Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des Veräußerungsgewinns bei der Übertragung des Bruchteils an einem Gesellschaftsanteil - Auslegung eines Erbvergleichs: Behandlung des Erbprätendenten als Miterbe, unentgeltlicher Erwerb einer KG-Beteiligung, einfache Nachfolgeklausel bei einer Personengesellschaft, Bindung des BFH an die Auslegung des FG - keine Einmann-Personengesellschaft oder Mehrfachmitgliedschaft an einer Personengesellschaft - Betriebsveräußerung des Erben bei Betriebsübertragung auf Pflichtteilsberechtigten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird der Bruchteil eines Mitunternehmeranteils veräußert, den der Veräußerer zuvor sukzessiv zu unterschiedlichen Anschaffungskosten erworben hatte, so ist der Buchwert des veräußerten Teilgesellschaftsanteils im Wege einer Durchschnittsbewertung zu ermitteln.

2. Überläßt der Testamentserbe dem das Testament anfechtenden Erbprätendenten, der zugleich als Pflichtteilsberechtigter in Betracht kommt, zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten Wirtschaftsgüter aus dem Nachlaß, so ist der Empfänger steuerlich wie ein Erbe zu behandeln (Weiterführung der BFH-Urteile vom 14. Oktober 1966 IV 61/64, BFHE 87, 387, BStBl III 1967, 175, und vom 14. März 1996 IV R 9/95, BFHE 180, 142, BStBl II 1996, 310).

 

Orientierungssatz

1. Im Gegensatz zur Kapitalgesellschaft ist eine Personengesellschaft nur als Zusammenschluß verschiedener Personen vorstellbar. Es gibt daher weder Einmann-Personengesellschaften noch Mehrfach-Mitgliedschaften (vgl. BGH-Rechtsprechung).

2. Der BFH ist nicht gehindert, die vom FG als Tatsacheninstanz vorgenommene Auslegung einer Willenserklärung daraufhin zu prüfen, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln, die Denkgesetze und mögliche Erfahrungssätze zutreffend angewandt worden sind (im Streitfall: Auslegung eines Erbvergleichs durch den BFH abweichend von der Auslegung des FG dahingehend, daß der Erbprätendent steuerlich als Miterbe und nicht nur als Pflichtteilsberechtigter zu behandeln war).

3. Erhält der Pflichtteilsberechtigte einen Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil, wird im steuerrechtlichen Schrifttum die Auffassung vertreten, daß es sich beim Erben um eine Betriebsveräußerung handle (vgl. Literaturnachweise).

4. Ist in Fällen des Erbvergleichs der Erbprätendent wie ein Miterbe zu behandeln und erhält er aufgrund des Vergleichs einen KG-Anteil des Erblassers, so hat er den KG-Anteil beim Tode des Erblassers unentgeltlich erworben. War im Gesellschaftsvertrag für den Tod eines Gesellschafters die Fortsetzung der KG mit den Erben vorgesehen (sog. einfache Nachfolgeklausel), geht der Anteil des Erblassers unmittelbar und unentgeltlich auf den Erbprätendenten über. Dem steht nicht entgegen, daß nach dem Erbvergleich die Ergebnisse aus der KG-Beteiligung dem Erbprätendenten möglicherweise erst ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses zustehen sollten. Es würde sich hierbei um die rückwirkende Änderung der Ergebnisverteilung einer Mitunternehmerschaft handeln, die der BFH im Rahmen von Vergleichsverhandlungen steuerlich anerkennt (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; EStDV §§ 11d, 7; EStG § 118 Abs. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2; FGO § 16 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster (Urteil vom 10.08.1994; Aktenzeichen 5 K 6393/89 F)

 

Tatbestand

Bei der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zu 1. handelt es sich um eine im Jahre 1953 gegründete KG, die aus dem Einzelunternehmen des im Jahre 1968 verstorbenen A hervorgegangen ist. Im Jahre 1968 stellten sich die Beteiligungsverhältnisse wie folgt dar:

Komplementär: A (70 v.H.)

Kommanditisten: Sohn J (10 v.H.)

Sohn D (10 v.H.)

Sohn P - Kläger zu 2. - (10 v.H.).

