Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Begriff der Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 a EStG

 

Leitsatz (NV)

1. Der Senat hält daran fest, daß Entschädigungen im Sinne von § 24 Nr. 1 a EStG auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen müssen.

2. Zur neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage, wenn ein Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzender einer AG seine Ämter einvernehmlich niedergelegt hat und weiterhin Leistungen von der AG erhält.

3. Eine auf Wunsch des früheren Vorstandsmitglieds erfolgende Kapitalisierung bestehender Restansprüche aus dem Anstellungsvertrag stellt keinen Ersatzanspruch im Sinne des § 24 Nr. 1 a EStG dar.

 

Normenkette

EStG § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war zunächst auf der Grundlage eines Anstellungs- und Pensionsvertrages mit der X-AG vom Dezember 1975 Vorstandsvorsitzender dieser Gesellschaft sowie Geschäftsführer zweier zu den X-Gesellschaften gehörenden GmbH. Nach Umwandlungen im Bereich der X-Gesellschaften war er im Juni 1977 für die Zeit bis zum 18. Juni 1982 zum Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzenden der ebenfalls zu den X-Gesellschaften gehörenden XY-AG bestellt worden. Der Anstellungs- und Pensionsvertrag vom Dezember 1975 war von der XY-AG unverändert übernommen worden. Hiermit hatte sich der Kläger einverstanden erklärt.

Nachdem es zwischen den . . . X-Gesellschaften (nachstehend immer: einschließlich XY-AG) und dem Kläger zu Meinungsverschiedenheiten gekommen war, legte dieser gemäß einer am 17. Februar 1978 erzielten Einigung, die am 3. März 1978 genehmigt wurde, am selben Tage seine Ämter in den X-Gesellschaften nieder. Die vom Kläger gegengezeichnete ,,Ergebnisnotiz" vom 17. Februar 1978 faßt ein Gespräch zwischen diesem und den . . . X-Gesellschaften zusammen. Auf den Inhalt der Ergebnisnotiz vom 17. Februar 1978 wird Bezug genommen.

Am 19. Juni 1979 traf der Kläger mit der XY-AG eine Vereinbarung, in der es einleitend u. a. heißt, der Kläger habe seine laufenden Gehaltsbezüge als Vorstandsmitglied bis zum 31. März 1978, die ihm zustehenden Sachbezüge bis zum 22. September 1978 erhalten. Sodann wurde vereinbart, daß der Kläger zur Abgeltung des Anspruchs auf seine Bezüge gemäß § 2 Abs. 1 des Anstellungsvertrages für die Zeit vom 1. April 1978 bis zum 18. Juni 1982 sowie der Sachbezüge gemäß § 2 Abs. 2 des Anstellungsvertrages für die Zeit vom 23. September 1978 bis zum 18. Juni 1982 einen Betrag von . . . DM erhalte. Die Ansprüche auf Zahlung von Ruhegeld/Hinterbliebenenbezügen gemäß §§ 6, 7 des Anstellungsvertrages sollten unberührt bleiben. Als Beginn für die Zahlung des Ruhegeldes oder der Hinterbliebenenbezüge wurde der 19. Juni 1982 genannt.

Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 1979 beantragte der Kläger, für die gezahlte Abfindung den Freibetrag gemäß § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu gewähren und den darüber hinausgehenden Betrag gemäß § 34 in Verbindung mit § 24 Nr. 1 a EStG mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hat in dem zum Gegenstand des Verfahrens gemachten geänderten Einkommensteuerbescheid 1979 vom 13. Januar 1982 wegen einer verbindlichen Zusage den Freibetrag von 24 000 DM gemäß § 3 Nr. 9 EStG gewährt, die Anwendung des begünstigten Steuersatzes gemäß § 34 EStG jedoch abgelehnt.

