin den versicherungstechnischen Verlust des Wirtschaftsjahres 1981/82 nicht innerhalb von drei Jahren ausgeglichen habe. Bei der Berechnung der verdeckten Gewinnausschüttung orientierte sich das FA an dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14.Juli 1976 I R 239/73 (BFHE 119, 447, BStBl II 1976, 731) sowie an dem BMF-Schreiben vom 24.November 1981 IV B 7 - S 2775 - 30/81 (StEK, Körperschaftsteuergesetz 1977, § 8 Nr.28). Auf dieser Grundlage erließ das FA am 28.November 1986 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung einen Körperschaftsteuer- und einen Gewerbesteuermeßbescheid 1985. Dabei wurde eine Gewerbesteuerrückstellung für die hinzugerechnete verdeckte Gewinnausschüttung nicht berücksichtigt.

Die Einsprüche blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur zu einem geringen Teil statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 443, veröffentlicht.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 8 Abs.3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977.

Sie beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG Hamburg vom 23.November 1989 II 133/87 den Körperschaftsteuerbescheid 1985 und den Gewerbesteuermeßbescheid 1985, beide vom 28.November 1986, in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 15.Mai 1987 dahin zu ändern, daß die Körperschaftsteuer 1985 auf 44 840 DM und der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag 1985 auf 9 218 DM festgesetzt werden.

Die Revisionsbegründung der Klägerin gilt dem FA als am 9.Juli 1990 bekanntgegeben. Das FA legte mit dem am 2.August 1990 beim BFH eingegangenen Schriftsatz Anschlußrevision ein, weil die Kostenentscheidung § 135 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verletzt habe.

Es beantragt sinngemäß, das Urteil des FG Hamburg vom 23.November 1989 II 133/87 dahin zu ändern, daß die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt werden, und deren Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin und die Anschlußrevision des FA sind unbegründet. Sie waren deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO).

A.

Revisionsrechtlich ist es nicht zu beanstanden, daß das FG in der Vorentscheidung verdeckte Gewinnausschüttungen der Klägerin i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984 in Höhe von 232 DM und 60 748 DM angenommen hat.

1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984 ist bei einem VVaG eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Mitgliedschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Zwar hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 11.Februar 1987 I R 43/83 (BFHE 149, 217, BStBl II 1987, 643) die Auffassung vertreten, die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984 setze die Beteiligung des Empfängers an der die Leistung gewährenden Körperschaft i.S. des § 20 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) voraus. An dieser Auffassung hat er jedoch schon im Urteil vom 9.August 1989 I R 4/84 (BFHE 158, 510, BStBl II 1990, 237) nicht mehr festgehalten. Er hat statt dessen darauf abgestellt, ob die eintretende Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung geeignet ist, einen Vermögensvorteil für denjenigen auszulösen, der über Mitgliedschaftsrechte oder mitgliedschaftsähnliche Rechte den Einfluß auf die der Körperschaftsteuer unterliegende Person hat. Diese Grundsätze gelten für einen VVaG entsprechend. Die Mitglieder des VVaG haben über ihre Teilhaberechte an der Verwaltung die Möglichkeit, Einfluß auf den VVaG zu nehmen. Vermögensminderungen, die durch derartige Einflußnahmen veranlaßt sind, dürfen das Einkommen (den Gewinn) des VVaG nicht mindern. Sie sind steuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttungen i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984 zu beurteilen, ohne daß es darauf ankommt, ob die Mitglieder einen Anspruch auf einen Anteil an dem jährlichen Überschuß (§ 38 VAG) bzw. an einem Liquidationsüberschuß (§ 48 Abs.2 VAG) haben.

Die Beteiligung des Empfängers an dem die Leistung gewährenden VVaG i.S. des § 20 Abs.1 Nr.1 EStG ist demnach keine für die Anwendung des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984 entscheidungserhebliche Voraussetzung. Auf sie kommt es nur für die Anwendung des § 23 Abs.2 Satz 2 Buchst.a und des § 41 KStG 1984 an. Insoweit ist der erkennende Senat abweichend von der Vorentscheidung der Auffassung, daß Ausschüttungen eines VVaG bei dem betroffenen Mitglied keine Einnahmen i.S. des § 20 Abs.1 Nrn.1 oder 2 EStG auslösen. Dies gilt jedenfalls für die Rechtslage ab dem 1.Januar 1977. Nach dem damals in Kraft getretenen KStG 1977 unterliegt ein VVaG dem ermäßigten Steuersatz von 50 v.H. Nach dem Wortlaut des § 23 Abs.2 Satz 2 Buchst.a KStG 1977/84 ist dies nur möglich, wenn die Leistungen eines VVaG bei den Empfängern nicht zu den Einnahmen i.S. des § 20 Abs.1 Nrn.1 oder 2 EStG gehören. Folglich kann der VVaG nicht unter die in § 20 Abs.1 Nr.1 EStG aufgezählten juristischen Personen fallen. Dies ergibt sich auch aus § 1 Abs.1 KStG 1977/84. Die Vorschrift ordnet die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften unter die Nr.2 und den VVaG unter die Nr.3. Deshalb kann auch in § 20 Abs.1 Nr.1 EStG die Mitgliedschaft in einem VVaG nicht mit der Beteiligung an einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft gleichgestellt werden.