Die Söhne hatten ihre Anteile im Wege der Schenkung erhalten. Ursprünglich waren noch zwei Töchter des Komplementärs als Kommanditistinnen beteiligt gewesen.

Bei seinem Tod hinterließ A eine Vielzahl letztwilliger Verfügungen, die teilweise zueinander in Widerspruch standen.

Das Nachlaßgericht wies in einem Erbschein den Sohn J als Alleinerben aus. Hiergegen wandte sich der Kläger zu 2. mit dem Antrag, diesen Erbschein einzuziehen und statt dessen einen anderen auszustellen, der ihn neben seinem Bruder J als Miterben auswies.

Im Rahmen eines am 20. Mai 1970 geschlossenen Vergleichs einigten sich die beiden Brüder wie folgt:

Der Kläger zu 2. erkannte an, daß sein Bruder J Alleinerbe geworden war und übertrug vorsorglich einen ihm etwa zustehenden Erbanteil am Nachlaß auf seinen Bruder. Im Gegenzug übertrug der Bruder J auf den Kläger zu 2. einen Anteil an der Klägerin zu 1. in Höhe von 17 v.H. (also rd. 25 v.H. des in den Nachlaß fallenden Geschäftsanteils des Erblassers in Höhe von 70 v.H. - § 2). Außerdem erhielt der Kläger zu 2. einen Betrag in Höhe von 2 000 000 DM, der allerdings teilweise mit einem Viertel der Nachlaßverbindlichkeiten zu verrechnen war, die der Kläger zu 2. übernommen hatte (§ 4). Weiter heißt es in § 5, daß durch diesen Vertrag alle Rechte und Ansprüche, die den Brüdern aus Anlaß des Todes ihres Vaters gegeneinander zustehen könnten, insbesondere Pflichtteilsansprüche und eine etwaige Ausgleichsverpflichtung des Bruders J ausgeglichen seien.

Nachfolgend erwarben der Kläger zu 2. und sein Bruder J den Gesellschaftsanteil ihres Bruders D in Höhe von je 5 v.H., so daß der Kläger zu 2. ab diesem Zeitpunkt über einen Gesellschaftsanteil in Höhe von insgesamt 32 v.H. verfügte.

Das Festkapitalkonto des Klägers zu 2. setzte sich hiernach wie folgt zusammen:

1. Schenkung 1953 800 000 DM 10 v.H.

2. Erbvergleich 1970 1 360 000 DM 17 v.H.

3. Erwerb von Bruder

D 1970 400 000 DM 5 v.H.

------------ --------

2 560 000 DM 32 v.H.

Unter Einbeziehung von Ergänzungsbilanzen stellte sich der Gesellschaftsanteil des Klägers zu 2. wie folgt dar:

1. Festkapital 2 560 000 DM

2. Ergänzungsbilanz I

(Zusätzliche Anschaffungskosten des

Vaters) 1 122 485 DM

3. Ergänzungsbilanz II

(Erwerb von Bruder D) 1 292 854 DM

------------

4 975 339 DM.

Im Jahre 1976 wurde der Gesellschaftsvertrag neu gefaßt. Aufgrund der Neufassung konnte der Bruder J das Gesellschaftsverhältnis des Klägers zu 2. erstmals zum 31. Dezember 1978 kündigen. Die Kündigung konnte auf einen Teil der Beteiligung des Klägers zu 2. von nominal 1 360 000 DM (17 v.H.), 800 000 DM (10 v.H.) und 400 000 DM (5 v.H.) beschränkt werden.

Von diesem Kündigungsrecht machte der Bruder J Gebrauch. Die

Kündigung beschränkte er zuletzt auf die Kommanditbeteiligung

des Klägers zu 2. von nominal 400 000 DM (5 v.H.). Das

Abfindungsguthaben betrug 1 799 706 DM.

Die Klägerin zu 1. bezifferte in ihrer Feststellungserklärung für 1979 den Veräußerungsgewinn des Klägers mit 106 852 DM. Sie hatte ihn in der Weise ermittelt, daß sie dem Abfindungsbetrag in Höhe von 1 799 706 DM Anschaffungskosten aus dem Erwerb des von dem Bruder D erworbenen Anteils in Höhe von 1 692 854 DM (anteiliges Festkapital in Höhe von 400 000 DM + Ergänzungsbilanz II in Höhe von 1 292 854 DM) gegenübergestellt hatte.

