Leitsatz (amtlich)

Das Entgelt für die Übertragung des Gewinnbezugsrechts an Anteilen einer GmbH kann selbst dann zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne von § 20 Abs. 2 Nr. 2 EStG gehören, wenn die Übertragung des Gewinnbezugsrechts durch Bestellung eines Nießbrauchs an dem Geschäftsanteil dinglich gesichert ist.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 21 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3; StErlG § 2 Nr. 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtige) hat im Jahr 1962 in Berlin (West) gewohnt. Er ist am Stammkapital einer GmbH, deren Geschäftsleitung und Sitz sich in Berlin (West) befinden, zu rd. 8 v. H. beteiligt. An dieser GmbH (künftig: B-GmbH) sind außerdem eine GmbH mit Sitz in Duisburg (künftig: D-GmbH) zu 75 v. H. sowie zwei Minderheitsgesellschafter beteiligt. Die B-GmbH und die D-GmbH sind durch einen Organschafts- und Ergebnisübernahmevertrag miteinander verbunden.

Die D-GmbH hatte dem Steuerpflichtigen und den anderen Minderheitsgesellschaftern eine Dividendengarantie erteilt. Im Jahre 1961 ließ sie sich in einem notariellen Vertrag von dem Steuerpflichtigen das Nießbrauchsrecht an dessen Geschäftsanteil an der B-GmbH bestellen, und zwar zunächst auf acht Jahre. Nach dem Vertrag hat der Steuerpflichtige die Mitverwaltungsrechte und den Anspruch auf einen eventuellen Liquidationserlös behalten. Als Entgelt für die Einräumung des Nießbrauchsrechts hat der Steuerpflichtige im Jahr 1962 von der D-GmbH vertragsgemäß 40 000 DM erhalten. Auch für die Folgejahre ist dem Steuerpflichtigen ein Entgelt für das Nießbrauchsrecht zugesagt worden.

Bei der Veranlagung des Steuerpflichtigen zur Einkommensteuer für das Jahr 1962 rechnete das FA - Beklagter und Revisionsbeklagter - das Nießbrauchsentgelt zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Dabei sah es als Schuldner des Entgelts die D-GmbH an und lehnte, weil diese ihren Sitz nicht in Berlin (West) habe, die Steuerpräferenz des § 2 Nr. 5 Buchst. a des Gesetzes über Steuererleichterungen und Arbeitnehmervergünstigungen in Berlin (West) i. d. F. vom 26. Juli 1962 (StErlG, BStBl I 1962, 1 007) ab. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG wies die Berufung (Klage) im wesentlichen aus folgenden Gründen ab: Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG rechne der Gewinnanteil auf Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Auch das hier gezahlte Nießbrauchsentgelt gehöre zu dieser Einkunftsart. Denn nach § 20 Abs. 2 EStG zählten zu den Einkünften aus Kapitalvermögen besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bezeichneten Einkünften oder an deren Stelle gewährt würden. Die Entgelte oder Vorteile brauche der Berechtigte nicht unmittelbar von demjenigen zu erhalten, dem er das Kapital zur Verfügung gestellt habe. Die Nießbrauchsentgelte könnten nicht unter den Begriff der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG gebracht werden. Die Steuerpräferenz für Einkünfte aus Berlin (West) komme bei Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 2 Nr. 5 Buchst. a StErlG nur in Betracht, wenn der Schuldner der Kapitalerträge seine Geschäftsleitung und seinen Sitz in Berlin (West) habe. Die D-GmbH als Schuldnerin des Nießbrauchsentgelts habe aber unstreitig ihre Geschäftsleitung und ihren Sitz nicht in Berlin (West).