Mit der hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend: Mit dem Abfindungsbetrag sei der durch eine vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses entstandene Schaden abgegolten worden. Denn tatsächlich habe das Anstellungsverhältnis am 3. März 1978 geendet. Zwar sei grundsätzlich zwischen dem Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzenden und der Kündigung des Anstellungsvertrages zu unterscheiden; hier ergebe sich aber aus der Auslegung der Ergebnisnotiz, daß der Anstellungsvertrag in seinem Bestand völlig von der Bestellung zum Vorstandsmitglied abhängig gewesen sei. Dies folge einmal aus § 5 Abs. 1 des Anstellungsvertrages, da dieser danach ausdrücklich für die Dauer seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied und der Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden abgeschlossen worden sei. Danach habe der Vertrag unter der auflösenden Bedingung der Beendigung der Vorstandsmitgliedschaft gestanden; schon deswegen habe es einer ausdrücklichen Kündigung des Anstellungsvertrages nicht bedurft. Außerdem habe er, der Kläger, u. a. seine ganze Arbeitskraft ausschließlich der XY-AG zu widmen und auf Wunsch des Aufsichtsratsvorsitzenden Aufsichtsratsmandate und ähnliche Ämter in Gesellschaften, an denen die XY-AG beteiligt gewesen sei, zu übernehmen gehabt. Diese Verpflichtungen und damit das ganze Dienstverhältnis seien ausweislich der Nr. 4 der Ergebnisnotiz aufgehoben worden. Denn danach sei ihm ausdrücklich freigestellt worden, jederzeit eine neue Tätigkeit aufzunehmen, mit einer nur bei wichtigem Grund zum Tragen kommenden Wettbewerbsklausel. Das Fortbestehen des Pensionsanspruchs spreche nicht gegen die Beendigung des Anstellungsvertrages; in § 6 Abs. 2 sei ausdrücklich die Rede davon, daß der Pensionsfall eintrete, wenn der Anstellungsvertrag ende. Durch die Vereinbarung der Abfindung hätten sich auch Einkünfte zusammengeballt, die sich sonst auf mehrere Jahre verteilt hätten. Denn er habe als Vorstandsvorsitzender in den Jahren 1975 bis 1977 durchschnittliche Bezüge von mehr als . . . DM pro Jahr gehabt, so daß eine entschädigungslose vorzeitige Beendigung des Anstellungs- und Pensionsvertrages für ihn, den Kläger, einen erheblichen Einnahmeverlust bedeutet hätte. Auch sei es ihm nicht möglich gewesen, eine vergleichbare Vorstandsposition in einem Industriebetrieb entsprechender Größe zu finden, so daß er gezwungen gewesen sei, sich beruflich umzustellen, was zu einem reduzierten Einkommen geführt habe.

Die Klage hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG) änderte den angefochtenen Einkommensteuerbescheid dahin ab, daß der begünstigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 24 Nr. 1 a EStG anzuwenden sei. Es führte aus, bei der streitigen Zahlung handele es sich um eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 a EStG. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 des Anstellungsvertrages sei dieser nur für die Dauer der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied und der Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden abgeschlossen worden. Für die Zeit danach sei der Kläger ausreichend durch die Pensionsvereinbarung in § 6 Abs. 2 gesichert gewesen. Allerdings sei zu Buchst. c) die Rede davon, daß der Anstellungsvertrag durch Kündigung seitens der Gesellschaft enden könne. Darin sei jedoch nur eine ungenaue Formulierung zu sehen; mit der Kündigung sei der Widerruf der Bestellung zum Vorstandsvorsitzenden gemeint gewesen; denn bei einem befristeten Dienstverhältnis sei die Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts nicht anzunehmen. Daß durch die Einigung vom 17. Februar 1978 eine neue Rechtsgrundlage geschaffen, der Anstellungsvertrag also beendet worden sei, ergebe sich nach Auffassung des Senats auch daraus, daß gemäß Nr. 1 der Ergebnisnotiz die Bestellung zum Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzenden aufgehoben worden und diese nach den vorangegangenen Ausführungen Voraussetzung für das Bestehen des Anstellungsverhältnisses gewesen sei, der Kläger auch entsprechend dieser Einigung seine Ämter niedergelegt und seine Tätigkeit für die X-Gesellschaften beendet habe. Allerdings habe der Kläger gemäß Nr. 6 der Ergebnisnotiz bis zum 18. Juni 1982 seine Bezüge aus dem (aufgelösten) Anstellungsvertrag erhalten. Der Senat betrachte dies als Ersatz des Schadens, der dem Kläger dadurch entstanden sei, daß sein Anstellungsvertrag nicht mehr fortbestehe. Danach sei die vertragliche Basis für den Anspruch auf die Bezüge nicht mehr der Anstellungsvertrag, sondern die Einigung vom 17. Februar 1978 gewesen. Um eine bloße Änderung der Zahlungsmodalität handele es sich dabei nicht. Denn in der mündlichen Verhandlung sei unstreitig geworden, daß die Abfindung in einer Summe erst später dem Grunde nach und schließlich am 19. Juni 1979 auch der Höhe nach vereinbart worden sei. Schon deshalb sehe der Senat in dem streitigen Betrag nicht eine Abgeltung von Ansprüchen, auf die der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag einen Rechtsanspruch gehabt habe.