Nach einer Außenprüfung erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1979, in dem das FA einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 1 462 206 DM feststellte. Diesen Bescheid hob es im Zuge der hiergegen gerichteten Klage auf richterlichen Hinweis wieder auf. Nunmehr erfaßte das FA den Veräußerungsgewinn in der Gewinnfeststellung für 1978 und berechnete ihn mit 1 022 310 DM (Abfindungsbetrag in Höhe von 1 799 706 DM ./. 777 396 DM). Den Buchwert von 777 396 DM hatte das FA in der Weise ermittelt, daß es den gesamten Buchwert des Kommanditanteils des Klägers einschließlich Ergänzungsbilanzen mit 5/32 multipliziert hatte.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage, mit der sie geltend machten, das FA habe den Veräußerungsgewinn zu hoch ermittelt. Zum einen sei es nicht zulässig, den Buchwert im Wege einer Durchschnittsbewertung zu berechnen. Das gelte jedenfalls dann, wenn --wie im Streitfall-- der gesamte Gesellschaftsanteil nach und nach zu unterschiedlichen Anschaffungskosten erworben worden sei und die jeweils erworbenen Anteile unterschiedliche Rechtsqualität z.B. hinsichtlich der Beteiligung an den stillen Reserven hätten. Im übrigen sei auch unter Berücksichtigung der vom FA vorgenommenen Durchschnittsbewertung die Ermittlung des Buchwertes des veräußerten Teils des Kommanditanteils nicht zutreffend, weil es das FA unterlassen habe, die Anschaffungskosten des Klägers zu 2. von dem im Erbvergleich erworbenen Anteil von 17 v.H. mit 4,5 Mio DM zu berücksichtigen. Die Übertragung des Gesellschaftsanteils zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs sei entgegen der Auffassung des FA kein unentgeltlicher Vorgang.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Werde --wie im Streitfall-- nur ein Teil der Beteiligung des Mitunternehmeranteils veräußert und habe der Veräußerer seinen Mitunternehmeranteil sukzessiv zu unterschiedlichen Anschaffungskosten erworben, so sei der Wert des veräußerten Teilgesellschaftsanteils mit dem entsprechenden Bruchteil des (gesamten) Mitunternehmeranteils anzusetzen (sog. Durchschnittsbewertung). Es sei nicht zulässig, dem veräußerten Anteil von 5 v.H. die Anschaffungskosten für den vom Bruder D erworbenen Bruchteil gegenüberzustellen.

Das FA habe auch zu Recht angenommen, daß der Anteilserwerb aufgrund des Erbvergleichs unentgeltlich gewesen sei. Es sei davon auszugehen, daß der Kläger zu 2. nicht Miterbe, sondern Pflichtteilsberechtigter gewesen sei. Der im Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) aufgestellte Rechtsgrundsatz, daß der Miterbe mehr aufwenden müsse, als er durch den Erbfall erworben habe, damit für ihn Anschaffungskosten entstehen könnten, müsse jedoch auch für den Pflichtteilsberechtigten gelten, der zum Ausgleich seines Geldanspruchs gegen den Erben einen Sachwert aus dem Nachlaß erhalte. Denn nicht anders als der erbrechtliche Anspruch des Miterben beruhe auch der Pflichtteilsanspruch auf dem Erbfall als solchen.