Mit der Revision rügt der Steuerpflichtige die Verletzung materiellen Rechts. Er trägt vor: In dem notariellen Vertrag vom Jahre 1961 werde der D-GmbH ein vollwirksames Nießbrauchsrecht eingeräumt. Der Nießbraucher beziehe unmittelbar eigene Einkünfte; die D-GmbH habe als Nießbraucherin folglich Einkünfte aus Kapitalvermögen. Es könne aber nicht zweimal unmittelbar und originär bezogene Einkünfte aus Kapitalvermögen geben, so daß nicht auch er solche Einkünfte erzielt habe. Die ihm gezahlte Nießbrauchsvergütung trete nicht an die Stelle der Dividende, sondern stelle eine Vergütung für ein besonderes Erträgnisrecht dar. Bei dieser Vergütung handele es sich um Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG aus der zeitlich begrenzten Überlassung des Nießbrauchsrechts. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien aber nach § 2 Nr. 6 StErlG als Berlin-Einkünfte anzusehen, wenn das zur Nutzung übertragene Recht in Berlin (West) belegen sei. Die B-GmbH, an deren Anteil das Nießbrauchsrecht bestellt sei, habe ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in Berlin (West). Selbst wenn aber, wie das FG meine, die Nießbrauchsvergütung an die Stelle der Kapitalerträge trete, müsse sinngemäß auch die B-GmbH als Schuldnerin an die Stelle der D-GmbH treten, so daß Einkünfte aus Kapitalvermögen aus Berlin (West) vorlägen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Dem FG ist zuzustimmen, daß das streitige Entgelt nicht zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG gehört. Auch Erbbauzinsen, die für das dingliche Recht gezahlt werden, auf oder unter der Oberfläche eines Grundstücks ein Bauwerk zu haben, sind nicht als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG angesehen worden, sondern als solche i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG (vgl. das Urteil VI R 259/67 vom 4. Juli 1969, BFH 96, 506, BStBl II 1969, 724, und die dort angeführte Rechtsprechung). Es handelt sich bei der Einräumung des Erbbaurechts nicht um die zeitlich begrenzte Überlassung eines Rechts. Entsprechend liegt auch im Streitfall keine zeitlich begrenzte Überlassung eines Rechts i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG vor. Zwar bestimmt diese Vorschrift den Kreis der ihr unterfallenden Rechte nicht abschließend; die Aufzählung in § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG ist nur beispielhaft, was sich vor allem aus dem Wort "insbesondere" ergibt. Die unter die Vorschrift fallenden Rechte müssen aber den ausdrücklich erwähnten doch ähnlich sein. Diese Voraussetzung wird von dem hier übertragenen Gewinnbezugsrecht des Steuerpflichtigen nicht erfüllt. Zwischen einem Gewinnbezugsrecht und "Urheberrechten", "gewerblichen Erfahrungen" sowie "Gerechtigkeiten und Gefällen" besteht insofern ein grundlegender Unterschied, als diese Rechte nicht wie das Gewinnbezugsrecht ohne weiteres Zutun einen Ertrag erbringen; sie müssen vielmehr von demjenigen, dem diese Rechte überlassen worden sind, erst ausgewertet werden. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG sollen demnach regelmäßig nicht die Entgelte für die Überlassung des (feststehenden) Ertrags eines Rechts, sondern nur diejenigen für die Überlassung des Rechts selbst besteuert werden. Im übrigen ist die Erfassung des hier streitigen Entgelts unter den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung schon deshalb ausgeschlossen, weil derartige Einkünfte nach § 21 Abs. 3 EStG anderen Einkunftsarten zuzurechnen sind, soweit sie zu diesen gehören. Das ist hier, wie sich aus dem Nachstehenden ergibt, der Fall.

Der Senat folgt allerdings nicht der Auffassung des FG, daß das streitige Entgelt zu den besonderen Entgelten oder Vorteilen i. S. von § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG rechnet. Diese Vorschrift will lediglich klarstellen, daß es auf die Bezeichnung der Erträge nicht ankommt, daß vielmehr alle Vorteile, die neben den in § 20 Abs. 1 EStG bezeichneten Einkünften oder an deren Stelle gewährt werden, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zu zählen sind. Alles, was der Anteilsinhaber auf Grund seines Anteilsrechts als solchen für die Gestattung der Kapitalnutzung erhält, soll einheitlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifiziert werden. Das hier in Rede stehende Entgelt ist aber nicht Ausfluß des Anteilsrechts in diesem Sinn; es wurde nicht für die Überlassung der Kapitalnutzung, sondern für die Überlassung des Gewinnbezugs gewährt.

Das hier empfangene Entgelt rechnet aber nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 EStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Nach dieser Vorschrift gehören u. a. Einkünfte aus der Veräußerung von Dividendenscheinen und sonstigen Ansprüchen, wenn die Aktien oder sonstigen Anteile selbst nicht mitveräußert werden, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Der Grund hierfür liegt darin, daß der Veräußerer in dem vereinbarten Entgelt wirtschaftlich den Ertrag seines ihm nach wie vor verbleibenden Kapitals zieht (vgl. das Urteil des BFH I 250/64 vom 11. Dezember 1968, BFH 94, 488, BStBl II 1969, 188). Hat deshalb nach wie vor der Veräußerer Einkünfte aus Kapitalvermögen, so führt allerdings in der Regel beim Erwerber des Dividendenscheins oder des sonstigen Anspruchs der Empfang des Gewinnanteils nicht ebenfalls zu Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern lediglich zur Einziehung der ihm abgetretenen Forderung. Deshalb hat auch hier nur der Steuerpflichtige hinsichtlich des von der D-GmbH bezogenen Entgelts, nicht aber die D-GmbH hinsichtlich des von ihr eingezogenen Gewinns Einkünfte aus Kapitalvermögen. Im Streitfall werden folglich auf Grund der Überlassung von Kapital nicht zweimal unmittelbar und originär bezogene Einkünfte aus demselben Kapitalvermögen besteuert. Die von dem Steuerpflichtigen aufgestellte Rechtsbehauptung, daß das auch grundsätzlich ausgeschlossen sei, braucht hier folglich nicht entschieden zu werden.

