Leitsatz (amtlich)

Ein entgeltlich erworbener Geschäftswert kann auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben werden, wenn die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens seit der erstmaligen Aktivierung des Geschäftswerts zeigt, daß dessen Rentabilität nachhaltig gesunken ist.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

I.

Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1968 (Streitjahr) die Abschreibung eines erworbenen Geschäftswerts.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine KG. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die W-GmbH mit einem Kapitalanteil von 1 v. H. Als Kommanditisten waren im Streitjahr Mitglieder der Familie W, die B-GmbH und die G-GmbH beteiligt.

Nach § 14 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin waren die Kommanditisten jeweils in dem Verhältnis, mit dem sie an der Klägerin beteiligt waren, auch Gesellschafter der W-GmbH.

Die B-GmbH und die G-GmbH waren am 1. März 1961 als Kommanditisten in die Klägerin eingetreten. Wegen der über die Buchwerte des übernommenen Kommanditkapitals hinausgehenden Kaufpreisteile wurden für beide Kommanditisten in Ergänzungsbilanzen aufgedeckte stille Reserven aktiviert. Der darüber noch hinausgehende Kaufpreisteil wurde für beide GmbH mit je 830 000 DM in den Ergänzungsbilanzen als Geschäftswert ausgewiesen.

Die Klägerin erzielte in den Wirtschaftsjahren ab 1961 folgende (gerundete) Umsätze und Gewinne:

Wirtschafts- Umsatz Gewinn Buchwerte

jahr (Anlagevermögen)

TDM TDM TDM TDM

1961/62 33 826 4 313 4 045

1962/63 29 720 2 639 7 684

1963/64 31 999 1 672 9 663

1964/65 35 800 2 996 10 297

1965/66 34 226 1 812 10 265

1966/67 30 111 1 157 9 746

1967/68 33 498 1 778 9 109

1968/69 38 068 2 237 9 481

1969/70 41 238 523 9 131

1970/71 40 405 511 9 593

1971/72 39 457 109 8 857

Das Rumpfwirtschaftsjahr 1972 ergab einen Gewinn von 138 000 DM; in den beiden folgenden Wirtschaftsjahren erlitt die Klägerin Verluste.

Zum 1. Dezember 1968 schied die B-GmbH wieder aus. Ihr Gesamtbuchkapitalanteil einschließlich Ergänzungsbilanz betrug 6 151 161 DM. Sie erzielte hierfür einen Veräußerungserlös von 5 820 000 DM.

Weil die B-GmbH bei der Veräußerung als Gegenleistung noch nicht einmal die Buchwerte der Beteiligung einschließlich Ergänzungsbilanz erzielt hatte, berichtigte die Klägerin die in den Ergänzungsbilanzen der B-GmbH und der G-GmbH ausgewiesenen Geschäftswerte von 830 000 DM zum 30. November 1968 auf null DM. Dadurch ergab sich eine entsprechende Minderung des laufenden Gewinns. Wegen des niedrigeren Buchwerts der Beteiligung ergab sich dadurch ferner ein Veräußerungsgewinn für die B-GmbH von 488 839 DM.

Aufgrund einer Betriebsprüfung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die Teilwertabschreibung der Firmenwerte nicht an und änderte den vorläufig ergangenen Feststellungsbescheid, indem er den laufenden Gewinn der Klägerin entsprechend erhöhte und zugleich einen Veräußerungsverlust der B-GmbH feststellte.

Der gegen diesen Bescheid unmittelbar erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.

Das FA rügt mit der Revision Verletzung formellen und sachlichen Rechts.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß der entgeltlich erworbene und aktivierte Geschäftswert zum 30. November 1968 nicht mehr vorhanden war.

1. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist ein Geschäftswert mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Statt der Anschaffungskosten kann der niedrigere Teilwert angesetzt werden, wenn sich die Zahlung des Mehrbetrags unmittelbar als Fehlmaßnahme erweist oder wenn nachgewiesen wird, daß der Teilwert des Geschäftswerts in seiner Gesamtheit -- einschließlich seiner zwischenzeitlich angewachsenen originären Bestandteile -- unter den seinerzeit gezahlten und aktivierten Betrag gesunken bzw. überhaupt nicht mehr vorhanden ist (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 12. August 1982 IV R 43/79, BFHE 136, 274, BStBl II 1982, 652; vom 20. April 1977 I R 234/75, BFHE 122, 268, BStBl II 1977, 607, und vom 28. Oktober 1976 IV R 76/72, BFHE 120, 245, BStBl II 1977, 73). Letzteres ist der Fall, wenn sich der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens seit der erstmaligen Aktivierung des Geschäftswerts entnehmen läßt, daß der Geschäftswert durch die Minderung aller oder einzelner ihn bildender Faktoren insgesamt gesunken ist. Anhaltspunkte für eine solche Entwicklung liegen insbesondere vor, wenn sich die Rentabilität des Unternehmens vermindert, weil die Entwicklung der Umsätze und Gewinne über einen längeren Zeitraum stagniert oder zurückgeht (nach BFH-Urteil vom 29. Juli 1982 IV R 49/78, BFHE 136, 270, BStBl II 1982, 650 z. B. fünf Jahre). Erst wenn derartige Anhaltspunkte festgestellt werden können, kann zusätzlich mit Hilfe einer anerkannten Berechnungsmethode im Wege einer Kontrollrechnung ermittelt werden, ob der Geschäftswert auf einen bestimmten Teilwert gesunken oder überhaupt nicht mehr vorhanden ist (BFHE 122, 268, BStBl II 1977, 607).