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Kläger.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das FG hat zutreffend entschieden, daß der dem Veräußerungserlös gegenüberzustellende Buchwert im Wege einer Durchschnittsbewertung zu ermitteln war (so Schmidt, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 16 Rdnr. 411; Söffing, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1979, 131; Richter/Winter, Neue Wirtschaftsbriefe --NWB--, Fach 3, S. 5551). Im Gegensatz zur Kapitalgesellschaft ist eine Personengesellschaft nur als Zusammenschluß verschiedener Personen vorstellbar. Es gibt daher weder Einmann-Personengesellschaften noch Mehrfach-Mitgliedschaften (Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 11. April 1957 II ZR 182/55, BGHZ 24, 106, 108; vom 20. April 1972 II ZR 143/69, BGHZ 58, 316, 318; vom 4. März 1976 II ZR 145/75, BGHZ 66, 98, 101; vom 1. Juni 1987 II ZR 259/86, BGHZ 101, 123, 129; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., S. 1079, m.w.N.). Allein der Umstand, daß --wie im Streitfall jedenfalls ursprünglich vereinbart-- für verschiedene Bruchteile des Gesellschaftsanteils unterschiedliche Abfindungsregelungen galten, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn diese --jederzeit abänderbaren-- Abfindungsregelungen ändern nichts daran, daß sich die zuvor verschiedenen Gesellschaftern zuzurechnenden Anteile in der Hand eines Gesellschafters vereinigt hatten. Gegen eine Aufspaltung sprechen neben theoretischen auch praktische Erwägungen. Wird nämlich ein Bruchteil veräußert, der mit keinem der sukzessive erworbenen Teile prozentual genau übereinstimmt (im Streitfall etwa 19 v.H. oder 4 v.H. der Kommanditbeteiligung), läßt sich nicht nachprüfbar feststellen, aus welchem der verschiedenen "Kapitaltöpfe" er stammt. Nach der Auffassung von K. Schmidt (a.a.O.), auf die sich die Kläger berufen, gilt eine Ausnahme vom Grundsatz der Unteilbarkeit des Anteils an einer Personengesellschaft nur in Fällen der personellen Sonderzuordnung, wie etwa in dem Fall, daß ein Kommanditist durch Erbfall Vorerbe für einen Mitgesellschafter wird. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtsprechung des BFH zur Gesellschaftsteuer. In seinen Urteilen vom 21. Oktober 1969 II 141/65 (BFHE 97, 320, BStBl II 1970, 99) und vom 14. Juni 1978 II R 3/71 (BFHE 125, 303, BStBl II 1978, 527) hat der BFH im Anschluß an die vorstehend zitierte BGH-Besprechung die Auffassung vertreten, daß eine Person nicht eine Mehrheit von Mitgliedschaftsrechten an einer Personengesellschaft haben kann. Er hat daraus gefolgert, daß die Erhöhung von Kommanditanteilen nicht unter § 2 Nr. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes --KVStG-- (Neuerwerb) fällt, sondern unter § 2 Nr. 2 KVStG (Leistungen an die Gesellschaft aufgrund gesellschaftsrechtlicher Verpflichtungen).

2. Das FG hat ferner im Ergebnis zu Recht die Auffassung vertreten, daß der Kläger zu 2. den aus dem Nachlaß des Vaters herrührenden KG-Anteil in Höhe von 17 v.H. aufgrund des Erbvergleichs ohne Gegenleistung erworben hat.

a) Allerdings kann der Senat dem FG nicht in der Beurteilung folgen, daß der Kläger zu 2. nicht Miterbe, sondern Pflichtteilsberechtigter gewesen sei und daß ihm deshalb der Bruder J den KG-Anteil zur Abgeltung seines Pflichtteilsanspruchs übertragen habe.

aa) Die Auslegung eines Vertrags --im Streitfall des Erbvertrags vom 20. Mai 1970-- obliegt, soweit es um die Aufhellung des Willens der Vertragsparteien geht, dem FG als Tatsacheninstanz. Der BFH ist als Revisionsgericht nicht gehindert, die Auslegung des FG daraufhin zu prüfen, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln, die Denkgesetze und mögliche Erfahrungssätze zutreffend angewandt worden sind (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Rdnr. 17; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 118 FGO Tz. 9). Insoweit handelt es sich um die Frage, ob das FG Bundesrecht verletzt hat (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

bb) Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 BGB). Das FG hat, beeinflußt durch einen Rechtsirrtum, die Auslegungsgrundsätze des bürgerlichen Rechts nicht in dem erforderlichen Umfang beachtet. Es hat allein aus dem Umstand, daß der Kläger zu 2. dem Wortlaut des Erbvergleichs zufolge die Alleinerbenstellung seines Bruders J anerkannt hat, gefolgert, daß dieser nicht Erbe geworden sei. Diese Auslegung entspricht indessen nicht dem wahren Willen der Vertragschließenden. Vielmehr beruhen derartige Erbvergleiche auf dem Willen der Beteiligten, die Frage, wer Erbe geworden sei, nicht eindeutig zugunsten der einen oder der anderen Partei zu regeln.