Wenngleich der Steuerpflichtige an seinem Geschäftsanteil ein Nießbrauchsrecht zugunsten der D-GmbH bestellt hat, braucht hier doch nicht entschieden zu werden, ob das Entgelt für eine Nießbrauchsbestellung an Wertpapieren in jedem Fall zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. von § 20 Abs. 2 Nr. 2 EStG gehört. Trotz der Nießbrauchbestellung ist doch nur die Veräußerung eines Gewinnanspruchs i. S. der vorgenannten Vorschrift gegeben. Ohne sein Anteilsrecht an der GmbH mitzuveräußern, hat der Steuerpflichtige auf beschränkte Zeit - acht Jahre - sein Gewinnbezugsrecht gegen Entgelt abgetreten. Daß der Steuerpflichtige der D-GmbH noch ein dingliches Recht eingeräumt hat, stellt nur eine zusätzliche rechtliche Sicherung dar, die aber den wirtschaftlichen Inhalt des Vertrags - Veräußerung eines Gewinnanspruchs - nicht verändert hat (vgl. die ständige Rechtsprechung: Urteile des Senats VI 169/59 S vom 21. Oktober 1960, BFH 72, 119, BStBl III 1961, 45; VI 176/56 vom 18. Juli 1958, StRK, Einkommensteuergesetz, § 21, Rechtsspruch 115; VI 251/62 U vom 11. Oktober 1963, BFH 77, 665, BStBl III 1963, 564).

Der Steuerpflichtige hat sich das Recht auf einen eventuellen Liquidationserlös vorbehalten; er hat ferner sein Mitverwaltungsrecht nicht auf die D-GmbH übertragen. Wenn auch beides bei der Nießbrauchsbestellung an einem Geschäftsanteil die Regel sein dürfte (vgl. hierzu Baumbach-Hueck, GmbH-Gesetz, 13. Aufl., § 15 Anm. 6 C), so zeigt doch die ausdrückliche Beschränkung des Umfangs des Nießbrauchsrechts im Zusammenhang mit der zeitlichen Beschränkung dieses Rechts, daß hier die dingliche Sicherung den wirtschaftlichen Inhalt des Vertrags - das Gewinnbezugsrecht zu veräußern - nicht verändern sollte. Ähnlich hat der Senat bei einer allerdings besonders kurzfristigen Nießbrauchsbestellung an einem Darlehen die bürgerlich-rechtlich gewählte Form hinter dem wirtschaftlich gewollten Ergebnis zurücktreten lassen (vgl. das Urteil VI R 274/66 vom 24. November 1967, BFH 91, 39, BStBl II 1968, 260). Um so weniger braucht dann in einem Fall wie dem vorliegenden der formellen Nießbrauchsbestellung eine besondere Bedeutung beigemessen zu werden, wenn sie offensichtlich nur der Sicherung eines obligatorischen Veräußerungsgeschäfts diente.

II.

Die demgemäß bei dem Steuerpflichtigen vorliegenden Einkünfte aus Kapitalvermögen sind nicht nach § 2 Nr. 5 StErlG begünstigt. Es ist schon fraglich, ob Einkünfte i. S. des § 20 Abs. 2 EStG überhaupt nach dem StErlG begünstigt sein können, weil nach § 2 Nr. 5 StErlG ausdrücklich nur die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. von § 20 Abs. 1 EStG als Einkünfte aus Berlin (West) bezeichnet werden. Geht man aber zugunsten des Steuerpflichtigen davon aus, daß § 20 Abs. 2 EStG nur eine Erläuterung oder Klarstellung zu § 20 Abs. 1 EStG ist und deshalb in § 2 Nr. 5 StErlG nicht ausdrücklich erwähnt zu werden brauchte, so muß die Berlin-Präferenz dennoch entfallen.

Nach § 2 Nr. 5 Buchst. a StErlG muß der Steuerpflichtige nachweisen, daß der Schuldner der Kapitalerträge seinen ausschließlichen Wohnsitz oder seine Geschäftsleitung und seinen Sitz in Berlin (West) hat. Das trifft hier aber nicht zu. Denn nach § 9 des notariellen Vertrags über die "Nießbrauchsbestellung" hat sich lediglich die D-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung außerhalb von Berlin (West) verpflichtet, die jährliche Vergütung zu zahlen. Sie hat sie auch tatsächlich gezahlt. Ein Anspruch des Steuerpflichtigen gegen die B-GmbH hat im Streitjahr nicht bestanden. Der Einwand des Steuerpflichtigen, wenn das Nießbrauchsentgelt an die Stelle der Kapitalerträge trete, müsse auch die B-GmbH als Schuldnerin an die Stelle der D-GmbH treten, ist unbegründet. Der Steuerpflichtige hat sich durch die besondere Vertragsgestaltung das Risiko hinsichtlich der Höhe der Gewinnbeteiligung an der B-GmbH durch die D-GmbH abnehmen lassen. Er hat von dieser ein völlig anders geartetes Entgelt - also keine Gewinnbeteiligung - erhalten. Zwar ist dieses Entgelt kraft Gesetzes wie die Gewinnbeteiligung zu behandeln. Durch diese gesetzliche Gleichstellung der Art des Entgelts wird aber nicht auch zugleich die allein auf tatsächlichem Gebiet liegende Schuldnerstellung verändert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68890

BStBl II 1970, 212

BFHE 1970, 546

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