Die Anwendung des § 24 Nr. 1 a EStG scheitere auch nicht daran, daß die Kapitalabfindung für den Kläger nicht zwangsläufig gewesen sei. Allerdings sei die Kapitalisierung wohl auf Wunsch des Klägers erfolgt. Er habe sich gemäß Nr. 8 der Ergebnisnotiz diese Möglichkeit offengehalten. Gemäß Nr. 6 habe er Anspruch auf laufende Bezüge gehabt, und es sei keinerlei Anhalt dafür gegeben, daß die X-Gesellschaften irgendein Interesse an der Kapitalisierung gehabt und deswegen einen entsprechenden Druck auf den Kläger ausgeübt haben könnten. Der vorliegende Fall unterscheide sich aber von dem des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Dezember 1961 VI 256/60 U (BFHE 74, 228, BStBl III 1962, 87) insofern, als hier das Ereignis, dem sich der Kläger praktisch nicht habe entziehen können, in der Aufgabe seiner Stellung als Vorstandsvorsitzender gelegen habe. Darauf komme es nach Ansicht des Senats allein an. Die am 17. Februar 1978 vereinbarte Entschädigung (Fortzahlung des bisherigen Gehalts) verliere diese Eigenschaft nicht deshalb, weil sie später kapitalisiert worden sei. Die Zahlungsweise sei erst bei der Frage, ob § 34 EStG anzuwenden sei, zu prüfen, also der Frage der Zusammenballung. Hier gehe es nicht um die Kapitalisierung dienstvertraglicher Ansprüche, sondern um die Kapitalisierung von Entschädigungsansprüchen.

Schließlich habe das Gericht keinen Zweifel daran, daß der Arbeitgeber die entscheidende Ursache für die Vertragsauflösung gesetzt habe und dem Kläger die weitere Zusammenarbeit nicht zuzumuten gewesen sei. Dies sei im Vorverfahren zwischen den Parteien unstreitig gewesen und vom FA im Klageverfahren nicht wieder angesprochen worden.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, das die Verletzung materiellen Rechts rügt. Es weist darauf hin, daß der Kläger nach den Lohnsteuerkarten 1978 und 1979 von der XY-AG folgenden Bruttoarbeitslohn erhalten habe:

vom 1. Januar 1978-23. September 1978:

. . . DM,

vom 1. April 1979-31. Dezember 1979:

. . . DM

und zusätzlich im Dezember 1979:

. . . DM.