cc) In diesem Sinne hat der Senat in seinem Urteil vom 14. Oktober 1966 IV 61/64 (BFHE 87, 387, BStBl III 1967, 175) in einem Fall entschieden, in dem sich die Testamentserben mit den das Testament anfechtenden Prozeßgegnern in der Weise geeinigt hatten, daß die Testamentserben zwar als "Alleinerben" anerkannt wurden, die Anfechtenden jedoch zur Abgeltung ihrer Ansprüche rückwirkend vom Tag des Erbfalls an einen Gewerbebetrieb aus dem Nachlaß erhalten sollten. Nach der Auffassung des Senats war Inhalt dieses Vergleichs, daß die Anfechtenden praktisch wie Erben behandelt werden sollten. Hieran anknüpfend hat der Senat mit Urteil vom 14. März 1996 IV R 9/95 (BFHE 180, 142, BStBl II 1996, 310) erkannt, daß die Zahlung eines Ausgleichs an angebliche Miterben infolge eines gerichtlichen Vergleichs den steuerlichen Regeln über die Erbauseinandersetzung unterliegt, auch wenn die Empfänger der Ausgleichszahlung im Vergleich die alleinige Erbenstellung der Zahlenden anerkennen.

b) Auch im streitigen Erbvergleich hatte der Passus, demzufolge der Kläger zu 2. seinen Bruder J als Alleinerben anerkannte, nicht die Bedeutung, daß im materiell-rechtlichen Ergebnis die Miterbenstellung des Klägers zu 2. ausgeschlossen werden sollte. Allerdings kam anders als in den bisher entschiedenen Fällen auch in Betracht, daß der Kläger zu 2. als Pflichtteilsberechtigter anzusehen war. Diese Möglichkeit hatten die Vertragschließenden ebenfalls nicht ausgeschlossen. Gleichwohl kann der Erbvergleich vom 20. Mai 1970 nur dahingehend verstanden werden, daß der Kläger zu 2. wie ein Miterbe gestellt werden sollte. Dafür spricht zum einen, daß er nicht --wie es einem Pflichtteilsanspruch entsprochen hätte-- lediglich einen Geldbetrag erhalten hat, sondern einen Mitunternehmeranteil. Zwar wäre es denkbar, daß ihm dieser Mitunternehmeranteil zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs an Erfüllungs Statt übertragen wurde. Dagegen spricht jedoch, daß der Wert des empfangenen Mitunternehmeranteils (in Höhe eines Viertels des vom Vater hinterlassenen Anteils) den des Pflichtteilsanspruchs bei weitem übertraf. Das ergibt sich aus den übereinstimmenden Bekundungen der Verfahrensbeteiligten sowie aus den Feststellungen des FG, daß der Kläger nur einer von fünf Abkömmlingen war und zudem bereits vor dem Tode des Vaters einen Gesellschaftsanteil als anrechnungspflichtige Zuwendung erhalten hatte. Für diese Auslegung spricht auch, daß der Kläger zu 2. ein Viertel der Nachlaßverbindlichkeiten übernommen hat.

aa) Überläßt der Testamentserbe dem das Testament anfechtenden Erbprätendenten, der zugleich als Pflichtteilsberechtigter in Betracht kommt, zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten Wirtschaftsgüter aus dem Nachlaß, die den Wert des Pflichtteilsanspruchs deutlich übersteigen, so geschieht dies nur deshalb, weil er damit rechnen muß, der Anfechtende werde als Miterbe bestätigt. Auf der anderen Seite erhält der Anfechtende die Wirtschaftsgüter nur deshalb, weil er behauptet, Miterbe zu sein. Er muß sich daher steuerlich so behandeln lassen, als habe er die Wirtschaftsgüter wie ein Erbe erworben. Wollte man eine solche Leistung als Abgeltung eines Pflichtteilsanspruchs ansehen, würde der Testamentserbe ungerechtfertigt benachteiligt. Gesetzt den Fall, die dem Anfechtenden überlassenen Wirtschaftsgüter gehörten zu einem Betriebsvermögen, käme es beim Testamentserben zu einer Entnahme (BFH-Urteil vom 23. Juli 1980 I R 43/77, BFHE 131, 351, BStBl II 1981, 19; Groh, Der Betrieb --DB-- 1992, 444, 446). Erhält der Pflichtteilsberechtigte einen Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil, wird im steuerrechtlichen Schrifttum die Auffassung vertreten, daß es sich beim Erben um eine Betriebsveräußerung handle (Groh, DB 1992, 444, 446; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 16 Rdnr. 29; a.A.: Reiß in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 16 Rdnr. B 106; wohl auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 11. Januar 1993, BStBl I 1993, 62, Tz. 70 i.V.m. Tz. 68).