2. Für die Frage, ob eine bestimmte Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) durch die Beteiligung an einer Körperschaft veranlaßt ist, hat der erkennende Senat in seinem eine Genossenschaft betreffenden Urteil vom 11.Oktober 1989 I R 208/85 (BFHE 158, 388, BStBl II 1990, 88) darauf abgestellt, ob die Genossenschaft ihren Genossen einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtmitglied nicht gewährt hätte. Dieser Maßstab muß im Streitfall als Abgrenzungskriterium entsprechend herangezogen werden, weil der VVaG wie eine Genossenschaft ein wirtschaftlicher Verein ist (vgl. Meyer/Meulenbergh/Beuthien, Genossenschaftsgesetz, 12.Aufl., § 1 Rdnr.2; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 1.Aufl., S.935). Zwar sind bei einem VVaG Versicherungs- und Mitgliedschaftsverhältnis miteinander verbunden. Voraussetzung für den Erwerb der Mitgliedschaft ist die Begründung eines Versicherungsverhältnisses (§ 20 VAG). Auch ist es für die steuerrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung, daß das Versicherungs- und Mitgliedschaftsverhältnis rechtlich gesehen eine Einheit bilden (vgl. Prölss/Schmidt/Sasse, Versicherungsaufsichtsgesetz, 20.Aufl., § 20 Anm.5). Entscheidend ist vielmehr, daß das auch im Körperschaftsteuerrecht anzuwendende Veranlassungsprinzip auf einer wertenden Beurteilung des die Aufwendung (Vermögensminderung) auslösenden Momentes beruht (vgl. BFH-Beschluß des Großen Senats vom 4.Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II.2.b.bb). Im Sinne einer wertenden Beurteilung kann aber auch bei Anwendung der sog. Einheitstheorie das auslösende Moment einer bestimmten Aufwendung dem Versicherungs- oder dem Mitgliedschaftsverhältnis zugeordnet werden. So ist z.B. die Mitgliederversammlung eines VVaG durch das Mitgliedschafts- und nicht durch das Versicherungsverhältnis veranlaßt, weil sie den Mitgliedern und nicht den Versicherungsnehmern die Möglichkeit gibt, von ihren gesetzlichen und satzungsmäßigen Teilhaberechten an der Verwaltung des VVaG Gebrauch zu machen. Übernimmt deshalb ein VVaG die Kosten, die den Mitgliedern aus Anlaß der Teilnahme an der Mitgliederversammlung entstehen, so liegt hierin eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984. Entsprechendes gilt, wenn ein VVaG --wie vom FG für den Streitfall in tatsächlicher Hinsicht bindend festgestellt (§ 118 Abs.2 FGO)-- seinen Mitgliedern einen Vermögensvorteil (unangemessene Verpflegung) zuwendet, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des VVaG einem Nichtmitglied aus einem vergleichbaren Anlaß nicht zugewendet hätte.

Die Zuordnung von Aufwendungen eines VVaG unter Veranlassungsgesichtspunkten zum Versicherungsverhältnis einerseits und zum Mitgliedschaftsverhältnis andererseits bedeutet nicht, daß das sog. nichtversicherungstechnische Geschäft Teil des Mitgliedschaftsverhältnisses und das sog. versicherungstechnische Geschäft Teil des Versicherungsverhältnisses wären. Auch das nichtversicherungstechnische Geschäft eines VVaG ist zweifelsfrei betrieblich veranlaßt. Jedoch ist der VVaG ein Verein, dessen Mitglieder sich zu dem Zweck zusammengeschlossen haben, die erforderlichen Mittel zur Deckung der Schäden aus bestimmten sie bedrohenden Gefahren gemeinsam aufzubringen (§ 15 VAG). Die im Mitgliedergeschäft erhobenen Beiträge müssen gemäß § 24 VAG so bemessen sein, daß sie die gesamten Ausgaben des VVaG abdecken. Erhebt deshalb ein VVaG im Mitgliedergeschäft keine kostendeckenden Beiträge (Vorbeiträge, Nachschüsse oder Umlagen), so entspricht dieses Verhalten nicht der gesetzlichen Konzeption des VVaG. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des VVaG würde kostendeckende Beiträge erheben. Der Verzicht auf kostendeckende Beiträge im Mitgliedergeschäft ist daher eine durch das Mitgliedschaftsverhältnis veranlaßte verhinderte Vermögensmehrung. Sie ist steuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984 zu beurteilen.