Da erst am 19. Juni 1979 eine Vereinbarung zwischen dem Kläger und der XY-AG geschlossen worden sei, in der sich beide über die Kapitalisierung der Rentenansprüche geeinigt hätten, müsse davon ausgegangen werden, daß Rechtsgrundlage für die Kapitalisierung der Anstellungsvertrag gewesen sei. Denn dieser sei durch die Ergebnisnotiz nicht aufgehoben worden und hinsichtlich der Ruhegehaltsansprüche selbst nach Auffassung des FG noch immer als deren Rechtsgrundlage anzusehen. Der Schluß des FG, daß am 17. Februar 1978 der Anstellungsvertrag im übrigen aufgelöst worden sei, sei im Hinblick auf den Wortlaut der Ergebnisnotiz, die Vorschriften des Aktiengesetzes (AktG) und des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unzutreffend. Zu Nr. 6 der Ergebnisnotiz sei ausdrücklich festgestellt worden, daß die Bezüge bis zum 18. Juni 1982 gemäß § 2 Abs. 1 a und b des Anstellungsvertrages gewährt würden. Lediglich auf Wunsch (Nr. 9 der Ergebnisnotiz) des Klägers sei die Vereinbarung einer anderen Rechtsgrundlage als künftig möglich in Aussicht gestellt worden.

Diese eindeutigen Bestimmungen müßten keineswegs aus zivilrechtlichen Gründen anders verstanden werden. Das FG verkenne die Bedeutung des § 84 AktG. Die Bestellung zum Vorstandsmitglied sei zu unterscheiden von der Anstellung bzw. dem Anstellungsvertrag. Es sei daher unverständlich, weshalb das FG die in § 6 Abs. 2 c des Anstellungsvertrages vorgesehene Kündigungsmöglichkeit als ungenaue Formulierung ansehe und es für erwiesen halte, daß damit der Widerruf der Bestellung zum Vorstandsvorsitzenden gemeint sein könne. Da selbst bei befristeten Dienstverhältnissen eine ordentliche Kündigung möglich sei, könne in der vorgenannten Regelung auch kein Rechtsfehler erblickt werden, zumal davon auszugehen sei, daß die Parteien rechtlich beraten gewesen seien. Nach § 84 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 1 AktG gälten für den Anstellungsvertrag des Vorstandsmitgliedes die Vorschriften über die Bestellung sinngemäß. Da Vorstandsmitglieder auf (höchstens) fünf Jahre bestellt werden könnten und nach Satz 4 bei einer Bestellung auf weniger als fünf Jahre eine Verlängerung der Amtszeit ohne erneuten Aufsichtsratsbeschluß vorgesehen werden könne, sofern dadurch die gesamte Arbeitszeit nicht mehr als fünf Jahre betrage, bedeute die sinngemäße Anwendung dieser Vorschriften auf den Anstellungsvertrag, daß dieser zwar auch nur zeitlich begrenzt abgeschlossen werden könne, aber - sei es von vornherein durch Vereinbarung einer festen Dienstzeit, sei es mit Hilfe einer Verlängerungsklausel - insgesamt auf einen Zeitraum von fünf Jahren seit Beginn der Amtszeit erstreckt werden könne. Die Kündigungsregelung in § 6 des Anstellungsvertrages sei mithin keineswegs überflüssig.

In der Abberufungsvereinbarung könne nicht zugleich die stillschweigende Aufhebung des Anstellungsvertrags erblickt werden. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Abberufung mit einem Angebot auf eine einvernehmliche Abwicklung des Dienstverhältnisses verbunden sei (Hinweis auf Fleck in Wertpapier-Mitteilungen - WM - 1981, Sonderbeilage 3, Seite 10). Es komme hinzu, daß sogar die Absicht einer fristlosen Kündigung bestanden habe. Dies hätte zur Folge gehabt, daß der Kläger gemäß § 6 des Anstellungsvertrages seine Ruhegehaltsansprüche verloren hätte. Entsprechendes hätte gegolten, wenn die Aufhebung auf einem vom Kläger zu vertretenden wichtigen Grunde beruht hätte. Eine Aufhebung des Anstellungsvertrages, ohne zugleich die Verschuldensfrage zu klären, sei daher kaum denkbar gewesen. Zudem sei der Wortlaut der Ergebnisnotiz so eindeutig, daß die Begründung des FG nicht überzeugen könne. In der Vereinbarung der Einmalzahlung am 19. Juni 1979 liege ein außergerichtlicher Vergleich, da das bisherige Schuldverhältnis anerkannt werde. Bei einem Vergleich handele es sich nicht um eine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen.