bb) Ist demnach der Kläger zu 2. steuerlich so zu behandeln, als ob er Miterbe geworden wäre, so hat er den KG-Anteil in Höhe von 17 v.H. beim Tode des Vaters unentgeltlich erworben. Denn wie sich aus dem vom FG in Bezug genommenen Gesellschaftsvertrag vom 10. Februar 1953 ergibt, sollte die Klägerin zu 1. beim Tode eines Gesellschafters --auch dem des Komplementärs-- mit den Erben fortgesetzt werden. In solchen Fällen der sog. einfachen Nachfolgeklausel geht der Gesellschaftsanteil des Erblassers nach Maßgabe der Erbquote unmittelbar und unentgeltlich auf die Miterben über (BFH-Urteile vom 13. Dezember 1990 IV R 107/89, BFHE 163, 186, BStBl II 1992, 510; vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, BStBl II 1992, 512; BMF-Schreiben vom 11. Januar 1993, BStBl I 1993, 62, Tz. 80; Schmidt, a.a.O., § 16 Rdnr. 665, m.w.N.). Dem steht nicht entgegen, daß nach dem Inhalt des Erbvergleichs die Ergebnisse aus der vom Vater vererbten Beteiligung dem Kläger zu 2. möglicherweise erst ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses zustehen sollten. Es würde sich hierbei um die rückwirkende Änderung der Ergebnisverteilung einer Mitunternehmerschaft handeln, die der BFH im Rahmen von Vergleichsverhandlungen steuerlich anerkennt (BFH-Urteile vom 23. April 1975 I R 234/74, BFHE 115, 488, BStBl II 1975, 603; vom 18. Januar 1990 IV R 97/88, BFH/NV 1991, 21).

cc) Geht man aus den vorgenannten Gründen mit der BFH-Rechtsprechung (BFHE 87, 387, BStBl III 1967, 175; BFHE 180, 142, BStBl II 1996, 310) davon aus, daß der Kläger zu 2. und sein Bruder im Erbvergleich vom 20. Mai 1970 im wirtschaftlichen Ergebnis den Nachlaß geteilt haben, bleibt kein Raum für die in der Revisionsbegründung der Klägerin zu 1. angestellte Erwägung, der Bruder J habe dem Kläger zu 2. seine "Sperrstellung abgekauft". Ebensowenig kann davon die Rede sein, der Kläger zu 2. habe den Anteil an der Klägerin zu 1. in Höhe von 17 v.H. im Wege des Tausches als Gegenleistung für die Übertragung seines Erbteils erhalten. War der Kläger zu 2. Erbe, besaß er diese Beteiligung bereits (siehe oben unter 2. b bb). Der Erbvergleich stellte das in diesem Fall lediglich klar. Die Vertragsklausel, derzufolge der Kläger zu 2. einen ihm etwa zustehenden Erbanteil vorsorglich auf seinen Bruder J übertrug, diente lediglich der Vermeidung späterer Streitigkeiten - etwa zwischen den Erben der Vertragspartner. Die Vorstellung, der Kläger zu 2. habe die KG-Beteiligung im Wege der Übertragung seines Erbteils entgeltlich auf seinen Bruder übertragen und zugleich als Entgelt für diese Übertragung erhalten, ist abwegig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66249

BFH/NV 1997, 376

BStBl II 1997, 535

BFHE 183, 39

BFHE 1998, 39

BB 1997, 1453-1445 (Leitsatz und Gründe)

DB 1997, 1542-1544 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1997, 1119-1121 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 588 (Leitsatz)

DStZ 1997, 677-678 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1997, 665-667 (Leitsatz)

StE 1997, 411 (Kurzwiedergabe)

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