Leitsatz (amtlich)

Zeigt sich bei einem Wechsel der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, daß die bisher für ein Seeschiff aus den ursprünglichen Anschaffungskosten entwickelten Teilwerte zu niedrig sind, so ist nunmehr von den besseren Erkenntnissen auszugehen, die sich aus der Aufdeckung stiller Reserven anläßlich des Gesellschafterwechsels ergeben haben.

 

Orientierungssatz

Der Teilwert eines einzelnen Wirtschaftsguts deckt sich in der Regel mit seinen Wiederbeschaffungskosten am Stichtag (vgl. BFH-Urteil vom 2.3.1973 III R 88/69).

 

Normenkette

BewG 1965 §§ 10, 109 Abs. 1; BewG 1974 §§ 10, 109 Abs. 1

 

Tatbestand

Umstritten ist die Höhe des Teilwertes eines Seeschiffes.

Die im Jahre 1967 in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG gegründete Klägerin hatte ein Passagierschiff in Auftrag gegeben, das am 11.November 1968 in Dienst gestellt wurde. Die Anschaffungskosten betrugen seinerzeit 39 231 900 DM.

Die persönlich haftende Gesellschafterin (A GmbH & Co. KG) hatte keine Kapitaleinlage geleistet. Am Vermögen und am Ertrag der Klägerin waren nur die Kommanditisten beteiligt.

Die B GmbH, an die das Schiff verchartert worden war, übernahm am 30.September 1973 sämtliche Kommanditanteile gegen eine Abfindung in Höhe von 85 v.H. ihres Nominalwertes. Für die ausgeschiedenen Kommanditisten entstand ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 18 176 820 DM.

Kurz darauf, am 4.Dezember 1973, veräußerte die B GmbH 85 v.H. ihrer von den ausscheidenden Kommanditisten übernommenen Kommanditbeteiligung an die C. Hierbei entstand ein weiterer Veräußerungsgewinn von 1 074 325 DM.

Die durch die Veräußerung von Kommanditanteilen aufgedeckten stillen Reserven sind in der Steuerbilanz der Klägerin auf den 31.Dezember 1973 als zusätzliche Anschaffungskosten der neuen Kommanditisten für das Seeschiff aktiviert worden.

Die Klägerin ermittelte in ihren Vermögensaufstellungen 1974 bis 1979 die Teilwerte für das Seeschiff in der Weise, daß sie von den Anschaffungskosten des Jahres 1968 ausging und AfA-Sätze sowie Nutzungsdauer nach den Richtlinien der Oberfinanzdirektion (OFD) Hamburg für die Bewertung der Seeschiffe vom 18.Januar 1962 ansetzte. Das beklagte Finanzamt (FA) leitete dagegen die Teilwerte aus den Anschaffungskosten der Gesellschafter für den Erwerb der Kommanditanteile im Jahre 1973 ab und erfaßte die bei der Übertragung der Kommanditanteile aufgedeckten stillen Reserven. Im übrigen verfuhr es nach den Richtlinien der Bewertung der Seeschiffe.

Es stellte die Einheitswerte des Betriebsvermögens für die Stichtage 1.Januar 1974 bis einschließlich 1.Januar 1979 durch Bescheide vom 15.Mai 1979 bzw. vom 26.August 1981 unter Zugrundelegung der von ihm errechneten Teilwerte des Seeschiffes fest.

Nach erfolglosen Einsprüchen hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, daß die Aufdeckung der stillen Reserven durch das Ausscheiden von Kommanditisten bei der Teilwertermittlung nicht berücksichtigt werden dürfe. Sie hat beantragt, die Einheitswerte auf den 1.Januar 1974 bis einschließlich 1.Januar 1979 entsprechend herabzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, das FA habe bei der Ermittlung des Teilwertes zu Recht die zusätzlichen Anschaffungskosten berücksichtigt, die den neuen Kommanditisten beim Erwerb der Kommanditanteile entstanden seien.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und ihren Klagantrag weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Ihre Revision ist unbegründet.

