Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung bei der Anmietung von Wirtschaftsgütern des Gesellschafters

 

Leitsatz (NV)

1. Mietet eine GmbH von ihrem beherrschenden Gesellschafter Wirtschaftsgüter an, so ist die Angemessenheit der Miete unter Heranziehung aller einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter zugänglichen Erkenntnismittel zu ermitteln. Dazu gehört einmal die Ermittlung des gemeinen Wertes der zu mietenden Gegenstände. Entscheidend ist der Vergleich des Aufwandes, der sich beim Ankauf der Gegenstände zu ihrem gemeinen Wert einerseits und bei der Anmietung andererseits für die voraussichtliche Nutzungszeit ergibt.

2. Zu berücksichtigen ist auch, ob für die Anmietung nicht noch andere Gründe sprechen (z. B. die Kündigungsmöglichkeiten des Mietvertrages, die Verteilung des Reparaturrisikos und des Risikos des zufälligen Untergangs).

 

Normenkette

KStG 1968 § 6 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Die Klin, eine GmbH, ist eine aus einer Betriebsaufspaltung hervorgegangene Betriebsgesellschaft, deren Hauptgesellschafterin Inhaberin des Besitzunternehmens (ehemalige Einzelfirma) ist. Die Inhaberin des Besitzunternehmens vermietete ab dem 1. 1. 1970 sämtliche in der früheren Einzelfirma von ihr genutzten Gegenstände an die Klin. Dabei wurde vereinbart, daß die Miete nach den in der sog. Baugeräteliste (BGL) aufgeführten Beträgen berechnet wird und die Instandsetzungsarbeiten auf Kosten der Klin durchzuführen sind.

Das FA sah einen Teil der so ermittelten Mietzahlungen als verdeckte Gewinnausschüttung an, weil die BGL 1971 von dem mittleren Neuwert der vermieteten Gegenstände ausgehe, während die tatsächlichen Anschaffungskosten des Besitzunternehmens wesentlich niedriger gelegen hätten. Der Einspruch blieb erfolglos. Das FG gab der Klage statt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der vom FA geltend gemachte Verfahrensmangel ist nicht formgerecht gerügt und greift deshalb nicht durch. Dies bedarf keiner weiteren Begründung (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -).

2. a) Unter den Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung fallen - entsprechend ihrem Wesen und der systematischen Stellung des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG 1968 - alle Vorgänge, durch die letztlich Vermögen einer Kapitalgesellschaft den Gesellschaftern oder diesen nahestehenden Personen zugeführt wird, wobei - um den Folgen des § 7 Satz 2 KStG 1968 zu entgehen - eine Beurteilung des Sachverhaltes geltend gemacht wird, die diesen nicht als Grundlage einer Ausschüttung erscheinen läßt, vielmehr eine solche ,,verdeckt". Entscheidend für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung ist, ob Leistungen an den Gesellschafter aus betrieblichen Gründen oder mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673).

b) Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist anzunehmen, wenn eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 164/82, BFHE 146, 126, BStBl II 1986, 469). Der Sorgfaltsmaßstab ist ein objektivierter (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 1977 VIII R 191/74, BFHE 123, 475, BStBl II 1978, 109). Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wird die Angemessenheit einer zu vereinbarenden Miete unter Heranziehung aller ihm zugänglichen Erkenntnismittel festlegen. Dazu gehört die Ermittlung des gemeinen Wertes der zu mietenden Gegenstände, weil ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der Frage nachgehen würde, ob nicht der Kauf gleichartiger Gegenstände kostengünstiger als die Anmietung ist. Entscheidend ist insoweit der Vergleich des Aufwandes, der sich beim Ankauf der Gegenstände zu ihrem gemeinen Wert einerseits und bei der Anmietung andererseits für die voraussichtliche Nutzungszeit ergibt. Dabei ist zu berücksichtigen, ob für die Anmietung nicht noch andere Gründe sprechen (z. B. die Kündigungsmöglichkeiten des Mietvertrages, die Verteilung des Reparaturrisikos und des Risikos des zufälligen Unterganges). Sollte die Klägerin im Streitfall die Geräte angemietet haben, obwohl der Vergleich der jeweils in Betracht kommenden Aufwände den Ankauf zum gemeinen Wert als die wirtschaftlich deutlich günstigere Lösung erwarten ließ, so spricht der äußere Anschein dafür, daß durch die Anmietung der Gesellschafterin ein Vermögensvorteil in der Form einer überhöhten Miete verdeckt zugewendet wurde. Steuerrechtlich führt dies zum Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung.