2. Die Vorentscheidung entspricht diesen Grundsätzen.

a) Anhaltspunkte für die rückläufige wirtschaftliche Entwicklung der Klägerin sind vor allem im Rückgang der Rentabilität des Unternehmens zu erblicken (vgl. dazu BFHE 120, 245, 250, BStBl II 1977, 73). Betrug der Gewinn im Wirtschaftsjahr 1961/62 noch 4,313 Mio. DM, so fiel er im Wirtschaftsjahr 1967/68 auf 1,778 Mio. DM zurück. Der Umsatz des Unternehmens stagnierte (Wirtschaftsjahr 1961/62: 33,826 Mio. DM, Wirtschaftsjahr 1967/68: 33,498 Mio. DM). Dementsprechend verschlechterte sich auch das Gewinn-Umsatz-Verhältnis von 12,75 v. H. im Wirtschaftsjahr 1961/62 nahezu stetig auf 5,31 v. H. im Wirtschaftsjahr 1967/68. Die Relation des Gewinns zu den Buchwerten des Betriebsvermögens bestätigt diese Entwicklung. Belief sich dieses Verhältnis im Wirtschaftsjahr 1961/62 noch auf 106,62 v. H., so war es im Wirtschaftsjahr 1967/68 auf 19,52 v. H. gesunken.

Allein diese Feststellungen erlauben bereits den Schluß, daß die Rentabilität des Unternehmens während des betreffenden Zeitraums nachhaltig gesunken war. Die Entwicklung der Rentabilität gehört zu den für die Geschäftswertabschreibung maßgebenden Einzelfaktoren (BFHE 120, 245, 250, BStBl II 1977, 73). Es bedurfte daher nicht noch zusätzlich eines Vergleichs zur allgemeinen Preis- und Einkommensentwicklung oder zu der besonderen wirtschaftlichen Entwicklung in dem betreffenden Industriezweig. Aus diesem Grund ist auch die vom FA in diesem Zusammenhang erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung unbegründet.

b) Die vom FG nach der sog. indirekten Methode vorgenommene Kontrollrechnung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist das FG zu Recht davon ausgegangen, daß der Substanzwert eines Unternehmens sich nicht aus den Buchwerten der Steuerbilanz, sondern aus den Teilwerten der einzelnen Wirtschaftsgüter zusammensetzt (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1976 I R 215/73, BFHE 121, 402, BStBl II 1977, 409).

Die vom FG angenommene Normalverzinsung von 11 v. H., die auch das FA bei der Betriebsprüfung seiner Kontrollrechnung zugrunde gelegt hat und die einem Kapitalisierungsfaktor von 9,1 entspricht, hält sich im Rahmen des Zulässigen.

Zwar wird im allgemeinen von einem Zinssatz von 10 v. H. und dementsprechend von einem Kapitalisierungsfaktor von ebenfalls 10 ausgegangen (vgl. BFHE 121, 402, BStBl II 1977, 409, und Schmidt/Seeger, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 1982, Anm. 38 d zu § 6). Der Kapitalisierungszinsfuß wird jedoch aus dem sog. Basiszinssatz und Zuschlägen, die dem mit dem Einsatz von Kapital verbundenen Risiko Rechnung tragen sollen, ermittelt. Weder der Basiszinssatz (z. B. der Branchenzinssatz oder der landesübliche Zinssatz für langfristig ausgeliehene Kapitalien, vgl. Viel/Bredt/Renard, Die Bewertung von Unternehmungen und Unternehmungsanteilen, 5. Aufl., 1975, S. 121 ff.; Maaßen, Finanz-Rundschau -- FR -- 1976, 315, 321 f., m. w. N.) noch die Höhe der Zuschläge (in der Regel 50 bis 60 v. H., vgl. Maaßen, FR 1976, 315, 321 f., und Urteil des FG Nürnberg von 24. Oktober 1975 III 150/72, Entscheidungen der Finanzgerichte 1976, 65, 67) können mathematisch exakt bestimmt werden. Daher ist, wenn die Beteiligten einvernehmlich von einem bestimmten Zinsfuß ausgehen, dieser nur zu beanstanden, wenn er willkürlich gewählt erscheint.

Das aber ist hier nicht der Fall. Ausgehend von den Renditen im Umlauf befindlicher festverzinslicher inländischer Wertpapiere (1968: 6,7 v. H., vgl. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für Dezember 1969 S. 49) und einen Risikozuschlag von 60 v. H. ergibt sich ein Kapitalisierungszinsfuß, der dem gewählten nahezu entspricht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74717

BStBl II 1983, 667

BFHE 1983, 541

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