Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausstellung der Prozeßvollmacht im Revisionsverfahren; Festsetzung von Hinterziehungszinsen gegen GmbH

 

Leitsatz (NV)

1. Hat das FG zur Sache entschieden, kann die Prozeßführung des Bevollmächtigten noch im Revisionsverfahren durch Ausstellung einer Prozeßvollmacht genehmigt werden.

2. Eine GmbH schuldet die Hinterziehungszinsen zu Steuern, die ihr Geschäftsführer zu ihrem Vorteil hinterzogen hat.

 

Normenkette

AO 1977 § 235 Abs. 1; FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3, § 119 Nr. 4

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH. Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin ist Z.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte gegen die Klägerin Hinterziehungszinsen zur Umsatzsteuer 1987 fest und erhöhte diese nach vorheriger Anhörung der Klägerin in der Einspruchsentscheidung.

Hiergegen erhob Steuerberater X namens der Klägerin Klage und legte eine von A, dem Ehemann von Z, unterzeichnete Vollmacht vor. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) meinte, gegen die Klägerin als Kapitalgesellschaft dürften Hinterziehungszinsen nicht festgesetzt werden. Es prüfte nicht, ob die Geschäftsführerin Umsatzsteuer 1987 zum Vorteil der Klägerin hinterzogen hat.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 235 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Hinterziehungszinsen dürfen nach seiner Auffassung auch gegen Kapitalgesellschaften festgesetzt werden.

Steuerberater X legte im Revisionsverfahren eine von der Geschäftsführerin der Klägerin nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils unterzeichnete Prozeßvollmacht vor. Zu der Revision äußerte sich die Klägerin nicht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Es kann offenbleiben, ob A für die Klägerin Prozeßvollmacht erteilen konnte. Denn im Revisionsverfahren wurde eine von der Geschäftsführerin der Klägerin unterzeichnete Prozeßvollmacht vorgelegt. Dadurch genehmigte die Klägerin die Prozeßführung (vgl. § 116 Abs. 1 Nr. 3, § 119 Nr. 4 FGO). Die Genehmigung war auch noch im Revisionsverfahren möglich, weil das FG die Klage nicht wegen Fehlens einer wirksamen Vollmacht durch Prozeßurteil abgewiesen, sondern zur Sache entschieden hat. Sie wirkte auf das erstinstanzliche Verfahren zurück (vgl. dazu Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 17. April 1984 GmS-OGB 2/83 (BGHZ 91, 114, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1984, 389; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juli 1984 II R 188/82, BFHE 142, 3, BStBl II 1984, 831; vom 16. Februar 1990 III R 81/87, BFHE 160, 387, BStBl II 1990, 746).

2. Die Auffassung des FG, Hinterziehungszinsen könnten nicht gegen eine Kapitalgesellschaft, sondern nur gegen deren Geschäftsführer festgesetzt werden, steht nicht in Einklang mit § 235 Abs. 1 AO 1977. Dies hat der Senat im Urteil vom 18. Juli 1991 V R 77/87 (BFH/NV 1992, 150) entschieden. Die Regelung des § 235 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 will den steuerlichen Vorteil des Steuerschuldners abschöpfen. Dieser Vorteil liegt in der verspäteten Zahlung der geschuldeten Steuer. Bei der Inanspruchnahme des Steuerschuldners als Zinsschuldner hat das FA keinen Ermessensspielraum (BFH-Urteil vom 19. April 1989 X R 3/86, BFHE 156, 383, BStBl II 1989, 596).

Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG hat Feststellungen nachzuholen, ob die Geschäftsführerin der Klägerin zu deren Vorteil Umsatzsteuer 1987 hinterzogen hat und ggf. in welcher Höhe.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 363

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