Das Urteil des FG läßt im Ergebnis einen Rechtsfehler nicht erkennen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, daß die Teilwerte des Seeschiffes an den einzelnen Stichtagen niedriger gewesen seien, als sie vom FA angesetzt worden sind.

Weder das FA noch das FG haben den Teilwertbegriff des § 10 des Bewertungsgesetzes (BewG) verkannt. Nach der Rechtsprechung deckt sich der Teilwert des einzelnen Wirtschaftsgutes in der Regel mit seinen Wiederbeschaffungskosten am Stichtag (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2.März 1973 III R 88/69, BFHE 109, 63, 66 oben, BStBl II 1973, 475). Hieran hat sich das FA gehalten, wenn es bei der Anwendung der Richtlinien für die Bewertung der Seeschiffe, die keine die Gerichte bindende Rechtsvorschrift sind, die zusätzlichen Anschaffungskosten der neuen Kommanditisten für das Seeschiff im Rahmen der Übernahme von Kommanditanteilen bei der Entwicklung der Teilwerte berücksichtigt hat.

Es mag sein, daß in der Praxis die Teilwerte für ein Schiff auf der Grundlage der ursprünglichen Anschaffungskosten entwickelt werden; hierbei handelt es sich um eine Methode, die nur solange vertretbar ist, als nicht bessere Erkenntnisse vorliegen, die zu einer zutreffenderen Wertermittlung führen. Diese besseren Erkenntnisse haben sich im vorliegenden Fall durch den Gesellschafterwechsel im Jahre 1973 ergeben. Bei dieser Gelegenheit hat sich gezeigt, daß die bisherigen Buchwerte (und die aus den ursprünglichen Anschaffungskosten entwickelten "Teilwerte") hinter den Teilwerten erheblich zurückblieben und somit hohe stille Reserven vorhanden waren. Diese sind durch die Abfindungen anläßlich des Gesellschafterwechsels aufgedeckt worden und haben zu aktivierungspflichtigen Anschaffungskosten der neuen Gesellschafter geführt, die nach den Feststellungen des FG auch tatsächlich aktiviert worden sind (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 29.Oktober 1942 III 124/42, RStBl 1943, 69, 71). Dadurch ergaben sich im übrigen zusätzliche Abschreibungsmöglichkeiten. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß die zusätzlichen Aktivierungen bei dem Seeschiff zu Unrecht erfolgt sind, daß vielmehr ein Geschäftswert hätte aktiviert werden müssen, der bewertungsrechtlich nicht als Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens zu erfassen gewesen wäre (vgl. BFH-Urteil vom 29.Oktober 1986 II R 186/79, BFHE 148, 177, BStBl II 1987, 97), sind nicht vorhanden. Unter den genannten Umständen besteht für die Klägerin kein Anspruch darauf, weiterhin Werte als Teilwerte anzusetzen, die sich anläßlich des Gesellschafterwechsels im Jahre 1973 als zu niedrig erwiesen haben. Das FA und das FG mußten vielmehr die daraus folgenden besseren Erkenntnisse berücksichtigen.

Da die Klägerin gegen die Fortentwicklung der neuen Werte für die Zeit nach dem Gesellschafterwechsel keine konkreten Einwendungen erhoben hat, und auch sonst nicht erkennbar ist, daß die fortentwickelten Werte, die von einem Wert des Schiffes am 1.Januar 1974 von 33 628 923 DM zu einem Wert am 1.Januar 1979 von 12 676 436 DM geführt haben, fehlerhaft ist, konnte die Revision der Klägerin keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61790

BStBl II 1987, 722

BFHE 150, 291

BFHE 1987, 291

BB 1987, 2218

BB 1987, 2218-2218 (ST)

DStR 1987, 634-634 (ST)

HFR 1987, 564-565 (ST)

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