Für den VVaG besteht allerdings insoweit eine steuerliche Besonderheit, als die Mitgliederbeiträge nach Maßgabe des § 8 Abs.6 KStG 1984 (heute: Abs.7) als steuerpflichtige Betriebseinnahmen zu behandeln sind. Spiegelbildlich dazu bestimmt § 21 KStG 1984, daß die in der Form von Beitragsrückerstattungen vorgenommenen Gewinnausschüttungen eines VVaG insoweit als Betriebsausgaben abziehbar sind, als sie aus Überschüssen aus dem versicherungstechnischen Geschäft stammen und wirtschaftlich den Charakter zurückgewährter Versicherungsbeiträge haben. Diese Regelung zwingt steuerlich gesehen dazu, zwischen Beitragsrückerstattungen aus dem versicherungstechnischen Geschäft und Ausschüttungen aus dem nichtversicherungstechnischen Geschäft (Kapitalerträge und sonstige Einnahmen) zu unterscheiden. Werden Aufwendungen, die durch das versicherungstechnische Geschäft veranlaßt sind und deshalb durch die Erhebung von Mitgliederbeiträgen hätten abgedeckt werden müssen, aus Mitteln des nichtversicherungstechnischen Geschäftes gedeckt, so muß der VVaG mit Rücksicht auf §§ 8 Abs.6, 21 KStG 1984 so behandelt werden, als ob er den Überschuß aus dem nichtversicherungstechnischen Geschäft an seine Mitglieder ausgeschüttet und anschließend von diesen gleich hohe Nachschüsse zur Deckung eines Verlustes im versicherungstechnischen Geschäft erhoben hätte. Diese Schlußfolgerung entspricht nicht nur der Auffassung des Reichsfinanzhofs im Urteil vom 31.Mai 1938 I 77/38 (RStBl 1938, 821), sondern auch der des erkennenden Senats im Urteil vom 14.Juli 1976 I R 239/73 (BFHE 119, 447, BStBl II 1976, 731). An ihr ist festzuhalten.

3. Allerdings kann der Schadensverlauf eines VVaG in den einzelnen Wirtschaftsjahren Schwankungen unterliegen. Wird im ersten Jahr ein Verlust und im Folgejahr ein Überschuß aus dem versicherungstechnischen Geschäft erzielt, dann kann auf die Erhebung von Nachschüssen für das erste Jahr verzichtet werden, wenn der Überschuß den Verlust abdeckt und eine entsprechende Verwendung beschlossen wird. Andererseits baut das System der Erhebung kostendeckender Beiträge im Mitgliedergeschäft auf einer zeitnahen Kostendeckung auf. Es kann daher auf die Anhebung von Beiträgen bzw. auf die Erhebung von Nachschüssen nicht deshalb verzichtet werden, weil mit Überschüssen irgendwann in der Zukunft gerechnet wird. Der Verzicht auf die Anhebung von Beiträgen bzw. auf die Erhebung von Nachschüssen wird vielmehr in dem Augenblick zu einer verhinderten Vermögensmehrung i.S. der Definition der verdeckten Gewinnausschüttung, in dem ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des VVaG die Beiträge spätestens angehoben hätte. Aus diesem Grund kommt auch eine analoge Anwendung des § 10d EStG nicht in Betracht. Die Vorschrift beruht auf einem anderen Rechtsgedanken. Sie soll die Gleichmäßigkeit der Besteuerung über den einzelnen Veranlagungszeitraum hinaus sicherstellen.

Soweit die Finanzverwaltung in dem BMF-Schreiben in StEK, Körperschaftsteuergesetz 1977, § 8 Nr.28 eine verdeckte Gewinnausschüttung erst nach Ablauf von drei Wirtschaftsjahren für den dann noch nicht mit einem Überschuß verrechneten Teil des Verlustes annimmt, handelt es sich um eine unter Billigkeitsgesichtspunkten erlassene Fristenregelung, die ausschließlich zugunsten der VVaG wirkt und deshalb revisionsrechtlich keinen Bedenken unterliegt. Der Vorwurf der Klägerin, die Fristbestimmung sei willkürlich, greift nicht durch. Revisionsrechtlich gesehen bestehen deshalb auch im Streitfall keine Bedenken, eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984 im Streitjahr 1985 anzusetzen.