Selbst wenn die Auffassung des FG, das eine neue Rechtsgrundlage angenommen habe, im Ergebnis zutreffe, so würde die Annahme einer Entschädigung daran scheitern, daß die Kapitalisierung auf Wunsch des Klägers erfolgt sei. Der Begriff der Entschädigung setze voraus, daß ein Schaden ausgeglichen werden solle, den der Steuerpflichtige durch den Wegfall künftiger Einnahmen erleide. Von einem Schaden könne aber nicht gesprochen werden, wenn der Steuerpflichtige freiwillig auf künftige Zahlungen verzichte und an deren Stelle die Auszahlung eines Kapitalbetrages betreibe.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, daß es entscheidend darauf ankomme, ob mit der Vereinbarung vom 17. Februar 1978 eine Aufhebung des Anstellungsvertrages erfolgt sei. Es sei grundsätzlich richtig, daß die Bestellung zum Vorstandsmitglied und der daneben bestehende Dienstvertrag getrennt zu betrachten seien. Das FA verkenne jedoch die Bedeutung des § 5 des Anstellungsvertrages. Aus dieser Regelung ergebe sich eine individualvertragliche Abhängigkeit von Anstellungsvertrag und Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied und Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden. Die Aufhebung dieser Bestellung löse die auflösende Bedingung des § 5 aus. Dem stehe die vom Kläger angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 8. Dezember 1977 II ZR 219/75 (Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen - AG - 1978, 162 f.) nicht entgegen; denn dort habe der Aufsichtsrat gerade ein Angebot auf Weiterführung des Anstellungsvertrages trotz Beendigung der Vorstandstätigkeit angenommen. Es bleibe somit dabei, daß eine Abberufung eines Vorstandsmitgliedes im Zweifel auch die Kündigung des Anstellungsvertrages enthalte (Hinweis auf Mertens in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 84 Anm. 51 und 57) . . . Für die Auflösung des Dienstverhältnisses spreche schließlich die Regelung in der Ergebnisnotiz, wonach der Kläger jederzeit eine neue Tätigkeit habe aufnehmen können.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 6 Abs. 2 c des Anstellungsvertrages. Diese Regelung, die den Fall einer ordentlichen Kündigung anspreche, stehe nicht im Widerspruch zu § 5, wonach der Anstellungsvertrag jedenfalls dann beendet sei, wenn die Bestellung zum Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzenden widerrufen sei.

Die in der Ergebnisnotiz vereinbarte Fortzahlung des bisherigen Gehalts stelle eine Entschädigung dar, da es sich um eine Zuwendung handele, die einen Schaden ausgleiche, den der Kläger durch den Wegfall künftiger Einnahmen erlitten habe. Hierauf habe der Kläger nicht freiwillig verzichtet. Vielmehr sei die Auflösung des Dienstverhältnisses maßgebend von den X-Gesellschaften veranlaßt worden. Das entscheidende Ereignis sei die Aufhebung der Bestellung zum Vorstandsmitglied und die damit verbundene Auflösung des Dienstvertrags gewesen. Die gefundene Einigung stelle keinen Vergleich in dem vom FA dargestellten Sinne dar. Denn darin sei gerade nicht über das Weiterbestehen des Dienstvertrages entschieden worden, da Einigkeit darüber bestanden habe, daß der Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied auch auflösende Wirkung für den Dienstvertrag gehabt habe. Vielmehr sei für die Weiterzahlung des Gehalts (Entschädigung) eine neue Rechtsgrundlage geschaffen worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Die Voraussetzungen für eine Versteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1 und 2 EStG liegen nicht vor. Denn bei dem streitigen Betrag handelt es sich nicht um eine außerordentliche Einkunft im Sinne der - hier allein in Betracht kommenden - Vorschrift des § 24 Nr. 1 a EStG.

Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß als außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 1 a EStG nur Einnahmen in Betracht kommen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen geleistet werden und an deren Stelle treten (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteil vom 20. Mai 1980 VIII R 64/78, BFHE 131, 297, BStBl II 1981, 6). Der Begriff der Entschädigung setzt in diesem Zusammenhang also voraus, daß die Leistung nicht in Erfüllung eines fortbestehenden Anspruchs erfolgt, sondern auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht (ebenfalls ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteile vom 20. Oktober 1978 VI R 107/77, BFHE 126, 408, BStBl II 1979, 176, und vom 16. April 1980 VI R 86/77, BFHE 130, 168, BStBl II 1980, 393). Zu beanstanden sind aber die Erwägungen, mit denen das FG das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Streitfall bejaht hat.

Aus § 5 Abs. 1 des Anstellungsvertrages läßt sich nicht, wie das FG meint, herleiten, daß der Vertrag auflösend bedingt nur für die Zeit der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzenden gelten sollte. Denn die rechtliche Würdigung der insgesamt getroffenen Vereinbarungen ergibt, daß es sich bei der Regelung in § 5 Abs. 1 des Anstellungsvertrages lediglich um eine Befristung der Anstellung bis zur ordentlichen (termingerechten) Beendigung der Bestellung zum Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzenden handelt und von den Vertragsparteien auch so verstanden worden ist. Eine Verknüpfung von Anstellung und Bestellung zum Vorstandsmitglied bzw. Vorstandsvorsitzenden in der Form, daß erstere auflösend bedingt durch letztere sein solle, ist zwar möglich, bedeutet aber eine Beeinträchtigung der gesetzlichen Rechtsposition des Vorstandsmitglieds (Mertens, a.a.O., § 84 Anm. 53); sie kann deshalb nur angenommen werden, wenn eindeutige vertragliche Abreden diese Auslegung rechtfertigen. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr liegen umgekehrt Anhaltspunkte dafür vor, daß eine solche Koppelung nicht gewollt war.

Bereits der Anstellungsvertrag selbst sieht - in § 6 - ausdrücklich eine Regelung für den Fall der Kündigung durch die Gesellschaft vor, eine Möglichkeit, für die es bei automatischer Koppelung an die Bestellung zum Vorstandsvorsitzenden keinen Raum gäbe, weil eine Kündigung ohne Widerruf der Bestellung kaum praktiziert werden dürfte. Anhaltspunkte dafür, daß die Parteien mit der Kündigung des Anstellungsvertrages in Wirklichkeit den Widerruf der Bestellung zum Vorstandsvorsitzenden gemeint haben könnten, sieht der Senat nicht. Insbesondere hält er die Begründung des FG, bei einem befristeten Dienstverhältnis sei die Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts nicht anzunehmen, für nicht stichhaltig. Denn im Zusammenhang mit dem Widerruf wird sich regelmäßig nicht die Frage der ordentlichen, sondern die der außerordentlichen (fristlosen) Kündigung des Anstellungsvertrages stellen (vgl. Mertens, a.a.O., § 84 Anm. 57). Schließlich spricht auch der vom FG in erster Linie als Beleg für seine Auffassung angeführte § 5 Abs. 1 Satz 1 des Anstellungsvertrages nicht für eine automatische Koppelung von Anstellung und Bestellung; denn die Erläuterung (,,zur Zeit also bis zum . . . Mai 1978") deutet eher auf eine Befristung bis zum ordentlichen Ablauf der Bestellung zum Vorstandsvorsitzenden hin.

