Leitsatz (amtlich)

Baut der Steuerpflichtige ein Betriebsgebäude oder einen betrieblich genutzten Gebäudeteil um, so liegt darin in der Regel auch dann keine die Sonderabschreibung des BHG 1962 rechtfertigende Errichtung, wenn der Herstellungsaufwand die Erwerbskosten erheblich übersteigt.

 

Normenkette

BHG 1962 § 16

 

Tatbestand

Streitig war bei der Einkommensteuerveranlagung 1962 des Revisionsklägers (Steuerpflichtiger) u. a. , ob ihm für ein erworbenes und umgebautes Wohngebäude die Sonderabschreibung des § 16 BHG 1962 [BHG] (BGBl I 1962, 493, BStBl I 1962, 998) zustand.

Der Steuerpflichtige, ein Rechtsanwalt und Notar, erwarb am 15. August 1962 ein Einfamilienhaus in Berlin (West) für rd. 94 000 DM und baute es sogleich mit einem Aufwand von rd. 125 000 DM in der Weise um, daß er im erhöhten Kellergeschoß eine Hauswartwohnung, im Erdgeschoß seine Praxisräume und im Obergeschoß seine Familienwohnung schuf. In dieses Gebäude, das bisher ein Einfamilienhaus war und zum 1. Januar 1964 als gemischtgenutzes Grundstück bewertet wurde, verlegte der Steuerpflichtige am 1. April 1963 seine Praxis und seine Wohnung. Das Gebäude diente nunmehr zu 60 v. H. Wohnzwecken und zu 40 v. H. dem Betrieb des Steuerpflichtigen. Von den im Jahr 1962 aufgewendeten und auf den betrieblich genutzten Gebäudeteil entfallenden Herstellungskosten von 42 910 DM nahm der Steuerpflichtige eine seinen Gewinn mindernde Sonderabschreibung in Höhe von 14 304 DM auf Grund der §§ 14 und 16 BHG vor, die der Revisionsbeklagte (FA) und das FG nicht anerkannten, weil der Steuerpflichtige weder ein neues Gebäude noch einen mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteten Gebäudeteil neu errichtet habe.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des Steuerpflichtigen ist nicht begründet.

Nach § 16 BHG können Steuerpflichtige bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unter bestimmten Voraussetzungen an Stelle der AfA nach § 7 EStG im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung und in den beiden folgenden Wirtschaftsjahren erhöhte Absetzungen bis zu 75 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vornehmen. Das gilt indessen für unbewegliche Wirtschaftsgüter nur dann, wenn sie in Berlin (West) "errichtet" werden. Dem FA ist im Ergebnis darin zuzustimmen, daß der Steuerpflichtige kein Gebäude im Sinn dieser Vorschrift errichtete. Der erkennende Senat befaßte sich mehrfach mit der Auslegung der bezeichneten Vorschrift. Im Grundsatzurteil IV 90/63 S vom 27. Februar 1964 (BFH 79, 175, BStBl III 1964, 296) legte der Senat dar, daß die Vorschrift des § 14 BHG 1959 - jetzt § 16 BHG 1962 - , die einen ganz ungewöhnlichen Steuervorteil gewährt, nach ihrem Wortlaut und jedenfalls nicht erweiternd ausgelegt werden muß. An diesen Grundsatz knüpft dann die Entscheidung IV 278/65 vom 21. April 1966 (BFH 86, 24, BStBl III 1966, 354) an. Dort erwarb der Steuerpflichtige ein Gebäude, das er teils eigenbetrieblich, teils privat durch Vermietung nutzte und in vollem Umfang als Betriebsvermögen behandelte. Der erkennende Senat kam zu dem Ergebnis, daß der Steuerpflichtige auch auf den zum notwendigen Betriebsvermögen gehörenden Gebäudeteil keine Sonderabschreibung nach § 16 BHG vornehmen darf, weil der Erwerb eines Gebäudes der vom Gesetz geforderten "Errichtung" eines Betriebsgebäudes nicht gleichgestellt werden kann. Zweck der Sonderabschreibung ist es, nur auf neuerrichtete Betriebsgebäude eine Sonderabschreibung zuzulassen.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, so ist für die Beurteilung der Sonderabschreibung der Erwerb des Gebäudes durch den Steuerpflichtigen unerheblich. Entscheidend ist allein, ob er durch den Umbau des erworbenen Einfamilienhauses ein Gebäude "errichtete", das nicht zu mehr als 2/3 Wohnzwecken diente. Da unter bestimmten Voraussetzungen nur die "Errichtung" von Betriebsgebäuden oder betrieblich benutzten Gebäudeteilen begünstigt ist, ist die Auffassung des Steuerpflichtigen nur dann zutreffend, wenn in dem Umbau des Erdgeschosses zu Praxisräumen die "Errichtung" eines betrieblich benutzten Gebäudeteils zu sehen ist. Unter einem Umbau versteht man regelmäßig die bauliche Umgestaltung eines bereits vorhandenen und umbauten Raumes, in dem in mehr oder weniger großem Umfang die den umbauten Raum in einzelne Räume trennenden Mauern beseitigt und eine andere Raumeinteilung geschaffen wird, womit auch eine Umgestaltung oder Erneuerung von Türen, Fenstern oder Böden verbunden sein kann. Die Feststellung, ob eine solche bauliche Umgestaltung wirtschaftlich gesehen soweit geht, daß sie einer Errichtung eines neuen Gebäudes oder neuen Gebäudeteils gleichgesetzt werden kann, weil praktisch das alte Gebäude niedergerissen und durch ein neues ersetzt wurde, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet. Bei der gebotenen engen Auslegung des Begriffs der Errichtung wird man für eine solche Feststellung im allgemeinen verlangen müssen, daß auch die Außenmauern zum überwiegenden Teil nicht mehr benutzt werden und nicht lediglich eine Umgestaltung des durch die Außenmauern umbauten Raumes vorliegt.

Daß im vorliegenden Fall die Praxisräume im Erdgeschoß die bezeichneten Voraussetzungen der Errichtung eines neuen Gebäudeteils erfüllten, behauptet der Steuerpflichtige selbst nicht. Seine Auffassung, daß eine Errichtung schon vorliege, wenn erheblicher Herstellungsaufwand aus einem bisherigen Einfamilienhaus bewertungsrechtlich ein gemischtgenutztes Grundstück gemacht habe, ist unzutreffend. Denn diese auf der Veränderung der Benutzungsart beruhende Artfortschreibung des Gebäudes hängt nicht einmal von dem Umfang des Herstellungsaufwands oder dem Ausmaß eines Umbaues ab, sondern beruht auf der Änderung der Benutzung des Gebäudes. Dem FG ist auch darin zuzustimmen, daß aus der Tatsache allein, daß der Herstellungsaufwand nach Erwerb höher als die Erwerbskosten des Gebäudes war, nicht gefolgert werden kann, daß der Umbau der Errichtung eines Gebäudeteils gleichsteht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413099

BStBl II 1972, 331

BFHE 1972, 489

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