3. Im Hinblick auf die unter Nr. 2 genannten Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung hat das FG unzureichende tatsächliche Feststellungen getroffen. Das FG hat einerseits in den Entscheidungsgründen Bedenken geäußert, die vereinbarten Mietpreise als solche anzusehen, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem Vermieter gezahlt haben würde, der nicht gleichzeitig Gesellschafter der Klägerin ist. Die Bedenken des FG gründeten sich auf die vom FA angeführte Tatsache, der die Klägerin nicht widersprochen hat, daß die Jahresmiete einzelner Gegenstände im Vergleich zu ihren tatsächlichen Anschaffungskosten in einem auffälligen Mißverhältnis stand. Hiervon ausgehend wäre es für die Klägerin wirtschaftlich wesentlich günstiger gewesen, gleichartige Geräte anzuschaffen. Das FG hat jedoch seine Bedenken für die Streitjahre ,,zurückgestellt", weil einerseits nicht festgestanden habe, ob die vom FA zitierten Beispielsfälle nicht lediglich die Ausnahme gewesen seien und weil andererseits einer Beweiserhebung § 30 der Abgabenordnung (AO 1977) entgegengestanden habe. Diese Auffassung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der vom FG erwogenen Zeugenvernehmung der Vermieterin steht das Steuergeheimnis (§ 30 AO 1977) nicht entgegen. Aus § 84 FGO i. V. m. §§ 101 bis 103 AO 1977 folgt, daß die Vermieterin ein Zeugnisverweigerungsrecht nur dann mit Erfolg hätte geltend machen können, wenn dies zum Schutze bestimmter Berufsgeheimnisse (§ 102 AO 1977) oder zur Vermeidung der Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit (§ 103 AO 1977) gedient hätte. Das FG hat jedoch keine Umstände festgestellt, aus denen sich ein entsprechendes Zeugnisverweigerungsrecht der Vermieterin ergeben würde. Selbst wenn solche Umstände erkennbar wären, wäre es die freie Entscheidung der Zeugin, ob sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen möchte oder nicht. Das FG ist nicht befugt, die Berufung eines Zeugen auf sein Zeugnisverweigerungsrecht zu unterstellen.

Das Steuergeheimnis (§ 30 AO 1977) begründet dagegen für die Zeugin kein Zeugnisverweigerungsrecht. Es schützt sie nur vor der Offenbarung bestimmter Verhältnisse, Geheimnisse und Daten durch einen Amtsträger. Da die Zeugin kein Amtsträger (§ 30 Abs. 1 AO 1977) ist und auch nicht einem solchen gleichsteht (§ 30 Abs. 3 AO 1977), ist sie zur Aussage vor dem FG auch dann verpflichtet, wenn die Aussage Verhältnisse berührt, die den Schutz des § 30 AO 1977 genießen. Das FG hätte deshalb seine Bedenken gegen die Angemessenheit der vereinbarten Preise nicht ,,zurückstellen" dürfen. Es hätte den gemeinen Wert der angemieteten Gegenstände im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages entweder durch Sachverständigengutachten oder durch Vernehmung der Vermieterin als Zeugin feststellen müssen, falls nicht die Beteiligten selbst im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten nach einem entsprechenden Hinweis durch das FG den Sachverhalt in diesem Punkt ausreichend aufgeklärt hätten.

4. Der dem FG unterlaufene Rechtsirrtum ist ein ohne Rüge nachprüfbarer materieller Fehler. Er hat zur Folge, daß die auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellungen des FG unvollständig sind und deshalb revisionsrechtlich nicht nachvollzogen werden können. Der Fehler führt zur Aufhebung der Vorentscheidung (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 1975 II R 144/74, BFHE 116, 1, BStBl II 1975, 671). Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung kann erst beurteilt werden, wenn das FG den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollständig aufgeklärt hat, soweit dies tatsächlich und rechtlich möglich ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414854

BFH/NV 1987, 265

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