Deshalb ist hier für das Verhältnis von Bestellung zum Vorstandsvorsitzenden und Anstellungsvertrag vom Normalfall auszugehen. Dieser ist aber, wie sich gerade auch aus den von den Beteiligten herangezogenen Literaturstellen ergibt, durch ein grundsätzliches Nebeneinander von Bestellung und Anstellungsvertrag gekennzeichnet. Zwar gelten nach § 84 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 1 AktG für den Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds die Vorschriften über die Bestellung sinngemäß. Dies bedeutet aber, daß es auf den Fortbestand oder die Erneuerung der Bestellung bis zum Ende der fünf Jahre für die Geltung des Anstellungsvertrages nicht ankommt (BGH-Urteil vom 19. Mai 1980 II ZR 169/79, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1981, 28). Fleck (WM 1981, Sonderbeilage 3, Seite 10) weist ausdrücklich darauf hin, daß das Erlöschen der Organstellung auch dann nicht ohne weiteres das Ende des Dienstvertrages bedeutet, wenn sie den Grund für den Abschluß des Anstellungsvertrages bildete; es bedürfe vielmehr stets einer besonderen - ordentlichen oder durch entsprechende Gründe gerechtfertigten außerordentlichen - Kündigung. Nichts anderes besagen auch die vom Kläger angeführten Anmerkungen von Mertens im Kölner Kommentar zum AktG. Dort ist zwar (in Anm. 51 zu § 84) ausgeführt, daß der Anstellungsvertrag im Zweifel für die Dauer der Bestellung geschlossen werde; damit ist jedoch, wie aus dem unmittelbar nachfolgenden Satz eindeutig erhellt, lediglich die Befristung des Anstellungsvertrages auf fünf Jahre gemeint. Wenn es an der vorstehend erwähnten Kommentarstelle weiter heißt, die Abberufung als Vorstandsmitglied enthalte im Zweifel (nicht notwendig) auch die Kündigung des Anstellungsvertrages, so ist damit die fristlose Kündigung gemeint, von der an anderer Stelle (Mertens, a.a.O., § 84 Anm. 57) ausgeführt ist, daß sie den Anstellungsvertrag nur beende, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen vorlägen.

Daß auch nach Auffassung der Vertragsparteien im Streitfall eine Kündigung des Anstellungsvertrages erforderlich war, diese aber nicht, jedenfalls nicht wirksam, erfolgt ist, ergibt sich ferner aus den nach der Abberufung des Klägers getroffenen Vereinbarungen, insbesondere der Ergebnisnotiz. Denn wenn der Anstellungsvertrag aus der Welt gewesen wäre, wäre kaum die in Nr. 4 der Ergebnisnotiz getroffene Regelung verständlich, nach der der Kläger mit der Maßgabe ,,freigestellt" wurde, daß ihm jede Konkurrenztätigkeit oder Beteiligung an entsprechenden Unternehmen ohne Zustimmung des Arbeitgebers, die bei Vorliegen eines ,,wichtigen Grundes" verweigert werden konnte, untersagt war. Nach Nr. 6 erhielt der Kläger bis zum 18. Juni 1982, dem Zeitpunkt des Auslaufens, also der ordentlichen Beendigung des Anstellungsvertrages, ,,seine festen Bezüge gemäß § 2 Abs. 1 a und b des Anstellungsvertrages". Entsprechende Regelungen für die nach dem Anstellungsvertrag zu zahlenden variablen Bezüge enthalten Nr. 6 b und c. Die Auslegung des FG, dabei handele es sich um eine Schadensersatzvereinbarung, ist schon angesichts des eindeutig vom Fortbestehen des Anstellungsvertrages ausgehenden Wortlauts der Nr. 6 der Ergebnisnotiz schwer verständlich. Sie steht darüber hinaus in direktem Widerspruch zu Nr. 9 der Ergebnisnotiz, in der es ausdrücklich heißt, daß auf Wunsch des Klägers ,,anstelle des Anstellungsvertrages eine andere Rechtsgrundlage" für die Zahlungen vereinbart werden könne. Ferner wird die Auffassung, daß der Anstellungsvertrag als Rechtsgrundlage der Zahlungen nach Auffassung der Vertragsparteien weitergalt, durch Nr. 10 der Ergebnisnotiz gestützt; denn danach ist als Beginn für die Zahlung des Ruhegeldes der 19. Juni 1982, also der Tag nach dem Auslaufen des Anstellungsvertrages, vorgesehen.

