Leitsatz (amtlich)

Die Instandsetzung eines Kraftfahrzeugs ist ein einheitlicher Umsatz der Reparaturwerkstatt; er kann nicht dadurch in zwei Umsätze aufgespaltet werden, daß der Kunde zwei Rechnungen erhält, eine über die Reparaturarbeiten von der Werkstatt und eine zweite über die benötigten Ersatzteile von der Firma, von der die Werkstatt die Ersatzteile bezogen hat.

 

Normenkette

UStG 1951 § 1 Nr. 1, § 2; UStDB 1951 § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) betrieb in den Jahren 1956 und 1957, auf die sich der Rechtsstreit bezieht, eine Reparaturwerkstatt für Kfz. Die benötigten Ersatzteile bezog sie von der M-GmbH, an der teilweise dieselben Gesellschafter beteiligt waren wie an der Steuerpflichtigen. In diesen Fällen erhielten die Kunden zwei Rechnungen, eine von der Steuerpflichtigen über die Reparaturarbeiten und eine weitere von der M-GmbH über die Ersatzteile.

Die Steuerpflichtige gab in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Kalenderjahre 1956 und 1957 nur die den Kunden für die Reparaturarbeiten in Rechnung gestellten Beträge als vereinnahmte Entgelte an und wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) nur mit diesen Beträgen zur Umsatzsteuer herangezogen. Aufgrund einer Anfang 1963 durchgeführten Betriebsprüfung unterwarf das FA im Wege von Berichtigungsveranlagungen gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO auch die den Kunden für die Ersatzteile in Rechnung gestellten Beträge bei der Steuerpflichtigen der Umsatzsteuer.

Hiergegen richtet sich, nachdem Einspruch und Klage keinen Erfolg hatten, die Revision der Steuerpflichtigen. Mit ihr werden Verletzung der §§ 76 Abs. 1 und 2, 96 Abs. 1 und 2 FGO sowie unrichtige Anwendung der Vorschriften des UStG 1951 (insbesondere des § 2) und der Vorschriften des BGB (insbesondere der §§ 145 ff.) gerügt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

I. ...

II.

Auch in sachlicher Hinsicht ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden.

1. Der Hinweis der Steuerpflichtigen auf das Urteil des Senats V 169/63 vom 20. Oktober 1966 (BFH 87, 283, BStBl III 1967, 159) geht fehl. Aus diesem Urteil ist nicht zu entnehmen, es genüge für die Annahme zweier Umsätze, daß das bearbeitete Material (hier: die Kraftfahrzeug-Ersatzteile) seitens der bearbeitenden juristischen Person (hier: GmbH) von einer anderen juristischen Person (hier: ebenfalls GmbH) mit gesonderter Buchführung, getrennten Geschäftsräumen und eigenem Personal bezogen wird. Die in diesem Urteil klar herausgestellte Voraussetzung, daß der Besteller zwei Aufträge erteilt, einen an die Firma, die den rohen Gegenstand liefert, und einen an die Firma, die diesen Gegenstand bearbeitet, ist im Streitfall nicht gegeben. Die Kunden der Steuerpflichtigen haben allein dieser den Auftrag erteilt, ihre Lastkraftwagen instand zu setzen.

2. Der Senat stimmt der Auffassung des FG zu, die widerspruchslose Hinnahme zweier Rechnungen durch die Kunden reiche für sich allein nicht aus, zwei Umsatzgeschäfte als ernstlich gewollt und durchgeführt anzunehmen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des RFH und BFH, daß ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang (hier: die Instandsetzung von Lastkraftwagen unter Verwendung von Ersatzteilen) umsatzsteuerrechtlich nicht in eine Warenlieferung und in eine Werkleistung aufgeteilt werden darf, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Auftraggeber aus Gefälligkeit dem beauftragten Unternehmer gegenüber mit einer solchen Aufspaltung einverstanden erklären (vgl. unter anderem das Urteil des BFH V 169/63 vom 20. Oktober 1966, a. a. O.). Dieser Grundsatz wird - entgegen der Ansicht der Steuerpflichtigen - durch das Urteil des Senats V 23/65 vom 6. März 1969 (BFH 95, 201, BStBl II 1969, 361) nicht eingeschränkt. In diesem Urteil wird nicht die Aufspaltung eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs in eine Warenlieferung und eine Werkleistung zugelassen, sondern es werden die Lieferungen zweier in einer echten Ladengemeinschaft tätigen Unternehmer dem jeweiligen Lieferer zugerechnet. Es handelt sich um zwei verschiedene Probleme.