Der erkennende Senat teilt nicht die von Knocks (Die Wirtschaftsprüfung --WPg-- 128 ff. und WPg 1980, 245 ff.) geltend gemachten Bedenken. Darauf, ob ein Bilanzgewinn nach § 38 VAG ausgewiesen wird, kommt es nicht an. Die verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984 besteht in der Nichterhebung kostendeckender Beiträge, wobei aus der nicht eingetretenen Kostendeckung auf die Veranlassung der verhinderten Vermögensmehrung im Mitgliedschaftsverhältnis geschlossen wird. Ob eine andere Beurteilung dann gerechtfertigt erscheint, wenn der Verlust im versicherungstechnischen Geschäft auf einer in keiner Weise vorhersehbaren Entwicklung der Schadensfälle beruht, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, weil die Klägerin einen solchen Sachverhalt nicht behauptet hat.

4. Nach den tatsächlichen und den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs.2 FGO) war in § 22 der Satzung der Klägerin die Erhebung von Umlagen als Beitragssystem vorgeschrieben. Die jährliche Umlage durfte 12 DM pro tdw nicht übersteigen. Tatsächlich erhob die Klägerin jedoch im Verlustjahr 1981/82 nur eine Umlage von 4 DM pro tdw. Dadurch entstand ein Verlust aus dem versicherungstechnischen Geschäft in Höhe von 243 991 DM. Dieser Verlust konnte bis zum Wirtschaftsjahr 1984/ 85 nur in Höhe von 183 243 DM durch Überschüsse ausgeglichen werden. Da die Klägerin an der Erhebung höherer Umlagen rechtlich nicht gehindert war, muß für den nicht ausgeglichenen Verlust in Höhe von 60 748 DM vermutet werden, daß er verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984 des Wirtschaftsjahres 1984/85 ist.

Ferner wandte die Klägerin im Wirtschaftsjahr 1984/85 für die Verpflegung ihrer Mitglieder anläßlich der Mitgliederversammlung 27,53 DM pro Mitglied auf. Der Betrag überschreitet die Angemessenheitsgrenze von 25 DM. Insoweit sieht der Senat in dem BMF-Schreiben vom 26.November 1984 (IV B 7 - S 2741 - 16/84, IV B 7 - S 2742 - 23/84, StEK, Körperschaftsteuergesetz 1977, § 8 Nr.42) eine sachlich zutreffende Schätzung. Der Differenzbetrag von insgesamt 232 DM ist deshalb ebenfalls als verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984 anzusetzen.

B.

Die Anschlußrevision des FA enthält zwar keinen ausdrücklichen Antrag. Da sie jedoch nur "wegen der Kostenentscheidung des Finanzgerichts vom 23.November 1989" eingelegt und auch nur mit einer Verletzung des § 135 FGO begründet wurde, muß sie dahin verstanden werden, daß mit ihr keine Änderung der Entscheidung in der Hauptsache, sondern nur eine Änderung der Kostenentscheidung begehrt wird.

Die so verstandene Anschlußrevision ist zwar zulässig. Ihr steht nicht entgegen, daß sie sich auf die Anfechtung der Entscheidung im Kostenpunkt beschränkt (vgl. BFH-Urteile vom 2.Juni 1971 III R 105/70, BFHE 102, 563, BStBl II 1971, 675; vom 22.Mai 1979 VIII R 218/78, BFHE 128, 314, BStBl II 1979, 741; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 120 Rdnr.51). Sie ist jedoch unbegründet.

Das FG hat dem FA in der Vorentscheidung die Kosten des Rechtsstreits zu 18 v.H. auferlegt, weil es der Klage in der Hauptsache etwa in diesem Umfang stattgegeben hat. Da das FA die zu seinen Lasten in der Hauptsache ergangene Entscheidung nicht mit der Anschlußrevision angefochten hat, kann der erkennende Senat aus Gründen der §§ 121, 96 Abs.1 Satz 2 FGO diese nicht zugunsten des FA ändern. Muß es schon deshalb bei der teilweisen Stattgabe der Klage verbleiben, so ist auch die Kostenentscheidung zutreffend, weil das FA (prozessual gesehen) zu 18 v.H. unterlegen ist. Eine andere Entscheidung wäre dem Senat nur als Folge einer Änderung der Entscheidung in der Hauptsache möglich gewesen, wenn das FA auch diese mit der Anschlußrevision angefochten hätte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63901

BFH/NV 1992, 37

BStBl II 1992, 429

BFHE 166, 335

BFHE 1992, 335

BB 1992, 1406

BB 1992, 1406-1408 (LT)

DB 1992, 1456 (L)

DStR 1992, 1239 (KT)

HFR 1992, 298 (LT)

StE 1992, 217 (K)

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