Schließlich ergibt sich auch aus der Vereinbarung vom 19. Juni 1979, daß der Anstellungsvertrag nach dem Willen der Vertragsparteien durch die Ergebnisnotiz nicht aufgehoben sein sollte. Denn in dieser Vereinbarung heißt es einleitend, daß der Kläger seine laufenden Gehaltsbezüge bis zum 31. März 1978, die ihm zustehenden Sachbezüge bis zum 22. September 1978 erhalten habe. Der vereinbarte Betrag solle zur Abgeltung des Anspruchs ,,auf die Bezüge gemäß § 2 Abs. 1 des Anstellungsvertrages für die Zeit vom 1. April 1978 bis zum 18. Juni 1982 sowie für die Abgeltung der Sachbezüge gemäß § 2 Abs. 2 des Anstellungsvertrages für die Zeit vom 23. September 1978 bis zum 18. Juni 1982" gezahlt werden.

Auch durch die Vereinbarung vom 19. Juni 1979 selbst ist dem Kläger keine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 a EStG gewährt worden. Durch die Vereinbarung ist zwar - für die Zahlungsmodalität - eine neue Rechtsgrundlage geschaffen worden; denn gemäß Nr. 8 der Ergebnisnotiz hatte der Arbeitgeber lediglich seine Bereitschaft erklärt, eine Kapitalisierung der Restansprüche für den Fall vorzunehmen, daß der Kläger vor dem 18. Juni 1982 eine Festanstellung bei einem anderen Unternehmen eingehe. Die Vereinbarung der Kapitalisierung ist jedoch nicht auf Druck des Arbeitgebers hin erfolgt. Zwar hat das FG nicht festgestellt, ob die in Nr. 8 der Ergebnisnotiz für die Kapitalisierung vorgesehene Voraussetzung vorlag. Darauf kommt es jedoch auch nicht an. Denn die Ablösung der Restansprüche durch eine Kapitalisierung setzte ferner voraus, daß der Kläger dies wünschte. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat mangels entsprechender zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, erfolgte die Kapitalisierung auch tatsächlich auf den Wunsch des Klägers hin. In einem solchen Fall kommt die Annahme einer Entschädigung im Sinne von § 24 Nr. 1 a EStG nicht in Betracht. Denn diese Vorschrift setzt voraus, daß der Steuerpflichtige bei der Aufgabe seiner Rechte unter erheblichem wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck des Arbeitgebers gestanden hat (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 126/82, BFHE 141, 124, BStBl II 1984, 580). Wird deshalb anstelle laufender Bezüge eine Kapitalisierung vereinbart, so muß die Veranlassung hierzu vom Arbeitgeber ausgehen; sie darf nicht einem Wunsch des Arbeitnehmers entsprechen. Dies hat der Senat für die insoweit nicht anders zu beurteilende Kapitalisierung laufender Versorgungsleistungen im Urteil in BFHE 130, 168, BStBl II 1980, 393 ausgeführt. An den Grundsätzen dieser Entscheidung hält der Senat fest. In Fällen, in denen die Kapitalisierung aufgrund eines Wahlrechts des Steuerpflichtigen oder - wie hier - auf seinen Wunsch hin erfolgt, dient der zur Abgeltung der laufenden Zahlungen geleistete Betrag nicht dem Ausgleich eines Schadens und stellt deshalb keine Entschädigung im vorstehenden Sinne dar, weil der Steuerpflichtige ohne die Kapitalisierungsvereinbarung den Anspruch auf die laufenden Zahlungen behalten, einen Schaden also nicht erlitten hätte (vgl. auch Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., 1986, § 24 Anm. 4 b).

Das Urteil des FG, das den vorstehenden Ausführungen nicht entspricht, ist aufzuheben; die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat - von seiner Rechtsauffassung her zu Recht - nicht geprüft, ob eine Verteilung des streitigen Betrages gemäß § 34 Abs. 3 EStG in Betracht kommt. Dies wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Betrag der Abgeltung künftiger Lohnansprüche dient (BFH-Urteile vom 23. Juli 1974 VI R 41/72, BFHE 113, 288, BStBl II 1974, 743, und vom 23. Juli 1974 VI R 116/72, BFHE 113, 40, BStBl II 1974, 680). Gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO ist die Sache an das FG zurückzuverweisen, damit dieses die vorerwähnte Prüfung nachholen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414998

BFH/NV 1987, 574

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