3. Die Auffassung des FG steht mit den Vorschriften des BGB (§§ 145 ff.) nicht in Widerspruch. Ein Vertrag kommt durch die Annahme des Vertragsantrags zustande (§ 151 Satz 1 BGB). Die Rechnung, die regelmäßig erst später (nach Ausführung des Auftrags) erteilt wird, hat auf das Zustandekommen des Vertrages, dessen Inhalt sich nach den übereinstimmenden Antrags- und Annahmeerklärungen der Vertragspartner bestimmt, keinen Einfluß. Selbst wenn im Streitfalle Dauerkunden aus der doppelten Rechnungserteilung rechtliche Schlüsse im Sinne der Revisionsbegründung gezogen haben sollten, haben sie die späteren Aufträge wiederum allein der Steuerpflichtigen erteilt und damit den Willen bekundet, nur mit ihr in Rechtsbeziehungen zu treten.

4. Aber selbst wenn man im Sinne der Revisionsbegründung eine "agenturähnliche Tätigkeit" der Steuerpflichtigen annehmen wollte, würde sich an der umsatzsteuerlichen Rechtslage nichts ändern. Der BFH vertritt (ebenso wie früher der RFH) in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß bei der sogenannten "unechten Materialbei(bzw. ge)stellung", das heißt in den Fällen, in denen der Werkunternehmer an der Beschaffung des Werkstoffes in irgendeiner Weise beteiligt war, eine einheitliche Werklieferung des Werkunternehmers vorliegt (vgl. u. a. Urteil des BFH V 117/53 S vom 30. Oktober 1953, BFH 58, 196, BStBl III 1953, 366). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Auftraggeber ausdrücklich oder stillschweigend mit dem Materiallieferanten vereinbart, daß er von ihm kaufe, was der Werkhersteller bei dem Lieferanten abruft. Denn hier trägt der Werkhersteller einen wichtigen Umstand (die Konkretisierung von Art, Menge und Beschaffenheit des Materials) am Zustandekommen des Kaufgeschäfts bei und beteiligt sich damit wesentlich an der Materialbeschaffung (BFH-Urteil V 67/57 vom 20. Februar 1958, amtlich nicht veröffentlicht, aber inhaltlich wiedergegeben bei Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz, 10. Aufl., §§ 1-3 RZ 1041). Die zur Materialbei(ge)stellung entwickelten Grundsätze kommen auch bei Werkleistungen in Betracht, wenn der Unternehmer den hierbei benötigten Stoff beschafft hat und das Umsatzgeschäft als ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang anzusehen ist (BFH-Urteil V 278/60 U vom 9. April 1964, BFH 79, 261, BStBl III 1964, 325). Das Urteil des BFH V 160/60 S vom 30. Mai 1963 (BFH 77, 82, BStBl III 1963, 346, sog. "Tapetenurteil"), auf das sich die Steuerpflichtige zur Stützung ihrer abweichenden Meinung beruft, betrifft - wie in den Entscheidungsgründen dieses Urteils betont wird - einen Sonderfall, der nicht verallgemeinert werden darf (vgl. auch BFH-Urteil V 156/61 U vom 20. März 1964, BFH 79, 166, BStBl III 1964, 291). Das Urteil V 160/60 S ist - wie in der Einspruchsentscheidung zutreffend dargelegt wird - auf den Streitfall nicht anwendbar. Im Streitfalle war Gegenstand des Leistungsaustausches zwischen der Steuerpflichtigen und ihren Kunden die Reparatur von LKW unter Verwendung von der Steuerpflichtigen beschaffter Ersatzteile. Die Rechnungsbeträge für die Ersatzteile sind daher von den Vorinstanzen zu Recht den von der Steuerpflichtigen vereinnahmten Entgelten hinzugerechnet worden.

Die Revision war mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412940

BStBl II 1970, 362

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